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Die Macht der Clans (eBook)

Arabische Großfamilien und ihre kriminellen Imperien - Ein SPIEGEL-Buch
eBook Download: EPUB
2020
352 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-26746-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Macht der Clans - Thomas Heise, Claas Meyer-Heuer
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Die Gangster von nebenan
Auf den Straßen deutscher Großstädte tobt ein Machtkampf: Kriminelle arabisch-stämmige Clans haben in Berlin, Bremen, Dortmund oder Essen über Jahre Großstadtkieze erobert - und kaum jemand hat sie aufgehalten. Lange waren Polizei und Justiz machtlos gegen die um sich greifende Gewalt. Nun hat der Staat den Kampf mit den Familienbanden aufgenommen. Bereits seit 2003 verfolgen die SPIEGEL-TV-Reporter Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer die kriminellen Machenschaften dieser Clans. Sie trafen Clan-Mitglieder bei Boxabenden und Gerichtsverhandlungen, sie waren bei Razzien vor Ort oder als auf offener Straße Prügeleien ausbrachen. In ihrem Buch geben sie tiefe Einblicke in die Strukturen der Clans, beschreiben, wie die Familienbanden so stark werden konnten - und analysieren, ob es dem Staat nun gelingen kann, die Kontrolle zurückzuerlangen.

Thomas Heise, geboren 1959 in Berlin (Ost), ist seit 1994 Reporter für SPIEGEL TV. Er war Redaktionsleiter des SPIEGEL TV Magazins sowie Stellvertretender Chefredakteur, derzeit ist er verantwortlicher Leiter für Investigation. Seit vielen Jahren recherchiert er über den Aufstieg krimineller Banden und Clans in Deutschland. Zusammen mit Claas Meyer-Heuer und Jörg Diehl veröffentlichte er den Bestseller »Rockerkrieg«. Zuletzt erschien von ihm und Claas Meyer-Heuer »Die Macht der Clans«, ebenfalls ein Bestseller; für den gleichnamigen Film erhielt das Reporterduo 2021 den Bayerischen Fernsehpreis. Millionen Fans verfolgen unter dem Titel 'Im Verhör' auf YouTube und im SPIEGEL-Podcast regelmäßig die exklusiven Berichte aus der Szene.

MAXIMALE ABSCHOTTUNG, MAXIMALE GEWINNE


Einführung in die ehrenwerte Welt der Clans

Es ist tief in der Nacht, mitten in Berlin, am 27. März 2017, als drei Gestalten über die Gleise der S-Bahn klettern. Die mächtigste Frau der Welt schläft gerade mal hundert Meter von ihnen entfernt in ihrer Wohnung. Rund um die Uhr bewacht von der Polizei. Die bekommt von den drei schwarz gekleideten Männern allerdings nichts mit. Das Ziel der drei ist ein Fenster im Erdgeschoss des Bode-Museums. 160 Fenster hat dieses Gebäude insgesamt. Ein einziges ist nicht mit einer Alarmanlage gesichert. Dort steigen die Männer ein. Sie laufen durch die Flure direkt zu einer Vitrine, in der gerade eine der größten und wertvollsten Münzen der Welt ausgestellt ist. »Big Maple Leaf«, geprägt 2003 in Kanada, 100 Kilogramm reines Gold, eines von weltweit sechs Exemplaren. Es ist die Leihgabe eines Privatmanns. Ihr Wert beläuft sich auf ca. 3,3 Millionen Euro.

Auch die Vitrine weist keine gesonderte Alarmanlage auf. Kein Mensch mit Verstand würde versuchen, mit einer 100 Kilogramm schweren Münze unter dem Arm zu flüchten. Das war die Überlegung der Museumsleitung. Die drei Männer jedoch haben ein Rollbrett dabei, wie es bei jedem gewöhnlichen Umzug zum Einsatz kommt. Sie zertrümmern das Glas der Vitrine, rollern die Scheibe zum Fenster und wuchten die 100 Kilo zu dritt auf die Bahngleise. In einer mitgebrachten Schubkarre geht es zu einem Fluchtfahrzeug. Seitdem gibt es keine Spur mehr von dieser Münze. Wahrscheinlich wurde sie zersägt und in kleinen Stücken verkauft.

Die Täter allerdings werden geschnappt und im Februar 2020 zu viereinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Zwei von ihnen sind Mitglieder der Rammo- (oder Remmo-) Familie, die zu den mächtigsten kriminellen Clans in Berlin gehört.

Clan-Mitglieder reden nicht mit der Polizei. Oder mit anderen staatlichen Stellen. Seit sie sich festgesetzt haben in den Nischen unserer Gesellschaft, verweigern sie jede denkbare Form der Integration.

