Das Kuscheltierdrama (eBook)
312 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45489-3 (ISBN)
Prof. Dr. Achim Gruber, Jahrgang 1966, ist Direktor des Instituts für Tierpathologie an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber und Co-Autor der beiden deutschen Standardwerke zur Tierpathologie und als einziger Tiermediziner ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. »Das Kuscheltierdrama« war sein erstes populäres Sachbuch und wurde von den Leser*innen und von der Kritik begeistert aufgenommen. Seitdem ist der Tierpathologe ein gefragter Gesprächspartner der Medien. Achim Gruber ist ein gefragter Gesprächspartner der Medien. Er ist verheiratet, Vater von drei Kindern und stolzer Besitzer eines Mischlingshundes.
Prof. Dr. Achim Gruber, Jahrgang 1966, ist Direktor des Instituts für Tierpathologie an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber und Co-Autor der beiden deutschen Standardwerke zur Tierpathologie und als einziger Tiermediziner ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. »Das Kuscheltierdrama« war sein erstes populäres Sachbuch und wurde von den Leser*innen und von der Kritik begeistert aufgenommen. Seitdem ist der Tierpathologe ein gefragter Gesprächspartner der Medien. Achim Gruber ist ein gefragter Gesprächspartner der Medien. Er ist verheiratet, Vater von drei Kindern und stolzer Besitzer eines Mischlingshundes. Shirley Michaela Seul ist eine erfolgreiche Belletristik- und Sachbuchautorin. Sie lebt im Fünfseenland bei München.
Eröffnung
»Du, der hat da doch was.«
»Was soll der haben?«
»Doch, fühl mal. Da ist doch ein Knubbel.«
»Hm. Stimmt. Seltsam, ist mir noch gar nicht aufgefallen. Dabei kraul ich ihn jeden Tag.«
»Das fühlt sich echt komisch an. Geh mal lieber zur Tierärztin.«
Wir lieben unsere Haustiere, aber weil wir Menschen sind, machen wir Fehler im Umgang mit ihnen. Manche Begleittiere erheben wir auf die Stufe von menschlichen Gefährten, wenngleich es für ihr Wohl oft besser wäre, sie ihrer tierischen Natur entsprechend zu behandeln. Das würde auch einige Krankheiten vermeiden, unter denen Haustiere heute leiden. Denn sie sind uns anvertraut und ausgeliefert, sie sind von uns abhängig – zuweilen auch vom Geldbeutel des Halters. Wir entscheiden über sie in der Hoffnung, das Beste für sie zu wählen. Dabei wissen wir häufig nicht gleich, was das Beste ist. Manchmal machen wir den Fehler, zu glauben, was für uns gut ist, was wir mögen, gefällt auch dem Tier. Und irren dabei. An Tierliebe und guter Absicht, auch Moral, mangelt es den meisten von uns nicht, eher an Wissen und konsequentem Handeln.
Unsere Beziehung zu und unser Umgang mit Tieren sind auch Spiegel unserer Gesellschaft und stehen – heute vielleicht mehr denn je – unter dem Einfluss des Zeiten- und Kulturwandels. Unsere freie Zeit, unser Wohlstand und unsere Bedürfnisse, die in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen nicht immer ganz erfüllt werden, haben unser Verhältnis zu unseren tierischen Freunden in den letzten Jahren und Jahrzehnten geprägt wie nie zuvor. In unserer modernen Gesellschaft haben wir für die Grundanstrengungen der Menschheit, die unsere Evolution und damit unsere Biologie und unser Verhalten bestimmten, den Autopiloten eingeschaltet. Nahrungsbeschaffung, Vermeidung von Krankheit und Schutz vor Gewalt dominieren unseren Alltag in der Regel nicht mehr. Die so verfügbar gewordene Zeit, auch wenn wir gern klagen, sie sei zu knapp, können wir mit angenehmeren Dingen verbringen: mit Kultur, Hobbys, Sport und natürlich mit unseren Tieren. Manchmal kommen sie im Alltagsstress zu kurz, manchmal erhalten sie zu viel Aufmerksamkeit. Ja, für einige Menschen sind ihre Haustiere die wichtigsten Geschöpfe auf Erden, ihre Lebensgefährten, und zuweilen sollen sie die Einsamkeit des Menschen lindern. Damit bürden wir unseren tierischen Freunden eine Last auf, weil sie ihrem Wesen nach nicht anstreben, partnerschaftlich auf gleicher Ebene mit Menschen zu leben. Partnerschaftlichkeit und Augenhöhe sind keine Generaltugenden, auch nicht im Wolfsrudel, dort geht es um Hierarchien, Beutegemeinschaft und Rollenverteilung. Hinzu kommt, dass Hund und Mensch recht unterschiedliche Vorstellungen von Höflichkeit haben. Im Umgang mit einem Hund empfiehlt sich Kürze und Klarheit – er wird uns dennoch nicht als verroht wahrnehmen. Im Gegenteil: Wenn wir ihm menschliche Verhaltensweisen entgegenbringen und im Gegenzug dieselben erwarten, säen wir Missverständnisse. Tiere sind keine Menschen – wobei sie den Platz auf dem Sofa natürlich nicht zurückweisen. Doch werden unsere Kuscheltiere zum Ersatz für fehlende Sozialpartner, so bekommt ihnen das nicht immer gut.
