Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Die Kanzlerin (eBook)

Porträt einer Epoche
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
352 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00999-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kanzlerin -  Ursula Weidenfeld
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
(CHF 12,65)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Das mächtigste Amt der deutschen Politik hat noch niemand freiwillig aufgegeben - außer Angela Merkel. Bis zum Ende ihrer Amtszeit hat sie hohe Zustimmungswerte erhalten, immer wieder hat sie sich als Krisenmanagerin bewährt. Und so schätzen sie die Deutschen: Angela Merkel ist so pragmatisch, wie Helmut Schmidt es gerne gewesen wäre. Ideologien, Weltanschauungen, Grundsatzfragen interessieren sie wenig. Unaufgeregt schlachtete sie mehrere heilige Ku?he der Christdemokraten, etwa die Wehrpflicht oder die Kernkraft. Kritiker warfen ihr deshalb vor, ihr einziges Programm sei es, Kanzlerin zu sein. Und doch hat sie, ideologiefrei, visionslos, eine Ära der deutschen Politik geprägt: Die Jahre von 2005 bis 2021 sind eindeutig die Merkel-Jahre. Jetzt, da diese Ära zu Ende geht, ist es Zeit, sie genauer anzusehen: Was bleibt? Wurde da «nur» pragmatisch regiert, oder sind Entwicklungen in Gang gesetzt worden, die u?ber den Tag hinausweisen? Ja, die gibt es, sagt Ursula Weidenfeld, und sie werden entscheidend sein fu?r unsere nächsten Jahre. Dieses Buch ist mehr als eine Bilanz. Es versucht, dem Phänomen Merkel gerecht zu werden - und zeichnet das Bild einer Frau, die Deutschland verändert hat. «Eine spannende Biografie. Weidenfeld wählt eine Mischung aus chronologischer und thematischer Erzählform, die überzeugt.»  Frankfurter Neue Presse  «Gut recherchiert und lesenswert.»   Mitteldeutsche Zeitung  «Eine wirklich lesenswerte Analyse einer Epoche an der Schwelle zwischen Aktualität und Geschichte..»  Deutschlandfunk

Ursula Weidenfeld, geboren 1962, war u.a. Berlin-Korrespondentin der «Wirtschaftswoche» sowie Ressortleiterin Wirtschaft und stellvertretende Chefredakteurin des Berliner «Tagesspiegel». Heute arbeitet sie als freie Journalistin, als Kolumnistin und Kommentatorin fu?r Verlage, Fernseh- und Hörfunksender. 2007 wurde Weidenfeld mit dem Ludwig-Erhard-Preis ausgezeichnet. 2017 erschien «Regierung ohne Volk», 2021 die Merkel-Biographie «Die Kanzlerin», die monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste stand.

Ursula Weidenfeld, geboren 1962, war u.a. Berlin-Korrespondentin der «Wirtschaftswoche» sowie Ressortleiterin Wirtschaft und stellvertretende Chefredakteurin des Berliner «Tagesspiegel». Heute arbeitet sie als freie Journalistin, als Kolumnistin und Kommentatorin für Verlage, Fernseh- und Hörfunksender. 2007 wurde Weidenfeld mit dem Ludwig-Erhard-Preis ausgezeichnet. 2017 erschien «Regierung ohne Volk», 2021 die Merkel-Biographie «Die Kanzlerin», die monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste stand.

Eine Ostdeutsche macht Karriere in Bonn


Nur zu Beginn ihrer politischen Karriere ist sie von anderen abhängig. «Kohls Mädchen», wie sie in den Anfangsjahren vom Einheitskanzler selbst und dann von ihren Parteifreunden mit einer Mischung aus Nachsicht und Spott genannt wird, ist sie nie gewesen. Sie ist eher eine Entdeckung von drei Männern, die in den Anfangszeiten der ostdeutschen Befreiung entscheidende Positionen innehatten: Helmut Kohl, natürlich, der sie in einer Rekordzeit von nicht einmal einem Jahr zur Ministerin und zur stellvertretenden Parteivorsitzenden macht. Mindestens ebenso wichtig ist Günther Krause, der als DDR-Staatssekretär die deutsche Einheit verhandelt und dann Verkehrsminister im vereinigten Deutschland wird. Er besorgt ihr, der stellvertretenden Regierungssprecherin der DDR, den Wahlkreis auf Rügen, als sie fürchtet, nach dem 3. Oktober 1990 arbeitslos zu werden. Lothar de Maizière, der einzige frei gewählte Regierungschef der DDR, spätere Vizekanzler und Minister ohne Geschäftsbereich im ersten gesamtdeutschen Kabinett, schiebt sie ebenfalls nach vorne. De Maizière hat sie 1990 durch reinen Zufall in seine Mannschaft berufen. Weil der erste Regierungssprecher nicht gerne reist, soll eine neugierige und gut organisierte Person gefunden werden, die die vielen Auslandsreisen des DDR-Regierungschefs begleiten kann. Durch Empfehlung von Hans-Christian Maaß, der de Maizière damals berät und als CDU-Talentscout nach ostdeutschen Politikpersönlichkeiten mit Potenzial sucht, kommt Merkel zu ihrem Job.

