Konterrevolution
Campus (Verlag)
978-3-593-51009-5 (ISBN)
Mittlerweile liegt die Europäische Union in Scherben, weil die politischen Eliten marktradikalen Ideen nachgelaufen sind und die liberale Demokratie verraten haben. Zielonka unterzieht die Entwicklungen einer unerbittlichen Analyse und formuliert ein starkes Plädoyer für eine offene Gesellschaft und eine Neuerfindung Europas.
"Zielonkas Buch spitzt eine Debatte zu." FAZ
In vielen europäischen Ländern sind rechte Bewegungen im Aufwind. Oder mit den Worten Jan Zielonkas: Eine Konterrevolution ist in Gang gekommen. Im Jahr 1990 sah das noch ganz anders aus. Der Eiserne Vorhang war gefallen und Zielonkas Lehrer Ralf Dahrendorf begrüßte eine Revolution in Europa; es herrschten Euphorie und Aufbruchsstimmung.Mittlerweile liegt die Europäische Union in Scherben, weil die politischen Eliten marktradikalen Ideen nachgelaufen sind und die liberale Demokratie verraten haben. Zielonka unterzieht die Entwicklungen einer unerbittlichen Analyse und formuliert ein starkes Plädoyer für eine offene Gesellschaft und eine Neuerfindung Europas."Zielonkas Buch spitzt eine Debatte zu." FAZ
Jan Zielonka, 1955 in Polen geboren, ist Professor für Europäische Politik und Ralf Dahrendorf Fellow an der Oxford University. Er schreibt unter anderem für Die Zeit.
Inhalt
Prolog 7
Kapitel 1 Von der Revolution zur Konterrevolution 13
Kapitel 2 Warum sie Liberale hassen37
Kapitel 3 Demokratische Malaise61
Kapitel 4 Sozialismus für die Reichen 83
Kapitel 5 Geopolitik der Angst103
Kapitel 6 Barbaren vor den Toren123
Kapitel 7 Aufstieg und Niedergang der
Europäischen Union141
Kapitel 8 Blick in die Zukunft161
Danksagung 187
Anmerkungen189
»Es ist ein Buch, das aufrütteln soll. Schon das Ausmaß an Selbstkritik aus dem Mund eines Liberalen ist eine Seltenheit. Allein das macht das Buch lesenswert.« Peter Sawicki, Deutschlandfunk Andruck, 15.04.2019»Zielonkas Antwort ist ihrerseits revolutionär: Weg mit den Grenzen! Und her mit neuen Formen und Einheiten von Gemeinschaft.« Martin Tschechne, Deutschlandfunk Kultur, 27.04.2019»Zielonka betrachtet Europa - und dafür gebührt ihm Anerkennung - nicht durch die westliche Brille.« Günter Beyer, Süddeutsche Zeitung, 12.08.2019»Zielonka unterzieht die aktuellen Entwicklungen einer unerbittlichen Analyse und formuliert gleichzeitig ein starkes Plädoyer für eine Neuerfindung Europas.« Stefan Brocza, International, 16.09.2019
»Es ist ein Buch, das aufrütteln soll. Schon das Ausmaß an Selbstkritik aus dem Mund eines Liberalen ist eine Seltenheit. Allein das macht das Buch lesenswert.« Peter Sawicki, Deutschlandfunk Andruck, 15.04.2019
»Zielonkas Antwort ist ihrerseits revolutionär: Weg mit den Grenzen! Und her mit neuen Formen und Einheiten von Gemeinschaft.« Martin Tschechne, Deutschlandfunk Kultur, 27.04.2019
»Zielonka betrachtet Europa – und dafür gebührt ihm Anerkennung – nicht durch die westliche Brille.« Günter Beyer, Süddeutsche Zeitung, 12.08.2019
»Zielonka unterzieht die aktuellen Entwicklungen einer unerbittlichen Analyse und formuliert gleichzeitig ein starkes Plädoyer für eine Neuerfindung Europas.« Stefan Brocza, International, 16.09.2019
