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Damit hatte keiner gerechnet! (eBook)

Die größten Mathe-Irrtümer der Menschheit

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
416 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-26508-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Damit hatte keiner gerechnet! -  Matt Parker
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Witzig, informativ und irre unterhaltsam: Die größten Fehlkalkulationen der Menschheit! Meistens arbeitet die Mathematik in unserem Alltag unauffällig hinter den Kulissen. Bis jemand vergisst, eine ?1? einzutragen und eine Brücke einstürzt, ein Flugzeug vom Himmel fällt oder ein Gebäude wankt. Was passiert, wenn Mathematik in der realen Welt schiefgeht? Matt Parker erkundet und erklärt eine Reihe von Beinahe-Unfällen und Pannen und zeigt damit anschaulich und unterhaltsam, wie allgegenwärtig die Mathematik in unserer Welt ist - und wie sie uns ein Bein stellt. Wir wären alle besser dran, wenn wir Mathe als praktischen Verbündeten ansehen würden. Eine brillant erzählte Serie von Katastrophengeschichten mit Happy End.

Matt Parker ist Mathematiker und Stand-up-Comedian. Der Australier studierte Maschinenbau an der University of Western Australia, wandte sich aber vor dem Abschluss dem Unterrichten der Mathematik zu und zog nach London. Er betreibt den YouTube-Kanal »StandUpMaths«, hält Vorträge und tritt in Radio und Fernsehen auf. Parker ist für die Queen Mary University London (Public Engagement in Mathematics Fellow) im Outreach Program für Mathematik tätig und war Popular Lecturer der London Mathematical Society.

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EINLEITUNG


Im Jahr 1995 veranstaltete Pepsi eine Werbeaktion, bei der man die Kunden Punkte sammeln ließ, die dann in Pepsi-Produkte eingetauscht werden konnten: Für 75 Punkte gab es ein T-Shirt, für 175 eine Sonnenbrille, ja, sogar eine Lederjacke für 1450 Punkte war im Angebot. Wenn man die drei Sachen zusammen auf- oder anhatte, konnte man in den 1990ern damit echt punkten. In der Fernsehwerbung zur Punkte-Aktion ließ man jemanden auftreten, der das vormachte.

Aber die Leute, die den Werbespot drehten, wollten ihn mit einem gehörigen Knaller und in »klassischer Pepsi-Verrücktheit« enden lassen. Also flog der Protagonist samt Pepsi-T-Shirt, -Sonnenbrille und -Lederjacke mit einem Senkrechtstarter zur Schule. Angeblich sei das Militärflugzeug für schlappe sieben Millionen Pepsi-Punkte zu haben.

Der Witz daran ist jedem klar: Man hat die Idee hinter der Treuepunkte-Aktion auf die Spitze getrieben und ins Lächerliche verkehrt. Solide Comedy-Schreibe. Allerdings hatte man dabei offenbar vergessen, seine Matheaufgaben zu machen. Sieben Millionen klingt erst einmal nach einer großen Zahl, aber ich glaube, das Team, das den Werbespot zu verantworten hatte, hat sich nicht die Mühe gemacht nachzurechnen, ob sie wirklich groß genug ist.

Jemand anders hingegen schon. Damals kostete ein einsatzbereiter Senkrechtstarter vom Typ AV-8 Harrier II das US-Marinekorps mehr als 20 Millionen Dollar, und dankenswerterweise gibt es eine einfache Möglichkeit der Umrechnung zwischen den Währungen US-Dollar und Pepsi-Punkte: Pepsi gestattete jedermann, Extrapunkte käuflich zu erwerben, das Stück zu 10 Cent. Nun bin ich nicht allzu bewandert, was die Marktpreise für Kampfflugzeuge aus zweiter Hand betrifft, aber für mich klingt die Summe von 700000 Dollar für ein Zwanzig-Millionen-Flugzeug nach einem guten Deal. Das galt auch für John Leonard, der versuchte, diesen umzusetzen.

Dabei ging es allerdings nicht um ein zahmes »versuchte«. Er setzte alles auf eine Karte. Die Werbeaktion sah vor, dass Leute für eine Bestellung aus dem Original-Pepsi-Katalog ein Minimum von 15 ordnungsgemäß erworbenen Pepsi-Punkten vorweisen mussten, dem sie dann einen Scheck über die restliche Summe plus 10 Dollar für Versand und Bearbeitung beilegen konnten. John hielt sich daran. Er verwendete ein Originalformular, sammelte 15 Punkte durch den Kauf von Pepsi-Produkten und legte bei seinen Anwälten 700008,50 Dollar auf einem Treuhandkonto ein, um den Scheck zu decken. Der Typ hat das Geld sogar aufgenommen! Es war ihm todernst.

