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1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen -  Ellen Notbohm,  Veronica Zysk

1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen (eBook)

Praxistipps für Eltern, pädagogische und therapeutische Fachkräfte
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
280 Seiten
Lambertus Verlag
978-3-7841-3301-0 (ISBN)
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Über 1001 innovative wie auch bewährte Tipps unterstützen Eltern, Lehrkräfte und ErzieherInnen im Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen. Praktisch, alltagsnah und auf die unterschiedlichen Entwicklungsstufen, Lernstile und Fähigkeiten angepasst, werden kreative und einfach anwendbare Ideen aufgezeigt - eine Fundgrube für alle, die mit Kindern und Jugendlichen aus dem Autismus- Spektrum leben und arbeiten.

Vorwort zur deutschsprachigen Übersetzung


Vor etwa zwei Jahren trat Frau Winkler vom Lambertus-Verlag mit der Frage an uns heran, ob wir Interesse hätten, ein in den USA viel beachtetes und preisgekröntes Buch mit dem Titel 1001 Great Ideas for Teaching & Raising Children with Autism or Asperger’s ins Deutsche zu übersetzen.

Das Buch ist in erster Linie an Eltern autistischer Kinder und Lehrer*innen adressiert, die Schüler*innen aus dem Autismus-Spektrum in inklusiven oder Sonderklassen unterrichten. Darüber hinaus sollen ebenso Erzieher*innen, Heil- oder Sozialpädagog*innen, Heilerziehungspflege- oder therapeutische Kräfte, Psycholog*innen sowie andere Mitarbeiter*innen aus der außerschulischen Arbeit mit autistischen Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen von der Schrift profitieren.

Verfasst wurde das Werk von zwei bekannten US-amerikanischen Autorinnen, Ellen Notbohm und Veronica Zysk, die sich vor allem in Nordamerika mit mehreren, insbesondere praxisbezogenen Schriften zum Thema Autismus und mit ihrem sozialpolitischen Engagement im Hinblick auf Unterstützungsmöglichkeiten und Inklusion autistischer Menschen einen Namen gemacht haben.

Zunächst waren wir bezüglich der Anfrage etwas zurückhaltend und skeptisch − ein Buch, das über 1000 Ideen für den Umgang mit autistischen Kindern enthält, ist so etwas überhaupt sinnvoll und hilfreich? Im ersten Moment hört sich das gut an, aber besteht nicht die Gefahr, dass mit einer solchen Schrift letztlich nur ein Sammelsurium an Ideen präsentiert wird, die möglicherweise losgelöst von Theoriebezügen oder wissenschaftlichen Erkenntnissen einem eher konzeptionslosen, rezeptartigen Agieren oder Reagieren auf Verhaltensweisen autistischer Kinder Vorschub leisten?

Inspiriert durch das Vorwort von Temple Grandin, der wohl bekanntesten und profiliertesten Expertin in eigener Sache, wurden wir alsbald im Zuge unserer Sichtung der Schrift eines Besseren belehrt. Tatsächlich besteht das Werk aus einer unüberschaubaren Fülle an Ideen zum Umgang mit Autismus. Diese Ideensammlung ist unzweifelhaft einzigartig. Was uns aber ebenso beeindruckt hat, ist die Art ihrer Präsentation. Sie wird nämlich von einer positiven Grundhaltung fühlbar durchdrungen, welche das autistische Sein wertzuschätzen weiß. Das klingt modern und ist mit der traditionellen klinisch-pathologisierenden Sicht von Autismus schwer in Einklang zu bringen.

Bekanntlich befindet sich das Verständnis über Autismus derzeit im Wandel. So findet die Auffassung vieler autistischer Personen immer mehr Zuspruch, Autismus nicht als Krankheit zu sehen. Ebenso gilt Autismus nicht per se als eine Störung. Stattdessen wird auf eine Form menschlichen Seins verwiesen, die mit einer von Natur aus anders ausgerichteten Wahrnehmung, mit einem speziellen Denken, mit speziellen Fähigkeiten und Interessen einhergeht (vgl. dazu Theunissen 2016)1. Diese Erkenntnis wird durch neurowissenschaftliche Forschungen gestützt. Zudem hat sie richtungsweisende Konsequenzen für die Praxis: Anstatt den Autismus zu therapieren, sollten betroffene Personen in erster Linie unterstützt werden, mit ihrem Autismus zu leben.

Genau diesen Gedanken greifen auch Ellen Notbohm und Veronica Zysk auf. Denn viele ihrer Ideen stellen für autistische Kinder eine Art Lernhilfe für ein „Leben mit Autismus“ dar. Das soll durch die Unterstützung individueller Stärken, Fähigkeiten, Interessen oder Vorlieben erfolgen. Insofern kann die vorliegende Schrift im Lichte einer Stärken-Perspektive gesehen werden.

Gleichwohl werden aber auch Schwächen oder Probleme aufgegriffen, sodass eine einseitige Betrachtung von Autismus vermieden wird. Darauf hatte bereits Hans Asperger in seinen Erstbeschreibungen über autistische Jugendliche Wert gelegt (vgl. Theunissen 2018)2. Seine Ausführungen signalisieren, dass Autismus nicht nur im Hinblick auf Besonderheiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation, eingeschränkte repetitive Verhaltensmuster und Interessen, Auffälligkeiten in der Motorik und ein Bestreben nach Ordnung oder Aufrechterhaltung von Routine studiert werden sollte. Ebenso wichtig ist für ihn die Beachtung außergewöhnlicher Fähigkeiten, Gedächtnis- oder kognitiver Leistungen, eines atypischen Lernverhaltens sowie von Wahrnehmungsbesonderheiten. Diesem Fokus begegnen wir gleichfalls bei vielen Expert*innen in eigener Sache, die zumeist Besonderheiten in der Wahrnehmung als ein zentrales Merkmal von Autismus betrachten.

