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Geschichte der politischen Ideen (eBook)

Von der Antike bis zur Gegenwart
eBook Download: PDF | EPUB
2019 | 3. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-73838-8 (ISBN)
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Politische Ideen haben in der Geschichte große Wirksamkeit entfaltet. Die großen politischen Denker wie Platon und Aristoteles, Thomas von Aquin, Machiavelli,Hobbes,Montesquieu, Kant oder Marx zählen zu den Klassikern derWeltliteratur.Wer sich mit ihren Werken auseinandersetzt, wird nicht nur in den Gang der Weltgeschichte eingeführt, sondern erweitert auch seinen politischen Horizont. Marcus Llanque liefert in diesem Buch einen ebenso knappen wie informativen Gang durch die Geschichte des politischen Denkens und seiner Epochen. Dabei stehen Autorenpaare im Vordergrund, an denen sich die Grundströmungen der verschiedenen Epochen besonders gut und anschaulich verdeutlichen lassen.

Marcus Llanque ist Professor für politische Theorie an der Universität Augsburg.

1. Platon, Aristoteles und
die antike Demokratie


Es ist anzunehmen, dass der Mensch seit seinen frühesten Tagen lernte, politisch zu denken. Die Überlegung, dass man sich gegen Neigung und trotz Freiheitsdrang in ein Herrschaftsverhältnis fügt, um Schutz zu finden oder Güter zu erringen, derer man alleine nicht habhaft wird, gehört zur Kultivierung des Lebensraums von Anbeginn. Die ältesten Schriftzeugnisse lassen sich daraufhin befragen, welches politische Denken das Handeln der Menschen prägte. Die ägyptische Kultur oder die ältesten Textschichten der Bibel sind voll mit politischen Ereignissen und dokumentieren politische Praxis. Hier wie in der griechischen «Ilias» finden wir auch die ersten Spuren der theoretischen Reflexion politischen Denkens. Doch ein regelrechter Diskurs über das Wesen des Politischen, die Bedingungen seiner Möglichkeit, die Vielfalt individuellen Handelns und die institutionelle Verstetigung kollektiven Handelns lässt sich erst im Zusammenhang der athenischen Demokratie beobachten.

Athen besaß die größte Bevölkerung der griechischen Stadtstaaten im 5. vorchristlichen Jahrhundert. Es gebot über ausgedehnte Territorien, war die vorherrschende Seemacht und eines der kulturellen Zentren des Hellenentums. Als führendes Mitglied des attisch-delischen Seebundes, der ursprünglich zur Abwehr der persischen Bedrohung gegründet worden war, verfügte Athen nicht zuletzt durch die Tributzahlungen der übrigen Bündnismitglieder über erhebliche finanzielle Mittel, die auch für kulturelle Prestigeprojekte verwendet wurden, was wiederum zahlreiche Künstler und Wissenschaftler anlockte.

Im Zuge einer sich über Jahrhunderte erstreckenden politischen Entwicklung hatte sich Athen von einer klassischen Monarchie in eine Demokratie verwandelt, in welcher fast alle öffentlichen Fragen unter Beteiligung eines vergleichsweise sehr hohen Anteils der Bevölkerung diskutiert und entschieden wurden. Aufgrund des erfolgreichen Freiheitskampfes gegen die persischen Eroberungsversuche im 5. vorchristlichen Jahrhundert war das hellenische kollektive Gedächtnis geprägt von der Vorstellung, Griechenland und das autokratisch regierte Perserreich würden politisch-kulturell gesehen Antipoden darstellen.

Die politische Rede der athenischen Bürger war das zentrale Medium der Kommunikation. Die athenische Selbstregierung wurde vor Gericht, in den Ratsversammlungen, auf der Agora, auf dem Versammlungsplatz der Bürger ständig von Reden begleitet. Die Rede war auch das literarische Medium der theoretischen Reflexion von Politik. In der Tragödie wurden politische Argumente mittels kunstvoller Reden ausgetauscht, und zwar Reden einzelner Personen wie von Chören, welche die Bürgerschaft als Ganzes repräsentierten. In der Geschichtsschreibung wurde der Meinungskampf in Gestalt von Reden wiedergegeben (Thukydides). Die Rede war schließlich auch zentraler Bestandteil der Politischen Theorie. Platons Kritik der athenischen Demokratie war ein Angriff auf die politische Kommunikationsform der Rede, die seiner Ansicht nach nur die Überredung durch Meinungen, nicht Überzeugung durch Wissen anstrebte. Aristoteles, der Schüler Platons, widmete der Rhetorik eine eigene Abhandlung. Beide folgten in der Weise ihrer Präsentation von Argumenten und Gegenargumenten der rednerischen Praxis, sie publizierten sogar in Form von Dialogen, von denen freilich nur die Platons erhalten sind, von Aristoteles nur seine Lehrschriften. So lange überhaupt noch mündlich Argumente ausgetauscht werden, so lange nicht gewaltige Rechenzentren mittels der Auswertung von quantitativen Datenbergen kollektive Entscheidungen an Stelle politischer Beratung treten lassen, so lange wird die Politische Theorie der athenischen Demokratie Relevanz behalten.

