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Warum Feminismus gut für Männer ist (eBook)

Aus dem Niederländischen von Christina Brunnenkamp und Isabel Hessel
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
176 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-458-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Warum Feminismus gut für Männer ist -  Jens van Tricht
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Viele Männer reagieren geradezu aggressiv auf Feminismus. Warum eigentlich? Leiden doch auch Männer unter den ungerechten Geschlechterverhältnissen, die sie selbst geschaffen haben: Sie bekommen häufiger einen Herzinfarkt als Frauen, begehen öfter Suizid, haben generell eine geringere Lebenserwartung. All das hat ganz wesentlich damit zu tun, dass sie sich immer noch an überkommenen Vorstellungen von Männlichkeit orientieren, möglichst viel arbeiten, Stärke und Durchsetzungsvermögen zeigen wollen. Gerade gegen solche einengenden Rollenerwartungen kämpft der Feminismus.
Jens van Trichts Buch wirft einen frischen Blick darauf, wie bestimmte Männlichkeitsvorstellungen toxisch wirken und was Männer tun können, um sich davon zu befreien. Ein leidenschaftliches Plädoyer für die freie Entfaltung von Talenten und Vorlieben eines jeden Menschen.
»Feminismus ist auch Männersache.«
Robert Habeck



Jahrgang 1969, hat an der Universität Amsterdam Frauen- und Geschlechterwissenschaften studiert und beschäftigt sich seit 25 Jahren mit dem Thema »Männer und Männlichkeit«. In den Niederlanden hat er die Organisation Emancipator ins Leben gerufen. Außerdem gehört er zu den Koordinatoren der seit 2006 bestehenden weltweiten MenEngage Alliance, die mit Jungen und Männern an der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit arbeitet.

Jahrgang 1969, hat an der Universität Amsterdam Frauen- und Geschlechterwissenschaften studiert und beschäftigt sich seit 25 Jahren mit dem Thema "Männer und Männlichkeit". In den Niederlanden hat er die Organisation Emancipator ins Leben gerufen. Außerdem gehört er zu den Koordinatoren der seit 2006 bestehenden weltweiten MenEngage Alliance, die mit Jungen und Männern an der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit arbeitet.

MÄNNER UND MÄNNLICHKEIT IN BEWEGUNG


Ich war drei oder vier Jahre alt, als meine Eltern mit mir zu dem Grundstück fuhren, auf dem unser neues Haus gebaut werden sollte. Damals war an dieser Stelle eine Wiese an einem Teich. Wir hatten einen Fußball dabei. Mein Vater schoss den Ball senkrecht in die Luft, so hoch, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Bis in die Wolken! Ich erinnere mich an die Ehrfurcht, die ich vor meinem zu allem fähigen Vater empfand. Papa konnte einfach alles.

Eine meiner ersten Erinnerungen an meine Mutter spielte sich am selben Ort ab, einige Zeit später. Der Bau des Hauses hatte schon begonnen. Mit einer Leiter konnten wir in den ersten Stock hinaufklettern. Da standen wir nun und sahen uns die zukünftigen Zimmer an. Doch dann wollten wir wieder nach unten. Mit den Beinen über der Treppenöffnung baumelnd verließ meine Mutter der Mut. Weinend stand sie oben neben der Leiter. Meine unfähige Mutter.

Als ich vor ein paar Jahren zusammen mit meinem Vater an einem Stimmbefreiungsworkshop teilnahm, sollten wir in Lauten ausdrücken, wie wir uns in diesem Augenblick fühlten. Mein Vater brachte keinen Ton heraus, schaffte nicht mehr als ein »ja, ja« mit dünner Piepsstimme. Mein zu allem fähiger Vater schrumpfte zu dem alten Mann zusammen, der er inzwischen geworden war und zu dem kleinen Jungen von früher, dem man gesagt hatte, er könne nicht singen, und der das dann geglaubt hatte. Einerseits rollten sich mir die Fußnägel auf, andererseits rührte es mich, meinen Vater so mit sich ringen zu sehen – meinen unfähigen Vater.

