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Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich

Die neue Klassenjustiz

(Autor)

Buch | Hardcover
272 Seiten
CHF 27,95 inkl. MwSt
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Der Rechtsstaat bricht sein zentrales Versprechen: das Versprechen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sie sind nicht gleich.

Das Recht hierzulande begünstigt jene, die begütert sind; es benachteiligt die, die nichts haben. Wirtschaftsdelikte in Millionenhöhe werden mit minimalen Strafen belegt oder eingestellt. Prozesse gegen Menschen, die einen Wodka stehlen, enden hart und immer härter.

In einer spannenden Reportage deckt Ronen Steinke systematisches Unrecht auf. Er besucht Strafanstalten, recherchiert bei Staatsanwälten, Richtern, Anwälten und Verurteilten. Und er stellt dringende Forderungen, was sich ändern muss.

Ronen Steinke ist Redakteur und Autor der Süddeutschen Zeitung. Seine juristische Doktorarbeit über Kriegsverbrechertribunale von 1945 bis heute wurde von der FAZ als »Meisterstück« gelobt. Im Piper Verlag erschien seine Biografie über Fritz Bauer, den mutigen Ermittler und Ankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, die mit »Der Staat gegen Fritz Bauer« 2015 preisgekrönt verfilmt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Im Berlin Verlag erschien 2017 das hochgelobte Buch Der Muslim und die Jüdin. Die Geschichte einer Rettung in Berlin und 2020 Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt.

Wie entstand die Idee für Ihr Buch „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“?

„Ein Blick in die Nachrichten genügt: Die deutsche Justiz hat sich in jüngerer Zeit mit Millionen-Coups beschäftigt, wie es sie lange nicht mehr gab, sei es der gigantische Cum-ex-Steuerbetrug oder der VW-Skandal um Abgasmanipulationen mit Millionen Opfern. Das Verfahren gegen den VW-Chef ist eingestellt worden, gegen Zahlung einer Geldauflage. Das hat sein Unternehmen für ihn getan. Und das Unternehmen konnte diese Summe – von der Steuer absetzen.

Das bedeutet: Von dieser Summe hat der VW-Chef am Ende nichts zu spüren bekommen, wohl aber die Allgemeinheit der Steuerzahlenden.

Als Jurist habe ich selbst oft erlebt, wie Menschen schon wegen kleiner Diebstähle aus Not relativ hart bestraft werden. Die meiste Kriminalität in Deutschland ist Elendskriminalität. Und hier fehlt es den Betreffenden oft an allem. An teuren Anwälten sowieso, aber auch an einem System, das für sie angemessene Regeln bereithält.“



Wie lief Ihre Recherche ab?

„Ich war in Gerichtssälen, in die sich so gut wie nie Journalist/innen verirren; bei Verhandlungen, in denen es beispielsweise um den Diebstahl von nur einer Packung Kerzen im Wert von 4,99 Euro durch eine schwerbehinderte Rentnerin geht oder um den Diebstahl von zwei Kürbiskernbrötchen und ein paar Tomaten im Supermarkt. Dort werden Menschen abgeurteilt, die oft schon gestraft sind. Arme und Kranke. Im Viertelstundentakt, wie am Fließband.

Ich habe ein Gefängnis besucht, das es so gar nicht geben dürfte, die Justizvollzugsanstalt Plötzensee in Berlin: In einem uralten, verwitterten Backsteinbau dort sitzen Gefangene, die allesamt gar nicht zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, sondern lediglich zu Geldstrafen. Sie sitzen, weil sie nicht bezahlen konnten. Die meisten von ihnen sind psychisch krank, drogenabhängig, arbeitslos. Dafür büßen sie doppelt.

Und ich war unterwegs mit einigen der besten, auch bestbezahlten Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger dieses Landes. Mit Juristen, die ihre Mandanten sehr gut schützen können gegen Vorwürfe der Steuerhinterziehung, der Korruption oder der Umweltsünden. Mit Einstellungen gegen Auflagen. Deals. Strafrabatten.

Das ist, soweit die Gesetze es zulassen, völlig legitim. Natürlich darf jeder Mensch seine Rechte im Verfahren, auch seine taktischen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Schön wäre nur, jeder hätte die gleiche Chance dazu, anstatt dass es so stark vom individuellen Geldbeutel abhängt.“



In Ihrem Buch stellen Sie wichtige Forderungen, was sich ändern sollte. Welche Forderung sollte zuerst umgesetzt werden und warum?

„Es ist traurig, es ist absurd: An die 50 000 Menschen kommen jedes Jahr in Deutschland ins Gefängnis, bloß weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen können. Dabei geht es teilweise um sehr kleine Beträge. Das zerstört Familien, Beziehungen, Perspektiven. Damit müssen wir in Deutschland dringend aufhören.

Das ist wahnsinnig teuer. Ein Hafttag kostet den Staat 150 Euro, in manchen Bundesländern 180, das ist wie eine Übernachtung im Nobelhotel. Es bringt dem Staat nichts. Es gibt keine Einnahmen, die Geldstrafen werden ja trotzdem nicht bezahlt.

Und das Land wird auch nicht sicherer. Denn die Haft für die Straftäter ist in der Regel so kurz, dass es nicht reicht für eine Drogentherapie oder irgendetwas anderes Sinnvolles. Sobald der erste Schock über die Inhaftierung verwunden ist, sind die Leute schon wieder draußen. Mit mehr Problemen, als sie vorher hatten.

Schon ein Bruchteil des Geldes, das der Staat jedes Jahr sinnlos in diese Bestrafung steckt, würde manchen armen Straftäter von Schwarzfahren und Ladendiebstählen wirksamer abhalten können.“

Erscheinungsdatum
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 128 x 210 mm
Gewicht 474 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Bagatelldelikt • Beschaffungskriminalität • Diebstahl • Diskriminierung • Drogendelikt • Eigentumsdelikt • Ersatzfreiheitsstafe • Freiheitsentzug • Gerichtsbeschluss • Gerichtsfälle • Gerichtsgutachten • Gesetz • Hartz-IV-Empfänger • Justizirrtum • Justizskandal • Klassenjustiz • Klassenunterschiede • Korruption • Prozessordnung • Rechtsprechung • Rechtsstaat • soziale Härte • Soziale Ungerechtigkeit • Soziale Ungleichheit • Strafrecht • Straftat • Wirtschaftsdelikt
ISBN-10 3-8270-1415-8 / 3827014158
ISBN-13 978-3-8270-1415-3 / 9783827014153
Zustand Neuware
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