Pepsi wies seine Forderung zunächst lapidar zurück: »Der Harrier-Jet in der Pepsi-Werbung ist ein Jux, allein dazu da, dem Spot ein witziges und amüsantes Ende zu verleihen.« Aber Leonard hatte bereits Anwälte eingeschaltet und war bereit zu kämpfen. Seine Anwälte schossen zurück: »Hiermit fordern wir Sie in aller Form auf, Ihrer Zusage nachzukommen und auf der Stelle Vorkehrungen zu treffen, unserem Klienten das neue Harrier-Flugzeug zukommen zu lassen.« Pepsi gab nicht nach, Leonard klagte, und die Sache ging vor Gericht.

Der Fall trat ein ordentliches Hin und Her darüber los, ob der fragliche Spot ganz offensichtlich ein Witz sei oder ob die Möglichkeit bestehe, dass ihn jemand mit Fug und Recht ernst nehmen könne. Die offizielle Stellungnahme des Vorsitzenden Richters war ein Vorgeschmack darauf, wie abstrus das alles werden würde: »Das Bestehen des Klägers darauf, dass der Werbespot ein ernst gemeintes Angebot darstelle, verlangt vom Gericht zu klären, was den Spot witzig macht. Zu erläutern, warum ein Witz witzig ist, ist eine verzwickte Angelegenheit.«

Aber sie haben es versucht!

Die Aussage des Teenagers, einen Harrier-Jet zur Schule zu nehmen »schlage jeden Bus«, offenbart eine wenig plausible unbekümmerte Vorstellung von den Schwierigkeiten und Gefahren, die mit dem Führen eines Kampfflugzeugs – im Vergleich zur Benutzung eines öffentlichen Transportmittels – in einem Wohngebiet einhergehen würden.

Keine Schule würde eine Landefläche für den Kampfjet eines Schülers zur Verfügung stellen, noch würde sie die Störung durch ein solches Flugzeug dulden.

Im Lichte des gut dokumentierten Einsatzspektrums des Harrier-Jets als Kampfflugzeug gegen Ziele am Boden und in der Luft, zur bewaffneten Aufklärung und Abriegelung aus der Luft sowie zur offensiven und defensiven Luftabwehr im Kriegsfalle ist die Darstellung eines solchen Flugzeugs als Transportmittel für den morgendlichen Schulweg ganz eindeutig nicht ernst gemeint.

Leonard hat seinen Jet nie bekommen, und Leonard gegen PepsiCo Inc. ist heute ein Stück Rechtsgeschichte. Ich persönlich finde es tröstlich, dass mir nun, wenn ich etwas in Richtung »gehörigem Knaller« äußere, ein gesetzlich anerkannter Präzedenzfall zur Verfügung steht, der mich vor Leuten schützt, die mich ernst nehmen. Und wenn irgendwer ein Problem damit haben sollte, sammle er einfach genügend Parker-Punkte für ein kostenloses Foto von mir, das zeigt, wie wenig mich das schert (Versand- und Bearbeitungskosten sind selbst zu tragen).

Pepsi bemühte sich seinerseits, sich vor künftigen Problemen solcherart zu schützen, und veröffentlichte den Spot in überarbeiteter Form mit einem Wert von 700 Millionen Pepsi-Punkten für die Harrier. Ich habe mich gewundert, dass man diese große Zahl nicht gleich zu Anfang genommen hatte, schließlich sind sieben Millionen nicht einen Deut witziger. Das Unternehmen hatte sich schlicht nicht die Mühe gemacht nachzurechnen, als es sich für eine willkürlich gewählte Zahl entschied.

Wir Menschen sind nicht sonderlich gut darin, den Wert einer großen Zahl korrekt zu erfassen. Und selbst wenn wir wissen, dass eine Zahl größer ist als eine andere, schätzen wir die tatsächliche Differenz häufig nicht richtig ein. 2012 musste ich bei den BBC-Nachrichten antreten, um zu erklären, wie groß eine Billion ist. Die Schulden des Vereinigten Königreichs waren soeben auf über eine Billion Pfund angewachsen, und so losten sie mich aus, um zu erklären, dass das eine große Zahl ist. Ganz offensichtlich würde es nicht reichen, lauthals zu verkünden: »Das ist wirklich ’ne Menge Kohle, und damit zurück ins Studio!«, also musste ich mir ein Beispiel einfallen lassen.

