Die Freimaurer - Der mächtigste Geheimbund der Welt (eBook)
544 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490589-1 (ISBN)
John Dickie ist Historiker und Journalist. Er lehrt Romanistik am University College in London und hat zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte und Kultur Italiens verfasst. Sein Buch »Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia« war ein internationaler Bestseller. 2005 wurde er vom Staatspräsidenten der italienischen Republik zum »Commendatore dell´Ordine della Stella della Solidarietà Italiana« ernannt.
John Dickie ist Historiker und Journalist. Er lehrt Romanistik am University College in London und hat zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte und Kultur Italiens verfasst. Sein Buch »Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia« war ein internationaler Bestseller. 2005 wurde er vom Staatspräsidenten der italienischen Republik zum »Commendatore dell´Ordine della Stella della Solidarietà Italiana« ernannt. Irmengard Gabler war nach dem Studium der Anglistik und Romanistik in Eichstätt und London einige Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für romanische Literaturwissenschaft an der Universität Eichstätt tätig. Seit 1993 übersetzt sie Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen, Französischen und Italienischen (u.a. Cristina Campo, Serena Vitale, Philippe Blasband, Christopher J. Sansom, John Dickie, Adam Higginbotham). Die Übersetzerin lebt in München.
Dickies Buch ist tatsächlich eine erhellende Lektüre - und zwar nicht zuletzt da, wo es die Legende an der Wirklichkeit misst und Verschwörungstheorien entlarvt.
Der Umschlag mit der filigranen Freimaurersymbolik und die prächtigen Farbabbildungen im Innenteil hinterlassen genauso einen liebevollen Eindruck wie die Haltung des Autors zu dem Thema.
Prallgefüllt mit Fakten und historischen Verknüpfungen zieht der Autor alle Register seines Schreibtalents, das schon seine vorangegangenen Werke zu Bestsellern machte.
ein angenehm unaufgeregtes und doch spannendes Buch.
Die Freimaurerei selbst ist nur halb so aufregend wie ihre Geschichte und die sich um sie rankenden Verschwörungsmythen.
Diese international orientierte historische Darstellung der Freimaurer bietet einen originellen Zugang zu einer verschwiegenen Bruderschaft und deren tragikomischer Geschichte.
Unaufgeregt, kühl, sachlich und doch immer wieder packend erzählt, nähert sich Dickie dem Gegenstand seines Interesses aus verschiedenen Perspektiven.
1 Lissabon
John Coustos’ Geheimnisse
Am 14. März 1743 wurde John Coustos, ein vierzigjähriger Juwelier aus London, beim Verlassen eines Lissabonner Kaffeehauses gepackt, an den Händen gefesselt und in eine Kutsche verfrachtet. Kurze Zeit später fand er sich in einem der meistgefürchteten Gebäude Europas wieder. Am nördlichen Ende des Rossio aufragend, beherbergte der Palácio dos Estaus den portugiesischen Sitz des Heiligen Offiziums der Inquisition.
Wie Hunderte Hexen, Ketzer und Juden, die vor ihm dorthin verschleppt worden waren, wurde auch Coustos einer Kopfschur unterzogen und bis auf die leinene Leibwäsche seiner Kleider beraubt. Im Verlies hatte er sich dann einer peniblen Ordnung zu unterziehen. Isolation und Stille wurden erbarmungslos durchgesetzt: Ein Mithäftling, den ein hartnäckiger Husten plagte, wurde in die Besinnungslosigkeit geprügelt. Erlaubt waren weder Besuche von Freunden und Verwandten noch Habseligkeiten oder Bücher – nicht einmal eine Bibel. Nichts durfte die Stimme des göttlichen Gewissens stören, nichts die allzu lebhaften Phantasien von den Schrecknissen ausblenden, die den Gefangenen im Autodafé der Inquisition erwarteten. Dieses großartige Spektakel kirchlicher Gerichtsbarkeit war eine Prozession, die in Gebeten kulminierte, in Beschwörungen und einer öffentlichen Hinrichtung. Hierbei kamen zwei Methoden zur Anwendung: Die Bußfertigen, die sich im letzten Augenblick zum katholischen Glauben bekehrten, erwartete die Gnade des Galgens, während die Verstockten den unsäglichen Qualen des Feuers entgegensahen.
