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Menschenrechte an den europäischen Außengrenzen

Das Ringen um Schutzstandards für Flüchtlinge
Buch | Softcover
236 Seiten
2016
Campus (Verlag)
978-3-593-50546-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Menschenrechte an den europäischen Außengrenzen - Britta Leisering
CHF 64,40 inkl. MwSt
Bis heute gelten Menschenrechte nicht immer und überall. Ob eine Person Rechtsansprüche stellen kann, hängt auch davon ab, wo sie sich befindet. Britta Leisering untersucht Grenzkontrollen in der internationalen Zone des Pariser Flughafens und auf Hoher See. Ihr Buch behandelt das Ringen von Menschenrechtsorganisationen um Rechtsschutz für Flüchtlinge. Mithilfe von internationalen Gerichten und Kontrollgremien setzen sie sich für die extraterritoriale Geltung der Menschenrechte ein. So entwickelt sich das internationale Schutzsystem weiter, während Regierungen immer weniger selbst entscheiden können, wo und wem sie Rechte garantieren.
Bis heute gelten Menschenrechte nicht immer und überall. Ob eine Person Rechtsansprüche stellen kann, hängt auch davon ab, wo sie sich befindet. Britta Leisering untersucht Grenzkontrollen in der internationalen Zone des Pariser Flughafens und auf Hoher See. Ihr Buch behandelt das Ringen von Menschenrechtsorganisationen um Rechtsschutz für Flüchtlinge. Mithilfe von internationalen Gerichten und Kontrollgremien setzen sie sich für die extraterritoriale Geltung der Menschenrechte ein. So entwickelt sich das internationale Schutzsystem weiter, während Regierungen immer weniger selbst entscheiden können, wo und wem sie Rechte garantieren.

Britta Leisering, Dr. phil., ist wiss. Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin.

Inhalt

Einführung 9

1.Jeder Mensch hat Rechte: Rechtsschutz für Ausländer im Staatsgebiet 17

1.1Judicial Activism: Gerichte und die Entwicklung von Schutzansprüchen 19

1.1.1Nationaler Grundrechtsschutz: National law for non-nationals 21

1.1.2Rechtsgarantien von europäischer Ebene: Non-national law for non-nationals 24

1.1.3Zitation supranationaler Rechtsprechung im Nationalen 31

1.1.4Zwischenfazit: Ebenen übergreifendes Zusammenwirken der Gerichte 33

1.2Rights Claims: NGOs als Katalysatoren sozialen Wandels 35

1.2.1Das Engagement des französischen GISTI für Gastarbeiter 36

1.2.2Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 38

1.3Fazit: Ausweitung des personalen Anwendungsbereichs der Grund- und Menschenrechte 40

2.Rechtsfreie Räume? Menschenrechte auf extraterritorialem Gebiet 43

2.1Territorialität des Rechts: Staatsgrenzen als rechtliche Geltungsgrenzen 44

2.1.1Die Bindung des modernen Rechts an den Staatsraum 44

2.1.2Die Geltungsweite der Menschenrechte 46

2.2Diskrepanzen: Entgrenzte Amtsgewalt, begrenzte Rechte 49

2.2.1Im fremden Staatsgebiet: Die USA und der Kampf gegen den Terrorismus 50

2.2.2Externalisierte Gebiete: Grenzkontrollen in Transitzonen und heimischen Küstengewässern 51

2.2.3Staatsfreie Räume: Abfangen von Bootsflüchtlingen auf Hoher See 55

2.3Fazit: Ausweichen staatlicher Schutzverpflichtungen auf extraterritorialem Gebiet 62

3.Menschenrechte in Transitzonen: Grenzkontrollen am Flughafen Paris-Charles de Gaulle 65

3.1Die Transitzone: Ein extraterritorialer Raum? 66

3.1.1Polizeikontrollen auf externalisiertem Gebiet 66

3.1.2Zivilgesellschaftlicher und gerichtlicher Druck 70

3.1.3Zwischenfazit: Reterritorialisierung des umstrittenen Grenzraums 76

3.2Die "Wartezone": Verrechtlichung der Verwaltungspraxis 77

3.2.1Der Rechtsrahmen: Alter Wein in neuen Schläuchen 78

3.2.2Sonderstatus von Wartezonen 85

3.3Grenzkontrollen versus Menschenrechtsschutz 90

3.3.1Organisationssoziologische Analyse der Polizeipraxis 90

3.3.2NGO und Polizei spielen "Katz-und-Maus" 93

3.3.3Zwischenfazit: Tauziehen mit rechtlichen Mitteln 109

3.4Fazit: Die Transitzone bleibt ein Sonderraum geringeren Rechtsschutzes 111

4.Menschenrechte auf Hoher See: Grenzkontrollen im Mittelmeer 115

4.1Prolog: Die extraterritoriale Menschenrechtsgeltung als neue völkerrechtliche Entwicklung 116

