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Polizeilicher Kommunitarismus - Thomas Scheffer, Christiane Howe, Eva Kiefer, Dörte Negnal, Yannik Porsché

Polizeilicher Kommunitarismus

Eine Praxisforschung urbaner Kriminalprävention
Buch | Softcover
283 Seiten
2017
Campus (Verlag)
978-3-593-50573-2 (ISBN)
CHF 57,35 inkl. MwSt
In urbanen Ballungsräumen treffen Bevölkerungsgruppen, Szenen und Milieus mit unterschiedlichen Praktiken und Wertvorstellungen aufeinander. Lokale Verhältnisse und Sicherheitslagen werden unübersichtlicher. Hier sieht sich die Polizei gefordert, mit Wissens-, Vertrauens- und Beziehungsarbeit Abhilfe zu schaffen. Neben ihrem Kerngeschäft, der Verfolgung von Straftaten und der Gefahrenabwehr, etabliert sie die Präventionsarbeit. Unterschiedliche Formen dieser spezifischen polizeilichen Arbeit werden in dem Band durch ethnografische Praxisforschung vorgestellt.
In urbanen Ballungsräumen treffen Bevölkerungsgruppen, Szenen und Milieus mit unterschiedlichen Praktiken und Wertvorstellungen aufeinander. Lokale Verhältnisse und Sicherheitslagen werden unübersichtlicher. Hier sieht sich die Polizei gefordert, mit Wissens-, Vertrauens- und Beziehungsarbeit Abhilfe zu schaffen. Neben ihrem Kerngeschäft, der Verfolgung von Straftaten und der Gefahrenabwehr, etabliert sie die Präventionsarbeit. Unterschiedliche Formen dieser spezifischen polizeilichen Arbeit werden in dem Band durch ethnografische Praxisforschung vorgestellt.

Thomas Scheffer ist Professor für Soziologie an der Universität Frankfurt am Main. Christiane Howe, Eva Kiefer, Dörte Negnal und Yannik Porsché sind dort wiss. Mitarbeiterinnen.

Inhalt

Thomas Scheffer
Einführung13
Prävention als vielgestaltige kommunitaristische Praxis13
Unsere Forschungsstrategie: die transsequenzielle Analytik17
Formen der Prävention20
Vor-Formen: Prävention ausstatten27
Zusammenschau der Formen30
Ein Überblick über die Praxisstudien33

I. Formen kriminalpräventiver Polizeiarbeit
Yannik Porsché und Dörte Negnal
Bildungsveranstaltung: Bürgererziehung in der Gewaltprävention37
Anti-Gewalt-Kurse als Erziehungssituation40
Die Form der Bildungsveranstaltung52

Yannik Porsché und Eva Kiefer
Projekt: Jugendlichen Verantwortung übertragen55
Zusammenarbeit zwischen Polizei und Jugendeinrichtungen
über das Jahr hinweg56
Sequenzielle Ausbildung eines Teams in der Projektzeit58
Unsichtbare Polizei am Tag der Großveranstaltung74

Christiane Howe
Sozialraum: Flanierende Polizeiarbeit im Quartier77
Das flanierende Runden-Drehen78
Die Weitergabe97

II. Vor-Formen kriminalpräventiver Polizeiarbeit

Eva Kiefer
Netzwerk oder Beziehungs- und Wissensarbeit in
migrantischen Milieus105
Die Polizeieinheit SODA - ihre Netzwerkarbeit und
deren Leistung107
Doing network transsequenziell112
Zur Funktion der Semantik "Netzwerk"121

Eva Kiefer
"Offenes Sammeln": Zu Funktionen des Sammelns von
Dokumenten in der polizeilichen Prävention125
Die "Hefter"129
Das Innenleben der Ordner131
Arbeiten mit den Ordnern133
Zwischenfazit135
Funktionen der Ordner137
"Offenes Sammeln" als Begriffsvorschlag142
Zurück in die Praxis: paperwork und fieldwork144

Yannik Porsché und Christiane Howe
Standardisieren und Standards147
Behördliche Übersetzungsanforderungen149
Standardkonzeption und Standardisierungsunterricht151
Standardisierte Fortbildungsarbeit in der Polizeibehörde159
Fazit zur Methode der Standardisierung164

Christiane Howe
Infrastruktur: Praktiken einer internen Lobbyarbeit167
Beispiele behördlicher Praktiken168
Ein Dazwischen177
Modi des Wissens180

"Der Band zeigt einen sehr interessanten und vielschichtigen Einblick in die präventiven Arbeitsstrategien der Polizeiarbeit im großstädtischen Kontext und sei allen anempfohlen, die ein Interesse an der Schnittstelle zwischen Polizei und Stadtgesellschaft haben." Jens Wurtzbacher, socialnet.de, 06.11.2017

»Der Band zeigt einen sehr interessanten und vielschichtigen Einblick in die präventiven Arbeitsstrategien der Polizeiarbeit im großstädtischen Kontext und sei allen anempfohlen, die ein Interesse an der Schnittstelle zwischen Polizei und Stadtgesellschaft haben.« Jens Wurtzbacher, socialnet.de, 06.11.2017

Einführung
Thomas Scheffer
Was macht die großstädtische Polizei, wenn sie Kriminalprävention betreibt? Nun, zunächst sehr viel, was so gar nicht nach Polizeiarbeit aussieht: Tee trinken, Quatschen, Schlendern, Theater spielen, Flugblätter verteilen, Fahrräder kodieren etc. Das vorliegende Buch versucht, die verwirrend vielfältigen ethnografischen Erfahrungen einer vierköpfigen Forschungsgruppe zu ordnen. Nicht entlang vorgefasster Definitionen oder entlang von Evaluationsschemata, sondern entlang der Arbeitsformen, die bei genauerer Analyse zutage treten. Genauer heißt: wir fragen jeweils, woran hier mit wem, wie und womit gearbeitet wird und in welchem Stand sich die bearbeitete Sache jeweils befindet. Derart sortieren wir die Unmengen der erhobenen Arbeitsepisoden, gruppieren und reihen sie, um die praktischen Orientierungen der Beforschten nachzuvollziehen. Diese Nachvollzüge bieten die Grundlage für unser Verständnis von Prävention: nicht die Projektschriften, Selbstauskünfte oder Regularien.
Prävention als vielgestaltige kommunitaristische Praxis
Unsere Analysen zeigen zunächst, dass polizeiliche Prävention sehr Unterschiedliches bezeichnet. Mal geht es um Kontakte ins Milieu, mal um ein Jugend-Projekt, mal um Anti-Gewalt-Schulungsreihen. Die Unterschiede betreffen Gestalt oder Form der präventiven Arbeiten: das Zusammenspiel aus Angelegenheit, Handlungsfeld, Bündnis und eingebrachten Ressourcen und Techniken. Unsere Analysen zeigen aber auch: die präventive Arbeit ist jenseits dieser unterschiedlichen Ausformungen gleich gerichtet. Dies erlaubt uns eine praktische Bestimmung urbaner, polizeilicher Prävention. Die Präventionsbeamt*innen arbeiten mit Anderen an geteilten Angelegenheiten im sozialen Bündnis. Durchgängig müht sich kriminalpräventive Prävention um eine Reduktion soziokultureller Distanz.
Angesichts von Vielgestaltigkeit und Gleichgerichtetheit der Kriminalprävention generieren unsere Praxisstudien eine Hypothese: die polizeiliche Prävention speist sich vor allem aus einer Bündnisorientierung; sie vollzieht sich entsprechend als eine Art angewandter Kommunitarismus. Präventionsbeamt*innen sind demnach in ihrer alltäglichen Arbeit vor Ort geneigt, sich - neben allerlei formalen und rechtlichen Verpflichtungen als Organisationsmitglieder bzw. dem Staat Dienende - als Kommunitaristen zu betätigen. Hiermit ist gemeint: eine Art und Weise der tatkräftigen Durchdringung des urbanen oder kommunalen Raums als Feld gemeinschaftlicher Problembearbeitung, das gängige Partikularinteressen, etablierte Arbeitsteilungen und formale Funktionsbestimmungen zurückdrängt. (vgl. Schnur 2003). Eine kollektive Problembearbeitung also, die zwischen und jenseits von Staat, Markt und Privatheit operiert. Dies impliziert, im Sinne des Kommunitarismus, dass den Präventionsbeamt*innen weder universelle Werte (alle Individuen müssen/sollen/können) noch ein Werterelativismus oder gar eine formalistische Indifferenz taugliche Orientierung bieten. Weder ein Verurteilen noch ein Hinnehmen genügt, um in den urbanen Gemengelagen Kapazitäten der Problembearbeitung zu schöpfen. Als Bündnispartner sind sie in ihrer jeweiligen Kapazität aufgerufen, sich gemeinsam dem ausgemachten public problem (Dewey 2012 [1946]) zu widmen.
Der angewandte Kommunitarismus präferiert lokale Aushandlungen, gemeinschaftliches Engagement und Sachorientierung. Er impliziert ein Maß an Entdifferenzierung zugunsten geteilter Probleme. Neben der etablierten Zuständigkeitsverteilung gewinnen Kontakte, Beziehungsnetzwerke und schließlich Bündnisse an Gewicht. Es erwachsen Arenen der Kollaboration, die sich nicht unter die Logiken der Interessenverfolgung, der Profitorientierung oder des Gewaltmonopols subsumieren lassen. Die Mobilisierung lokaler, sachbezogener Engagements schöpft - ganz im Sinne der kommunitaristischen Sozialtheorie - "soziales Kapital" (Putnam 1993, 1995) als Ressource der gemeinsamen Problembearbeitungskapazität. Damit

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo 6 Abbildungen in sw
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 142 x 213 mm
Gewicht 358 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Allgemeine Soziologie
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Ethnografie • Polizei • Prävention • Soziologie • Spezielle Soziologie
ISBN-10 3-593-50573-8 / 3593505738
ISBN-13 978-3-593-50573-2 / 9783593505732
Zustand Neuware
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