Coustos erzählt, dass ihn die Inquisitoren anfangs in einem geistlich väterlichen Ton befragt hätten. Seine Antworten jedoch, er habe es genau gespürt, seien auf taube Ohren gestoßen. Schließlich sei er aus seiner Zelle gerufen und vor den Vorsitzenden des Heiligen Offiziums gebracht worden, der die Klageschrift verlesen habe, als spreche er gegen eine Wand:
Ich hätte die Befehle des Papstes übertreten, da ich die Freymäuerey ausgeübet, welche eine abscheuliche und ungeheure Gesellschaft von Gotteslästerung, Sodomiterey, und mehr andern Abscheu erweckenden Lastern wäre, und daß das von denjenigen, woraus diese Gesellschaft bestünde, so heilig bewahrte Geheimniß, und denn die Ausschliessung der Frauenzimmer von ihren Versammlungen, nur gar zu überzeugende Beweißthümer dieser Wahrheit wären, wobey sie hinzugefüget hatten, daß besagter Coustos ein erschreckendes Aergerniß durchs ganze Königreich gegeben, indem er sich zu dieser Seckte bekennet, und die wahre Absicht und den Endzweck davon ihnen nicht offenbaret, sondern vielmehr darauf beharret hätte, zu behaupten, daß solche in sich selbst gut und Lobens werth wäre, deswegen begehrte der Promotor dieses heiligen Officii, daß man mit der äußersten Strenge gegen ihn verfahre, indem man diejenigen Mittel, welche die Inquisition in Händen hätte, ja auch alle Grade der Tortur anwenden sollte, um ihn zur Bekenntniß der Wahrheit desjenigen, wessen man ihn beschuldigte, zu zwingen. (Zitiert aus Die grausamen Martern des Johann Coustos, 1743–44)
Coustos wurde alsdann in ein quadratisches, fensterloses Turmzimmer verbracht. Matratzen umhüllten die Tür, um etwaige Schreie aus dem Inneren zu dämpfen. Ein Arzt und ein Barbier blickten aus dem Dunkel auf ihn. Die einzige Lichtquelle waren zwei Kerzen auf dem Schreibpult, an welchem der Sekretär des Tribunals sich bereithielt, Coustos’ Bekenntnis niederzuschreiben.
Vier kräftige Männer ergriffen ihn, spannten ihn auf ein waagerechtes Gestell und legten ihm ein Halseisen an. Seine Füße umschlossen sie mit Ringen, an welchen Stricke befestigt waren, und zerrten ihm die Glieder, so lang es ging. Dann wurden acht Seilschlingen, zwei um jeden Arm und zwei um jedes Bein, durch Löcher in dem Gestell geführt und den Folterknechten in die Hände gegeben. Coustos spürte, wie die feinen Schlingen immer enger wurden und ihm bis auf die Knochen ins Fleisch schnitten. Blut spritzte auf den Boden unter ihm. Falls er unter der Pein zugrunde ginge, wurde ihm gesagt, sei nur seine eigene Verstocktheit daran schuld. Zwischen seinen Schreien hörte er den Inquisitor die Fragen stellen, die er schon viele Male gehört hatte. Was ist die Freimaurerei? Worin bestehen ihre Statuten? Was geht in den Logenversammlungen vor sich? Irgendwann verlor er die Besinnung und wurde in sein Verlies zurückgebracht.
Sechs Wochen später unternahmen die Inquisitoren einen neuerlichen Versuch mit einer anderen Methode: dem gefürchteten Strappado. Coustos musste diesmal in aufrechter Körperhaltung die Arme nach hinten ausstrecken, die Handflächen nach außen gedreht, bis seine Handrücken sich berührten. Dann wurden seine Arme langsam nach oben gezogen, bis seine Schultern aus ihren Gelenkpfannen sprangen und ihm das Blut aus dem Mund floss. Als er den Himmel um Geduld anflehte, beharrten die Inquisitoren auf ihren Fragen: Ist die Freimaurerei eine Religion? Warum werden keine Frauen zugelassen? Weil ihr Sodomiten seid?
Als die Ärzte seine Knochen wieder eingerenkt hatten und er sich zwei Monate erholt hatte, begann die Folter erneut. Diesmal wurde ihm eine Kette um den Leib gewunden und an seinen Handgelenken befestigt. Flaschenzüge zurrten die Kette so fest, dass seine Eingeweide zusammengepresst wurden, und kugelten ihm Handgelenke und Schultern aus. Warum diese Geheimniskrämerei bei den Freimaurern? Was habt ihr zu verbergen?
Coustos erzählt, er habe insgesamt sechzehn Monate in den Kerkern des Palácio dos Estaus verbracht und sei neunmal der Marter unterzogen worden, ehe er im Autodafé am 21. Juni 1744 durch die Straßen geführt werden sollte. Doch er hatte Glück. Während acht seiner Mitgefangenen zum Höhepunkt der Prozession bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, war er »bloß« zu vier Jahren als Galeerensträfling verurteilt worden. Dank der relativen Freiheit, die dieses Urteil ihm verschaffte, konnte er Freunde kontaktieren, die bei der britischen Regierung seine Freilassung erwirkten.