Prolog Einige Monate nach dem Fall der Berliner Mauer schrieb Ralf Dahrendorf ein Buch nach dem Vorbild von Edmund Burkes Schrift Betrachtungen über die Französische Revolution. Ebenso wie Burke entschloss er sich, seine Analyse in Form eines Briefes abzufassen, den er an einen Herrn in Warschau richtete. Darin wollte er die außerordentlichen Ereignisse erklären, die in Europa vor sich gingen. Dahrendorf teilte nicht Burkes liberalen Konservatismus und sein Buch liest sich nicht wie Burkes politisches Pamphlet. Vielmehr versuchte er, in seinem Arbeitszimmer im St Antonyʼs College in Oxford ruhig über die Folgen der turbulenten Zeit um 1989 nachzudenken. Er sah in Osteuropa eine liberale Revolution entstehen und wollte sowohl die sich dadurch eröffnenden Chancen als auch die auf dem Weg liegenden Fallstricke ausmachen. Mein Buch hat die Form eines Briefes an meinen verstorbenen deutschen Mentor Ralf Dahrendorf. Es folgt seiner Linie insofern, als es über die Auswirkungen der ebenso turbulenten Zeiten drei Jahrzehnte später nachzudenken versucht. Ich sehe in Europa eine illiberale Konterrevolution in Gang kommen und möchte deren Wurzeln und Weiterungen verstehen. Zerfällt Europa? Können offene Gesellschaften überleben? Wie lässt sich die Wirtschaftskrise überwinden? Wird Europa sich wieder sicher fühlen? Obwohl Dahrendorfs Buch und meines im gleichen Geiste und am gleichen Ort geschrieben wurden, sind sie doch völlig verschieden. Ich mag zwar den Titel Ralf Dahrendorf Professorial Fellow tragen, bin aber natürlich nicht er. Er wuchs im nationalsozialistischen Deutschland auf, ich im kommunistischen Polen. Als Erwachsener erlebte er Staaten, die Sozialsysteme aufbauten, Parlamente, die Märkte regulierten, und eine Presse, die der entscheidende Ort des demokratischen Diskurses war. Dagegen erlebte ich als Erwachsener Staaten, die Sozialsysteme abbauten, Parlamente, die Märkte deregulierten, und das Internet, das zum entscheidenden Ort des demokratischen Diskurses wurde. Dahrendorf war Mitglied des politischen Establishments (»wenn auch ein eigenwilliges«): parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt, britischer Lord und Kommissar der Europäischen Gemeinschaft. Auch ich lebte in verschiedenen Ländern, blieb aber eine Art »intellektueller Provokateur« ohne politische Bindungen oder Ämter. Vor allem aber befassen sich unsere Bücher mit entgegengesetzten Prozessen. Sein Buch behandelt die Revolution, die Grenzen für Menschen, Ideen und Handel öffnete; die Schaffung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, die Überwindung der Geister des Westfälischen Friedens in zwischenstaatlichen Beziehungen, mein Buch behandelt dagegen die Konterrevolution, die das alles zerstört. In seinem Buch geht es um die Ausweitung des liberalen Projekts auf Osteuropa, in meinem um den Rückzug dieses Projekts unter dem Druck antiliberaler Aufrührer auf dem gesamten Kontinent. Dies ist jedoch kein Buch über Populismus, sondern über Liberalismus. Populismus ist in liberalen Kreisen zu einem beliebten Thema avanciert und niemand hat populistische Irreführungen und Gefahren je verlässlicher aufgedeckt als liberale Autoren. Aber Liberale haben sich im Fingerzeigen auf andere als besser erwiesen als in der Selbstreflexion. Sie verwenden mehr Zeit darauf, den Aufstieg des Populismus als den Niedergang des Liberalismus zu erklären. Sie weigern sich, in den Spiegel zu schauen und ihre eigenen Mängel zu erkennen, die zur Populismuswelle beigetragen haben. Mein Buch möchte dieses Ungleichgewicht beheben: Es ist die selbstkritische Schrift eines lebenslangen Liberalen. Als Dahrendorf sein Buch schrieb, herrschte