Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Motivierte Klienten trotz Zwangskontext (eBook)

Tools für die Soziale Arbeit
eBook Download: EPUB
2021 | 3. Auflage
168 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61467-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Motivierte Klienten trotz Zwangskontext -  Wolfgang Klug,  Patrick Zobrist
Systemvoraussetzungen
25,99 inkl. MwSt
(CHF 25,35)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
'Sie können mir doch eh nicht helfen!' Solchen Aussagen und Haltungen begegnen SozialarbeiterInnen, wenn sie mit unfreiwilligen KlientInnen arbeiten. In Zwangskontexten kann Motivation nicht vorausgesetzt werden, aber SozialarbeiterInnen können sie fördern! Wie entsteht Motivation und wie kann sie verändert werden? Wie kann die Fachkraft-Klient-Beziehung motivationsfördernd gestaltet werden? Und wie geht man mit Widerstand professionell um? Auf die Grundlagen folgt ein umfangreiches Manual mit 15 Interventionsanleitungen für die konkrete Arbeit mit den KlientInnen. Online: 20 Arbeitsblätter zum Downloaden und Ausdrucken!

Prof. Dr. Wolfgang Klug, Dipl. Soz.-Päd., lehrt Soziale Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt / Ingolstadt. Patrick Zobrist, Dipl. Sozialarbeiter, ist Dozent und Projektleiter im Bereich Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern.

Prof. Dr. Wolfgang Klug, Dipl. Soz.-Päd., lehrt Soziale Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt / Ingolstadt. Patrick Zobrist, Dipl. Sozialarbeiter, ist Dozent und Projektleiter im Bereich Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern.

2 Wie entsteht Motivation?

Bereits im Eingangskapitel wurden die verschiedenen Faktoren genannt, die für Motivation generell verantwortlich sind. Im Folgenden geht es nunmehr um Veränderung von Motivation unter den Bedingungen des Zwangskontextes. Dabei gehen wir zunächst von der Situation aus, dass die von der Gesellschaft geforderte Veränderung (z. B. Drogenfreiheit) vom Klienten (noch) nicht gewünscht wird. Anhand dieser Ausgangssituation können wir die Mechanismen der Motivationsentstehung noch einmal konkretisieren, indem wir sie auf diese Situationen anwenden.

2.1 Behandlungsmotivation oder Veränderungsmotivation?

Der allgemeine Motivationsbegriff ist der Rahmen, in dem sich die Veränderungsarbeit innerhalb eines Zwangskontextes abspielt. Dieser allgemeine Motivationsbegriff lässt sich weiter ausdifferenzieren. In der Literatur finden sich zahlreiche Begriffe, was innerhalb eines Behandlungskontextes darunter zu verstehen ist. Veith (1997) widmet gar seine Dissertation dem Thema der „Spezifizierung einer unspezifischen Therapievariablen“ (so der Untertitel seiner Dissertation). Wenn wir ihm folgen, so finden wir drei Motivationsklassen:

a) Therapiemotivation: Gemeint ist das, was häufig als „Behandlungsmotivation“ begriffen wird. Kriterien sind z. B. die Einhaltung der Regeln der Therapie, die korrekte Einnahme von Medikamenten, die Übernahme der Diagnose des Therapeuten (Meichenbaum/Turk 1994). Sie wird verstanden als Resultate von Leidensdruck und der Zuversicht, durch die Behandlung diesen Leidensdruck erfolgreich vermindern zu können (Suhling et al. 2012). Vermischt werden beide Motivationsstränge hauptsächlich, so Heidenreich, in der Psychoanalyse (Heidenreich 2000, 27), was zu der ebenso fatalen wie verbreiteten Anschauung mancher Professioneller führte, dass der Leidensdruck hoch gehalten werden müsse, um die Behandlungsmotivation zu stärken (so postuliert Petry 1993, 135: der Klient muss seine Situation unerträglich finden und überzeugt sein, dass angebotene Behandlung bei der Lösung der Schwierigkeiten erfolgreich sei). Wichtige Parameter wie die Selbstwirksamkeitserwartung, aber auch die Person des Therapeuten sowie weitere Ressourcen bleiben außen vor, wenn es darum geht, „nichtbewußte kognitive Mechanismen“ aufzudecken (172). Einen gewichtigen Grund gegen eine solch vereinfachende Sichtweise nennen Michalak et al. (2007, 1333), wenn sie betonen, dass ein Mensch, selbst wenn er leidet, beispielsweise dann nicht zur Veränderung motiviert sei, wenn er andere Menschen für sein Leiden verantwortlich mache. Zudem ist die Therapiemotivation schwer zu messen (Sonnenmoser 2017).