4.1.1(R-)Evolution: Fortentwicklung der Menschenrechte durch richterliche Rechtsinterpretation 117

4.1.2Jurisprudenz: Präzedenzurteile zur extraterritorialen Anwendung der Menschenrechte 119

4.1.3Agenten des Wandels: Transnationale Gemeinschaft von Rechtsexperten und NGOs 129

4.1.4Zwischenfazit: Am historischen Wendepunkt - Dekonstruktion einer ausschließlich territorialen Basis der Rechtsgeltung 132

4.2Ausgangslage: Unklarheiten im Umgang mit Migranten im zentralen Mittelmeer 133

4.2.1Seenotrettung: Streit um die Ausschiffung geretteter Migranten 134

4.2.2Grenzkontrollen: Regelungslücken bei Frontex-Einsätzen 145

4.3Entscheidungsprozesse auf Ebene der Europäischen Union: Leitlinien für Frontex-Einsätze 149

4.3.1Ausgangspunkt: Juristische Expertise der Europäischen Kommission 150

4.3.2Arbeitsgruppe aus Regierungsvertretern und Sachverständigen 153

4.3.3Das Komitologieverfahren: Beschlussfassung im Europäischen Rat und Parlament 162

4.3.4Reform der Frontex-Verordnung: Stärkung der Menschenrechte im Rechtsrahmen der Agentur 171

4.3.5Zwischenfazit: Anerkennung der extraterritorialen Menschenrechtsgeltung auf Hoher See 177

4.4Die italienische "push back policy": Zurückweisungen von Hoher See nach Libyen 179

4.4.1Italienisch-libysche Kooperation für Grenzkontrollen 179

4.4.2Hirsi v. Italy: Italien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 181

4.5Fazit: Entkopplung der Menschenrechtsgeltung vom Staatsraum 191

Schluss: Universalisierung der Menschenrechte durch staatsferne Rechtsprozesse 195

Abkürzungen 207

Dokumente 209

Literatur 221

"Leisering gelingt es in ihrer Studie, plastisch zu machen, was es bedeutet, wenn Menschenrechte 'aus Unrechtserfahrungen' entstehen; erst die Skandalisierung von Praxen unter Berufung auf das Recht gibt diesem Form, nur seine Mobilisierung kann es stabilisieren. Gleichzeitig ist ihre Arbeit eine Intervention in die aktuell auch in Deutschland erstarkenden Debatten um strategische Prozessführung, deren Risiken und Nebenwirkungen einmal mehr deutlich werden." Nora Markard, ZAR - Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 01.02.2018

»Leisering gelingt es in ihrer Studie, plastisch zu machen, was es bedeutet, wenn Menschenrechte ›aus Unrechtserfahrungen‹ entstehen; erst die Skandalisierung von Praxen unter Berufung auf das Recht gibt diesem Form, nur seine Mobilisierung kann es stabilisieren. Gleichzeitig ist ihre Arbeit eine Intervention in die aktuell auch in Deutschland erstarkenden Debatten um strategische Prozessführung, deren Risiken und Nebenwirkungen einmal mehr deutlich werden.« Nora Markard, ZAR - Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 01.02.2018

Einführung
Vielen von uns erscheint es selbstverständlich, dass die Menschenrechte für jeden Menschen und überall gelten. Doch dem ist wider Erwarten nicht so: Um irreguläre Einreisen zu verhindern, werden Einwanderungskontrollen in Europa heute oft außerhalb des eigenen Staatsgebietes durchgeführt. Dabei ist umstritten, welche Schutzstandards dort einzuhalten sind. Denn die Menschenrechte als Rechtsnormen in internationalen Verträgen gelten im Hoheitsbereich der Staaten ("within their jurisdiction") und dies wird traditionell als Geltung im eigenen Territorium interpretiert. Wie steht es daher um die Rechte von Flüchtlingen und Migranten, die an den europäischen Außengrenzen - auf Hoher See oder in Transitzonen - abgefangen und kontrolliert werden?
Dieser Frage geht das Buch nach, wenn es sich mit den rechtlichen Geltungsgrenzen der Menschenrechte befasst. Nicht wenige Regierungen sind derzeit davon überzeugt, dass sie jenseits ihres Staatsgebietes nicht zum Menschenrechtsschutz verpflichtet sind - davon zeugt nicht zuletzt der US-amerikanische Umgang mit Terrorismusverdächtigten in Guantánamo Bay. In Europa wird dieses Argument vor allem in der Migrationspolitik vorgebracht. Regierungen berufen sich auf diese Interpretation, um sich auf extraterritorialem Gebiet den politischen Umgang mit Ausländern zu erleichtern, deren dauerhaften Aufenthalt sie im Land nicht wünschen.
Das Buch analysiert dieses Phänomen und bringt es mit folgenden Überlegungen in Verbindung: Einerseits schlägt es eine Genealogie extraterritorialer Migrationskontrollen vor, indem es sie als eine Folge der Stärkung des Rechtsstatus von Ausländern innerhalb des Staatsgebietes beschreibt. Diese Entwicklung begann in den 1970er Jahren und hält bis heute an. Sie wird im Tandem durch zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs), die sich für die Rechte von Ausländern einsetzen, sowie durch hohe nationale Gerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erreicht. Dadurch verengen sich die staatlichen Handlungsspielräume maßgeblich und es fällt Regierungen zunehmend schwer, ausländische Personen auszuweisen oder ihre Rechte einzuschränken. Um Zuwanderung frühzeitig zu verhindern, verlagern sie daher Einreisekontrollen in extraterritoriale Gebiete; dort können sie der Wirkmacht der Menschenrechte ausweichen und unabhängiger von juristischer Kontrolle agieren. Das Buch zeigt andererseits auch, welche Gegenreaktionen auf diese Praktiken festzustellen sind: Dieselben Akteure, die sich für die Rechte von Ausländern im Staatsgebiet einsetzen, etablieren sich als Gegenspieler der restriktiven Einwanderungspolitik. Sie setzen sich für die extraterritoriale Geltung der Menschenrechte überall dort ein, wo politische Hoheitsgewalt ausgeübt wird - auch auf Hoher See. In der Analyse zeigt sich, wie internationale Gerichte und menschenrechtliche Kontrollgremien das Prinzip immer häufiger anwenden und diese neue Rechtsinterpretation durch rechtswissenschaftliche Experten und NGOs weitergetragen wird. Durch ihr Engagement wirken sie darauf hin, dass aktuell noch bestehende räumliche Geltungsgrenzen der Menschenrechte allmählich aufgehoben werden.
Das Buch zeichnet diese Entwicklungen in Westeuropa in den letzten 40 Jahren nach. Untersucht wird, wie um Schutzstandards für Flüchtlinge gerungen wird - zunächst um eine Ausweitung des Rechtsschutzes inner-halb des Staatsgebietes, dann für die Geltung der Menschenrechte auch auf extraterritorialem Gebiet. Ausgangspunkt dieser Entwicklungen ist die historische Kopplung der Menschenrechte an den Nationalstaat.

Zur Ausgangssituation: Die Kopplung der Menschenrechte an den Nationalstaat
Das Prinzip der Menschenrechte besteht darin, dass jedem Menschen überall auf der Welt Rechte zukommen. Doch als Rechtsnormen verankert, wurden sie derart stark auf die Nationalstaatlichkeit bezogen, dass sie in zweifacher Weise in ihrer Anwendung begrenzt wurden.
Erstens waren die Menschenrechte lang

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Studien zur Weltgesellschaft/World Society Studies ; 2
Zusatzinfo 6 Abbildungen
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 142 x 215 mm
Gewicht 300 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Europäische / Internationale Politik
Sozialwissenschaften Soziologie Allgemeine Soziologie
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Asylrecht (AsylR) • Flüchtlinge • Flüchtlingshilfe • Internationale Politik • Menschenrechte (MenschR) • Menschenrechtskonvention • Migration • Migrationssoziologie • Rechtsprechung • Rechtssoziologie • Soziologie
ISBN-10 3-593-50546-0 / 3593505460
ISBN-13 978-3-593-50546-6 / 9783593505466
Zustand Neuware
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