Nikolausfeier im Familienkreis: Meine Mutter hatte sich als Nikolaus verkleidet, mit rotem Mantel und Nikolausmütze. Und wie immer scharte sie uns als Publikum ihrer Aufführung um sich, um die Geschenke zu verteilen und sich mit ein paar Worten an jeden einzelnen zu wenden. Wie sie so dastand mit ihrer Mütze auf dem Kopf und der selbstverständlichen Autorität über die Familie, begriff ich: Meine unfähige Mutter ist eine waschechte Patriarchin.

Diese Anekdoten über meine Eltern, die sowohl zu allem fähig als auch unfähig sein konnten, verdeutlichen, wie komplex das Thema ist, mit dem ich mich seither auseinandersetze. Fähigkeit und Unfähigkeit liegen oft nah beieinander, gehen oft mehr oder weniger fließend ineinander über, sind scheinbar widersprüchlich und gerade deshalb so verwirrend. Und darin ähneln sie unseren Auffassungen von Männlich- und Weiblichkeit und den Rollen, die wir als Männer und Frauen zu spielen lernen, und sind mit ihnen verwoben.

In Bezug auf Männlichkeit und Weiblichkeit haben wir alle Erfahrungen mit der Wechselwirkung zwischen der persönlichen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Das Private ist politisch und das gilt für jeden von uns. Wir sind alle Experten aus eigener Anschauung. Wenn man anfängt, mit anderen über dieses Thema zu reden, könnte das ein längeres Gespräch werden. Jeder hat irgendeinen persönlichen Bezug zu der Thematik meines Buches.

WAHRHEIT UND WIRKLICHKEIT


Eins der grundlegenden Gesetze der Soziologie lautet: If men define situations as real, they are real in their consequences1 – Was als wirklich angesehen wird, hat Konsequenzen für die Realität. Dieses sogenannte Thomas- Theorem manifestiert sich in den unterschiedlichsten Bereichen. Wenn Menschen davon ausgehen, dass etwas »nun einmal« so ist, tragen sie durch ihr Handeln dazu bei, dass es so wird. Dadurch werden Fakten geschaffen. Auf diese Weise wird auch Gender eine selbsterfüllende Prophezeiung. Wenn wir glauben, dass es fundamentale Unterschiede zwischen Männern / Männlichkeit und Frauen / Weiblichkeit gibt, erschaffen wir diese gleichsam. In der Folge beeinflussen sie die Welt, in der wir leben, und den Raum, in dem wir uns als Menschen entfalten.

Zwischen dem, was wir für die einzige Wahrheit über Männer und Frauen halten, und der gelebten Wirklichkeit von Männern und Frauen besteht ein Missverhältnis. Die eine Wahrheit gibt es nicht. In der Frauenbewegung, der LGBTQI-Bewegung und der Männerbewegung gibt es divergierende Vorstellungen von Männern und Männlichkeit. Und auch in der Praxis erweisen sich Männer und Männlichkeit als ebenso divers wie Frauen und Weiblichkeit.

Die jeweils dominante »Wahrheit«, die über Männer und Männlichkeit nach vorne geschoben wird, ergibt sich aus der jeweiligen Perspektive. Neutral ist das nicht, sondern es zeigt die zugrunde liegenden Machtverhältnisse und persönlichen Präferenzen und Abneigungen auf. Die dominante Wahrheit spiegelt im Allgemeinen die Perspektive und die Interessen der dominanten Gruppe wider, da diese über die meisten und besten Mittel (Geld, Status und Macht) verfügt, um ihre Wahrheit Wirklichkeit werden zu lassen. Die dominante Gruppe produziert ihre eigene Wahrheit, was wiederum reale Folgen hat, indem sie Wirklichkeit kreiert.

Untergeordneten und marginalisierten Gruppen bleibt nichts anderes übrig als den Versuch zu unternehmen, ihre eigene Wahrheit zu formulieren. Problematisch dabei ist, dass sie sich, um sich Gehör zu verschaffen, der Sprache und Terminologie der dominanten Gruppe bedienen müssen. So kommen Frauen im Kampf für Gleichstellung und Gerechtigkeit nicht umhin, dieselbe patriarchalische und sexistische Sprache zu verwenden, die die Basis für die Ungleichheit und Unterdrückung bildet – also immer in Bezug zur männlichen Norm. Hierdurch wird die Dominanz der Gruppe erneut bestätigt; auch diese consequences sind real.

