Shore, Stein, Papier (eBook)
432 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97558-2 (ISBN)
$ick, Anfang der Siebzigerjahre in Homburg geboren, verbrachte seine Kindheit in Baden-Württemberg. Als er 13 war zog die Familie zum neuen Freund der Mutter nach Hannover. Weil er dort nicht sonderlich willkommen war, trieb er sich herum, begann Drogen zu nehmen und musste mit 18 zum ersten Mal ins Gefängnis, drei weitere Aufenthalte dort folgten. Heute leistet er Präventionsarbeit für Jugendliche an Schulen und kümmert sich um seine Tochter.
$ick, Anfang der Siebzigerjahre in Homburg geboren, verbrachte seine Kindheit in Baden-Württemberg. Als er 13 war zog die Familie zum neuen Freund der Mutter nach Hannover. Weil er dort nicht sonderlich willkommen war, trieb er sich herum, begann Drogen zu nehmen und musste mit 18 zum ersten Mal ins Gefängnis, drei weitere Aufenthalte dort folgten. Heute leistet er Präventionsarbeit für Jugendliche an Schulen und kümmert sich um seine Tochter.
Intro
Aus dem Nest gefallen
Wie alles begann
Goetheplatz 1
Hauptschule am Hohen Ufer & der Jugo
Spielplatzbande
Die erste große Liebe
Das erste Mal Shore rauchen
Shore ist Heroin?
Was jetzt, klauen oder dealen?
Sucht und Beschaffung
Neue Freunde & Komplizen
Auf nach Malibu
Der ZDF-Drogenreport
Alles Routine
Rohypnol 2 mg
Gift oder Kugel?
Achtzehn, obdachlos und voll am Arsch
Geldsorgen
Ein ganz mieser Trip
Game over
Jugendvollzug: JA Hameln
Herzlich willkommen in der JVA Hannover
Kalter Entzug
JA Hameln, U-Haft
Der Gerichtstermin
Aufleger rauchen, pendeln & wie man sich ein Mofa baut
Hameln, Strafhaft
Drang nach Freiheit #1
Drang nach Freiheit #2
Tag der offenen Tür
Im Gänsemarsch
Nachholbedarf
Festabgang
Ein neues Level
Abrissparty
Ihr könnt mir ruhig vertrauen!
Mit der Waffe betteln gehen
Beklaue nie die Falschen
Galeria Horten
Ohne Verstand, ohne Schmerz
Dumm gelaufen
Zombiemodus
Junge Erwachsene: JVA Vechta
JVA Vechta: Die Kammer & Rambo
B 3
Kokainträume
Die Tage bis zum Termin
Beschissene Neuigkeiten
Man sieht sich immer zwei Mal
Dosenfisch & Training
Abschiedslektion
Schweißerkurs, Krämpfe & Brandwunden
Ein kurzes Vergnügen
Die Haschconnection
Auf zwei Drittel
Erwachsenenvollzug: JVA Meppen
Merk's mal!
Voll angeschissen
Die üblichen Verdächtigen
Lasst die Spiele beginnen
Willkommen in Osnabrück
Erfolgreiche Therapie?
Immer wieder Drogen, Knast & Therapie
Alte Wege, neue Geschäfte
HipHop Open 2000
Enschede
Die Maul- und Klauenseuche und Fahren ohne Fahrerlaubnis
Kidnapping und Neugierde
Rocky, das Splash Festival und der große Krach danach
Sonne, Strand und Schmerzen
Shore, Koks & Bullen: #esistmalwiedersoweit
JVA Lingen
Fachklinik Nettetal
Outro
Neue Freunde & Komplizen
In den darauffolgenden Wochen war ich nur noch selten in der Schule gewesen und hatte mich stattdessen lieber in der Stadt rumgetrieben und geklaut. Meine Gier nach dem braunen Zeug zwang mich immer öfter dazu. In dieser Zeit wurde der Bahnsteig von Linie 8 einer meiner Hauptanlaufpunkte. Hier saßen den ganzen Tag die unterschiedlichsten Typen rum, die nonstop Bleche rauchten und mit Stoff dealten. Außerdem vertickte ich hier das Diebesgut und ersparte mir den lästigen Weg zum Raschplatz.
Ich hatte zwei coole Lacoste-Pullover gezogen, einen davon gegen Stoff eingetauscht und tötete meinen Affen. Ich war schon gut angebreitet, als sich ein zierlicher Typ mit einer senkrecht verlaufenden Narbe auf der linken Wange und sein o-beiniger Kumpel neben mich setzten.
»Hast’n Stück Folie für uns?« Er lächelte mich sympathisch an und fingerte zwei Päckchen aus einem zerknüllten Taschentuch, den Rest verbunkerte er hinter den Sitzlehnen.
»Klar, Mann.« Ich legte mein Blech neben mich auf den freien Sitz und zog eine Rolle Alufolie unter meinem Sweatshirt hervor. Ich hatte die beiden schon öfter gesehen. Bei einem früheren Zusammentreffen hatte ich zufällig mitgehört, dass der vernarbte Araber genauer gesagt Ägypter war. Sein Kollege sah typisch norddeutsch aus. In der City waren wir uns hin und wieder beim Klauen über den Weg gelaufen oder hatten zufällig hier unten zusammengesessen und gelötet. Nur miteinander geredet hatten wir bis jetzt noch nie.