in Europa ein großes Durcheinander, aber die Unsicherheit beschränkte sich vornehmlich auf den Osten, wo das kommunistische System zu bröckeln begonnen hatte. Heute ist ganz Europa durcheinander, da das liberale System nicht nur in Warschau und Budapest, sondern auch in London, Amsterdam, Madrid, Rom, Athen und Paris zu bröckeln beginnt. Die europäischen Bürger sind verunsichert und wütend. Ihre politischen Führungskräfte wirken inkompetent und unehrlich. Ihre Unternehmer machen einen hektischen und verzweifelten Eindruck. Politische Gewalt nimmt zu, hauptsächlich, aber nicht nur aufgrund von Terrorismus. Wie ist es möglich, dass ein friedlicher, reicher und integrierter Kontinent zerfällt? Warum machten sich die scheinbar pragmatischen Europäer auf eine Reise ins Unbekannte unter populistischem Banner? Warum ist Europas Wirtschaftsgovernance weder gerecht noch effektiv? Wer oder was trägt daran die Schuld? Wie sollen wir den gegenwärtigen Tumult überstehen? Und vor allem, wie lässt sich die Pendelbewegung der Geschichte umkehren? Mit diesen Fragen werde ich mich hier befassen. Mein Brief legt nahe, dass Europa und sein liberales Projekt neu erfunden und geschaffen werden müssen. Es gibt keinen einfachen Weg zurück. Europa ist es nicht gelungen, sich auf enorme geopolitische, wirtschaftliche und technologische Veränderungen einzustellen, die in den letzten drei Jahrzehnten über den Kontinent hinweggefegt sind. Europäische Demokratie-, Kapitalismus- und Integrationsmodelle befinden sich nicht in Einklang mit neuen komplexen Netzwerken von Städten, Bankern, Terroristen oder Migranten. Liberale Werte, die Europa über viele Jahrzehnte hinweg zur Blüte verholfen haben, sind verraten worden. Die Eskalation von Emotionen, Mythen und gewöhnlichen Lügen lässt wenig Raum für Vernunft, Beratungen und Einigung. Daher steht den Europäern ein weiteres »Tal der Tränen« bevor, denn ich glaube nicht, dass Bundeskanzlerin Merkel oder Präsident Macron Europa im Alleingang aus dem gegenwärtigen Dilemma führen können. Der Liberalismus mag zwar im Niedergang begriffen sein, aber er ist noch nicht am Ende. Die neoliberalen Abwege haben viel Schaden angerichtet, es besteht jedoch kein Grund, einige liberale Grundüberzeugungen aufzugeben: Rationalität, Freiheit, Individualität, kontrollierte Macht und Fortschritt. Die Konterrevolutionäre haben viele Gewinne erzielt, indem sie die Schwächen der EU, der liberalen Demokratie und des freien Marktes ausgeschlachtet haben, aber ihnen fehlt ein plausibles Programm für eine Erholung und Erneuerung. In der Geschichte Europas gibt es viele dunkle Kapitel, aber auch glanzvolle, die von einer bemerkenswerten Fähigkeit zur intellektuellen Reflexion, öffentlichen Beratung und institutionellen Erneuerung zeugen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das gegenwärtige europäische Dilemma durchaus in eine wunderbare Renaissance wenden ließe. Allerdings bedarf es dazu eines ernsthaften Nachdenkens darüber, was schiefgegangen ist. Dieser Brief versucht diese Überlegungen unvoreingenommen und furchtlos anzustellen. Ich bin Politikwissenschaftler, kein Philosoph oder Historiker. Ich versuche zu verstehen, wie bestimmte politische Ideen die Strategien von Politikern und Unternehmern prägen. Typologien und die Entwicklung verschiedener liberaler Strömungen werden besser andernorts analysiert. Anders als die meisten Historiker schaue