Ich verlegte mich auf meine Lieblingsmethode, und zwar das Veranschaulichen von großen Zahlen mithilfe von Zeit. Wir wissen, dass eine Million, eine Milliarde und eine Billion unterschiedliche Größenordnungen sind, aber oft ist uns nicht klar, wie atemberaubend groß der Abstand von einer zur anderen ist. Eine Million Sekunden von jetzt an, das bedeutet ein bisschen weniger als elf Tage und vierzehn Stunden. Nicht so schlimm. So lange könnte ich warten. Das sind weniger als zwei Wochen. Eine Milliarde Sekunden sind mehr als einunddreißig Jahre.

In einer Billion Sekunden von heute an schrieben wir das Jahr 33700 unserer Zeitrechnung.

Diese erstaunlichen Zahlen sind nach einem kurzen Nachdenken klar wie Kloßbrühe. Million, Milliarde und Billion sind jeweils das Tausendfache voneinander. Eine Million Sekunden sind grob über den Daumen gepeilt ein Drittelmonat, also entspricht eine Milliarde Sekunden etwas in der Größenordnung von 330 (ein Drittel von tausend) Monaten. Und wenn eine Milliarde ungefähr 31 Jahren entspricht, dann entspricht eine Billion natürlich 31000 Jahren.

Im Laufe des Lebens lernen wir, dass Zahlen linear angeordnet sind, mithin der Abstand zwischen zwei Zahlen immer der gleiche ist. Wenn Sie von eins bis neun zählen, ist jede neue Zahl eins mehr als die vorangegangene. Wenn Sie jemanden fragen, welche Zahl auf halber Strecke zwischen eins und neun liegt, wird er entgegnen: »fünf« – aber nur, weil man es ihm so beigebracht hat. Schafsnasen aufgewacht! Wir Menschen haben bei Zahlen nämlich instinktiv eine logarithmische Wahrnehmung und keine lineare. Wenn Sie ein kleines Kind fragen oder jemand anderen, der nicht durch unser Bildungssystem indoktriniert wurde, wird es oder er die Drei auf halber Strecke zwischen eins und neun einordnen.

Drei ist eine andere Art von Mitte. Sie ist das logarithmische Mittel, will sagen, die Mitte im Kontext der Multiplikation, nicht der Addition. 1 x 3 = 3. 3 x 3 = 9. Sie können von eins nach neun gelangen, indem Sie entweder in Viererschritten addieren oder indem Sie in Dreierschritten multiplizieren. Das »Multiplikationsmittel« ist demnach drei, und das ist das, was Menschen von Natur aus sehen – bis man es uns anders beibringt.

Als man die Angehörigen der indigenen Munduruku am Amazonas bat, Gruppen von Punkten auf einer Art Zahlenstrahl ohne Unterteilung, aber mit einem Punkt am Anfang und zehn Punkten am Ende, einzuordnen, platzierten sie Dreiergruppen in der Mitte. Wenn Sie ein Kind im Kindergartenalter oder kleiner kennen, dessen Eltern nichts gegen Ihre Experimente haben, wird es genau dasselbe tun, wenn es Zahlen einordnen soll.

Selbst nach lebenslangem Lernen und Umgang mit kleinen Zahlen bleibt uns das rudimentäre Empfinden, dass große Zahlen einer logarithmischen Beziehung gehorchen, mithin der Abstand zwischen einer Billion und einer Milliarde sich ungefähr genauso weit anfühlt wie der zwischen einer Million und einer Milliarde – in beiden Fällen geht es um ein Tausendfaches. In Wirklichkeit aber ist der Abstand zur Billion sehr viel größer: so wie der Unterschied zwischen dem Erreichen eines Alters von Anfang dreißig und einer Zeit, da die Menschheit womöglich nicht mehr existiert.

Unser Gehirn ist einfach nicht so verschaltet, dass es die Schulmathematik locker...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Übersetzer Susanne Kuhlmann-Krieg
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Humble Pi. A comedy of maths and errors
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • Architektur • Coca Cola • eBooks • Formel • Geschenk • Graf Zahl • mathe abitur • Mathe-Irrtümer • Mathematik • Mathematik im Alltag • Mathe witzig • Neuerscheinung • peinlich • Randall Munroe • Rechenfehler • unnützes Wissen • Warum Mathematik fast alles ist
ISBN-10 3-641-26508-8 / 3641265088
ISBN-13 978-3-641-26508-3 / 9783641265083
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