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Digitale Ethik. Leben in vernetzten Welten (eBook)

Reclam Kompaktwissen XL
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
200 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961509-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Digitale Ethik. Leben in vernetzten Welten -  Petra Grimm,  Tobias Keber,  Oliver Zöllner
Systemvoraussetzungen
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Fake News, Kriegsroboter, Cyber-Mobbing - unsere zunehmend digitalisierte Lebenswelt stellt uns vor neue ethische Herausforderungen. Wie verhalten wir uns angemessen und legitim gegenüber all diesen Veränderungen? Nötig sind Regeln und Wertmaßstäbe, für die es vor kurzem noch keinen Bedarf gab. In der Schule wird Wissen um Digitale Ethik immer wichtiger, für junge Menschen geradezu überlebensnotwendig. In diesem Band führen Geschichten und Fallstudien an die Probleme heran, Infoboxen und ein Glossar erklären Grundlegendes zum Thema. Am Ende jedes Kapitels stehen Reflexionsfragen zur Überprüfung des Gelernten. Kompaktwissen XL - Schülergerechte Darstellungen - Einprägsam und leicht verständlich - Zweifarbiges Innenlayout

Petra Grimm (geb. 1962), Tobias Keber (geb. 1974) und Oliver Zöllner (geb. 1968) haben Professuren an der Hochschule der Medien in Stuttgart inne und leiten dort das Institut für Digitale Ethik.

Petra Grimm (geb. 1962), Tobias Keber (geb. 1974) und Oliver Zöllner (geb. 1968) haben Professuren an der Hochschule der Medien in Stuttgart inne und leiten dort das Institut für Digitale Ethik.

1. Digitale Ethik: Positionsbestimmung und Perspektiven
1.1 Was ist Ethik? Und was ist eine Digitale Ethik?
1.2 Was kann eine Digitale Ethik leisten?
1.3 Narrative Ethik für die Praxis
1.4 Werte in einer digitalisierten Gesellschaft
1.5 Ethik und Recht
1.6 Aufbau und Auswahl der Themen

2. Privatheit – ein digitales Schutzgut?
2.1 Das Verschwinden des Privaten
2.2 Was bedeutet "Privatheit"?
2.3 Wozu brauchen wir Privatheit?
2.4 Kann ich meine Privatsphäre (noch) schützen?

3. Datenschutz(recht) – Persönlichkeit als Handelsware?
3.1 Irrationale Auswüchse?
3.2 Pest und/oder Cholera?
3.3 Schritte, die nicht jeder gehen kann
3.4 Es geht gar nicht um Daten!
3.5 Datenschutz im europäischen und internationalen System(vergleich)
3.6 Dateneigentum dient nicht dem Datenschutz
3.7 Datenschutz als Innovationsbremse?

4. Zur Sicherheit? Überwachung, Transparenz und Kontrolle
4.1 Der Zweck von digitaler Überwachung: Sicherheit oder Konsum?
4.2 Sicherheit und Überwachung: Vorsicht ohne Ende?
4.3 Transparenz: Kontrolle dank Sichtbarkeit?

5. Der zwanglose Zwang des "Always on"
5.1 Unsere digitale Gegenwart
5.2 Individuum und Selbstbestimmung
5.3 Das neue Selbstbild des Menschen
5.4 Ein anderes Internet?

6. Das optimierte Ich: Mit Selbstvermessung und Selbstinszenierung zum Glück?
6.1 Messen, vergleichen und jemand Besonderes sein
6.2 Die Suche nach dem Glück
6.3 Glücksangebote der digitalen Selbsttechnologien
6.4 Ist jeder seines Glückes Schmied?
6.5 Was verhindert ein gutes Leben?

7. Fake News überall?
7.1 Fake News – kein neues Phänomen
7.2 Was sind Fake News?
7.3 Akteure, Verbreitung und Ziele
7.4 Meinungsbildung im digitalen Zeitalter
7.5 Schaden Fake News der Demokratie?