ich zurück, um die Zukunft zu verstehen, wenn schon nicht vorherzusehen. Anhand verschiedener neuer Merkmale der Demokratie, der Wirtschaft und der Kommunikation, die ich aufzeige, versuche ich, ein neues liberales Projekt für einen Kontinent vorzuschlagen, der sich nicht nur durch das konterrevolutionäre »Erdbeben«, sondern auch durch allmähliche technologische, gesellschaftliche und ökologische Prozesse vor Herausforderungen gestellt sieht. In diesem Brief geht es teils um Moderne, Konnektivität und Digitalisierung. Wie lassen sich Staaten, Städte, Regionen und internationale Organisationen dazu bringen, in einer Umgebung ständig wachsender wechselseitiger Abhängigkeit besser zu funktionieren? Wie kann man Transparenz, Verantwortlichkeit und Gouvernementalität in einem Europa mit »unscharfen« Grenzen stärken? Wie soll man Bürger vor Gewalt, Ausbeutung und Klimawandel schützen? Wie lässt sich die Politik der Angst durch die Politik der Hoffnung ersetzen? Zuweilen mag ich in diesem Brief übertrieben düster klingen, aber ich glaube an ein gutes Ende für Europa und sogar für Liberale. Kapitel 1 Von der Revolution zur Konterrevolution Lieber Ralf, einige Stunden, nachdem das Ergebnis des Brexit-Referendums bekannt gegeben wurde, versammelten sich Studierende und Lehrkräfte deines St Antonyʼs College im European Studies Centre. Die meisten der Anwesenden, eine recht internationale Schar, waren deprimiert, manche hatten sogar Tränen in den Augen. Sie konnten nicht fassen, dass die Mehrheit der britischen Wähler für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hatte. Sie konnten nicht begreifen, warum ein Berg rationaler Argumente für den Verbleib in der Union auf taube Ohren gestoßen war. Wieso wurden umfangreiche statistische Belege für die Kosten des EU-Austritts ignoriert? Wie konnten die scheinbar doch so pragmatischen Briten sich weigern, den Akademikern, Journalisten, Experten zu vertrauen? Und warum hatten dubiose Politiker wie Nigel Farage, Andrea Leadsom und Michael Grove die Oberhand über die Sieger der letzten Parlamentswahlen, David Cameron und George Osborn, gewonnen? Die meisten dieser Fragen blieben unbeantwortet. Kurz vor dem Brexit-Referendum war ich in Italien, wo die Fünf-Sterne-Bewegung unter der Führung des Comedian Beppe Grillo bei den Kommunalwahlen gerade den Bürgermeisterposten in Rom und Turin errungen hatte. In Rom warf die Fünf-Sterne-Bewegung der sozialdemokratischen Verwaltung Vetternwirtschaft, Inkompetenz und Korruption vor. Die Wahlergebnisse waren ein unerwarteter Schlag für den Vorsitzenden der Partito Democratico, Premierminister Matteo Renzi. Grillo erklärte den verblüfften italienischen Kommentatoren rundheraus: »Sie sind unfähig, die Geburt und den Aufstieg meiner Bewegung zu begreifen, weil Sie alles in Ihre eigene Sprache übersetzen. Sie sind schlichtweg von der Realität abgeschnitten.« Einige Monate später trat Matteo Renzi als Ministerpräsident zurück, nachdem er beim Referendum keine Mehrheit für seine Verfassungsreform hatte gewinnen können. Nach dem Brexit-Referendum flog ich nach Polen, wo die Oppositionsparteien den Gewinnern der Wahlen im vorangegangenen Jahr vorwarfen, einen Verfassungscoup zu inszenieren, die Justiz lahmzulegen und die öffentlichen Medien von Kritikern zu säubern. »Ich bin kein Diktator«, erklärte Jarosław Kaczyński der Tageszeitung Rzeczpospolita. »Polen ist eine musterhafte Demokratie und eine Insel der Freiheit in einer Welt, in der Freiheit selten ist.