Sex und so (eBook)
200 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2292-6 (ISBN)
Lydia Meyer setzt sich als Autor*in, Redakteur*in und Konzepter*in in unterschiedlichen Formaten und Medien mit Sex, Gender, gesellschaftlichen Normen und deren Verwobensein auseinander. Vorher studierte Lydia Meyer Kulturwissenschaften und Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Leipzig und Berlin, arbeitete u.a. für Zeit Online und die Kooperative Berlin und entwickelte dort die YouTube-Serie »Auf Klo« sowie das queerfeministische Format »Softie« in Kooperation mit dem Missy Magazine für funk. 2020 erschien »Sex und so. Ein Aufklärungsbuch für alle« im Ullstein Verlag.
Lydia Meyer, geboren 1989, ist Redakteurin bei ZEIT Online. Vorher studierte sie Kulturwissenschaften und Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Leipzig und Berlin und arbeitete als Autorin, Redakteurin und Formatentwicklerin für die KOOPERATIVE BERLIN. Dort konzipierte und betreute sie u.a. die YouTube-Serie "Auf Klo" sowie das queerfeministische Format "Softie" in Kooperation mit dem Missy Magazine für funk.
Sex und so
Das erste Mal –
Vorstellung vs. Realität
Um den ersten Sex wird ein ziemlicher Wirbel gemacht. Er soll schön, romantisch, irgendwie bewusstseinserweiternd und gleichzeitig entspannt, kurz gesagt, einfach perfekt sein. In vielen Fällen ist das erste Mal aber einfach nur komisch und verwirrend, kann wehtun oder ist schon vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Viele Leute fiebern dem ersten Sex aufgeregt entgegen und sind dann enttäuscht, wenn es nicht so läuft wie im Film. Rund um das erste Mal herrscht ein großer Druck, und die Realität sieht meistens ganz anders aus, als wir es aus Film und Fernsehen kennen. In der Wirklichkeit klatschen Bäuche aneinander, man schwitzt, macht komische Geräusche und weiß nicht so recht, wohin mit sich, den Händen und den Augen. Manche Leute haben lieber im Dunkeln Sex, andere im Hellen, manche lassen dabei ihr T-Shirt oder die Socken an, andere sind lieber ganz nackt. Vielleicht wird zwischendurch auch mal geniest oder gehustet, Arme oder Beine schlafen ein, und irgendwo guckt ein Büschel Haare raus. Manche brauchen Trink- oder Pinkelpausen, und bei anderen klappt’s nicht gleich mit dem Feuchtwerden, der Erektion oder dem Orgasmus.
Sex ist komplex, und es gehört viel Übung und Kommunikation dazu, bis man das alles richtig easy hinbekommt. Also kein Stress, wenn du keinen hochkriegst, aufgeregt bist, nicht gleich beim ersten Mal kommst oder zwischendurch einfach mal eine Pause brauchst. Nervosität, Anspannung, Überforderung oder einfach große Lust können auch dazu führen, dass manche Menschen beim Sex lachen. Fühl dich bitte nicht ausgelacht, falls das passieren sollte. Lachen gehört nämlich dazu, und Sex ist nun wirklich keine todernste Angelegenheit.
In Filmen sehen wir meistens nur heterosexuelle Menschen beim Sex, also Frauen und Männer, die miteinander schlafen. In der Realität schlafen auch Männer mit Männern, Frauen mit Frauen, Queers mit Queers, alle mit allen. All dieser Sex ist genauso Sex wie Hetero-Sex, und Sex braucht keinen Penis, um Sex zu sein.