Als Tierpathologe bin ich auch Zeitzeuge einer Gesellschaft, in der das Spektrum von abgöttischer, oft blinder Tierliebe bis hin zur verabscheuungswürdigen Ausbeutung reicht. Als Leiter des Instituts für Tierpathologie an der Freien Universität Berlin blicke ich auf ein breites und vielfältiges Tätigkeitsfeld, und manchmal auch in Abgründe des Mensch-Tier-Verhältnisses. Von Fischen über Vögel zu Reptilien und Panzernashörnern; ich arbeite mit Zootieren, Exoten, Versuchstieren, landwirtschaftlichen Nutztieren und natürlich Haustieren, von denen ich in diesem Buch am meisten erzählen werde.
Warum gerade Haustiere? Das lässt sich leicht erklären. Nutztiere stehen in den letzten Jahren regelmäßig im Fokus der kritischen Berichterstattung und betreffen einen wichtigen Teil der Mensch-Tier-Beziehung, die sich ständig im Wandel befindet. Unsere Heimtiere aber, mit denen wir uns täglich umgeben, leiden ebenfalls unter uns, wenn auch oft im Verborgenen. In diesem Buch geht es um die Albträume bei uns zu Hause, nicht um das Leiden in Ställen oder Versuchstierhaltungen. Niemand bricht in ein Wohnzimmer ein und filmt Haustierelend. Auf dem Sektionstisch jedoch offenbaren sich Schicksale, die oft ungewollt oder fahrlässig, manchmal aber auch bewusst und absichtlich durch Menschenhand herbeigeführt wurden – Vernachlässigung, Qualzucht, Doping und Gewalt bis hin zur Sodomie.
Und ja, Tierpathologen lösen auch Kriminalfälle. Hat der Nachbar die Katze vergiftet, oder ist sie eines natürlichen Todes gestorben? Ist beim Tod des hoch lebensversicherten Zuchthengstes nachgeholfen worden? Hat der verstorbene Welpe seine tödliche Erkrankung vom Züchter mitgebracht oder sich erst bei seinen Besitzern angesteckt? Lag ein Behandlungsfehler der Tierärztin vor? In solchen und vielen anderen Streitigkeiten werde ich von Gerichten als Gutachter bestellt.
In fast jedem zweiten deutschen Haushalt lebt ein Haustier, Tendenz deutlich steigend. Wir halten rund 34 Millionen von ihnen, darunter fast 14 Millionen Katzen und mehr als 9 Millionen (steuerlich gemeldete) Hunde. Dazu zählen auch 6 Millionen zumeist in Kinderzimmern wohnende Kleintiere wie Kaninchen, Hamster, Chinchillas und Meerschweinchen sowie gut 5 Millionen Ziervögel. Rund eine Million Pferde kommen in Freizeit und Sport zum Einsatz. Darüber hinaus tummeln sich in 4 Millionen deutschen Aquarien, Terrarien und Teichen etwa 100 Millionen Fische und Reptilien. Alle diese Tiere stehen unter dem besonderen Schutz des Tierschutzgesetzes. Als Tierpathologe gehört es zu meinen Aufgaben, Missstände aufzudecken und Tierqualen auf die Spur zu kommen. Das ist nicht immer einfach, es erfordert manchmal auch detektivischen Spürsinn.
Aus Tieren als Subjekten der Natur haben wir über die letzten mehr als zwanzigtausend Jahre Objekte des Menschen gemacht. Tiere werden als Wirtschaftsgüter gehandelt, als Pelz getragen und verzehrt. Wilde Tiere leiden unter den Folgen der Globalisierung und des Klimawandels. Heute wie nie zuvor perfektionieren wir diese Prozesse auf allen Ebenen. Aus herrschaftlichen, freien Kreaturen wurden Untertanen. Wie heißt es in der Bibel: »Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: … Machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alles Getier, was auf Erden kriecht.« (1. Mose 1,28) Als Zeitzeuge am Obduktionstisch bekomme ich oft in erschreckender Weise zu sehen, was das heißen kann. Das Mikroskop des Tierpathologen ist auch ein Kaleidoskop in die Mensch-Tier-Beziehung.