8. Verletzungen und Übergriffe: Cyber-Mobbing und andere Formen von Online-Gewalt
8.1 Formen der Online-Gewalt
8.2 Zwischen Meinungsfreiheit und Hassrede

9. Game on, Game over: Acht ethische Diskurse rund ums Videospiel
9.1 Rampage: Über Gewalt in Spiel und Narration
9.2 Wicked Sick: Wenn das Hobby zum Laster wird
9.3 Pay2Win: Bezahlmodelle und Kostenfallen
9.4 Ragequit: Flaming auf dem Gameserver
9.5 Clanwar: Gaming als soziales Medium
9.6 Tutorial: Lehren und Lernen mit Spielen
9.7 Highscore: Ethische Ansprüche an das Videospiel als Kunst- und Kulturgegenstand
9.8 Hardcore: Offene Problematiken der Branche

10. Künstliche Intelligenz: Was bedeutet sie für die Autonomie des Menschen?
10.1 Künstliche Intelligenz – was ist das?
10.2 Sind Maschinen intelligent?
10.3 Der Unterschied zwischen Mensch und Maschine – KI in Filmerzählungen
10.4 Autonome Maschinen vs. die Autonomie des Menschen
10.5 Ethische Herausforderungen

11. Nummer 5 lebt! Kriegs-, Pflege- und Sexroboter unter der Lupe
11.1 Irgendwo zwischen Mensch und Maschine
11.2 Die Spezies Roboter
11.3 Mensch und Maschine – Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

12. Arbeit 4.0: Zurück in die Zukunft
12.1 Mythen und Wahrheiten
12.2 Der Wert der Arbeit – noch zeitgemäß?
12.3 Leitbild guter Arbeit in der digitalisierten Gesellschaft

13. Mobilität der Zukunft: Automatisiertes und vernetztes Fahren
13.1 Die Beziehung von Ethik und Technik: Gestaltung des Wünschenswerten
13.2 Vernetztes Fahren: Überwachung im Namen der Sicherheit?
13.3 Schlüsselfaktoren für die Mobilität der Zukunft: Verantwortung und Vertrauen

14. Haltung im digitalen Zeitalter: Wie wir der Welt begegnen
14.1 Was ist Haltung?
14.2 Die (zunehmend digitale) Welt, in der wir leben
14.3 Unsere Haltung dem schwer Fassbaren gegenüber
14.4 Eine Erzählung für das Leben

Literaturhinweise
Glossar
Die Autorinnen und Autoren

[30]2.2 Was bedeutet »Privatheit«?


2.2.1 Geschichtlicher Hintergrund


Der Begriff ›privat‹ leitet sich vom lateinischen Adjektiv privatus ab, das in der Übersetzung ›der Herrschaft beraubt, gesondert, für sich stehend‹ bedeutet und damit die Trennung von der öffentlichen Sphäre (vom Staat) meint. Diese ursprünglich abwertende Wortbedeutung des Privaten findet seine Wurzeln im antiken griechischen Stadtstaat, der Polis. Hier wurden Frauen, Sklaven und Unfreie in den privaten Raum verwiesen, einen Raum, der der Herrschaft beraubt, also unterworfen ist. Das öffentliche Leben fand hingegen auf der Agora, dem Marktplatz, statt und galt als Ort der Freiheit, wo das Handeln – als im weitesten Sinne politische und somit höchste aller Tätigkeiten – vor den Einflüssen des Privaten zu schützen war.

Erst im Ausgang des 18. Jahrhunderts und im Laufe des 19. Jahrhunderts, infolge der bürgerlichen Emanzipation und der Ausbildung moderner industriekapitalistischer Nationalstaaten, erhielt der Schutz der Privatsphäre einen hohen Wert. Durch die Entstehung eines von der Staatsgewalt unabhängigen Marktes und der Herausbildung einer mit Rechten ausgestatteten Bürgerschaft konnte die Feudalherrschaft überwunden werden. Eine Trennung in eine bürgerliche Öffentlichkeit – die politische Sphäre (ähnlich dem antiken Öffentlichkeitsbegriff) – und einen geschützten privaten Bereich, wie sie unter einem Lehnsherrn nicht möglich war, konstituierte sich. Zudem entwickelte sich die Vorstellung vom öffentlichen Raum als Gemeineigentum, wozu auch die Entstehung von Städten und Handelszentren beitrug. Die Lebensbedingungen der Bürger veränderten sich grundlegend von vertrauten sozialen Milieus hin zu einem Zusammenleben unter Fremden, in [31]dem je nach funktionalem Zusammenhang differenzierte zwischenmenschliche Beziehungen eingegangen werden.

