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Transsexualität (eBook)

Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? - Eine Streitschrift
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
224 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30425-1 (ISBN)

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Transsexualität -
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Transsexualität und Feminismus - ein Beitrag zu einer brisanten und notwendigen Debatte. Mit diesem Sammelband wollen die beiden Herausgeberinnen aufklären. Aufklären über den Unterschied zwischen einem schwerwiegenden, psychisches Leiden erzeugenden Konflikt aufgrund der tiefen Überzeugung, im falschen Körper zu leben, und dem aktuellen Trend, bereits Geschlechterrollenirritation für »Transsexualismus« zu halten. Die Herausgeberinnen begrüßen den seit 40 Jahren möglichen rechtlichen und medizinischen Beistand bei diagnostizierter »Geschlechterdysphorie« - aber sie melden humanitäre und politische Bedenken an zu dem aktuellen Trend, bereits bei einer Rollenirritation zu schnell mit schwerwiegenden Hormonbehandlungen und Operationen zu reagieren. Nicht zufällig hat sich die Richtung der »Transition« (früher mehrheitlich vom Mann zur Frau) in den letzten Jahrzehnten statistisch umgekehrt, was unübersehbar damit zu tun hat, die Erwartungen an die einengende Frauenrolle nicht erfüllen zu können. Statt die Mädchen zu ermuntern, aus dem starren Rollenkorsett auszubrechen, wird der biologische »sex« der Genderrolle angepasst. In Alice Schwarzers und Chantal Louis' Sammelband melden sich Psychiaterinnen, Therapeuten, Pädagoginnen und Eltern jugendlicher Betroffener zu Wort, vor allem aber Betroffene selbst: Frauen, die Männer geworden sind, Männer, die Frauen geworden sind. Manche sind dabeigeblieben, andere haben »detransitioniert«. 

Alice Schwarzer, geboren 1942 in Wuppertal, lebt in Köln und Paris. Sie begann nach einem Volontariat bei den Düsseldorfer Nachrichten ihre publizistische Arbeit 1969 als Reporterin bei Pardon. 1969-74 politische Korrespondentin in Paris. 1975: »Der kleine Unterschied und seine großen Folgen«, 1977: Gründung der Zeitschrift Emma. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a. »Eine tödliche Liebe - Petra Kelly und Gert Bastian« (1994), »Marion Dönhoff - ein widerständiges Leben« (1996), »Romy Schneider - Mythos und Leben« (1998), »Lebenslauf« (2011), »Der Schock - die Silvesternacht von Köln« (2016), »Meine algerische Familie« (2018), »Lebenswerk« (2020) und mit Chantal Louis »Transsexualität« (2022). Chantal Louis, geboren 1969 in Gelsenkirchen, hat an der Universität Dortmund Journalistik und Politikwissenschaften studiert. Nach einem Volontariat bei den Ruhr-Nachrichten arbeitete sie als freie Mitarbeiterin des WDR-Landesstudio Dortmund. Seit 1994 ist sie Redakteurin bei der Zeitschrift Emma in Köln. Nach einem Auslandsstipendium im westafrikanischen Benin arbeitet Chantal Louis außerdem als freie Journalistin für Print und Hörfunk, u. a. für WDR und Deutschlandfunk. 2010 erhielt sie für eine Reportage über die Bergmannsiedlung, in der sie aufgewachsen ist, den Internationalen Journalistenpreis der Ruhr 2010. Buchveröffentlichungen u. a.: »Damenwahl: Vom Kampf um das Frauenwahlrecht bis zur ersten Kanzlerin«, zusammen mit Tissy Bruns, hg. von Alice Schwarzer (2008); »Monika Hauser: Eine Ärztin im Einsatz für kriegstraumatisierte Frauen« (2010). 2015 erschien »Ommas Glück/Das Leben meiner Großmutter in einer Demenz-WG«.