Wir Obertanen entscheiden über unsere Untertanen. Bekommen sie eine Wurmtablette, eine neue Hüfte, oder müssen sie mit der alten kriechen, kriegen sie Zahnbehandlung, eine Chemotherapie oder Euthanasie? Wir schöpfen aber auch großen Wert aus diesen »Untertanen«, denn Tierhalter leben gesünder. Der Kontakt mit Haustieren wirkt sich günstig auf Blutdruck, Kreislauf und die Gemütslage aus, und wer einen Hund hält, wird sich öfter an der frischen Luft bewegen. Und Tiere halten ihr Fell für uns hin. Nicht nur auf dem Teller, in der Forschung und in Kriegen, sondern auch jeden Tag in unseren Wohnzimmern und Tierarztpraxen. Wären Tiere und Menschen wirklich gleichberechtigt, wie manche Tierrechtler fordern, müssten Tiere ganz anders behandelt werden.
Auch ich wünsche mir einen fairen Umgang mit unseren tierischen Freunden, doch dieser kennzeichnet ein Dilemma. Unsere heutige Gesellschaft bejaht das Leid der Tiere zum Nutzen der Menschen. Das Paradoxe ist, dass wir zwar Krankheiten bei Tieren heilen, dass wir Tiere aber oft auch krank machen, indem wir ihnen Gutes tun wollen oder nur an unser eigenes Wohl denken, indem wir uns Menschen als Krone der Schöpfung sehen. Während wir uns selbst in mancher Beziehung dem Status von Göttern annähern, erheben wir Tiere in den Menschenstand und fügen ihnen damit Leid zu. Der Untertan wird dann zum Obertan und sitzt neben Frauchen auf dem Sofa, bestimmt den Tagesablauf und teilt des Nachts das Bett – wenn auch heimlich. Denn wer gibt so was schon zu? Hunde gehören nicht in Menschenbetten, zumindest in der Theorie.
Manches »tierunliebe« Verhalten mag zwingend notwendig sein, anderes geschieht vielleicht nur aus Gewohnheit und vieles aus Unwissenheit. Aus Unwissenheit tun Menschen Tieren auch Schreckliches an. Manchmal, wenn ich an meinem Mikroskop sitze und schlechte Nachrichten für Patienten und Besitzer erspähe, frage ich mich, wie man dieses Leid durch frühzeitige Aufklärung hätte vermeiden können. Unwissenheit möchte ich, so gut ich kann, mit diesem Buch beseitigen und Ihnen den einen oder anderen Tipp an die Hand geben, wie Sie jeden Tag und besonders im Krankheitsfall mit Ihrem Tier fair, artgerecht und zum Wohle aller Beteiligten umgehen können.
Im Folgenden schildere ich beispielhafte Einzelschicksale meiner tierischen Helden. Aus der Perspektive des Pathologen mit Sezierbesteck und Mikroskop blicke ich auch auf die Hintergründe des Umgangs mit den Tieren, die wir als Haustiere in unsere Familien aufgenommen haben. Drei separate Themenbereiche spiegeln aus verschiedenen Blickwinkeln die dynamischen Veränderungen dieser Mensch-Haustier-Beziehung über die letzten Jahrzehnte.
Zunächst werden tierische Kriminalfälle dokumentiert, die ich als forensischer, also...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2019 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Artgerechte Haltung • artgerechte Tierhaltung • Cameron Bloom • Deutschland Politik Kultur Gesellschaft • Erfahrungen und wahre Geschichten • Forensik • Gerichtsmedizin • Gesellschaftskritik • Gesellschaftskritische Bücher • Haltung Haustiere • Haustiere • Hund • Hundehaltung • Infektionskrankheiten • Kampfhund • Kaninchen • Katze • Katzenhaltung • Kriminalfälle • Mensch und Tier • Michael Tsokos • Pathologie • Pferd • Qualzucht • Sachbuch Bestseller • Sachbuch Haustiere • Tiere im Zoo • Tiere und Globalisierung • Tiermedizin • Tierpathologe • Tierpathologe Achim Gruber • Tierquälerei • Tierwohl • wahre Fälle • wahre geschichten bücher • wahre Geschichten Tiere • wahre Tiergeschichten |
ISBN-10 | 3-426-45489-0 / 3426454890 |
ISBN-13 | 978-3-426-45489-3 / 9783426454893 |
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Größe: 3,1 MB
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