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Nackt im Hotel - Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
208 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43725-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nackt im Hotel - Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft -  Jo Schück
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Vergiss Liebe! Nur Freundschaft kann uns retten. Jo Schück, bekannt als aspekte-Moderator und Kulturjournalist, wagt eine radikale These: In der heutigen Zeit, die von gesellschaftlichen Umbrüchen und Globalisierung geprägt ist, in der Sicherheiten gesellschaftlich abhanden kommen und klassische Familienstrukturen sich auflösen, gibt es nur eine beständige Bindung: Freundschaft. Sie gibt uns den Halt, den wir anderswo nicht mehr finden - weder in Liebesbeziehungen noch im familiären Umfeld. Jo Schück kombiniert Kurzgeschichten zum Thema Freundschaft mit hervorragend recherchierten Gesellschaftsanalysen. Er spannt dabei den Bogen von allgemeinen Aussagen über das Wesen der Freundschaft, über Zeitgeist-Phänomene wie Instagram-Dates, Freundschaft plus und Single-Haushalte bis hin zum gesellschaftspolitischen Wert, der Freundschaft heutzutage eingeräumt werden sollte.

Jo Schück, Jahrgang 1980, hat Publizistik, Philosophie und BWL studiert. Seit 2014 moderiert er die Kultursendung aspekte im ZDF und fungiert als Autor und Presenter für gesellschaftspolitische Dokumentationen. Zudem präsentiert er das Debattenformat lass uns reden und die Musiksendung  zdf@bauhaus. Vor seiner Fernsehkarriere war er Radiomoderator bei fritz (rbb) und SBS Alchemy in Sydney. Schück war nominiert für Grimmepreis und deutschen Fernsehpreis und ist ausgezeichnet mit dem Ernst-Schneider-Preis und dem CNN Journalist Award. Nackt im Hotel ist sein erstes Buch.

Jo Schück, Jahrgang 1980, hat Publizistik, Philosophie und BWL studiert. Seit 2014 moderiert er die Kultursendung aspekte im ZDF und fungiert als Autor und Presenter für gesellschaftspolitische Dokumentationen. Zudem präsentiert er das Debattenformat lass uns reden und die Musiksendung  zdf@bauhaus. Vor seiner Fernsehkarriere war er Radiomoderator bei fritz (rbb) und SBS Alchemy in Sydney. Schück war nominiert für Grimmepreis und deutschen Fernsehpreis und ist ausgezeichnet mit dem Ernst-Schneider-Preis und dem CNN Journalist Award. Nackt im Hotel ist sein erstes Buch.

Nizza


Pisse.

Es stinkt nach Urin.

Mehr ist da nicht. Mehr hat er nicht. Nur diesen Geruch.

Ammoniak und Zitronensäure.

Seit wann? Seit Stunden.

Aus dem Spiegel starrt ein Typ mit blutunterlaufenen Augen, ein Gesicht wie eine Kraterlandschaft, gefangen vom Geruch des Urins.

Wie konnte es so schnell eskalieren? Wie zur Hölle, fragt er sich, ist ein Mensch in der Lage, so etwas überhaupt zu tun? So was tut man nicht.

Sie hat es getan.

»Excusez-moi, darf ich …?«, fragt eine Stimme. Der Mann will sich die Hände waschen.

»Klar«, antwortet er, »bien sûr« – und bewegt sich keinen Millimeter. Nicht weil er nicht will. Sondern weil er nicht kann. Na gut, auch ein bisschen, weil er nicht will.

Der Franzose schaut erst konsterniert, dann verärgert. Augenenge.

Was denkt der jetzt von ihm? Dass er ein Penner ist? Irre? Ein Terrorist? Heutzutage denken ja immer alle gleich, dass jemand ein Terrorist ist, nur weil er sich gerade nicht konventionsgetreu verhält. Nur weil er zum Beispiel mit blutunterlaufenen Augen auf einem Raststättenklo vor dem Waschbecken rumhängt, seit Stunden sein Spiegelbild betrachtet und sich auch dann nicht bewegt, wenn jemand »Excusez-moi« sagt.

Excusez-moi, excusez-moi, äfft er den Mann nach.

In Gedanken. Laut hätte er sich das nie getraut, gerade jetzt, wo er so neben sich steht. Und auch neben dem Mann.

Der drängelt ihn unsanft an die Wand, lässt den Wasserstrahl über die Hände laufen, 21, 22, genau drei Sekunden lang, schnappt sich in der Drehung ein Papierhandtuch und ist raus, bevor der Typ mit den blutunterlaufenen Augen realisiert hat, dass da jemand war.

Und es stinkt.

Nach Pisse.