Begonnen hat alles in den frühen 1980er-Jahren. Damals flohen mehrere solcher Familien aus dem Libanon vor dem dortigen Bürgerkrieg in die Bundesrepublik Deutschland und kriminalisierten sich. Unbeachtet von der Gesellschaft. Und unbeobachtet von den Strafverfolgungsbehörden. Mittlerweile sind sie zu einer echten Bedrohung für die deutsche Zivilgesellschaft geworden. Dabei geht es nicht nur um solche spektakulären Fälle wie den Münzdiebstahl aus dem Bode-Museum. Auch Schutzgelderpressungen, Diebstähle, Betrug und Drogendelikte gehören zu ihren Betätigungsfeldern. Die Clans kontrollieren in manchen Bezirken die Prostitution, sie terrorisieren Nachbarschaften und ganze Straßenzüge. Es gibt Orte, da sind sie zu Armeen geworden, die in wenigen Minuten mehrere Hundert Kämpfer mobilisieren können. Dort sind Parallelgesellschaften entstanden, die nicht mehr zu kontrollieren sind und in denen nicht mehr die Gesetze unseres Staates Gültigkeit haben, sondern nur noch das Recht der Stärke. Und vielleicht noch der Schiedsspruch eines von der Familie ernannten »Friedensrichters«, der dann über die strittigen Konflikte entscheidet.

Wie konnte so etwas in einem Land wie Deutschland passieren? Was sind die Ursachen für die Abkapselung krimineller Gruppen innerhalb unserer Gesellschaft? Mit diesen Fragen beschäftigt sich dieses Buch. Was hat aus einfachen, bildungsfernen Geflüchteten eine Gefahr für unsere Zivilgesellschaft gemacht? Was passiert im Verborgenen dieser Parallelgesellschaften? Wie sind sie strukturiert? Nach welchen Gesetzmäßigkeiten funktionieren sie? Wie ist ihnen beizukommen? Warum war der Staat über so viele Jahre blind für das, was dort im Verborgenen blühte? Lässt sich die Entwicklung überhaupt noch zurückdrehen? Oder ist es bereits zu spät dafür?

Schon der Name reicht als Drohung


Es war im Jahr 2003, als wir zum ersten Mal für SPIEGEL TV im Clan-Milieu recherchierten. Damals stand Mahmoud Al Zein alias »El Presidente« im Fokus unserer Berichterstattung. »Der Dicke«, wie er von Ermittlern genannt wird, war die beherrschende Unterweltgröße Berlins. Und der Archetyp eines Clan-Mitglieds, an dem sich so ziemlich jedes Problem festmachen lässt, das die Gesellschaft mit diesen Strukturen hat. 1982 reiste Al Zein aus dem Libanon nach Westberlin ein, sein Asylantrag wurde abgelehnt, sein Aufenthalt in der Stadt aber geduldet. Seine Familie kassierte Sozialhilfe, er selbst chauffierte im Daimler durch die Stadt und regelte »Dinge«. Zum Beispiel für einen Bordellbetreiber, der Stress hatte mit seiner Konkurrenz. Überall dort, wo es darum ging, Angst zu verbreiten und Stärke zu demonstrieren, war er zur Stelle. Das war so etwas wie sein Geschäftsmodell: »Ich habe vor niemandem Angst. Ich kenne überhaupt keine Angst«, erklärte er damals im Interview. Das war auch nicht nötig, denn alle anderen Menschen hatten schon Angst vor ihm und seiner Familie.

Viele weitere Dokumentationen von uns zu diesem Thema folgten. Damit waren wir die Ersten, die derart umfangreich über die Clans berichteten. Wir haben einmal zusammengerechnet: Die TV-Beiträge erreichten insgesamt mehr als 30 Millionen Zuschauer. Dazu kommen über die Jahre Dutzende Artikel auf SPIEGEL ONLINE und im SPIEGEL. Mit der Titelgeschichte über die »Macht der Clans« konnte die SPIEGEL-Ausgabe 8/2019 eine der besten Auflagen des Jahres erzielen.

Die politische Resonanz hielt sich trotzdem über all die Jahre in engen Grenzen. Das lag zum einen an den Medien, die sich schwer damit taten, Zusammenhänge zwischen Straftaten und einzelnen ethnischen Gruppen aufzuzeigen, um einem wachsenden unterschwelligen Rassismus in unserem Land nicht in die Hände zu spielen. Dasselbe galt auch für die Berliner Behörden, die aus politischen Gründen in ihrer Kriminalstatistik Straftäter mit Migrationshintergrund nicht extra erfassten.

Ähnlich verhielt sich die Politik in Nordrhein-Westfalen, dem zweiten Schwerpunkt arabischer Clan-Kriminalität, für die solche Strukturen lange kein Thema waren.

