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My Body (eBook)

Was es heißt, eine Frau zu sein - Deutschsprachige Ausgabe
eBook Download: EPUB
2022
240 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-29118-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

My Body - Emily Ratajkowski
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Der New York Times-Bestseller jetzt auf Deutsch
»Eine kluge und glänzende Essaysammlung« (The Guardian)

In My Body, ihrem ersten, begeistert aufgenommenen Buch, offenbart Emily Ratajkowski, was es bedeutet, als Frau erfolgreich zu sein und sich in einer vom »männlichen Blick« geprägten Welt zu beweisen. In ihren ebenso klugen wie schonungslosen Texten hinterfragt Ratajkowski die Kultur der Fetischisierung von Mädchen und weiblicher Schönheit und kritisiert die Misogynie und Machtdynamiken innerhalb der heutigen Unterhaltungsindustrie. Dabei macht sie deutlich, wie schmal der Grat zwischen Stolz und Scham, zwischen Kontrolle und Ohnmacht, zwischen Einvernehmlichkeit und Missbrauch oft ist. Und vor allem zeigt sie, dass sie mehr ist, als nur ein Körper: Ratajkowski ist ehrlich, verletzlich und wütend und macht sich mit My Body zur Verbündeten aller Frauen.

Emily Ratajkowski, geboren 1991, ist ein US-amerikanisches Model, Schauspielerin, Unternehmerin, Aktivistin und Schriftstellerin. Sie ist eines der gefragtesten Laufsteg- und Covermodels der Welt und ein globales Social-Media-Phänomen mit über 28 Millionen Followern allein auf Instagram. Seit ihrem internationalen Durchbruch im Alter von einundzwanzig Jahren erhielt sie sowohl Lob als auch Kritik für die provokante Darstellung ihres Körpers, die sie als Statement feministischen Empowerments versteht. Seither hat sich Ratajkowski intensiv mit der medialen Vermarktung von Frauen und Frauenkörpern in der Unterhaltungskultur beschäftigt. Ihr 2020 im New York Magazine erschienener Essay »Buying Myself Back« erlangte in nur 24 Stunden über eine Million Klicks und wurde zum meistgelesenen Artikel des Jahres. My Body ist Ratajkowskis erstes Buch. Es erschien im November 2021 in den USA und wurde umgehend zu einem New York Times-Bestseller. Die Deutsche Ausgabe von My Body erscheint im Februar 2022 in der Übersetzung von Stephanie Singh.

Beauty-Lektionen

1

»Nach deiner Geburt«, erzählt meine Mutter, »hielt dich der Arzt in die Höhe und sagte: ›Sehen Sie sich ihre Größe an! Sie ist wunderschön!‹ Und das warst du tatsächlich.« Sie lächelt. Ich habe diese Geschichte schon oft gehört.

»Am nächsten Tag brachte er seine Kinder mit ins Krankenhaus – nur, damit sie dich sehen konnten. Du warst so ein schönes Baby.« Hier endet die Erzählung normalerweise, doch diesmal ist meine Mutter noch nicht fertig. Sie blickt unschuldig drein, wie immer, wenn sie meinem Vater oder mir etwas sagt, das sie vielleicht nicht sagen sollte. Ich mache mich innerlich bereit.

»Schon komisch«, sagt sie mit feinem Lächeln. »Neulich habe ich mit meinem Bruder geredet …« Sie ahmt seinen Ostküstenakzent nach: »Kathy, Emily war ein wunderschönes Baby. Aber nicht so schön wie du. Du warst das schönste Baby, das ich je gesehen habe.« Sie zuckt die Schultern und schüttelt den Kopf, als wolle sie sagen: »Ist das nicht verrückt?« Ich frage mich, welche Antwort sie erwartet, sehe aber, dass sie aus dem Fenster blickt und mich nicht weiter beachtet.

2

Bei einem Fotoshooting sitze ich in der Maske und unterhalte mich mit dem Assistenten der Friseurin. »Ist deine Mutter schön? Siehst du ihr ähnlich?«, fragt er, während er mir mit den Fingern durchs Haar fährt.

Er sprüht meine Haarspitzen ein, betrachtet mein Spiegelbild und macht mir Komplimente für meine Augenbrauen. »Die sehen gut aus«, verkündet er und greift nach einer Bürste.

»Welche ethnische Herkunft hast du, Mädchen?« Unterhaltungen wie diese bin ich am Set gewöhnt, sie laufen fast immer gleich ab, und ich möchte sie so schnell wie möglich abwürgen. Es gefällt mir nicht, wie diese Frage als Aufhänger für die Thematisierung der eigenen Herkunft genutzt wird, um »exotisch« zu wirken: Ich bin dreizehn Prozent dies und sieben Prozent das. Stattdessen sage ich einfach: »Ich bin ein weißes Mädchen.« Der Assistent lacht.

