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Das Internet muss weg (eBook)

Eine Abrechnung
eBook Download: EPUB
2018
272 Seiten
Albrecht Knaus Verlag
978-3-641-22822-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Internet muss weg - Schlecky Silberstein
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Eine fundamentale Abrechnung mit dem Internet von einem der einflussreichsten Blogger der Republik
Ausgerechnet Schlecky Silberstein, Kultakteur in der Netzgemeinde, propagiert diesen Leitspruch: »Das Internet muss weg.« Der Blogger und Online Comedian kennt das Netz wie seine Westentasche. Und gerade deshalb warnt er davor. Dank Fake News, Filterblasen und Social Bots erlangen Konzerne, politische Entscheidungsträger und Kriminelle zunehmend Kontrolle über weite Teile der Menschheit. Schlecky Silberstein analysiert den »Daten-Kasino-Kapitalismus«, in dem unsere Daten als Handelsware gezielt eingesetzt werden, um unser Verhalten vorherzusagen und zu beeinflussen. Nicht nur Donald Trump wusste ihn auf seinem Weg zur Macht zu nutzen, auch unsere eigene Gesellschaft droht von programmierbaren Propaganda-Maschinen gelenkt zu werden. Können wir einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet lernen oder hilft nur noch die sofortige Abschaltung?



Schlecky Silberstein, geboren 1981, ist Autor, Schauspieler, Gesicht und Produzent der ZDF-Comedy-Show »Browser Ballett«, die 2019 mit dem Grimme Preis ausgezeichnet wurde. Zwischen 2010 und 2019 betrieb er den erfolgreichsten deutschen Kuriositäten-Blog. Er ist der Autor zweier Bücher, 'Ich kann keine Wurstzipfel essen' (Ullstein 2015) und 'Das Internet muss weg' (Knaus 2018) sowie Mitgründer der Gesellschaft für digitale Ethik. In seinen satirischen Videobeiträgen setzt er sich immer wieder mit traditionellen Rollenbildern, Geschlechteridentitäten und Aspekten toxischer Männlichkeit auseinander. Schlecky Silberstein lebt in Berlin.

Follow the Money.
Geld ist der Treibstoff des Internets

Wenn Sie es nicht selbst schon wussten: Im Internet dreht sich alles ums Geld. Natürlich ist die Website des Tierheims Twistringen frei von Profitinteressen, aber die digitale Infrastruktur, in der sie sich befindet, ist zu hundert Prozent von kapitalistischen Dynamiken gekennzeichnet. Was das Geldverdienen im Internet so spannend beziehungsweise pervers macht, ist die vorherrschende Gratis-Kultur. Der Internetnutzer war es immer gewohnt, digitale Inhalte seriös aufbereitet vorzufinden, ohne alle fünf Minuten etwas bezahlen zu müssen, wie es etwa am Zeitschriftenregal Usus ist. Nichtsdestotrotz wollen Content-Ersteller und Service-Dienstleister für ihre Arbeit entlohnt werden, also haben sie sich verschiedenste Wege erschlossen, dennoch Geld zu verdienen. Ich beschränke mich auf die wichtigsten Erlösmodelle, die man kennen muss, um das Internet im Social-Media-Zeitalter zu verstehen. Der elektronische Handel, wie ihn Amazon und klassische Online-Shops betreiben, gehört nicht dazu. Das größte und spannendste Geschäft namens Datenhandel folgt im nächsten Kapitel.

Banner-Werbung

Der transparenteste Weg, im Internet an Geld zu kommen, ist Werbung. Sie alle kennen Werbebanner im Umfeld eines Artikels. Es gibt verschiedene Anbieter für diese Banner; der beliebteste stammt von Google selbst. Das funktioniert so:

Jeder Website-Betreiber kann sich kostenlos beim Programm Google AdSense registrieren. Dort kann der Nutzer einen sogenannten AdSense-Banner erstellen, der sich bequem in seine Homepage einbinden lässt. Welche Werbung dieser Banner konkret anzeigt, hängt vom jeweiligen Besucher der Seite ab beziehungsweise von dessen Surf-Vergangenheit. Über einen gar nicht so komplizierten Algorithmus ahnt Google, welcher Art Produkt oder Dienstleistung der Website-Besucher zum Zeitpunkt x am ehesten zugeneigt ist. Hat die Person am gleichen Tag Turnschuhe gesucht, steigt die Wahrscheinlichkeit, Turnschuhwerbung auf den anschließend besuchten Seiten zu finden. Noch immer halten viele Internetnutzer dieses Prinzip für Voodoo und können nicht begreifen, dass sie von elektrischen Zahnbürsten verfolgt werden, weil sie zuvor Parodontose gegoogelt haben. Seien Sie versichert: Es hat nichts mit schwarzer Magie zu tun.