Wenngleich die Wertzuschreibung des Privaten im historischen Verlauf variiert: Das Verhältnis von Privatem und Öffentlichem wurde in den verschiedenen Weltmodellen immer als streng zweigeteilt bzw. dualistisch (gegensätzlich) eingestuft. Dies kann als »ideengeschichtliche Tiefenwirkung«12, also als historische Grundidee begründet werden, die seit der Aufklärung und deren Rückbezug auf die Antike und das aristotelische Politikverständnis bis heute präsent ist. Im alltäglichen Sprachgebrauch spiegelt sich dieses Ideenkonzept wider, indem »privat« meist in Opposition zu »öffentlich« verwendet wird. Doch so eindeutig, wie es scheint, ist diese Trennung nicht.

2.2.2 Definition und Verständnis des Privaten


Die Frage »Was ist privat?« sollte sich jeder einmal in Ruhe selbst stellen. Welche Beispiele fallen einem hierzu ein?

Mögliche Antworten könnten sein: meine Adresse, meine Telefonnummer, mein Handy, mein Gesundheitszustand, meine finanzielle Situation, meine Wohnung, meine Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung und vieles mehr. Daraus ist bereits ersichtlich, dass Privates in vielerlei Hinsicht eine Rolle spielt: Nicht nur Räume oder Orte können privat sein, sondern auch Informationen, Einstellungen, Handlungen, Situationen, Gefühle, mentale oder körperliche Zustände, Gedanken und Gegenstände. Die Philosophin Beate Rössler [32]unterscheidet drei Dimensionen: Privatheit lässt sich nicht nur in räumlicher, sondern auch in dezisionaler, d. h. die Entscheidungen betreffender und in informationeller Hinsicht verstehen.13

In räumlicher Hinsicht kann man sich die Verwendungsweisen von »öffentlich« und »privat« wie die Schichten einer Zwiebel vorstellen (vgl. Abb. 1). Im Innersten liegt der Bereich der persönlichen (körperlichen) Intimität und Privatheit, im Vergleich zu der alles andere öffentlich ist. Die zweite Schicht ist die des klassischen Privatbereichs, also die Familie oder andere intime Beziehungen. Repräsentiert wird die Privatsphäre hier meist durch private Räume wie die Wohnung. Auch mit Freunden wird Privates ausgetauscht. Die äußerste Schicht ist dann die des gesellschaftlichen und staatlichen Außenbereichs, der Öffentlichkeit. Bezogen auf Handlungen oder Entscheidungen kann man aber auch in der Öffentlichkeit »privat« sein: Ob ich zu einer Demonstration oder in die Kirche gehe, ist ebenso meine Privatsache wie das Gespräch, das ich mit einem Freund im Café führe. Privates Wissen bzw. private Informationen können z. B. meine politische Einstellung, mein Gesundheitszustand oder meine Partnerschaft sein. Das heißt: »Privat« können sowohl Räume, Handlungen und Verhaltensweisen sowie ein bestimmtes Wissen sein.