Sexuelle Erregung sieht bei allen Menschen unterschiedlich aus und kann durch ganz verschiedene Reize ausgelöst werden. Berührungen, Gedanken oder auch Worte spielen dabei eine Rolle. Erregung muss nicht direkt auf eine bestimmte Person oder Handlung bezogen sein, sondern kann auch unbestimmter und diffuser sein. Du kannst dich zum Beispiel durch bestimmte Gedanken, Bilder, Filme oder Berührungen bewusst erregen und schauen, was da bei dir passiert. Hast du einen Penis, strömt Blut hinein, wenn du erregt bist, und er wird steif. Hast du eine Vagina, wird sie bei sexueller Erregung feucht, und die Klitoris erigiert. Beides klappt nicht immer und kann auch aus anderen Gründen passieren. Gerade in der Pubertät kommt so eine kleine Erregung manchmal unbewusst und unpassend. Wenn man gerade beim Sport ist oder in der U-Bahn sitzt, kann das ziemlich überfordernd sein. Mädchen und Frauen können ihre Erregung easy verstecken, aber so ein Ständer im Bus kann ziemlich unangenehm sein. Eine Anleitung für solche Situationen gibt es leider nicht. Sich wegdrehen, ihn in der Hosentasche runterdrücken, ihn unter den Hosenbund klemmen oder wie bei einem heftigen Lachkrampf an etwas Schlimmes oder Neutrales denken könnte helfen. Brot, Brot, Brot. Steine, Steine, Steine. Sand, Sand, Sand. Und atmen nicht vergessen.
Was eine Person sexuell erregt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, und alle macht etwas anderes an. Nur du kannst herausfinden, was das ist – bei dir selbst und bei deinen Sexualpartner*innen. Hab keine Angst, dass Reden an dieser Stelle unangebracht oder unsexy sein könnte, nur weil deep talk in Pornos nicht so oft vorkommt. Wenn du dir nicht sicher bist, ob das, was du da gerade machst, der anderen Person gefällt, frag sie, oder – falls das mit dem Reden beim Sex nicht so gut klappt – lass dir beim Berühren von ihr helfen.
Geschlechterstereotype beim Sex
Weibliche Lust war früher ein Tabuthema, und eine lange Zeit galt Sexualität als reine Männersache, an der Frauen gesellschaftlich gar kein Interesse haben durften. Frauen waren in diesen Erzählungen lange eher der passive Part, und Sex war eben da, um Kinder zu kriegen und Männer zu befriedigen. Das ändert sich seit ein paar Jahren, und viele Menschen thematisieren endlich auch die weibliche Sexualität. Denn schließlich haben auch Frauen Lust auf Sex, Orgasmen und ein selbstbestimmtes Sexleben.
Bei vielen Männern herrscht der Druck, ständig Sex haben wollen zu müssen. Uns wird beigebracht, dass Frauen nur auf den Mann warten, während Männer dauergeil durch die Gegend rennen und immer Lust auf Sex haben. Beides stimmt nicht, und es ist total normal, mal Lust und mal keine Lust zu haben – egal, welches Geschlecht du hast. Andere Geschlechter spielen beim öffentlichen Reden über Sex bisher kaum eine Rolle, und die meisten Menschen denken in den Kategorien »Mann« und »Frau« statt in »oben« und »unten«, »aktiv« und »passiv« oder einfach »abwechselnd« und »fließend«. Um guten Sex zu haben, braucht man weder Penis und Vagina, noch muss man sich dafür als Mann oder Frau identifizieren.
Übrigens: Auch wenn hier manchmal von weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen die Rede ist, sind nicht allein die Genitalien für das Geschlecht einer Person verantwortlich. Manche Frauen haben einen Penis und manche Männer eine Vulva. Andere Menschen mit diesen Organen sind weder männlich noch weiblich. Die Genitalien bestimmen nicht deine Geschlechtsidentität, und das Vorhandensein einer Vulva ist keine Voraussetzung, um eine Frau zu sein. Geschlecht ist nämlich viel mehr als Genitalien und Hormone. Wenn du mehr darüber wissen willst, blättere vor zu Kapitel 5.