WISSEN ÜBER MÄNNER UND MÄNNLICHKEIT


Wissen ist nicht etwas, das aus sich heraus existiert und einfach nur »entdeckt« werden muss, es wird durch Handlungen, Praktiken und Alltagsbeziehungen hervorgebracht. Wissen über Männer und Männlichkeit hängt unter anderem vom Blickwinkel ab und hat daher viele Formen und Inhalte. Welcher Argumentation wird gefolgt, welche Geschichten, Frames oder Narrative werden verwendet? Wird Männlichkeit als etwas gesehen, das von Natur aus im Mann angelegt ist, etwas, das aus dem männlichen Körper entspringt, oder gilt sie als etwas Machbares, ein gesellschaftliches Konstrukt?

In der Frauenforschung und der Frauenbewegung ging es beim Wissen über Männer vor allem um die Probleme, die sie Frauen und Mädchen bereiten. Dabei ging es sowohl um den Mann als Individuum als auch um gesellschaftliche Systeme, die für Männer vorteilhaft, für Frauen aber nachteilig sind. Dem steht das Wissen der Männerberatungsstellen gegenüber, die sich vor allem mit individuellen Problemen von Männern beschäftigen, unabhängig davon, ob diese von Frauen ausgehen oder nicht. Und die Erkenntnisse, die wir heute über die zu wenig beleuchtete Rolle von Vätern haben oder über Lernschwierigkeiten von Jungen in unserem Bildungssystem, führen dazu, dass Männer als Opfer eines Systems dargestellt werden, das Mädchen und Frauen privilegiert. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive heraus sehen wir Männer vor allem als Ernährer, Konsumenten, Entscheider, Beschützer und auch als Täter. Unter dem Aspekt der Vaterrolle betrachtet sehen wir Männer als Erzieher und eventuell als Familienoberhaupt und Autoritätsperson.

Doch wenn wir beim Thema Vaterrolle einen Schritt weiter gehen, erhalten wir ganz unterschiedliche Informationen. Wenn wir zum Beispiel die Vaterrolle in erfolgreichen Doppelverdiener-Haushalten betrachten, in der traditionellen (westeuropäischen) Arbeiterklasse, in Gemeinschaften mit Migrationshintergrund oder Sklaverei-Erfahrung oder in solchen, die vor Krieg und Gewalt flüchten mussten, entdecken wir große Unterschiede. Auch macht es einen Unterschied, ob man die Vaterrolle in einer kleinen Gemeinschaft betrachtet, in der Wohn- und Arbeitsplatz nah beieinanderliegen, oder in der Anonymität einer Großstadt. Die Vaterrolle wird in individualistischen Kulturen anders gestaltet als in kollektivistischen, und auch innerhalb dieser gibt es wiederum große Unterschiede. Darüber hinaus kommt es beim Wissenserwerb vor allem darauf an, welche Fragen man stellt: Möchte man erforschen, wie Männer ihre Vaterrolle interpretieren, oder untersuchen, wie viele Stunden Väter mit ihren Kindern verbringen?

Kurz: Wissen über Männer und Männlichkeit ist unvermeidlich abhängig von den Ausgangspunkten und dem Kontext, in dem es entsteht. Vereinfacht gesagt, treffen wir auch hier wieder auf die zwei Strömungen, den Einfluss von nurture (Kultur) und nature (Veranlagung / Natur).

SOZIALKONSTRUKTIVISMUS: MÄNNLICHKEIT ALS KONSTRUKT


Ich sehe Männlichkeit als ein gesellschaftliches Konstrukt, das wir in unserem Alltagsverhalten und in der Einrichtung unserer Gesellschaft ausgestalten. Meine Bibel über Männer und Männlichkeit ist das 1995 erschienene Buch Masculinities (Der gemachte Mann, Opladen 1999) der australischen...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2019
Reihe/Serie Politik
Übersetzer Christina Brunnenkamp, Isabel Hessel
Zusatzinfo 22 s/w-Abbildungen
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 130 x 130 mm
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Feminismus-Debatte • Genderdebatte • Gleichberechtigung • Männerorganisationen • Männlichkeit • Rollenklischees
ISBN-10 3-86284-458-7 / 3862844587
ISBN-13 978-3-86284-458-6 / 9783862844586
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