»Geiler Pulli. Wo haste den denn gezockt?« Er grinste mich frech an.
»Peek & Cloppenburg. In der Herrenabteilung.« Ich zog noch mal an meinem Blech und hielt ihm das Krokodil unter die Nase. »Willste kaufen? Ich tausch ihn auch gegen Braunes ein.«
Sein Kumpel, der Ägypter nannte ihn Patatas, nahm mir den Pulli aus der Hand und hielt ihn sich vor die Brust, der Pulli war etwas zu klein.
»Nee, lass mal. Hab sowieso mehr als genug Klamotten.«
Das glaubte ich sofort. Die beiden trugen nur das Beste vom Besten. Beide hatten 180er Nikes an den Füßen, Diesel Jeans am Arsch und ihre Oberteile von Joop und Benetton sprachen Bände.
»Wir wollten nach dem Rauchen auch durch die Läden ziehen. Willste mitkommen?«
Was für ne Frage. Klar wollte ich. Ich hatte nicht einen Pfennig Kohle in der Tasche und das kleine Päckchen, das ich eben für den Lacoste-Pulli bekommen hatte, war schon so gut wie aufgeraucht. So oder so. Ich musste definitiv Bares machen, wenn ich später nicht affig nach Hause wollte.
Die Jungs ließen mich wie selbstverständlich von ihrem Stoff mitrauchen und wir verbrachten noch gut und gerne zwei Stunden auf dem Bahnsteig, bevor wir den Untergrund verließen, um die Läden der Stadt zu plündern. Irgendwie hatte ich bei den beiden sofort das Gefühl dazuzugehören, als wären wir schon länger befreundet.
Die anschließende Tour verlief erfolgreich und der Tag verging wie im Flug. Wir hatten großen Spaß dabei und funktionierten super zusammen. Einer lenkte die Verkäufer ab, einer stopfte sich die Taschen voll und der Dritte sicherte von außen den Fluchtweg, falls einer der Angestellten auf die Idee kam, uns zu verfolgen. Alles verlief reibungslos.
Als die Geschäfte am frühen Abend die Rolläden runterließen, hatten wir genug zusammengeklaut und leisteten uns gemeinsem fünf Gramm.
Wir kehrten in die U-Bahn-Station am Kröpcke zurück, Bahnsteig Linie 8. Der Ägypter faltete sofort ein paar Briefchen aus Papier.
»Mach du mal für jeden ein Blech fertig, den Rest teil ich auf und ihr sucht dann aus. Okay?«
Ich kramte die Rolle Alufolie hervor, die ich zwischen den Sitzen versteckt hatte, Patatas rollte sein Röhrchen neu auf und verteilte Kippen. Die Fairness der Jungs begeisterte mich. Keiner beschiss den anderen und riss sich mehr Stoff unter den Nagel, als ihm zustand. Die beiden wurden mir von Stunde zu Stunde sympathischer.
Nur wenige Minuten später hatte jeder sein Päckchen in der Tasche verstaut und unsere Bleche waren großzügig beladen. Schweigend saßen wir nebeneinander und inhalierten den Rauch des braunen Pulvers. Zwei Jungs gesellten sich zu uns. Patatas begrüßte die beiden zuerst.
»Na ihr Wichser, alles klar bei euch?«
Der Ägypter grinste die beiden nur kurz an und rauchte weiter an seinem Blech.
Der eine von ihnen war kräftig gebaut, hatte breite Schultern und ein kantiges, blasses Gesicht. Seine Stimme war laut und dunkel, und er wirkte recht rabiat, gab mir aber ohne Umschweife die Hand und stellte sich und seinen Kumpel vor.
»Ich bin Kosinus, der da is Dekra«, er deutete mit einem Kopfnicken auf den anderen Neuankömmling, setzte sich neben mich und kramte ein fertiges Blech aus seiner Zigarettenschachtel hervor, gierig zog er daran. Die beiden waren den ganzen Nachmittag halbwegs entzügig auf Diebestour gewesen und hatten es nun verdammt eilig, ihren Affen zu töten. Immer wieder schielte ich von dem einen zum anderen.
Dekra war ein typisch deutscher Junge, wie aus dem Katalog. Klare Gesichtszüge, dunkelblonde Haare, blaue Augen, schlank und hochgewachsen. Er war sehr still und hatte was Unnahbares an sich. Das machte ihn auf eine seltsame Art und Weise interessant und die Weiber standen bestimmt Schlange bei ihm.