Eine große Rolle beim Orgasmus spielt für Menschen mit Gebärmutter die Klitoris. Sie besteht aus zwei Schenkeln, einer Eichel, hat eine Vorhaut und erigiert bei Erregung. Klingt nach Penis? Ist aber keiner! Die Klitoris ist nicht nur ein kleiner Knubbel, sondern ein sehr großes, extrem empfindliches Organ mit unendlich vielen Nerven(-enden) und Schwellkörpern, die sich bei Erregung mit Blut füllen und erigieren. Eisbergmäßig versteckt sich ihr größter Teil im Inneren des Körpers, und nur ein kleiner Mini-Schnipsel davon ist von außen erkennbar. Der kleine Knubbel, den du von außen sehen kannst, ist die Klitoris-Eichel, und auch wenn das alles ist, was du von außen sehen kannst, hast du es hier mit einem großen Organ und einer der empfindlichsten Körperstellen zu tun.4 Klitoris(-Eichel), Scheidenvorhof, Vulvahügel sowie die inneren und äußeren Schamlippen werden zu den äußeren weiblichen Geschlechtsorganen gezählt, während Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter und Vagina die inneren weiblichen Geschlechtsorgane bilden.5
Vulva-Verwirrung
Wenn Menschen über weibliche Geschlechtsorgane sprechen, reden sie oft von der Vagina und meinen damit eigentlich die Vulva. Die Vulva ist das, was man von außen sehen kann, die Vagina liegt innen, und die Klitoris ist dieser supersensible Eisberg mit zwei Schenkeln, der nur dazu da ist, uns zum Orgasmus zu bringen.
Klitoris und Penis sind gar nicht so unähnlich, wie manche Menschen behaupten, und beide entwickeln sich bei Embryonen sogar aus dem gleichen Organ.6 Genau wie bei der Klitoris sitzt auch an der Penisspitze eine Eichel, über die sich – bei nicht beschnittenen Männern – die Vorhaut stülpt. Wie in der Klitoris befinden sich auch in Penis und Eichel Schwellkörper, die sich bei sexueller Erregung mit Blut füllen und anschwellen. Dadurch wird der Penis steif, wenn die dazugehörige Person sexuell erregt ist. Er erigiert.
Neben dem Penis kann man von außen den Hodensack sehen, der Hoden und Nebenhoden enthält, in denen Spermien und Testosteron gebildet werden.7 Penis, Hoden und die Haut drum herum sind genau wie die Klitoris voller Nervenenden und sehr empfindlich. Neben dem von außen sichtbaren Penis und Hodensack gehören die innen liegende Prostata, der Samenleiter und die Harnblase zu den sogenannten männlichen Geschlechtsorganen.
Hymen
Das sogenannte Jungfernhäutchen – oder besser Hymen – ist gar kein Häutchen, sondern eine kranzförmige Hautfalte an der Vaginaöffnung. Es hat keine Funktion und sieht bei allen Menschen unterschiedlich aus. Es ist in den meisten Fällen sehr flexibel und dehnbar und kann beim ersten Sex reißen, muss es aber nicht unbedingt. Dass alle Frauen beim ersten Sex bluten, ist ein Mythos, und man sieht Frauen über das Hymen nicht an, ob sie bereits Sex hatten oder nicht.8
Lange hat niemand über die Klitoris geredet, und auch heute weiß kaum jemand, wie sie aussieht. Wir alle können ganz easy ’nen Penis an die Tafel malen, aber haben keinen Plan, wie eine Klitoris aufgebaut ist. Oben noch mal beides zum Ausmalen und Auswendiglernen.
Die Geschlechtsorgane werden in der Wissenschaft in männliche und weibliche, äußere und innere sowie primäre und sekundäre Geschlechtsorgane unterteilt. Das macht einiges übersichtlicher, doch gerade die Einordnung...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2020 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Aufklärung • Bisexualität • Cis • Druck • Erwachsenwerden • Geschlechter • Geschlechterforschung • Geschlechterrollen • Geschlechtskrankheiten • Heterosexuell • Homosexualität • Körper • Körperbewusstsein • Körpergefühl • LGBT • Mobbing • Pubertät • Pubertät Buch • Selbstbestimmung • Selbstbewusstsein • Selbstwertgefühl • Sexualität • Transsexuell |
ISBN-10 | 3-8437-2292-7 / 3843722927 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2292-6 / 9783843722926 |
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