»Okay, weißes Mädchen.« Er grinst breit. »Ich merke aber, dass bei dir noch irgendetwas anderes drinsteckt.« Er erzählt, er selbst sei Puerto-Ricaner.

»Und deine Mama?« Er wiederholt die Frage mit echter Neugier. »Ist sie so schön wie du?«

»Ja«, antworte ich. »Noch schöner.« Er wirkt erstaunt und wendet sich wieder den Extensions zu. »Das kann nicht sein«, sagt er. Ich bin daran gewöhnt, dass sich manche Menschen unwohl fühlen, wenn sie meine Antwort hören.

»Es stimmt aber«, beharre ich sachlich. Und so meine ich es auch.

3

Meine Mutter ist eine klassische Schönheit: Sie hat weit auseinanderstehende, grüne Augen, eine schmale, elegante Nase, ist von kleiner Statur und hat eine – wie sie es bezeichnen würde – Sanduhrfigur. Ihr Leben lang wurde sie mit Elizabeth Taylor verglichen, und ich finde den Vergleich passend. Menschen aus einer bestimmten Generation sagten, sie sehe aus wie die junge Vivien Leigh. Meine Eltern bewahrten sowohl Kleines Mädchen, großes Herz als auch Vom Winde verweht als VHS-Kassetten neben ihrem Bett auf. Als Kind habe ich diese Filme unzählige Male gesehen und hatte stets das Gefühl, inmitten der Südstaatenschönheiten eine jüngere Version meiner Mutter zu sehen. Vivien Leigh warf Clark Gable einen Blick von unten zu, und ich musste an die Geschichten meiner Mutter aus der Schulzeit denken – ihre Verehrer hatten reihenweise unter ihrem Fenster gewartet. Ich stellte mir den seidigen Stoff der Schärpe vor, die sie als Königin des Schulballs getragen hatte, und das Gewicht der glitzernden Krone, die auf ihren Fotos im Jahrbuch zu sehen ist.

4

Im Wohnzimmer meiner Eltern steht ein hölzerner Buffetschrank, in dem Silberbesteck und Porzellangeschirr aufbewahrt werden. Auf dem Schrank stehen gerahmte Bilder, Souvenirs und einige kleinere Skulpturen meines Vaters. Gäste interessieren sich meist für einen Bilderrahmen, in dem zwei runde Fotos nebeneinander zu sehen sind. Rechts ein Schwarz-Weiß-Foto meiner Mutter aus ihrer Grundschulzeit. Sie trägt die Haare zu kurzen Zöpfen gebunden. Links ein Foto von mir im gleichen Alter. Meine Haare werden von einem schwarzen Band zurückgehalten. Beide Mädchen lächeln breit. Wäre das eine Foto nicht alt und vergilbt und trüge keine Jahreszahl in der rechten unteren Ecke, könnte man die Bilder für Fotos desselben Kindes halten. »Wer ist wer?«, fragen die Gäste immer.

5

Mein feines Haar hat sich schon immer schnell verknotet. Als ich klein war, benutzte meine Mutter Entwirrungsspray und einen Kamm, mit dem sie nach dem Baden die Knoten herauskämmte. Es ziepte, tat an der Kopfhaut weh und bereitete mir Nackenschmerzen, weil ich den Kopf hochhalten musste. Die Prozedur war mir verhasst. Ich konzentrierte mich auf die Sprayflasche, auf der Meerestiere abgebildet waren, und starrte auf das lächelnde, orangefarbene Seepferdchen und den moppeligen blauen Wal, während mir Tränen über das Gesicht liefen. Der süßliche Geruch des Sprays ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ich spürte, wie sich der Kamm in meine Kopfhaut grub und schrie: »Nicht!«

Ich wuchs in einem Haus ohne Decken auf. Es gab nur schräge Wände, die kurz vor dem Dach endeten, sodass meine Schreie den gesamten Raum ausfüllten. Wenn mein Vater mich schreien hörte, sang er aus dem Nebenzimmer zur Melodie von Star Wars: »Hair wars, nothing but hair wars.«

6

Ich wurde nicht religiös erzogen. Gespräche über Gott kamen in meiner Kindheit nicht vor. Ich habe nie viel gebetet, erinnere mich aber, dass ich als junges Mädchen um Schönheit betete. Ich lag im Bett, kniff die Augen zu und konzentrierte mich so stark, dass ich Schweißausbrüche bekam. Ich glaubte, damit Gott mich ernstnähme, müsse ich meinen Geist so frei wie möglich machen, mich auf die Lichtpunkte hinter meinen Augenlidern konzentrieren und nur an die eine Sache denken, die ich mir so verzweifelt wünschte.