Platon (428/427–348/347) war von adliger Abstammung und gehörte zu einer Familie, welche die Überwindung der Demokratie angestrebt hatte. Zu seinen prägenden Erlebnissen gehörte der Tod seines geliebten Lehrers Sokrates, den ein demokratisches Volksgericht verurteilt hatte. Die Frage, wie eine politische Ordnung den besten ihrer Bürger – so jedenfalls seine Einschätzung – hinrichten konnte, beantwortete Platon mit einer politischen Systemanalyse: Nicht die moralische Dekadenz der Athener oder ihr böser Wille sei schuld, sondern die Gesamtanlage der athenischen Demokratie. In der Demokratie werde nicht das Gute angestrebt, sondern die mehr oder weniger zufälligen Wünsche und Bedürfnisse der Menschen, die jedoch, auf die Natur und die Voraussetzungen dieser Bedürfnisse angesprochen, kaum in der Lage seien, vernünftig darüber Auskunft zu erteilen. Hier könne auch nur ein fundamentaler Strukturwandel Abhilfe schaffen, kein Laborieren an einzelnen Institutionen. Platons Lösung lautete: Das Philosophenkönigtum soll an die Stelle der Demokratie treten.

Platon hat in seinen Schriften seinen Lehrer Sokrates verewigt, er ist derjenige, der die Redepartner in philosophische Fragen verstrickt und in dialektischer Weise Argumentationen entfaltet, an deren Ende die Dialogpartner meist gezwungen sind, der Meinung von Sokrates zuzustimmen. Viele der platonischen Dialoge diskutieren politische Gegenstände. Einzelne für die Politik relevante Tugenden, die Rhetorik («Gorgias»), das Geschäft des Regierens und der geeignete Charakter eines Politikers («Politikos»), Institutionen und Verfahren («Nomoi») und schließlich die ideale Verfassung einer politischen Ordnung («Politeia»). Letzterer Dialog bildet den Kern von Platons politischer Philosophie, deren Hauptangriffspunkt die Demokratie war.

Platon kritisierte, dass in der Demokratie Politiker ihre Mitbürger nicht erzögen, sondern ihnen nur schmeichelten, um sie zu einem bestimmten politischen Handeln zu überreden. Beide aber, Politiker wie Bürger, verfügten über kein wirkliches Wissen, um Fragen der Politik angemessen beurteilen zu können. Statt sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben, ziele die politische Kommunikation in der Demokratie nur darauf ab, die Meinungen der Bürger zu formen. Platon lässt Sokrates im «Gorgias» resümieren: «Also belehrt auch der Redner nicht in den Gerichts- und andern Versammlungen über Recht und Unrecht, sondern macht nur glauben. Auch könnte er wohl nicht einen so großen Haufen in kurzer Zeit belehren über so wichtige Dinge» (Gorgias 452dff.).

Platons Kritik packte die athenische Demokratie an der Wurzel ihres eigenen Selbstverständnisses: An Stelle der öffentlichen Beratung einander gleichrangiger Meinungen der Bürger solle das Expertenwissen treten, das nicht den Meinungen der Nichtexperten unterworfen ist. Er zog zur Erläuterung von Politik verschiedene Metaphern heran, darunter das Sinnbild des Schiffes. Die Eigner des Schiffes (gemeint ist das Volk) seien zugleich seine Passagiere und erhöben unentwegt Forderungen, in welche Richtung das Schiff gesteuert werden solle; doch nur der Steuermann verfüge über das Wissen, das Schiff erfolgreich durch Wind und Wetter zu navigieren. Platon wollte an diesem Bild verdeutlichen, was der Unterschied von Wissen und bloßem Meinen sei und warum ganz selbstverständlich nur derjenige einen vernünftigen Anspruch auf die Lenkung des Staatsschiffes erheben dürfe, der über das hierzu erforderliche Wissen verfüge.

Das von Platon gewählte Bild legt die Einheitlichkeit des Kommandos nahe. Politische Einheit zu bewirken war für ihn ein zentrales Anliegen. In seinem Dialog «Politeia» sucht er nicht nur nach der «gerechten» politischen Ordnung, sondern nach Ordnung überhaupt. Die «Politeia» besteht aus einem älteren Teil über die Unangemessenheit der zeitgenössisch bevorzugten Definitionen der Gerechtigkeit und einem späteren, umfangreichen Teil, der eine positive Theorie der Gerechtigkeit zu geben versucht und hierfür eine politische Idealordnung modelliert. Dieser Teil beginnt mit allgemeinen Erörterungen über das Entstehen und die Notwendigkeit von politischen Ordnungen überhaupt, die Klassifizierung der Bevölkerung und die Bedeutsamkeit derjenigen, die sich um die Bewachung und Aufrechterhaltung der politischen Ordnung kümmern (die «Wächter»).

Die politische Idealverfassung erläuterte Platon analog zur Verfassung der menschlichen Seele. Die Fähigkeit, die für politische Fragen nötigen Zusammenhänge zu verstehen, sei ungleich verteilt, was wiederum eine Gefahr für die innere Einheit der Politik bedeute. Platon kam über erkenntnistheoretische Fragen (Linien-, Sonnen-, Höhlengleichnis) zu dem Ergebnis, dass nur der Philosoph zum Regieren imstande sei und zwar vor allem als Gesetzgeber und als Wächter der Wächter.

Die zeitgenössische Irritation, ausgerechnet denjenigen, der am weltfremdesten wirkt, als alleinregierenden König einzusetzen, war Platon ebenso klar, wie er...

Erscheint lt. Verlag 8.11.2019
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Geschichte • Philosophie • Politik • Theorie • Wissenschaft
ISBN-10 3-406-73838-9 / 3406738389
ISBN-13 978-3-406-73838-8 / 9783406738388
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