— — —

»Wenn mir jemand auf den Sack geht, dann BÄM, Nummer gelöscht, uuunnd tschüs, du.«

Sie bearbeitet gestenreich das imaginäre Handy in ihrer Hand.

Sie liegt auf dem Rücken, die Arme nach oben gestreckt. Er liegt neben ihr auf der Seite.

Beim Reden bebt ganz leicht ihr Oberkörper. Durchs Fenster fällt ein Sonnenstrahl, der sich über ihren Körper legt wie ein Gurt im Auto. Ein Leuchtband mit Brüsten. Faszinierend.

Als er nicht antwortet, dreht sie den Kopf. Sie folgt seinem Blick. Ein Lächeln, ganz kurz nur, aber wahrnehmbar.

Er reißt sich los und schaut sie an.

»Wirklich? Einfach gelöscht?«, fragt er und stützt den Kopf auf den Ellbogen.

»Klar. Wenn jemand Scheiße baut: weg. Ich hab keinen Bock mehr, mich mit Idioten abzugeben.« Sie starrt an die Decke. An wen sie wohl denkt? Auf ihrem Hals sitzt ein klitzekleiner Schweißtropfen. Der letzte Rest Leidenschaft. Eine glitzernde Perle, die sich der Verdunstung hingibt.

»Aber die Leute in deinem Telefonbuch«, er reißt sich zusammen, »das sind doch nicht irgendwelche Leute …«

»Na und?«

»Na ja, das sind ja keine Twitter-Trolle, die man einfach so blocken kann. Oder entfreunden, nur weil dir was nicht passt.«

»Entfreunden«, sagt er mit Gänsefüßchen-Fingern in der Luft.

Sie blickt ihn an und antwortet:

»Nein?« Auch mit Gänsefüßchen-Fingern in der Luft.

»Nein.« Jetzt starrt er an die Decke.

Will sie ihn provozieren? Oder meint sie das ernst? Bei ihr weiß man das nie so genau. Wie kann jemand, der so schlau ist, so schön, so begehrenswert … aber vor allem so schlau; wie kann so jemand ernsthaft den Unterschied zwischen Trollen und Freunden infrage stellen?

Fragt er sich.

Und dann fragt er sie.

»Tue ich ja gar nicht«, antwortet sie und setzt sich auf. Mit einem routinierten Handgriff schlingt sie die Bettdecke um ihren Oberkörper. Tausendmal geübt. Das Lichtband verlagert sich, streift jetzt ihren Rücken. Eine Schärpe aus Licht.

»Aber wenn mir jemand hart auf den Sack geht, dann will ich ihn nicht mehr in meinem Leben haben. Du sagst doch immer, ich soll den negativen Kram nicht an mich ranlassen, die ganze negative Energie. Und dafür mag ich dich. Du bist positiv«, sagt sie und blickt ihn an. Von oben herab. »Du bist optimistisch. Und das will ich auch sein. Das heißt aber: Kein Platz für Idioten. Wer Mist baut, ist raus. Fertig.«

Er schüttelt den Kopf. Hauptsächlich, weil er nicht weiß, was er darauf antworten soll. Sie denkt, er sei positiv. Sie schmeichelt ihm … um ihn zu überrumpeln? Zu manipulieren?

Die Sonne hat sich bewegt. Der Sonnenstrahl hinter ihrem Rücken trifft jetzt sein linkes Auge. Er schließt es und ist verwirrt. Von ihrer Logik. Und weil sie sagt, sie mag ihn.

Augen auf, blinzeln, neuer Versuch:

»Machst du nie Fehler?«

Mit einer Hand schützt er sein Auge vor dem Licht.

»Doch, jede Menge, weißt du ja.«

»Aber würdest du nicht wollen, dass dir jemand verzeiht, wenn du mal richtig Mist baust?«

»Kommt auf den Mist an.«

Anstrengend. Was ist das für ein seltsames Gespräch?

»Na ja, nehmen wir an«, er sucht in Gedanken das beste unter den besten Beispielen. Er richtet sich auf und sitzt jetzt neben ihr, Schulter an Schulter. »Nehmen wir an, du leihst dir die Lieblingsohrringe deiner besten Freundin, o. k.?« Es ist eins der schlechtesten unter den schlechten Beispielen. Immerhin nickt sie erwartungsvoll.

»… und dann verlierst du sie im Schwimmbad, die Ohrringe. Nicht die Freundin.«

Sie lacht.

Nicht.

Mist.

»Auf jeden Fall … also, du willst sie vor dem Schwimmen ausziehen und dabei fallen sie dir in den Abfluss. Du weißt schon, der Abfluss, der da immer bei den Umkleidekabinen ist, auf dem Boden, wenn man seine Badehose auswringen will nach dem Schwimmen.«

»Ja …?« Aus erwartungsvoll wird zweifelnd.