»Ich will die Schönste sein«, wiederholte ich wieder und wieder im Kopf. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Wenn ich den anderen Gedanken nicht länger widerstehen konnte, schlief ich ein und hoffte, Gott durch meine Meditation so sehr beeindruckt zu haben, dass er mir meinen im Gebet geäußerten Wunsch erfüllen würde.

7

Ely, der Vater meiner Mutter, war ein strenger und ernster Mann. Er wurde 1912 geboren, kam aus einem kleinen Schtetl in einem Teil Polens, der heute zu Belarus gehört, und reiste über Ellis Island in die USA ein. Als talentierter Pianist schloss er mit fünfzehn Jahren ein Musikstudium an der Juilliard School ab, wurde Chemiker und Vater dreier Töchter und eines Sohnes. Er erklärte meiner Mutter, es sei unhöflich, sich nur zu bedanken, wenn die Leute ihr sagten, sie sei schön. Er hatte nicht das Gefühl, sie habe etwas erreicht.

»Was hast du schon getan?«, fragte er sie stets. »Nichts. Nichts hast du getan.«

8

Ich wusste von frühester Jugend an, dass ich mir meine Schönheit nicht verdient hatte – wie mein Großvater es meiner Mutter erklärt hatte. War meine Schönheit also etwas, das meine Mutter mir gegeben hatte? Manchmal spürte ich, dass sie einen Anspruch darauf zu haben glaubte, wie auf ein vererbtes Schmuckstück, das einst ihr gehört und das sie ihr ganzes Leben besessen hatte. Ich hatte es samt aller Tragödien und Triumphe geerbt, die sie selbst damit erlebt hatte.

9

»Zieh an, was du willst, Ems«, sagte meine Mutter immer. »Mach dir keine Gedanken um andere Leute.« Sie wollte, dass ich mich nicht schämte und mein Aussehen und die damit verbundenen Möglichkeiten annahm.

Mit dreizehn wurde ich von einer Tanzveranstaltung nach Hause geschickt, weil die Aufsichtspersonen mein Kleid zu sexy fanden. Meine Mutter hatte es mit mir gemeinsam gekauft. Es war babyblau, aus dehnbarer Spitze und schmiegte sich eng an meine gerade erst entwickelten Brüste und Hüften. Als ich unsicher aus der Umkleide trat, stand meine Mutter auf und umarmte mich.

»Du siehst wunderbar aus«. Sie lächelte warm.

»Ist das nicht zu sexy?«, fragte ich.

»Überhaupt nicht. Du hast eine wunderschöne Figur.« Meine Mutter wollte nicht, dass ich glaubte, Körper oder Schönheit im Übermaß zu besitzen. »Falls es die Leute stört, ist das ihr Problem«, pflegte sie zu sagen.

Als sie mich von der Tanzveranstaltung abholte, war ich in Tränen aufgelöst, beschämt und verwirrt. Sie strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr und umarmte mich. »Diese Leute können uns mal«, sagte sie. Sie bereitete mir ein besonderes Abendessen zu und erlaubte mir, beim Essen irgendeinen dummen Film anzusehen. Später schrieb sie mit meiner Erlaubnis einen gepfefferten Beschwerdebrief.

»Denen werde ich was erzählen«, verkündete sie.

10

Ich versuchte herauszufinden, wo in der Welt der Schönen meine Eltern meinen Platz sahen. Beiden, vor allem meiner Mutter, schien es wichtig zu sein, dass ihre Tochter als schön wahrgenommen wurde. Gerne erzählten sie Freunden davon, wie ich von Modelscouts angesprochen wurde, und als ich später den ersten Modelvertrag unterschrieben hatte, berichteten sie von meinen Erfolgen. Sie hielten die Arbeit als Model für eine Gelegenheit, die sie mir als verantwortungsvolle Eltern bieten sollten. »Sie kann viel Geld verdienen. Gibt es Porträtfotos von ihr?«, fragte einmal eine Frau, als ich im Supermarkt an der Kasse stand. Auf dem Weg zurück zum Auto musste meine Mutter mir erst erklären, was ein Porträt ist.

Irgendwann...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2022
Übersetzer Stephanie Singh
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • Aktivismus • Baby Woman • Biografie • Biographien • blurred lines • Buying Myself Back • choice feminism • eBooks • emilie pine • Emily Ratajkowski • Empowerment • Emrata • Fashion • Feminismus • Feministin • Gone Girl • Jia Tolino • Jonathan Leder • #metoo • metoo • Mode • Modeindustrie • Model • Neuer Feminismus • Neuerscheinung • NFT-Kunst • Psychologie • rebecca solnit • Robin Thicke • Selbstdarstellung • Sex • sex life • Sexualisierung • Supermodel • Wahlfreiheit • Weibliche Sexualität • Weiblichkeit
ISBN-10 3-641-29118-6 / 3641291186
ISBN-13 978-3-641-29118-1 / 9783641291181
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