Alice Schwarzer, geboren 1942 in Wuppertal, lebt in Köln und Paris. Sie begann nach einem Volontariat bei den Düsseldorfer Nachrichten ihre publizistische Arbeit 1969 als Reporterin bei Pardon. 1969–74 politische Korrespondentin in Paris. 1975: »Der kleine Unterschied und seine großen Folgen«, 1977: Gründung der Zeitschrift Emma. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a. »Eine tödliche Liebe – Petra Kelly und Gert Bastian« (1994), »Marion Dönhoff – ein widerständiges Leben« (1996), »Romy Schneider – Mythos und Leben« (1998), »Lebenslauf« (2011), »Der Schock – die Silvesternacht von Köln« (2016), »Meine algerische Familie« (2018), »Lebenswerk« (2020) und mit Chantal Louis »Transsexualität« (2022). Chantal Louis, geboren 1969 in Gelsenkirchen, hat an der Universität Dortmund Journalistik und Politikwissenschaften studiert. Nach einem Volontariat bei den Ruhr-Nachrichten arbeitete sie als freie Mitarbeiterin des WDR-Landesstudio Dortmund. Seit 1994 ist sie Redakteurin bei der Zeitschrift Emma in Köln. Nach einem Auslandsstipendium im westafrikanischen Benin arbeitet Chantal Louis außerdem als freie Journalistin für Print und Hörfunk, u. a. für WDR und Deutschlandfunk. 2010 erhielt sie für eine Reportage über die Bergmannsiedlung, in der sie aufgewachsen ist, den Internationalen Journalistenpreis der Ruhr 2010. Buchveröffentlichungen u. a.: »Damenwahl: Vom Kampf um das Frauenwahlrecht bis zur ersten Kanzlerin«, zusammen mit Tissy Bruns, hg. von Alice Schwarzer (2008); »Monika Hauser: Eine Ärztin im Einsatz für kriegstraumatisierte Frauen« (2010). 2015 erschien »Ommas Glück/Das Leben meiner Großmutter in einer Demenz-WG«.

Inhaltsverzeichnis

Sex und Gender – ein Alarmruf


Chantal Louis

Bevor Hannahs Tochter Sofia (alle Namen geändert) an diesem Morgen in die Schule ging, legte sie ihren Eltern einen Brief auf den Tisch. Nach der Lektüre war die Mutter fassungslos. Ihre 15-jährige Tochter beglückwünschte sie dazu, dass sie »ab jetzt einen Sohn« habe. Sofia erklärte, sie sei »eigentlich ein Junge« und wolle von nun an mit männlichen Pronomen und als Julius angesprochen werden. Diese Offenbarung kam »aus heiterem Himmel«, erzählt Mutter Hannah (siehe Gespräch hier). Nie hatte Sofia geäußert, dass sie mit ihrem Mädchenkörper hadere. Im Gegenteil: »Als sie mit zwölf ihre Tage bekommen hat, war sie ganz aus dem Häuschen und total happy. Sie hat es richtig zum Thema gemacht, dass sie jetzt eine Frau wird und dazugehört.« Drei Jahre später will Sofia nicht mehr dazugehören. Warum nicht?

Seit der Grundschule ist Sofia das, was man früher eine Eigenbrötlerin nannte, heute würde man sie wohl als »nerdig« bezeichnen. Das Mädchen ist überdurchschnittlich begabt, kann mit anderen Kindern wenig anfangen. Als sie älter wird, macht sie nicht mit, was andere Mädchen machen: Klamotten und Schminken sind nicht ihr Ding. Sofia wird nicht Teil der rosa Glitzerwelt, in der so viele Mädchen in der Klasse und auch ihre zwei Jahre ältere Schwester jetzt unterwegs sind. Sie gehört nicht dazu.

Ihr Außenseiterinnentum belastet sie offenbar mehr, als sie zugibt. Im Internet findet sie etwas, das sie für eine Lösung hält: Sie ist gar kein Mädchen, sondern ein Junge. Sie ist »trans«.

Sofia ist kein Einzelfall. Einen »rasanten Anstieg« der »Zahlen für Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie/Transidentität« vermeldet das Uniklinikum Bochum mit seiner Abteilung für »Varianten der Geschlechtsentwicklung« in der Kinder- und Jugendmedizin auf seiner Website[2]. Aktuell begleitet die Abteilung nach eigenen Angaben rund 550 Kinder und Jugendliche allein aus Bochum »auf dem Weg von einem Geschlecht ins andere«. 2019 stellten sich an der Ruhr-Uniklinik über 200 »transidente« Kinder vor – 2006 hatten nur drei Kinder bzw. deren Eltern um Beratung und Hilfe gebeten, erklärt Ambulanz-Leiterin Prof. Annette Richter-Unruh in einem Interview mit der FAZ und konstatiert einen »Transgender-Hype«[3].