Ein geradezu väterlicher Gestus: «Mein Mädchen» wurde Angela Merkel von Helmut Kohl genannt.

Es sind Zufälle und diese in der Wendezeit entstandenen persönlichen Beziehungen, die Merkel, die Frau aus dem Nichts, in Bonn ministrabel machen. Sie ist – wie Lothar de Maizière selbst – zunächst kaum mehr als ostdeutscher Beifang der Bonner Republik.

De Maizière zieht sich nach wenigen Monaten wegen von ihm bestrittener Stasi-Verstrickungen aus der Politik zurück, Günther Krause stürzt über sich selbst und eine möglicherweise nicht legal beschäftigte Haushaltshilfe. Angela Merkel bleibt. Keine Vorgeschichte, keine Fehltritte aus Selbstherrlichkeit, keine Skandale.

In der personell ausgebluteten CDU der neunziger Jahre, die nach der deutschen Einheit erschöpft und ermattet dem Ende der Ära Kohl entgegentaumelt, ist das sehr viel. Vor allem ist es viel mehr, als die meisten westdeutschen CDU-Politiker dieser Zeit vorweisen können. Sie haben die volle Amtszeit Helmut Kohls auf dem Buckel, sie sind verflochten und verfangen in seiner Kanzlerschaft und in der alten CDU des Westens. In der Parteispendenaffäre wird das einem Spitzenpolitiker wie Wolfgang Schäuble zum Verhängnis. Für Angela Merkel ist es auch hier ein unschlagbarer Vorteil: Wer erst zehn Jahre politisch aktiv ist und vorher in der DDR unauffällig geblieben war, ist in jeder Beziehung unbelastet.

Das gilt übrigens auch für die meisten anderen Parteien, in denen Ostdeutsche seit 1990 Karriere machen. Es ist ja nicht so, dass Angela Merkel die einzige Politikerin der Wende-Generation ist, die in hohe und höchste Staatsämter aufsteigt: Joachim Gauck wird Bundespräsident, Wolfgang Thierse (SPD) Bundestagspräsident, Katrin Göring-Eckardt (Grüne) Spitzenkandidatin, Matthias Platzeck (SPD) Parteivorsitzender. Manuela Schwesig und Franziska Giffey sind heute Hoffnungsträgerinnen der SPD, die Linkspartei ist ohnehin traditionell mit ostdeutschem Spitzenpersonal gesegnet.

Eine ganze Generation engagiert sich ab 1989 politisch, und es sind mehr von ihnen in der Politik zu hohen Ehren gekommen, als man gemeinhin annimmt, wenn man nur Angela Merkels Ausnahmekarriere ausleuchtet. Es ist eher so wie in der westdeutschen 68er-Generation. Zigtausende Studenten wurden dort durch den Aufstand gegen den später «Radikalenerlass» genannten Versuch, linksextreme Strömungen aus Politik und Verwaltung zu verbannen, politisiert. Nach dreißig Jahren Marsch durch die Institutionen sind Joschka Fischer, Gerhard Schröder und Jürgen Trittin reif, die politische Führung im Land zu übernehmen. Genauso, wie Angela Merkel, Joachim Gauck und Wolfgang Thierse aus der friedlichen Revolution in Ostdeutschland stammen, sind sie die Übriggebliebenen der 68er. Nur dass es bei Merkel keine dreißig Jahre dauert, bis sie ganz oben ankommt.

Schon seit ihrer Jugend vergleicht sie sich mit ihren westdeutschen Altersgenossen. Es gibt häufig Westbesuch im Pfarrershaus im uckermärkischen Templin, in dem Angela Kasner aufwächst. Ihre Eltern leben zum Zeitpunkt ihrer Geburt in Hamburg, siedeln aber wenige Wochen später nach Ostdeutschland über. Ihr Vater, der evangelische Pfarrer Horst Kasner, übernimmt eine Pfarrstelle in Brandenburg. Bis zum Mauerbau 1961 kommt die Westverwandtschaft regelmäßig zu Besuch, umgekehrt verbringen Kasners ihre Ferien gern in Hamburg oder am Bodensee. Nach dem Mauerbau wird es schwieriger, die Verwandten zu sehen. Dafür aber nimmt der Austausch innerhalb der evangelischen Kirche Ost- und Westdeutschlands zu. Kasner leitet inzwischen das Pastoralkolleg im brandenburgischen Templin, in dem evangelische Geistliche weitergebildet werden.

Angela Merkel hat viel Gelegenheit, die Besucher zu beobachten und dabei festzustellen, dass sie im Gespräch durchaus «mithalten» kann. Dieses Gefühl, der hohe Leistungsanspruch der Eltern, die Arbeit als Physikerin und der eigene Ehrgeiz geben ihr in den ersten Bonner Regierungsjahren die Sicherheit, sich nicht verstecken zu müssen. «Du kannst Integrale lösen, dann wirst du dich auch mit Norbert Blüm unterhalten können»,[1] sagt sie sich, wenn sie mit dem mächtigen Arbeitsminister über die Beteiligung ostdeutscher Frauen an den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verhandeln muss.