Dabei gibt es dort seit einigen Jahren schon Stadtteile, die sozio-kulturell im Sinne einer aufgeklärten Mehrheitsgesellschaft »gekippt« sind. Die Macht der Clans hat den deutschen Rechtsstaat und die Macht seiner Strafverfolgungsbehörden ersetzt. Meistens müssen Clan-Mitglieder dafür nicht einmal drohen. Es reicht schon die Erwähnung ihres Namens. In den Vierteln hat sich eine Paralleljustiz etabliert, für die unsere Verfassung und ihre Gesetze keine Bedeutung mehr haben. Auch die Polizei hat dort jeden Einfluss verloren, weil sie den Clans schon zahlenmäßig schlicht unterlegen ist. Nach unseren Recherchen gibt es Familien, die es innerhalb von nur drei Generationen auf mehrere Hundert Mitglieder gebracht haben, die alle in verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander stehen und alle innerhalb weniger Stunden zu mobilisieren sind. Viele dieser Mitglieder aus der zweiten oder dritten Generation sind zwar in Deutschland geboren, aber im Sinne der Großfamilie sozialisiert, so dass nicht nur auf den Straßen und in der lokalen Geschäftswelt der Machtanspruch der Familie durchgesetzt wird. Schon die Grundschulen bilden diese Strukturen ab. Da werden Mitschüler erpresst oder abgezogen oder Kopf voran in die Toilette gestopft und dann die Spülung betätigt. Immer in dem Wissen, dass die Macht der Familie jede Sanktionierung verhindert.

Macht und Rechtsstaat


Erst seit wenigen Jahren setzt sich in der Politik die Einsicht durch, dass es hier um mehr geht als nur die Klassifizierung einzelner Straftaten. Tatsächlich geht es um den Hoheitsanspruch des Staates und das Bild, das er von sich selbst bei dessen Durchsetzung abgibt. Es geht um kriminelle Strukturen, die mit ihren Gebiets- und Machtansprüchen das gesamte Rechtssystem in Frage stellen. Es geht um einen Krieg zwischen den verbrieften Rechten einer Ordnungsmacht und der Macht krimineller Wertesysteme. Es geht um die moralischen Vorstellungen unseres Wertekanons und um die Frage, ob diese Rechte Bestand haben im Kampf der Kulturen: Das Recht des Staates gegen das Recht des Stärkeren. Die Gesetze unserer Verfassung gegen das Gesetz der Ehre. Die Regeln unseres Zusammenlebens gegen die Macht eines Baseballschlägers.

Dieser Konflikt findet sich exakt genauso in anderen kriminellen Strukturen wie der Mafia wieder. Oder bei Rockerclubs wie den Hells Angels oder den Bandidos: Immer wird eine hermetisch abgeschlossene, hierarchisch organisierte Gruppierung gebildet und ein eigenes, außerhalb der Gesetze stehendes Wertesystem etabliert. Bei den Bikergangs manifestiert sich diese Gedankenwelt im Begriff der »Bruderschaft«. Bei der Mafia ist es die Idee der Familie, ohne dass im eigentlichen Sinne familiäre Beziehungen bestünden. Und bei den Clans schließlich ist es dann tatsächlich die Großfamilie, die über allem anderen steht. Ihre Gesetze haben einen quasi religiösen Absolutheitsanspruch. Selbst unberechtigte Vorwürfe oder Verurteilungen werden ohne Widerspruch akzeptiert. Niemals käme ein Mitglied auf die Idee, in einem Streitfall ein deutsches Gericht anzurufen. Die Mafia nennt das Omertà. Das Gesetz des Schweigens. Aber auch bei den Rockern und den arabischen Clans kommt ein Zusammenarbeiten mit den deutschen Behörden einer Todsünde gleich. Oder bringt gleich den Tod.

Es gehört zu den systemimmanenten Handlungsmustern, dass die Clans versuchen, staatliche Institutionen aus ihrem Kosmos herauszudrängen. Gewalt ist dabei immer das Mittel der Wahl. Opfer von Straftaten werden massiv unter Druck gesetzt, Zeugen werden bedroht oder...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 4 blocks • Abou-Chaker • Amazon Bushido • Bushido • Bushido Doku • Bushidos Wahrheit • Capital Bra • Clan-Kriminalität • Dogs of Berlin • eBooks • Familienclans • Gangsta Rap • Goldmünze • Grünes Gewölbe • Miri • Organisierte Kriminalität • Remmo • SPIEGEL TV Podcast Im Verhör • unzensiert
ISBN-10 3-641-26746-3 / 3641267463
ISBN-13 978-3-641-26746-9 / 9783641267469
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