b) Veränderungsmotivation: Veränderungsmotivation „wird als eine dynamische, veränderliche Größe verstanden, die inhaltlich in der Bereitschaft besteht, in Zukunft nach anderen Lebenswegen zu suchen, eigene Auffassungen zu revidieren und Dinge wertzuschätzen bzw. zu tolerieren, die die Betroffenen zuvor abgelehnt haben“ (Suhling/Cottonaro 2005, 385). Der Fokus liegt hier nicht auf der Einhaltung der Regeln der Behandlung, sondern auf der Selbstattribution des Verhaltens des Klienten: Er sieht ein, dass sich sein Denken und Verhalten ändern muss. Wenn wir uns z. B. einen Drogenabhängigen vorstellen, so stellt er sich (und wir uns mit ihm) die Frage nach den Vor- und Nachteilen seiner Drogensucht, nach den Gewinn- und Verlustteilen, kurz: nach Gründen für das Beibehalten oder das Verändern des Verhaltens. Miller nennt den Fokus deshalb „the probability that a person will enter into, continue and adhere to a specific change process“ (Miller 1985, 88). Diese Veränderung relevanter Aspekte seines Verhaltens (Heidenreich 2000, 27) ist nicht vorauszusetzen, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass der Drogenabhängige, der gern zur Beratung kommt, mithin eine Kontaktmotivation hat, schon zur Veränderung motiviert ist (29). Insofern müssen Kontaktmotivation und Veränderungsmotivation genau unterschieden werden.

c) Beziehungsmotivation: Die dritte Komponente, die Klienten motivieren kann, entspringt aus dem Anschlussmotiv, also dem Bestreben, zu einer menschlichen Gemeinschaft zu gehören. Im Zusammenhang mit der damit möglichen motivierenden Therapeutenbeziehung, schreiben Noack und Beiling (2019, 24):

„Die Entwicklung einer guten therapeutischen Beziehung in der Zusammenarbeit von Patient und Behandler ist von wesentlicher Bedeutung im Aufbau, der Sicherstellung und Steigerung von Motivation; sowohl im Hinblick auf die Motivation, eine Therapie nach einem ersten Kennenlernen aufzunehmen und fortzusetzen (Therapiemotivation), als auch in der Therapie notwendige Verhaltensänderungen vorzunehmen (Veränderungsmotivation).“

Diese Aussage gilt selbstverständlich für Psychotherapie genauso wie für Soziale Arbeit.

Bedeutung für die Soziale Arbeit

Sozialarbeiterisch gesehen müssen wir die angestrebte „Veränderungsmotivation“ als eine Oberkategorie zur dargestellten „Behandlungsmotivation“ sehen, die auch ohne Veränderungsmotivation denkbar ist, z. B. um dem Gefängnis zu entkommen (Suhling/Cottonaro 2005, 386). Gerade in Zwangskontexten ist es deshalb fatal, Behandlungsmotivation und Änderungsmotivation gleichzusetzen. Ein Klient mag durchaus äußerlich „compliance“ zeigen, weil er sich davon Vorteile verspricht (z. B. Hafterleichterung), ohne im Mindesten veränderungsbereit zu sein. Insofern muss der Fokus unserer Untersuchung zunächst eindeutig auf der Veränderungsmotivation liegen, ohne wichtige Aspekte von Beziehungs- und Behandlungsmotivation zu vernachlässigen. Man kann sich im Übrigen auch das Umgekehrte vorstellen: Klienten, die sich verändern wollen, aber nicht glauben, dies mit dem zwangsweise zugewiesenen Berater durchführen zu können.

2.2 Bedingungen für das Entstehen von Motivation

In jüngeren Publikationen wird eine erweiterte Sicht der Veränderungsmotivation angeboten, die wie folgt charakterisiert werden könnte (nach: U. S. Department of Health and Human Services 2006):

Die Entstehungsbedingungen der Motivation sind dynamisch (→ 2.2.1).

Motivationsentstehung ist ein komplexer Vorgang (→ 2.2.2).