In der ambulanten Spezialsprechstunde für Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie an der Münchner Universitätsklinik war 2021 die Zahl der Neuanmeldungen von PatientInnen so groß, dass die Warteliste wegen der unzumutbar langen Wartezeiten vorübergehend geschlossen werden musste. »Wir werden überschwemmt von Anfragen«, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Alexander Korte, Leiter der Sprechstunde. Da die spezialisierten Ambulanzen an den Unikliniken in München, Münster, Frankfurt und Hamburg den Andrang nicht mehr bewältigen, haben inzwischen in ganz Deutschland Kliniken und TherapeutInnen ihr Angebot auf »transgender« erweitert.

Und das Phänomen ist nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern in allen westlichen Industrieländern. Als am Stockholmer Karolinska-Institut im Jahr 2000 die Gender-Ambulanz an den Start ging, hatte man es mit fünf bis zehn Fällen im Jahr zu tun. Heute hat sich die Zahl vervierzigfacht: auf jährlich 200 Jugendliche. In Großbritannien meldet die Londoner Tavistock-Klinik mit ihrer Gender-Ambulanz einen Anstieg ihrer minderjährigen PatientInnen von 50 im Jahr 2009 auf über 2000 in 2017, also ebenfalls ein Anstieg um den Faktor 40.

Was vormals als extrem seltener Einzelfall auftrat, ist zum Massenphänomen geworden. Eine Gruppe ist dabei auffallend häufig betroffen und maßgeblich für diesen Anstieg verantwortlich: Mädchen in der Pubertät. Die Zahlen sind frappant. Aktuell werden nach eigenen Angaben rund 1700 Mädchen im Tavistock Centre behandelt. Vor zehn Jahren waren es 30. Für Deutschland, liegt aktuell keine Gesamtzahl der wegen Geschlechtsdysphorie behandelten Jugendlichen vor, da diese Zahl – anders als in Großbritannien – nicht zentral erfasst wird. Doch auch deutsche Gender-Ambulanzen berichten laut einer Recherche des Spiegel, dass inzwischen acht- bis zehnmal so viele Mädchen mit dem Wunsch nach einem Geschlechtswechsel vorstellig werden wie Jungen.

Woran liegt das? Die US-Journalistin Abigail Shrier hat ein ganzes Buch über das neue Phänomen der »Rapid Onset Gender Dysphoria«[4], kurz: ROGD, geschrieben, also die in der Pubertät plötzlich einsetzende Geschlechtsdysphorie bei Mädchen: »Irreversible Damage«. Shrier konstatiert einen klaren Zusammenhang zwischen dem immer weiter zunehmenden Schlankheits- und Schönheitsdruck, dem daraus resultierenden Körperhass und den »höchsten Angst- und Depressionsraten« bei jungen Mädchen, »die je gemessen wurden«. Eine vermeintliche Lösung: den verhassten und »falschen« Körper – und die Zumutungen der Rollenzwänge – verlassen.

Der Kinder- und Jugendpsychiater Alexander Korte behandelt als Oberarzt an der Uniklinik München seit 2004 junge Menschen, die sich »im falschen Körper« fühlen. Korte ist außerdem auch auf die Behandlung von Mädchen mit Essstörungen spezialisiert, auch er sieht hier klare Parallelen: Man könne die Geschlechtsdysphorie als »moderne«, also zeitgeistige Störung betrachten, die »teilweise an die Stelle der Magersucht tritt. Beides speist sich aus derselben Quelle: eine tiefe Störung in der Wahrnehmung des eigenen Körpers.« (Siehe Interview S. 109)

Der Kampf von Mädchen und Frauen gegen die unerreichbaren Schönheitsideale auf dem Schlachtfeld Körper ist nicht neu. Er geht aber mit dem 24/7-Dauerfeuer durch filteroptimierte Influencerinnen über Instagram & Co seit einigen Jahren in eine neue Runde. Hinzu kommen die Bilder aus der – dank der Neuen Medien ebenfalls omnipräsenten – Pornografie, die einen immer sexistischeren und brutalisierteren Blick auf Frauenkörper mit sich bringt. Der Druck wird immer stärker – für manche Mädchen und junge Frauen offenbar zunehmend unaushaltbar.