»Ja, also, du hast die Ohrringe deiner besten Freundin verloren. Eine schlimme Sache, denn es sind ihre absoluten Lieblingsohrringe. Vielleicht sogar ein Erbstück. Dann würdest du doch auch nicht wollen, dass sie dich einfach aus ihrem Telefonbuch rausschmeißt … und dich aus ihrem Leben löscht?!«

Sie schaut jetzt ernsthaft irritiert.

»Wegen der Ohrringe? Warum sollte sie mich löschen wegen ein paar Ohrringen?«

»Na ja, weil … na eben! Das macht doch keiner!«

»Hä? Ohrringe verlieren ist ja auch nicht ›so richtig Mist bauen‹.«

»Nicht? O. k. Und was wäre das dann?«

Sie blinzelt. Immer mehr Lichtstrahlen schießen ins Zimmer. Die Sonne ist im Vorteil, immer in Bewegung, der Vorhang hingegen starr. Er ist ein Beschützer, aber nur auf Zeit.

»Wenn mich jemand enttäuscht. Mein Vertrauen missbraucht. Das meine ich.«

Sie beißt sich auf die Lippe.

Er beobachtet das. Sieht zu, wie die oberen Schneidezähne die untere Lippe bearbeiten.

»Und? Hast du schon mal jemanden gelöscht?«, fragt er, ohne den Blick von ihren Lippen zu lösen. Er will die Antwort sehen, wenn sie denn kommt. Licht ist schneller als Schall.

»Ja«, sieht er. Sie nickt zaghaft. Ihre Schneidezähne spielen mit der Unterlippe. »Meine beste Freundin.«

»Deine beste Freundin?« Die Frau seiner Träume hat ihre beste Freundin gelöscht?

»Was hat sie denn verbrochen?«

»Es war … ach, ist doch egal.«

»Nee, ehrlich gesagt: nicht egal«, sagt er und drückt seinen Rücken durch. Die Wirbel knacken. »Ich versuche hier zu verstehen, warum du Menschen löschst. Ich meine, vielleicht willst du ja irgendwann mich löschen? Da wüsste ich vorher schon gerne, welche Art Mist …«

»Sei einfach kein Arschloch, o. k.?«, sagt sie, eine Spur zu laut. Sie schaut ihn an.

»Kein …« Er verstummt. Durch den Schlitz am Fenster sieht er eine Wolke am Himmel. Sieht aus wie ein Schaf. Eine Klischee-Wolke, denkt er.

»O. k.«, sagt er.

»O. k.«, sagt sie und nickt, als ob ein Kapitel fertig sei. Sie lässt sich zurück ins Bett fallen. Er tut es ihr gleich.

Sie nimmt seine Hand.

Er nimmt sich vor, nie im Leben ihr Vertrauen zu missbrauchen.

Er will nicht gelöscht werden.

— — —

Er wurde gelöscht.

Unbekannter Anrufer, steht auf ihrem Display, mit Sicherheit steht das da. 28 unbeantwortete Anrufe von einer unbekannten Nummer. Krass, eben noch, vorhin, gestern Abend, da war er der Typ, mit dem sie ziellos durch Südfrankreich getingelt ist, mit dem sie Songs gegrölt hat – sogar welche von den Toten Hosen! Der Mann, mit dem sie – irgendwann, aber dann ganz dolle – Kinder großziehen würde, das hat sie gesagt! Der Mann dessen Grübchen das Sexieste waren, das sie je gesehen hat, wenn es das Wort »Sexieste« überhaupt gibt, das hat sie alles gesagt. Er war gerade eben noch der Mann ihrer Träume, verdammt. Teil eines ziemlich coolen Pärchens, unterwegs in Südfrankreich, heute Nizza, morgen Cannes, und dazwischen Sex am Strand, und jetzt, wer ist er jetzt?

Eine fucking unbekannte Nummer.

Schon wieder Wut. Wie oft war sie hier in den letzten Stunden? Die Wut kommt immer nach der Fassungslosigkeit und die Fassungslosigkeit kommt nach der Trauer. Dann wieder Wut.

Komma klar, Alder.

?

Ich mein ja nur, du bemitleidest dich schon ganz schön lange.

Ich wurde gerade abserviert, denkt er: Ich! darf! das! Und wer bist du eigentlich, fragt er sich, dass du mir sagst, was ich zu denken habe? Mein Über-Ich? Meine...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2020
Reihe/Serie dtv bold
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Alte weiße Männer • digital native • Freundschaft • Generation Y • Männerfreundschaft • Millenials • Stories • tschick • Was Männer zu Freunden macht • Zusammen sind wir Könige
ISBN-10 3-423-43725-1 / 3423437251
ISBN-13 978-3-423-43725-7 / 9783423437257
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