Motivation ist beeinflusst von sozialer Interaktion (→ 2.2.3).

Motivation setzt Wollen in Handlung um (→ 2.2.4).

2.2.1 Die Dynamik der Entstehung von Motivation

Grundbedürfnisse

Grawe (2004) geht von einer prinzipiellen Annahme aus: So wie ein Mensch im physischen Bereich Grundbedürfnisse hat (Maslow (1954) hat in seiner Bedürfnispyramide von einer hierarchischen Ordnung gesprochen, nach der die „Basis“ beispielsweise aus Essen, Trinken, und körperlicher Unversehrtheit besteht), so gibt es auch im psychischen Erleben Grundbedürfnisse.

Grawe kann vier solcher psychischen Grundbedürfnisse identifizieren (zum Modell von Grawe → Abb.1):

1. Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle

2. Bedürfnis nach Lustgewinn/Unlustvermeidung

3. Bindungsbedürfnis

4. Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung/-schutz

(Grawe 2004, 189)

Wie bei körperlichen Bedürfnissen auch unternehmen der menschliche Organismus und sein psychischer Apparat alles, um die psychischen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die Mittel, die das Individuum dazu entwickelt, die Strategien und Vorgehensweisen, nennt Grawe die „motivationalen Schemata“. Diese bestehen jeweils aus einer Erwartung und einem differenzierten Verhaltensrepertoire zur Realisierung der Ziele. Soll also ein Bindungsbedürfnis realisiert werden, ist das motivationale Schema einerseits die Erwartung an ein anderes Wesen, dass es das eigene Bedürfnis erfüllen kann, andererseits ein bestimmtes Verhalten, um mit diesem Wesen eine Bindung eingehen zu können. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass in der nun folgenden Interaktion eine Rückmeldung erfolgt, ob das Verhalten im Sinne des Bedürfnisses zielführend war. Wenn diese Frage bejaht wird, wird das entsprechende Verhalten (z. B. Flirttechnik) als positive Erfahrung gespeichert und vermutlich wieder verwendet, wenn es die Situation verlangt. Ist das Verhalten nicht erfolgreich, wird das Bindungsbedürfnis also nicht nur nicht befriedigt, sondern der Mensch zurückgestoßen, resultiert daraus die Lernerfahrung, sich beim nächsten Annäherungsversuch zu schützen, um nicht wieder verletzt zu werden. Insofern kann Grawe zwischen motivationalen Annäherungsschemata (positive Lernerfahrung) und Vermeidungsschemata (Erfahrung der Verletzung) unterscheiden.

Kongruenz / Konsistenz

Grawe operiert nun mit zwei weiteren Bedürfnissen, die eine Art „Metabedürfnis“ darstellen:

das Kongruenzbedürfnis und

das Konsistenzbedürfnis.

Kongruenz entsteht, wenn in der Interaktion mit der Umwelt mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die motivationalen Ziele erreicht werden. Inkongruenzsignale werden registriert, wenn sie verfehlt werden.

Konsistenz meint die „Übereinstimmung bzw. Vereinbarkeit der gleichzeitig ablaufenden neuronalen/psychischen Prozesse“ (Grawe 2004, 186) und heißt, dass innerhalb des Menschen (seines „Systems“, wie...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Behandlungsmotivation • Beratung • Beziehungsgestaltung • Fachkraft-Klient-Beziehung • freiwillig • Freiwilligkeit • Grundlagen • Handlung • HANDLUNGSORIENTIERTE STRATEGIE • Motivation • Motivationsförderung • Sozialarbeiter • Sozialarbeiterin • Soziale Arbeit • Sozialpädagogik • unfreiwillig • unmotiviert • Veränderungsmotivation • Widerstand • Zwang • Zwangskontext
ISBN-10 3-497-61467-X / 349761467X
ISBN-13 978-3-497-61467-7 / 9783497614677
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Adobe DRM)
Größe: 3,7 MB

Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID und die Software Adobe Digital Editions (kostenlos). Von der Benutzung der OverDrive Media Console raten wir Ihnen ab. Erfahrungsgemäß treten hier gehäuft Probleme mit dem Adobe DRM auf.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID sowie eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Orientierungswissen für die Soziale Arbeit

von Nausikaa Schirilla

eBook Download (2024)
Kohlhammer Verlag
CHF 31,25