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Litigation-PR in Deutschland: Wenn die Öffentlichkeit Richter spielt - Simon Heinrich

Litigation-PR in Deutschland: Wenn die Öffentlichkeit Richter spielt

(Autor)

Buch | Softcover
80 Seiten
2015
Diplomica Verlag
978-3-95850-834-7 (ISBN)
CHF 55,95 inkl. MwSt
Der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel, die amerikanische Studentin Amanda Knox, der Wettermoderator Jörg Kachelmann oder der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann: sie alle haben mehr oder weniger ihrer breiten Bekanntheit in Deutschland Gerichtsverfahren zu verdanken. Ob der Vorwurf der Steuerhinterziehung, der Vergewaltigung oder des Mordes. Sie alle mussten mindestens zwei Urteile über sich ergehen lassen, eines durch das Gericht, das andere durch die Öffentlichkeit. Auch wenn ein Angeklagter in Deutschland so lange als unschuldig gilt, bis er von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde, zeigen diese Fälle, welche Macht die Medien in Deutschland gerade bei juristischen Auseinandersetzungen besitzen. Den durch die Medien vorverurteilten Moderatoren Jörg Kachelmann und Andreas Türck beispielsweise hat der spätere Freispruch vor Gericht zwar eine Freiheitsstrafe erspart, doch durch die Berichterstattung während der Prozesse, in der auch nach einem Freispruch immer wieder betont wurde, es handele sich nur um einen Freispruch zweiter Klasse , ist den Betroffenen eine berufliche Zukunft in ihrem alten Umfeld kaum mehr möglich. Der Ruf ist ruiniert, die öffentliche Existenz vernichtet. Der Beklagte sieht sich heutzutage häufig einer Umkehrung? der Unschuldsvermutung gegenüber: Er wird als schuldig dargestellt, bis der Beweis seiner Unschuld erbracht ist.

Textprobe: Kapitel 2.3, Litigation-PR in der Praxis: In einer Mediengesellschaft werden anonymen Unternehmen früher oder später natürliche Personen zugeordnet, meist die ihrer Vorstandsvorsitzenden bzw. CEOs. Bei juristischen Auseinandersetzungen ist dies allerdings auch dem deutschen Rechtssystem geschuldet, dass (außer bei gewissen OWiG-Verstößen) keine Anklage gegen die Unternehmen selbst, sondern nur gegen deren Verantwortlichen vorsieht. Die Reputation des Chefs wird somit gleichgesetzt mit der Reputation des Unternehmens (Heinrich, 2012; Kleiner, 2010). So wurde beispielsweise der Mannesmann-Prozess zu einem Ackermann-Prozess, obwohl auch weitere ehemalige Mannesmann-Manager angeklagt waren (Wilmes, 2006). Gerade Manager haben in der heutigen Gesellschaft einen schweren Stand. Ihre Aussagen, ihr Handeln und Verhalten und selbst ihr Privatleben kann unter genauester Beobachtung stehen. Ihre hohen Einkommen sind für viele Bürger ein Sinnbild für verkommene Moral und Ungerechtigkeit. Sie in einem Prozess hängen zu sehen, verursacht vielerorts mehr Schadenfreude als Mitleid. Ob die vorgeworfene Tat wirklich begangen wurde, ist oft nur Nebensache, sowohl für die Öffentlichkeit, als auch für die Presse. Gerichtet wird dann oft nicht mehr im Gerichtssaal, sondern im Court of Public Opinion , dem Gerichtshof der Öffentlichkeit (Haggerty, 2003). Es ist daher eine große Bedrohung für jeden Manager, aber auch für deren Unternehmen, wenn sie angeklagt werden und das mediale Interesse geweckt wird. Denn [e]rst wenn ein rechtlicher Konflikt das mediale Interesse weckt, kann dies zu einer (Unternehmens-)Image schädigenden publizistischen Krise führen (Heinrich, 2012, S. 28). Die kommunikative Begleitung durch Litigation-PR-Spezialisten soll den Klienten daher vor allem vor den irreparablen Reputationsschäden und seinen Folgen schützen, die durch falsche Darstellungen in den Medien hervorgerufen werden. Litigation-PR ist daher als ein Instrument zur Waffengleichheit zu verstehen, das gegen falsche Aussagen der Medien und Staatsanwaltschaften einen Ausgleich schaffen will. Dies ist der Ausgangspunkt, von dem aus das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit erhalten oder aufgebaut werden soll. Daher setzt Litigation-PR auch nicht erst beim Gerichtsprozess an, sondern schon deutlich früher im Vorfeld. (Reber, Gower, & Robinson, 2006). Ziel ist es vielmehr, den Verlauf eines Prozesses mit Hilfe von gezielter Öffentlichkeitsarbeit zu beeinflussen (Heinrich, 2012). Dies wird zumindest für den Fall gelten, dass es sich beim Klienten um den Angeklagten eines Strafprozesses bzw. den Beklagten eines Zivilprozesses handelt. Bei der Definition von Litigation-PR wird daher nicht von Prozessbegleitung gesprochen, sondern vielmehr von juristischen Auseinandersetzungen, die einem Prozess durchaus vorgelagert sein können. Da Skandalisierung nur dort bekämpft werden kann, wo sie stattfindet, nämlich in den Medien, kommt Litigation-PR die Aufgabe zu Teil, Angriffe auf die Reputation eines Angeschuldigten frühzeitig und mediengerecht zu dementieren (Eisenegger, 2012). Dass es bei der Litigation-PR vor allem um die Wahrnehmung des Klienten in der Öffentlichkeit geht, muss nicht nur mit dem direkten Konfliktgegner, sondern mit einer ganzen Reihe weiterer Interessengruppen kommuniziert werden. Bei einem Unternehmen können dies sowohl die Mitarbeiter, Anteilseigner und Kapitalgeber, wie Banken und Aktionäre, sein, als auch Kunden, Lieferanten und nicht zuletzt die Medien (Heinrich, 2012). Diese Gruppe kann sich unter gewissen Umständen um Personen aus Wirtschaft und Politik, Behörden, Verbänden und weiteren Gruppen erweitern (Lies, 2008, S. 192). Für die Rezipienten der Medien sind Gerichtsprozesse unterhaltsam und spannend, für die Betroffenen jedoch meist ein zu verkraftender Ausnahmezustand (Heinrich, 2012). Da selbst bei einem erfolgreichen Prozessausgang fast immer etwas negatives hängenbleibt, scheint eine rein juris

Erscheint lt. Verlag 7.1.2015
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 143 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Kommunikation / Medien Allgemeines / Lexika
Sozialwissenschaften Kommunikation / Medien Medienwissenschaft
Schlagworte Berichterstattung
ISBN-10 3-95850-834-0 / 3958508340
ISBN-13 978-3-95850-834-7 / 9783958508347
Zustand Neuware
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