« Was geht da vor? Wer hat recht, wer unrecht? Wie etabliert man Wahrheit in dieser Ära der Postwahrheit? Sind die europäischen Wähler verrückt geworden? Sind Nigel Farage, Beppe Grillo und Jarosław Kaczyński Propheten oder Scharlatane? Haben diese oben erwähnten politischen Erfahrungen etwas gemeinsam? Zeigen sie eine neue Entwicklung der europäischen Politik auf, und wenn ja, wie benennen wir sie? Wir leben eindeutig in turbulenten Zeiten mit ungewissem Ausgang. Seit Langem bestehende Annahmen gelten nicht mehr. Symbolpolitik ist an die Stelle von Realpolitik getreten. Gegenwärtig scheint alles möglich. Und doch müssen wir versuchen, die Geschichte zu begreifen, die mit einer Kraft und Geschwindigkeit über Europa rollt, wie wir sie nicht erlebt haben, seit du vor annähernd dreißig Jahren deine Betrachtungen über die Revolution in Europa geschrieben hast. Lass mich auf deine Befürchtungen zurückkommen und die gegenwärtigen Entwicklungen in den Kontext der von dir untersuchten Revolution von 1989 einordnen. Ich tue dies, weil ich glaube, dass wir einen konzertierten Versuch erleben, das nach dem Fall der Berliner Mauer geschaffene System abzuschaffen. Wir erleben eine Konterrevolution. Was am 23. Juni 2016 in Großbritannien passierte, ist nur eine von vielen Episoden, die den Aufstieg einer starken Bewegung ankündigen – einer Bewegung, die darauf abzielt, das Narrativ und die Ordnung zu zerstören, die seit 1989 auf dem gesamten Kontinent herrschen: liberale Demokratie und neoliberale Wirtschaft, Migration und eine multikulturelle Gesellschaft, historische »Wahrheiten« und politische Korrektheit, moderate politische Parteien und Mainstream-Medien, kulturelle Toleranz und religiöse Neutralität. Wie die angeführten Beispiele Italien, Großbritannien und Polen zeigen, gibt es lokale Varianten dieser Bewegung, aber ihr gemeinsamer Nenner ist die Ablehnung jener Personen und Institutionen, die Europa in den vergangenen drei Jahrzehnten regiert haben. Zudem sollten wir uns nichts vormachen, indem wir auf die Wahlergebnisse in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien von 2017 verweisen. Mark Rutte, Emmanuel Macron und Theresa May haben einen Teil der konterrevolutionären Rhetorik übernommen, um Stimmen zu gewinnen. Rutte geißelte Migranten, Macron drosch auf traditionelle Parteien ein und May befürwortete einen harten Brexit. Kann der Liberalismus mit so vielen illiberalen Ornamenten überleben? Sollten Liberale sich freuen, weil »gemäßigte« Populisten die Oberhand über harte Populisten gewonnen haben? Selbst im reichen und stabilen Deutschland zog die rechtsnationalistische Alternative für Deutschland (AfD) nach den Wahlen 2017 mit 94 Sitzen in den Bundestag ein. Angela Merkel führt zwar weiterhin die Regierung, aber die CDU/CSU und die SPD erlitten eine historische Wahlniederlage. Wir sollten auch den größeren geopolitischen Kontext im Blick behalten. Illiberale Politiker regieren mit dem Segen der Wähler in Europas größten Nachbarstaaten, Türkei und Russland. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat ebenfalls schwerwiegende Auswirkungen auf den alten Kontinent. Die Vereinigten Staaten mögen zwar durch den Atlantik von Europa getrennt sein, sind aber dennoch eine im Grunde europäische Macht; in Europa wird keine Entscheidung getroffen, ohne Amerika im Blick zu haben. Donald Trump redet wie viele europäische Konterrevolutionäre und während seines Präsidentschaftswahlkampfs erhielt er öffentliche Unterstützung von so prominenten europäischen Aufrührern wie Marine Le Pen und Nigel Farage. Die Bedeutung von Wandel Warum handelt es sich hier um eine Konterrevolution? In Europa werden weder Straßenbarrikaden gebaut noch Sitzstreiks in Fabriken abgehalten. Es gibt keine bestimmte Ideologie, die Protestbewegungen inspirieren oder einen würde. Es ist zwar viel von Antipolitik die Rede, aber die führenden Köpfe des Protests gründen Parteien und versuchen, Wahlen zu gewinnen. Es wäre allerdings falsch, anzunehmen, zu Revolution und Konterrevolution gehörten zwangsläufig Massenmobilisierung und an einem bestimmten Datum kulminierende Gewalt. Der Kommunismus ist mit nur wenig oder ganz ohne Gewalteinsatz zusammengebrochen. Polens Solidarność-Bewegung konnte 1980 Massenstreiks organisieren, nicht aber zehn Jahre später. Der Wandel erfolgte hauptsächlich durch Bündnisse zwischen alten und neuen Eliten und durch Wahlen. Und doch lässt sich schwer leugnen, dass dieser relativ friedliche Prozess Europa so weit verändert hat, dass es kaum wiederzuerkennen ist. Es war zwar nicht das Ende der Geschichte, aber nach und nach wurde die alte Ordnung durch eine neue ersetzt. Manche der alten Kommunisten konnten sich an der Macht halten, allerdings nur, nachdem sie sich zur neuen liberalen Ordnung bekannt hatten. Aus diesem Grund nanntest du es trotz aller Vorbehalte eine Revolution. Und seit 1990, als du dein Buch geschrieben hast, hat diese Revolution erhebliche Fortschritte gemacht. Die Sowjetunion und Jugoslawien sind zerfallen, Deutschland ist wiedervereinigt und die Europäische Union und die NATO sind erheblich erweitert worden. Westliche Armeen, Unternehmen und Sitten drangen nach Osten vor. Viele begrüßten begeistert neue Regime auf ihrem Staatsgebiet, aber manche fühlten sich benachteiligt, weil sie anderer ethnischer Herkunft waren als die Mehrheit (zum Beispiel Russen in Lettland, Serben in Bosnien-Herzegowina) oder weil ihnen die entsprechenden beruflich
Erscheinungsdatum | 06.02.2019 |
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Übersetzer | Ulrike Bischoff |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Counter-Revolution. Liberal Europa in Retreat |
Maße | 133 x 205 mm |
Gewicht | 269 g |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung ► Europäische / Internationale Politik | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung ► Politische Systeme | |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Schlagworte | Anarchismus • Aufstand • Bindestrich-Soziologie • Brexit • Bürger • Citizen • Crisis • EU • Europa • europäische Länder • Europäische Staaten • Europäische Union • Europas Versagen • Europe • European Union • Faschismus • Geopolitik • Kollektivismus • Krise • Liberales Europa • Liberalism • Liberalismus • Neuerfindung Europas • political unrest • Politics • Politik • Politischer Liberalismus • politische Unruhen • Populism • Populismus • Rebellion • Rechte Bewegungen • Rechtsextremismus • Revolte • Revolution • Sociology • Soziologie • soziologische Forschung • Spezielle Soziologie • Versagen Europa • Volksaufstand |
ISBN-10 | 3-593-51009-X / 359351009X |
ISBN-13 | 978-3-593-51009-5 / 9783593510095 |
Zustand | Neuware |
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