Abb. 1: Zwiebelmodell: Ebenen der Privatheit

Privatheit wird in vielen Kulturen als ein gesellschaftlich wichtiges Schutzgut angesehen, auch wenn die Definition dessen, was als privat schützenswert ist, kulturell, historisch und kontextbezogen variiert. Weitgehend Konsens besteht darüber, dass der Begriff »Privatheit« vor allem bedeutet, das ›etwas‹ einer Person (z. B. Wohnung, Informationen, Handlungen, Entscheidungen) vor dem Zugang anderer bzw. Zugriff durch [33]andere zu schützen. Es geht also um die Kontrolle, die eine Person darüber haben sollte, wer wann in welchem Maße und in welchem Zusammenhang auf etwas zugreift, das zu dieser Person gehört: »[A]ls privat gilt etwas dann, wenn man selbst den Zugang zu diesem ›etwas‹ kontrollieren kann.«14 Ein weiteres Kriterium für Privatheit besagt, dass sie vom Kontext abhängt, also kontextrelevant ist.15 Zum Beispiel wird eine Person einem Banker nicht dieselben privaten Informationen wie einem Arzt erzählen: Abhängig von den jeweiligen [34]Lebenssphären und Funktionszusammenhängen unterscheiden wir, wem wir welche privaten Informationen zukommen lassen.

Nach dem Ethiker Jeroen van den Hoven lassen sich Informationen als »soziale Güter« verstehen.16 Um Privatheit kontextuell zu sichern, sollte demnach der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Sphären der Gesellschaft (z. B. der medizinischen, rechtlichen, politischen, kommerziellen oder familiären Sphäre) blockiert werden. Die Informationen sollten innerhalb einer Sphäre versiegelt und nicht mit den Informationen aus einer anderen Sphäre vermischt werden. Die Privatheit wird verletzt, wenn die Grenzen der Sphären und des Zugangs nicht respektiert werden. Beispielhaft hierfür ist das Anliegen von Facebook, auf Bankdaten seiner Nutzer zugreifen zu können. So berichtet das Wall Street Journal, dass Facebook den US-Banken vorgeschlagen habe, Kontoinformationen einschließlich Kartentransaktionen und Kontobeständen auszutauschen. Die Nutzer könnten dann im Facebook Messenger auf ihre eigenen Kontoinformationen zugreifen und würden länger bei Facebook verweilen. Im Gegenzug könnten die Banken von den bei Facebook gesammelten Daten der Nutzer profitieren, um diesen gezieltere Angebote machen zu können.17 Für die Nutzer bzw. Kunden hieße dies aber, dass ein massiver Eingriff in ihre Privatsphäre erfolgt und ihre finanziellen Informationen mit allen Facebook zur Verfügung stehenden Daten verknüpft werden.

[35]2.2.3 Privatheit als Grundrecht


Wenngleich es zahlreiche Indizien für eine Krise der Privatheit gibt, besteht in den Theorien über das Private weitgehend Konsens darüber, Privatheit als Wert und kulturelle Errungenschaft einzustufen, da sie eng mit dem Menschenbild der Moderne eines autonomen, freien und gleichberechtigten Subjekts verschmolzen ist. So meint der Informationsethiker Rainer Kuhlen, dass trotz vorhandener Relativierungstendenzen der Wert der Privatheit weiterhin sehr hoch eingeschätzt wird und gar als Menschenrecht gilt: »Privatheit gehört zweifellos zu den Menschenrechten, zum kodifizierten Bestand der grundlegenden Rechte und Freiheiten aller Menschen.«18

Die Bedeutung der Privatsphäre für eine liberal-demokratische Gesellschaft spiegelt sich auch in ihren Gesetzen. In Deutschland ist der Schutz der Privatsphäre ein Grundrecht und wird im Grundgesetz aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), dem Recht auf Achtung und freie Entfaltung der Persönlichkeit, abgeleitet. Dem Einzelnen soll dadurch ein geschützter Bereich vorbehalten sein, in dem er sich frei und ungezwungen verhalten kann, ohne beobachtet oder abgehört zu werden. Konkretisiert wird dies z. B. durch das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und das Brief- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG). Auch die...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2019
Reihe/Serie Reclam Kompaktwissen XL
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lernhilfen Sekundarstufe II
Sozialwissenschaften Pädagogik
Schlagworte Algorithmen • Autonomes Fahren • Big Data • Cyber-Mobbing • Datafizierung • Datenschutz • Datensicherheit • Digitales Double • Digitalisierung • KI • Künstliche Intelligenz • Pflegeroboter
ISBN-10 3-15-961509-X / 315961509X
ISBN-13 978-3-15-961509-7 / 9783159615097
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