Darauf hat kürzlich die US-amerikanische Gesellschaft für Psychiatrie (APA) reagiert, indem sie in ihrem System DSM-5 zur Klassifikation psychischer Störungen unter dem Leitbegriff „Autismus-Spektrum-Störung“ Wahrnehmungsbesonderheiten (Hyper- oder Hyposensibilität) aufgenommen hat. Außerdem hat sie im DSM-5 die bisher im Vorläufersystem DSM IV ausgewiesenen und allgemein geläufigen Autismus-Bilder (z. B. frühkindlicher oder klassischer Autismus, Asperger-Syndrom, atypischer Autismus) aufgegeben und eingeebnet. Dieser Schritt ist der Erkenntnis geschuldet, dass es zwischen den bislang herausgestellten (konstruierten) Bildern über Autismus mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt.

Auf diese Erkenntnis haben wir im Rahmen unserer Übersetzung reagiert, indem wir anstelle der im Buch oftmals genutzten Zwei-Teilung des Personenkreises (children with autism & Asperger’s) oder des häufigen Wechsels an Parallelbezeichnungen (child on the autistic spectrum; child with autism; children on the spectrum; children with autism spectrum disorders) mit „autistischen Kindern“ oder „Schüler*innen aus dem Autismus-Spektrum“ eine einheitliche und zeitgemäße Begrifflichkeit verwenden. Damit folgen wir zugleich dem Wunsch vieler Betroffener und vor allem den Stimmen aus dem Lager der Selbstvertretungsorganisationen, die nicht nur den Störungsausweis („Kind mit Autismus-Spektrum-Störung“), sondern ebenso die Mensch-zuerst-Version (Kind mit Autismus) ablehnen. Beide Formulierungen werden nämlich der Wertschätzung des autistischen Seins nicht gerecht.

Bemerkenswert ist, dass auch in der vorliegenden Ideensammlung der Wahrnehmung und Sensomotorik autistischer Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, weshalb viele Anregungen einer für den alltäglichen Umgang relevanten sensorischen Integrations- oder Sinnestherapie unterbreitet werden. Der Begriff der Therapie wird dabei von den Autorinnen eher im pädagogischen Sinne als (unterrichtliche) Lernförderung oder Unterstützungsmöglichkeit in (häuslichen) Alltagssituationen benutzt. Insofern geht es nicht um eine Therapie im engeren Sinne unter einem bestimmten Setting. Andere Schwerpunkte beziehen sich auf Unterstützungsmöglichkeiten der sprachlichen Kommunikation, des Verhaltens in alltäglichen Lebens- und Unterrichtssituationen, des sozialen Denkens und der sozialen Kommunikation und Interaktion sowie auf Erschließung und Entwicklungsmöglichkeiten von Interessen, Stärken und Begabungen autistischer Kinder.

Insgesamt betrachtet wird mit dieser Auswahl an Themen und entsprechenden Ideen an Förder-, Unterstützungs- und Entfaltungsmöglichkeiten das breite Spektrum autistischer Merkmale und Verhaltensweisen aufgegriffen. Dabei geht es Ellen Notbohm und Veronica Zysk keineswegs nur um Strategien, die einzig und allein eine Verhaltensbeeinflussung oder Verhaltensänderung eines autistischen Kindes intendieren. Das wird bereits von Temple Grandin in ihrem Vorwort positiv vermerkt und insbesondere an der Stelle deutlich, wo es um Interventionen bei herausfordernden Verhaltensweisen autistischer Kinder oder Schüler*innen geht. Gerade bei herausforderndem Verhalten (z. B. bei Feindseligkeiten, Fremdoder Autoaggressionen) konzentrieren sich die Ideen nicht nur auf verhaltenstherapeutisch gelagerte Strategien (Tokensystem, Verstärkertechniken o. Ä.), sondern es werden ebenso Veränderungsmöglichkeiten von Situationen oder von Verhaltensweisen der Bezugspersonen mit in den Blick genommen. Anders gesagt: Autistische und herausfordernde Verhaltensweisen werden stets im Kontext gesehen, das heißt, von Bedingungen und der Bezugswelt nicht losgelöst betrachtet. Daraus folgt eine Problemsicht, die die Funktion des herausfordernden Verhaltens im Rahmen von Situationen beachtet. In dem Zusammenhang ergibt sich eine augenfällige Nähe zum Konzept der Positiven Verhaltensunterstützung, das im Umgang mit herausforderndem Verhalten nachweislich als wirksam gilt (vgl. Theunissen 2018). Auch diese Nähe zur Positiven Verhaltensunterstützung ist ein Beleg dafür, dass sich die beiden Autorinnen mit ihrer beeindruckenden Schrift um eine wissenschaftlich fundierte und tragfähige Sammlung guter Ideen bemüht haben. Das ist für Bücher, die „nur“ Tipps für die Praxis geben, nicht selbstverständlich.

Daher gilt unser Lob und unsere Wertschätzung den Autorinnen, denen es gelungen ist, ein beeindruckendes, ausgesprochen vielseitiges und anregendes Werk vorgelegt zu haben, dessen Bedeutung als Fundgrube für den Umgang mit autistischen Kindern oder Schüler*innen nicht hoch genug...

Erscheint lt. Verlag 27.11.2019
Verlagsort Freiburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Autismus • Autismus-Spektrum • Erziehung • Jugendhilfe • Jugendliche • Kinder
ISBN-10 3-7841-3301-0 / 3784133010
ISBN-13 978-3-7841-3301-0 / 9783784133010
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