Die Mädchen, die deshalb ins »starke Geschlecht« transitionieren und glauben, damit eine Antwort auf die Zumutungen des Frauseins gefunden zu haben, zahlen einen hohen Preis. Gehen sie den Weg zu Ende, heißt das: Sie nehmen Testosteron und damit irreversible Veränderungen in ihrem Körper in Kauf. Viele lassen sich zusätzlich die Brüste amputieren und Eierstöcke und Gebärmutter entfernen. Entscheiden sie sich für Letzteres, stoppen sie die natürliche Produktion von Geschlechtshormonen in ihrem Körper. Sie müssen diese Hormone dann lebenslang ersetzen, in diesem Fall: Östrogen und Progesteron durch Testosteron. Das hat Nebenwirkungen, deren wahres Ausmaß mangels Langzeitstudien noch nicht ausreichend erforscht ist.

Aber nicht nur die körperlichen Folgen sind alarmierend, auch die gesellschaftlichen Konsequenzen sind es. »Geschlechter-Stereotype werden wieder festgeschrieben«, klagt Mediziner Korte, selbst Vater zweier Töchter. Bis hin zur – womöglich als leichter empfundenen – Anpassung an die heterosexuelle Norm: Ein bisher lesbisches Mädchen, das Frauen liebt, kann jetzt ein heterosexueller »Transmann« werden.

Hinzu kommt: Eine Untersuchung der nationalen Gesundheitsbehörde in Schweden ergab, dass bei jedem dritten 13- bis 17-jährigen Mädchen mit Genderdysphorie eine Angststörung diagnostiziert worden war, bei einem weiteren Drittel eine Depression. Jede Fünfte litt an ADHS und jede Siebte an Autismus. Ist das existenzielle Unbehagen mit dem eigenen Körper tatsächlich die Ursache für diese sogenannten »Komorbiditäten«? Oder ist es womöglich nicht selten umgekehrt? Wird die Transition, also die Möglichkeit, »jemand anders« zu werden, als potenzielle Lösung für Probleme gesehen, die eigentlich woanders liegen?

Und dann sind da noch die Mädchen, die schon sehr früh erfahren mussten, dass ihr Mädchenkörper verletzlich ist und von Männern verletzt wurde. Die Flucht ins andere Geschlecht könnte für so manche ein Ausweg sein, sich vor sexueller Gewalt zu schützen.

All diese potenziellen Ursachen für den »Transitionswunsch« der pubertierenden Mädchen mit einer Geschlechtsidentitätsstörung müssten in den Blick genommen werden. »Das ist aber nicht der Fall. Wir hören immer wieder von Eltern, dass Therapeuten und Psychiater den Transitionswunsch des Kindes einfach unhinterfragt bestätigen«, klagt Lisa Müller. Sie hat 2019 die Elterninitiative »Parents of ROGD-Kids« gegründet (siehe Gespräch hier), ein deutscher Ableger der ursprünglich in den USA entstandenen Elterngruppe.

Geprägt hat den Begriff »Rapid Onset Gender Dysphoria« (ROGD) die US-amerikanische Gynäkologin Lisa Littman[5]. Die Professorin für Verhaltensforschung an der renommierten Brown University veröffentlichte im August 2018 eine Studie, für die sie 256 Eltern von Transgender-Jugendlichen befragt hatte. Littman war aufgefallen, dass auffallend oft Jugendliche aus ein und demselben Freundeskreis nach Eintreten der Pubertät plötzlich erklärten, »transgender« zu sein. Acht von zehn dieser Jugendlichen waren weiblich.

Lisa Müller und ihre MitstreiterInnen, darunter Hannah, die Mutter von Sofia, können Littmans These von der »social contagion«, der »sozialen Ansteckung«, nur bestätigen. In den Klassen ihrer Töchter gibt es manchmal fünf(!) Mädchen, die behaupten,...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2022
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Debattenbuch • Emma • Feminismus • Identitätspolitik • LGBT • Queer • Selbstbestimmung • Transgender • Transition • Transsexualität • Transsexuellen-Gesetz
ISBN-10 3-462-30425-9 / 3462304259
ISBN-13 978-3-462-30425-1 / 9783462304251
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