Sobald ein Seitenbesucher auf einen dieser AdSense-Banner klickt, wird dem Konto des Seitenbetreibers eine kleine Geldsumme gutgeschrieben. Deren Höhe hängt von so vielen Faktoren ab, dass ich es im Sinne der Verständlichkeit dabei belasse. Viel spannender ist, dass anders als bei Zeitungsangeboten für die Einblendung der Werbeanzeige keine Pauschalsumme bezahlt wird. Zeitungen haben Preislisten, die sich an ihrer Auflage bemessen, das heißt: Eine Anzeige kostet 70 000 €, wie oft sie gesehen wird und wie oft ein konkreter Kauf daraus resultiert, ist Glückssache. Wie viel über einen AdSense-Banner verdient wird, ist da deutlich leistungsgerechter. Wird der Artikel häufig aufgerufen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Banner geklickt wird, entsprechend steigt der Verdienst pro Artikel. Hier verbirgt sich ein folgenschwerer Aspekt, der den Journalismus für immer verändert hat: In der alten Zeitungswelt hat der einzelne Artikel den Werbeerlös nicht beeinflusst. Ob der Autor eine reißerische Lügengeschichte oder einen in monatelanger Recherche entwickelten Pulitzerpreis-Anwärter verfasste, spielte für den Erlös pro Artikel keine Rolle. Der Erlös pro Artikel konnte nicht mal berechnet werden. Beim Online-Artikel ist es messbar und entscheidend, wie oft er aufgerufen wurde. Andersherum weiß jeder Online-Journalist, wann sein Artikel buchstäblich wertlos war, und so weiß es auch sein Chefredakteur. Im Kapitel »Süße Droge Reichweite« gehen wir detaillierter darauf ein, merken Sie sich jetzt nur: Wer viel verdienen will, und das ist durchaus menschlich, muss dafür sorgen, dass seine Artikel so verfasst sind, dass sie so oft wie möglich neu geladen werden und damit der entsprechende Werbebanner so oft wie möglich unter dem Cursor eines Lesers landet.

Neben dem AdSense-Banner, den man an einem kleinen blauen Dreieck erkennt, gibt es unzählige weitere Banner von Medienagenturen, die aber im Wesentlichen alle nach dem gleichen Muster funktionieren. Manchmal reicht allein die Anzahl der Aufrufe des Banners, manchmal erfolgt eine Honorierung nur, wenn über den Banner auch tatsächlich ein Kauf getätigt wurde. Dazwischen gibt es viele verschiedene Modelle, die für den Seitenbetreiber aber in der Regel immer bedeuten: Je mehr Aufrufe, desto mehr Einnahmen.

Affiliate-Links

Affiliate-Programme funktionieren nach dem Provisionsprinzip und können als Banner oder als Link in Erscheinung treten. Nehmen wir an, Sie haben sich auf einem Tech-Blog über ein ganz bestimmtes Laptop-Modell schlaugemacht und sich zum Kauf entschieden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden Sie in dem Artikel einen Link finden, der Sie direkt zum Online-Shop führt. Der jeweilige Händler weiß durch den Link, wer ihm den Kunden beschert hat, und so fließt im Rahmen dieses Affiliate-Deals ein Prozentsatz x vom Produktpreis an den Betreiber des Blogs. In den meisten Fällen führt der Link zu Amazon, denn hier gilt: Alles, was der Käufer zusätzlich im Rahmen dieser einen Einkaufssession ersteht, wird anteilig dem Konto des Seitenbetreibers gutgeschrieben. Hat der Tech-Blog also nur einen Affiliate-Link zu einem USB-Stick verwendet, verdient er zusätzlich, wenn sich der Käufer neben dem Stick noch eine Hydraulik-Presse für 60 000 € in den Warenkorb legt.