Gleichzeitig beobachtet sie kühl-analytisch den Niedergang der Regierung Helmut Kohls. Sie sieht den alten Kanzler wanken. Doch Helmut Kohl findet den Abschied nicht. Das Kanzleramt ist längst zu einem eigenen hermetisch geschlossenen Kosmos geworden, Kohls legendäres Misstrauen gegen alle potenziellen Konkurrenten richtet sich gegen den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble, den er selbst einmal als Wunschnachfolger ausgesucht hatte. Entgegen der Zusage, dem nach einem Attentat querschnittsgelähmten Schäuble die Kandidatur zu überlassen, tritt er 1998 noch einmal an – und verliert.

Angela Merkel hat den Verfall, den Verschleiß und die Unfähigkeit, sich aus dem Amt zu lösen, aus nächster Nähe beobachtet. Sie beginnt, die eigenen Chancen auszuloten. Eigentlich hat sie sich vorgenommen, nach der Wahlniederlage ihrer Partei erst einmal zur Ruhe zu kommen. Zum Beispiel, um ihren Wahlkreis auf Rügen richtig kennenzulernen und zu betreuen. Der hat sie bei der vergangenen Wahl 1998 mit mageren 37,3 Prozent nach Hause geschickt, eine Quittung nicht nur für die tiefe Wirtschaftskrise, die in den ostdeutschen Bundesländern auch acht Jahre nach der Einheit noch herrscht. Es ist auch die Aufforderung, ihre Arbeit als CDU-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern ernst zu nehmen.

In diesen Wochen denkt sie sogar über einen Abschied aus der Politik nach. Wenn sie nicht Politikerin geworden wäre, hätte sie etwas gern anderes gemacht – vielleicht ein Arbeitsamt geleitet, erzählt sie der Journalistin Evelyn Roll. Ein Zurück in die Wissenschaft kommt nicht in Frage, die Zeiten haben sich geändert. «Ich war mir immer bewusst», resümiert sie leidenschaftslos im Gespräch mit Günter Gaus, «dass ich … unter westlichen Verhältnissen wahrscheinlich nicht in der Grundlagenforschung würde arbeiten können.»[2]

In ihrer uneitlen Eitelkeit hat sie viele Gelegenheiten genutzt zu versichern, sie könne auch ohne die Politik leben. Den Beweis muss sie, im Gegensatz zu ihren frühen Förderern, nie antreten. Denn der neue Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble braucht eine fähige und loyale Generalsekretärin, er braucht eine Frau – er bekommt Angela Merkel. Eine Politikerin, die «irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden (…) und dann kein halbtotes Wrack sein (will)».[3] Und die von nun an doch alles tut, um in der Politik zu bleiben, und sich keinesfalls von anderen daraus entfernen zu lassen.

Sie dreht den Spieß um. Sie befreit sich und die CDU von Helmut Kohl und dem rheinischen Klüngel. Kohl hatte Geld von Spendern angenommen, deren Namen er bis zu seinem Tod verheimlichte. Sein Nachfolger wagt den endgültigen Bruch nicht und muss wenige Monate später seinen Posten selbst räumen, weil auch er Bar-Spenden entgegengenommen hat. Die CDU ist im freien Fall. Merkel ist die Einzige, bei der man sicher sein kann, dass sie von der Spendenaffäre unberührt bleibt. Mit Friedrich Merz vereinbart sie eine Erbteilung: Aus dem politischen Nachlass Kohls und Schäubles übernimmt sie die Partei, Merz die Bundestagsfraktion. Das Bündnis hält nicht lange. Merkel steigt auf, Merz steigt aus.

In diesen Jahren wird auch dem Letzten klar, dass man Merkel unterschätzt hat, als man annahm, «die Dame aus Ostdeutschland» werde ein vorübergehendes Phänomen in der Spitzenpolitik bleiben.

Nach sechzehn Jahren kann man nicht von einem frühzeitigen und selbstbewussten...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2021
Zusatzinfo Mit Abbildungen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Angela Merkel • angela merkel biografie • Biografie Bestseller • Biografien Frauen • Biographien • biographie politik • Buch Angela Merkel neu • Bücher Politik • Buch von Angela Merkel • Bundeskanzler • Bundeskanzlerin • Bundestag • Bundestagswahl • CDU • deutsche Politik • Kohl • Merkel • Ostdeutschland • Politik • Politiker • politiker biografie • Politikerinnen • Ralph Bollmann • Starke Frauen
ISBN-10 3-644-00999-6 / 3644009996
ISBN-13 978-3-644-00999-8 / 9783644009998
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 9,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Mein Leben in der Politik

von Wolfgang Schäuble

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
CHF 29,30
Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise

von J. D. Vance

eBook Download (2024)
Yes-Verlag
CHF 13,65
Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise

von J. D. Vance

eBook Download (2024)
Yes-Verlag
CHF 13,65