Als er am 15. Dezember 1744 in London eintraf, ging er sogleich daran, seine Geschichte niederzuschreiben. Doch er hatte kaum damit begonnen, als 1745 der Jakobitenaufstand losbrach. »Bonnie Prince Charlie« Stuart hisste seine Fahne in den Schottischen Highlands, in der Absicht, seinen katholischen Anspruch auf den Thron durchzusetzen, auf dem dereinst sein Großvater gesessen hatte. Die Armee der Jakobiten zog bis hinunter nach Derby, im Herzen Englands, und verbreitete Angst und Schrecken in der Hauptstadt. Obwohl der Aufstand schließlich niedergeschlagen wurde, entfachte er die Lust der Öffentlichkeit auf Bücher, in denen die Barbareien der katholischen Kirche dokumentiert waren. Die grausamen Martern des Johann Coustos, mit Radierungen von all den Qualen, die sein Autor erlitten hatte, erschien genau zur rechten Zeit. Coustos wurde berühmt. Das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt und blieb bis weit ins 19. Jahrhundert in Druck. Es handelte schließlich von einem Märtyrer der Freimaurerei und deren »unbedingter Verschwiegenheit«.
Nur war die Sache ein wenig anders verlaufen, als Coustos behauptet hatte. Über zweihundert Jahre später tauchte im Lissabonner Archiv das Verhörprotokoll der Inquisition auf und brachte ans Licht, dass er die Geheimnisse der Freimaurerei, die zu bewahren er bei seinem Leben geschworen, sehr wohl preisgegeben hatte. Vernünftigerweise hatte er mit der Aussicht auf die Folterkammer und das Autodafé bereitwillig alles ausgeplaudert. Und das, noch bevor die Inquisitoren überhaupt ihre Fragen formuliert hatten.
Nicht dass ihn sein Geständnis vor der Folter bewahrt hätte. Portugiesische Inquisitoren brauchten keinen Vorwand, um die Marterinstrumente hervorzuholen. Sie spannten Coustos zweimal auf die Streckbank. Jeweils gut fünfzehn Minuten. Nur um sicherzugehen. Das Strappado jedoch oder die namenlose Folter mit der um den Leib gewundenen Kette hatte er kein einziges Mal ertragen müssen.
Noch etwas hatte Coustos seinen Lesern vorenthalten: dass die Inquisitoren in Lissabon, hätten sie nur gründlicher gestöbert, bereits veröffentlichte Quellen hätten finden können, die ihre Fragen erschöpfend beantwortet hätten. Wie Samuel Prichards 1730 in London erschienenes Pamphlet Masonry Dissected, Zergliederte Freimaurerei. Berichte über die Freimaurerei sind fast so alt wie die Freimaurerei selbst. Ihre Geheimnisse sind so geheim nie wirklich gewesen.
Coustos war schlicht der Versuchung erlegen, sich als Held zu gerieren. Kaum befand er sich wieder auf freiem Fuß, dachte er sich eine Geschichte aus, die einen betörenden Mythos aufrechterhielt: die Vorstellung, dass Freimaurer die Träger einer bedeutsamen oder gar gefährlichen Wahrheit seien, zu der nur wenige Auserwählte Zugang hätten, und die um jeden Preis zu bewahren sie ein Schwur binde.
Die »unbedingte Verschwiegenheit« der Freimaurerei ist trügerisch und mächtig. Aus ihr nährt sich die Aura von Faszination und Argwohn, die ihre Bruderschaft seit jeher umgeben hat. Sie befördert Loyalität und zieht Probleme an. Die Verschwiegenheit ist ein Spiel, und sowohl Coustos wie auch die Inquisitoren waren darin gefangen. Und doch hat John Coustos meiner Meinung nach sehr wohl verstanden, dass für die Freimaurerei die Geheimnisse selbst weniger wichtig sind als die Geschichten darüber. Die Geheimniskrämerei ist der Schlüssel zur Geschichte der Freimaurer. Und wenn wir sie...
Erscheint lt. Verlag | 23.9.2020 |
---|---|
Übersetzer | Irmengard Gabler |
Zusatzinfo | Mit farbigen Bildteil und zahlreichen s/w-Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Brüderlichkeit • Fischer Forum • Franklin D. Roosevelt • Freiheit • Friedrich der Große • Geheimbund • George Washington • Gleichheit • Goethe • Humanität • Loge • Louis Armstrong • Mafia • Männerbund • Mozart • Pyramide • Symbole • Toleranz • Verschwörung • Walt Disney • Weltherrschaft • Westliche Werte • Winkel • Winston Churchill • Zirkel |
ISBN-10 | 3-10-490589-4 / 3104905894 |
ISBN-13 | 978-3-10-490589-1 / 9783104905891 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 11,9 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich