Tutanchamun (2. Teil) (eBook)
370 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-2217-8 (ISBN)
Dr. Michael E. Habicht, studierte Klassische Archäologie und Ägyptologie den Universitäten Zürich und Basel. Er hat sich auf das Neue Reich, die Königsgräber und Unterweltsbücher, sowie auf die Zeit von Echnaton, Nofretete und Tutanchamun spezialisiert. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Alten Ägypten, Mumien und Paläopathologie publiziert (Lancet, PLoS One, Circulation Research). Er ist Senior Research Fellow an der Flinders University, Adelaide (Australien) und wissenschaftlicher Experte am FAPAB Research Center in Avola (Italien). Homepage: https://www.michaelhabicht.info/ Facebook: https://www.facebook.com/michael.e.habicht/ Academia: https://flinders.academia.edu/MichaelEHabicht
Die Totenmaske aus Gold
Fundnummer 256A JE 60672
Höhe: 54 cm, Breite: 39.9 cm, Tiefe: 49 cm Gewicht: 11 kg Gold, Lapislazuli, Quarz, grüner Feldspat, Obsidian, Karneol, Türkis und Glas.
Die goldene Totenmaske von Tutanchamun dürfte das berühmteste altägyptische Einzelobjekt der Welt sein, der kulturelle Wert nicht mehr bezifferbar. Die Maske hat die Vorstellung vom Aussehen des Königs viel mehr geprägt als die Mumie selbst. Die Maske ist aus zwei separaten Hälften getrieben und danach zusammengesetzt worden. Der König ist mit dem Nemes-Kopftuch bekleidet, die Musterung spielt mit dem Farbkontrast des Goldes und dem blauen Glasflußeinlagen, welche Lapislazuli imitieren. Auf der Stirne sind die königlichen Schutztiere Geier (Nechbet, die Schutzgöttin Oberägyptens) und Schlange (Wadjet, auch Uto genannt, die Schutzgöttin Unterägyptens) angebracht. Die Maske schließt nach unten elegant ab, indem der König einen zwölfteiligen, schweren Halskragen trägt, der in Falkenkopfenden ausläuft. Am Kinn trägt er den falschen Götterbart, die Befestigungsriemen sind nicht wiedergegeben.
Tutanchamuns Ohren sind auf der Maske mit auffallend großen Ohrlöchern dargestellt, was mit den großen Ohrschmuckstücken in seinem Grab korreliert. Die Lippen von Tutanchamun werden sehr voll und etwas aufgeworfen dargestellt, was an die Munddarstellung seines Vaters Echnaton erinnert. Die Darstellung des Königs auf der Maske ist zweifelsohne idealisiert, doch eine Ähnlichkeit mit der vor wenigen Jahren erstellten Gesichtsrekonstruktion ist klar gegeben.
Die Rückseite der Maske ist weniger bekannt, da sie nur selten von hinten abgebildet ist. Das Nemes-Kopftuch ist zu einem Stoffzopf zusammengedreht und umwickelt. Die blauen Glaseinlagen des Kopftuches sind auf der Rückseite beschädigt und teilweise herausgebrochen. Der untere Abschluß der Maske ist hier eine Schulterplatte welche einen religiösen Text trägt und den theologischen Sinn der Totenmaske erläutert. Totenmasken waren eine übliche Ausstattung für das Jenseits, auch Privatpersonen ließen sich Totenmasken anfertigen. Natürlich waren Masken aus Goldblech der Elite vorbehalten. Wie der Schatzfund von Tanis nahelegt, kann man davon ausgehen, daß alle Könige zumindest ab der Zeit des Neuen Reiches einst mit Edelmetallmasken ausgestattet waren. Der Textauszug auf der Rückenplatte stammt aus dem Totenbuchspruch Nr. 151, welcher sich mit der Gliedervergöttlichung befaßt. Die Körperteile des Toten werden mit Erscheinungsformen von Göttern gleichgesetzt. Da die Götter unsterblich sind, soll so auch der Körper des Toten unsterblich werden. Der Spruch der Nephthys, wonach dem Toten der Kopf nicht weggenommen sein soll, wurde allerdings von Douglas Derry und Howard Carter mißachtet, als sie die Mumie des Königs regelrecht in Stücke rissen, um ihn aus dem Sarg zu holen. Die Existenz des Totenbuchsspruchs Nr. 151 ist erst seit etwa 1967 in der Forschung bekannt [222]. Sowohl auf der Totenmaske als auch auf dem Goldsarg wird eine Variante des sonst üblichen Spruchs verwendet, die Idealfasssung wird abgekürzt [222].
Totenbuch, Spruch 151: Spruch für den geheimen Kopf (Mumienmaske): Idealfassung (nach Erik Hornung), Zeilen 1-40:
Es spricht Anubis, der Balsamierer, Gebieter der Gotteshalle,
wenn er seine Hände auf den Sarg des [Name des Toten] gelegt
und ihn ausgerüstet hat mit dem, was (er) braucht:
„Sei gegrüßt, Schöngesichtiger, Herr des Schauens,
den Ptah-Sokar zusammengefügt und Anubis erhöht hat,
Thot, Schöngesichtiger unter den Göttern!
Dein rechtes Auge ist die Nachtbarke,
dein linkes Auge ist die Tagesbarke,
und deine Augenbrauen sind die Götterneunheit.
Dein Scheitel ist Anubis
dein Hinterkopf ist Horus,
deine Haarlocke ist Ptah-Sokar.“
Du (Anubis) stehst vor [Name des Toten] – durch dich sieht er.
(Du) leitest ihn zu den guten Wegen,
du schlägst für ihn die Bande des Seth zurück
und wirfst für ihn seine Feinde unter seine Füße
vor der großen Neunheit im großen Fürstenhaus in Heliopolis.
Du trittst den guten Weg an vor Horus, dem Herrn der Vornehmen.
Isis spricht: „Ich bin gekommen, damit ich dein Schutz sei,
ich habe Atemluft an deine Nase gefächelt,
den Nordwind, der aus Atum hervorgeht.
Ich habe dir deine Kehle zusammengefügt
und ich habe dich ein Gott sein lassen,
deine Feinde unter deinen Sohlen,
(so daß) du triumphierst in Himmel bei Re
und machtvoll bist unter den Göttern,
über Menschenaugen verfügst,
und deinen Gang gehst, den Gang des siegreichen Horus.“
Nephthys spricht: „Ich habe meinen Bruder Osiris umkreist.
Ich bin gekommen, damit ich dein Schutz sei,
mein Schutz ist um dich, ist um dich ewiglich!
Dein Rufen ist von Re erhört,
gerechtfertigt bist du durch die Götter.
Erhebe dich, damit du über das triumphierst, was dir angetan wurde!
Ptah hat deine Feinde zu Fall gebracht.
Du bist Horus, der Sohn der Hathor,
und es soll gegen den vorgegangen werden, der gegen dich vorging;
dein Kopf kann dir nicht fortgenommen werden bis in Ewigkeit!“
Der Spruch von Tutanchamuns Maske weicht wie folgt von der kanonischen Form ab:
Thot Schöngesichtiger unter den Göttern!
Üblicher ist: dem Shu Unterstützung gab,
dein Hinterkopf ist Horus
Nun folgt kanonisch der bei Tutanchamun ganz weggelassene Satz:
deine Finger sind Thot
Neue Theorie zur Totenmaske
Im Rahmen einer Veranstaltung des Metropolitan Museums präsentierte Nicholas Reeves 2011 die Theorie, wonach die weltbekannte Maske von Tutanchamun ursprünglich gar nicht für den jungen König hergestellt sein könnte [183]. Denn die Materialuntersuchung der Japaner Uda und Yoshimura hat gezeigt, daß die Zusammensetzung des Goldes innerhalb der Goldmaske variiert [223]. Sowohl zwischen dem Innenkern und der Oberfläche, als auch bei den verschiedenen Partien gibt es Unterschiede in der Zusammensetzung der Goldlegierung. Ein silbrigeres, helleres Gold diente zur Herstellung des Gesichtes, während das Kopftuch aus rötlicherem Gold gefertigt wurde.
Gesichtspartie im Kern: 96.6 % Gold (= 23.3 Karat)
1.0 % Silber
2.4 % Kupfer
Gesicht Oberfläche: 76.8 % Gold (= 18.4 Karat)
11.2 % Silber
12.0 % Kupfer
Nemestuch im Kern: 97.8 % Gold (=23.5 Karat)
1.4 % Silber
0.8 % Kupfer
Nemestuch Oberfläche: 93.8 % Gold (= 22.5 Karat)
3.2 % Silber
2.9 % Kupfer
Wie schon Photographien von Harry Burton zum Zeitpunkt der Entdeckung zeigen, hatte das Nemeskopftuch auf der Höhe des Halses an der linken Seite zwei Löcher. Nach Reeves diente das Loch zur Befestigung des Dreschflegel-Szepters und war eine sekundäre, ausgesprochen grobe Methode zur Fixierung, jedoch notwendig, um die Mumie im Rahmen des Mundöffnungsrituals in die Senkrechte zu stellen.
Die Totenmaske ist gemäß den Röntgenaufnahmen aus acht Blechteilen zusammengesetzt. Allein das Gesicht besteht aus 4 Teilen (Gesicht, je ein Ohr und der separat gefertigte Götterbart). Weil die blauen Teile im Nemeskopftuch aus blauem Glas, die Augenränder und Augenbrauen des Gesichtes aber aus blauem Lapislazuli bestehen, schlußfolgerte Reeves, daß die Maske abgeändert worden sei. Das Gesicht eines seiner Vorgänger könnte herausgeschnitten und sekundär durch das Gesicht von Tutanchamun ersetzt worden sein. Reeves selbst schätzt die Chancen für seine Theorie mit 50:50 ein. Goldfolienreste, auf der Maske liegend und von Carter dokumentiert, bezeugen, daß die großen Ohrlöcher des Königs einst damit verstopft wurden. Auch beim Goldsarg wurden sie sekundär mit Folie gefüllt, sind dort aber als Eindellung noch sichtbar. Denn wirklich durchbrochene Ohrlöcher sind laut Reeves extrem selten in ägyptischen Darstellungen. Sie finden sich nur bei der Darstellung von Königen als Kinder mit der Jugendlocke und beim berühmten Kopf auf der Lotusblüte (Fundnummer 8). Dort sind sogar beim rechten Ohrloch noch der Zapfen eines großen Ohrschmucks erhalten. Die logische...
Erscheint lt. Verlag | 4.9.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Archäologie |
Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► Altertum / Antike | |
Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► 1918 bis 1945 | |
Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft | |
Sozialwissenschaften ► Kommunikation / Medien | |
Schlagworte | Ägypotologie • anchesenamun • Antike Kunst • Bestattungskultur • Biographie Nordafrikaner • Howard Carter • Mumienforschung • Museologie • Rechtsmedizin • Semenchkare • Tutanchamun |
ISBN-10 | 3-7543-2217-6 / 3754322176 |
ISBN-13 | 978-3-7543-2217-8 / 9783754322178 |
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