Die vier kannten sich schon länger und waren offenbar Freunde. Sie erzählten sich ohne Bedenken, wie und wo sie heute geklaut und bei wem sie anschließend ihren Stoff geholt hatten. Immer wieder erwischte ich mich beim Grinsen. Völlig unverfroren quatschten sie vor mir über ihre Brüche und ich schloss sie endgültig ins Herz. Die Jungs und ihre Themen gefielen mir sehr gut. Es verschaffte mir ein unbeschreiblich gutes Gefühl, dass sie mich in ihren Kreis einschlossen. Endlich hatte ich Leute gefunden, die genau das Gleiche brauchten wie ich: Bargeld und Stoff. Zudem störten sie sich keine Sekunde an meinem blutigen Anfängertum. Sie würden mir alles Nötige beibringen. So viel war jetzt schon sicher.
Auf nach Malibu
Hannover, Sommerferien 1989
Inzwischen traf ich mich beinahe täglich mit meinen neuen Freunden in der Innenstadt. Meistens hingen sie an der Rolltreppe am U-Bahn-Eingang Kröpcke vor Peek & Cloppenburg rum. Wenn ich dort keinen von ihnen antraf, erwischte ich sie entweder am Opernplatz oder vor McDonald’s.
Eigentlich wollte ich an diesem Abend mit dem Jugo, Morena und ihrer Schwester ins Check In gehen, eine Disco am Opernplatz, aber ich war zu früh dran und schaute mich nach dem Ägypter und den anderen Jungs um.
Es dauerte auch nicht lange, bis ich sie entdeckte. Ich hatte mir gerade einen Cheeseburger geholt und klatschte die Gurke angewidert an die Scheibe vom Schuhladen, als ich Patatas und den Ägypter aufgeregt vor dem Checkers auf und ab wuseln sah. Auch Kosinus und Dekra beobachteten das Treiben vom griechischen Imbiss aus und schlenderten zu mir rüber.
Wie immer belächelten sie als Erstes meine Klamotten und Kosinus konnte sich einen dummen Spruch darüber nicht verkneifen: »Na, Kuhjunge, wo haste denn deinen Esel geparkt?«
Er spielte auf meine Moskito-Boots an, Cowboystiefel mit goldfarbenen aufgesetzten Stahlkappen, die ich zu der Zeit häufig trug. Wir gaben einander die Hand und beide schüttelten amüsiert den Kopf und lachten. Ich hasste diese Sprüche. Denn ich persönlich fand, dass ich schick angezogen war. Ich trug eine beige Bundfaltenhose, ein cremefarbenes Trussardi-Nr.1- T-Shirt und eine passende Strickjacke dazu. Das war das Wochenend-Standard-Outfit in der Nordstadt und die Stiefel waren echt bequem. Sie saßen wie Laufschuhe am Fuß und ich liebte die Dinger. Die Cityboys fanden sie einfach nur lächerlich.
»Mensch, halt’s Maul, du Vollidiot«, fuhr ich sie an. »Sagt mir lieber, was bei denen geht.« Ich nickte rüber zu Patatas und dem Ägypter. Sie standen mitten in einem Mob von Checkers-Jungs und gaben ihnen offenbar Anweisungen. Trotz der warmen Temperaturen trugen die beiden dünne schwarze Lederhandschuhe und Halstücher bei sich. Genau wie Dekra und Kosinus. Irgendetwas war hier im Busch.
»Wir gehn heut nach Malibu, mein Freund«, beantwortete Dekra meine Frage und schielte noch mal mitleidsvoll auf meine Boots. »Kannste mit den Dingern überhaupt rennen?«
Ich verstand zwar nicht, worauf er hinauswollte, aber egal.
»Klar, kein Problem. Wieso fragste?«
Doch statt einer Antwort pfiff er einmal laut und winkte Patatas und den Ägypter zu uns rüber. Ich begrüßte die beiden und Dekra blickte sich währenddessen immer wieder verstohlen nach allen Seiten um.
»Und? Wann geht’s los? Machen die Bauernopfer mit?« Er rieb sich die Hände vor Aufregung und seine Augen strahlten vor Vorfreude.
Gespannt schaute ich von einem zum anderen. Offenbar ging es hier um Bares. Aber am Samstagabend? Die Geschäfte hatten schon geschlossen. Was zum Teufel ging hier ab?
»Ja, Mann, die Pfosten machen alle mit. In ner Stunde geht’s los«, flüsterte Patatas mit einem schnellen Blick auf seine Swatch.
So langsam dämmerte mir, um was es ging. Ich zog den Ägypter beiseite, um mir meine Vermutung bestätigen zu lassen. Und wie ich es mir schon gedacht hatte, planten sie einen Einbruch. Jetzt erfuhr ich auch, wo und was es mit diesem Malibu auf sich hatte.
Die kleine, ziemlich noble Boutique lag in der Knochenhauerstraße in der Altstadt. Sie führte die geilsten Blue-System- und Chevignon-Sachen, und dazu noch Diesel Jeans und Sweatshirts. Zusätzlich führte der Laden eine große Auswahl an Vikings und anderen...
Erscheint lt. Verlag | 4.10.2016 |
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Zusatzinfo | Mit 9 Zeichnungen von Dido Walstra |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
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ISBN-10 | 3-492-97558-5 / 3492975585 |
ISBN-13 | 978-3-492-97558-2 / 9783492975582 |
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