Aus diesem Grund sind Amazon-Affiliate-Links für Seitenbetreiber meist interessanter als Affiliate-Links mit dem Hydraulikpressen-Shop. Und jetzt fragen Sie sich gerne, welches Interesse ein Tech-Blogger hat, ein vorgestelltes Produkt zu verreißen. Sicher, es zahlt auf die Glaubwürdigkeit der Seite ein, und das ist langfristig wertvoller, als jedes Produkt in den Himmel zu loben. In der Tendenz muss es bei Bewertungsseiten jedoch um Verkäufe gehen, und glauben Sie mir: Ich habe schon so viel Schrott erstanden, der nicht mal einen halben Stern verdient gehabt hätte, aber auf mehreren Seiten als Cutting-Edge-Technologie angepriesen wurde. Denn leider gibt es zahlreiche Agenturen, deren Geschäftskonzept darin besteht, positive Rezensionen für alles Mögliche zu verfassen. Auf Amazon ist das kein Geheimnis, aber auch in Kommentarspalten auf den Seiten von spezialisierten Shops sind diese Agenturen aktiv. Es gibt Tech-Blogs, die nur für die Hohepreisung eines einzelnen Produkts gegründet werden. Die sind meistens in der Launch-Phase online, um dann nach drei Wochen wieder vom Netz genommen zu werden. Und nicht jede dieser Seiten wird von echten Menschen verfasst. Es gibt Programme, die mit Fotos und Mustersätzen zu einem Produkt gefüttert werden und dann vollautomatisch einen neuen Tech-Blog im Netz registrieren, nur um ein Produkt zu bewerben. Ebenso gibt es sogenannte Content-Aggregatoren, die automatisch beliebte Produkte identifizieren und sie ebenso automatisch mitsamt der Produktbewertung und natürlich dem Affiliate-Link auf einer Seite sammeln, die sich als seriöses Technik-Forum ausgibt. Zwei Personen in meinem Freundeskreis leben sehr gut von solchen Aggregatoren, die circa einmal pro Monat ein wenig Wartung erfordern. (Ihr wisst, wer ihr seid. Ich mag euch trotzdem.)

Sie merken schon: Gerade über den Bereich »Dirty Tricks im E-Commerce« könnte man Bücher schreiben. Es gibt diese Bücher auch, nur heißen sie nicht »Dirty Tricks«, sondern oft einfach nur »Erfolgreich im Internet in 10 Schritten«. Die kurze Faustformel lautet: Alles, was denkbar ist, ist auch machbar. Während eines Aufenthalts in Peking (ausgerechnet) mailte mir ein Freund, er habe durch Zufall eine Seite eines Schweizer Betreibers gefunden, die eine exakte Kopie meines Blogs sei. Daraufhin habe ich einen neuen Artikel verfasst und fasziniert registriert, wie er nach wenigen Sekunden perfekt formatiert auf der Schweizer Kopie erschien. Inklusive zusätzlicher Affiliate-Links. Ich habe den Betreiber ausfindig gemacht. Es war ein Teenager, der sich immerhin reuig zeigte und die Seite vom Netz nahm.

Advertorials

Warum im Umfeld werben, wenn man auch direkt einen ganzen Artikel kaufen kann? Ein Advertorial ist eine Werbeanzeige in der Aufmachung eines redaktionellen Beitrags, ein Artikel, den der Autor im Auftrag des Werbenden verfasst, der ihn dafür bezahlt. Das klingt nicht nur schal, es ist es auch. Ich nehme auch Geld für Artikel und kann zumindest für die Blogger-Zunft sagen: Dass es sich bei dem Artikel um Werbung handelt, wird ganz groß in der Artikelüberschrift mit den Worten »Werbung« oder »Sponsored Post« gekennzeichnet. Wobei die Kennzeichnung meist auch von den werbenden Unternehmen explizit eingefordert wird, alles andere wäre Schleichwerbung. In der Regel funktioniert das so: Eine PR-Agentur stellt eine Anfrage, zum Beispiel für die Verbreitung eines Werbefilms. Der Blogger kann entscheiden, ob das Video in den Rahmen seines Programms passt, wobei ich auch schon oft gebeten wurde, Videos über die Vorteile von Solaranlagen zu verbreiten. In dem Fall lehne ich ab, weil ich weiß, meine Leser würden sich auflehnen. Passt das Video thematisch, steht den Blogs frei, wie sie darüber berichten. Ich habe auch mal testweise ein Video eines großen Autobauers nach allen Regeln der Kunst verrissen, um zu testen, wie weit das Versprechen der redaktionellen Freiheit wirklich gilt. Es gab keinen Widerspruch, allerdings habe ich auch nie wieder von der Agentur gehört. Dennoch verstehe ich den Unmut meiner Leser,...

Erscheint lt. Verlag 5.3.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Cambridge Analytica • Data-Mining • Datenskandal • eBooks • Facebook • Fake News • filter bubble • Propaganda • Social Bots • Social Media • Twitter • Verschwörungstheorie
ISBN-10 3-641-22822-0 / 3641228220
ISBN-13 978-3-641-22822-4 / 9783641228224
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