Vertrackte Karrieren
Wirtschaft und Wissenschaft sind einem massiven Wandel unterworfen. In beiden Feldern sind die Akteure heute gefordert, ihre Arbeit als Berufung zu erleben, sie zum Teil ihrer Identität zu machen. Oft genug erweist sich diese Forderung jedoch als unvereinbar mit den herrschenden Arbeits- und Karrierebedingungen. Leitbilder und Strukturen passen nicht zusammen. In diesem Buch wird anschaulich und erstmals systematisch vergleichend herausgearbeitet, wie die Beschäftigten in den beiden Feldern auf die widersprüchlichen Karriereanforderungen in der gegenwärtigen Arbeitswelt reagieren und welche Ressourcen ihnen dabei helfen.
Christiane Funken ist Professorin für Kommunikations-und Mediensoziologie am Institut für Soziologie der TU Berlin. Sinje Hörlin, M.A., ist wiss. Mitarbeiterin und Jan-Christoph Rogge, M.A., wiss. Mitarbeiter im Projekt »Generation 35plus. Aufstieg oder Ausstieg? Hochqualifizierte und Führungskräfte in Wirtschaft und Wissenschaft«.
Inhalt
Vorwort 7
1Einleitung - Turbulente Zeiten 9
2Historische (Vor-)Bilder - Die Organisations- und Sozialideen von Humboldt, Taylor und Weber 15
2.1Der "homo oeconomicus" und die Wirtschaftsorganisation als rationales System 15
2.1.1Weber und Taylor als Klassiker der Organisationstheorie?15
2.1.2Bürokraten, Aufseher und 'Teamleader' ?18
2.2Der "philosophische Kopf" und die Humboldtsche Universitätsidee 28
2.2.1Entwicklung und Gehalt der Humboldtschen Universitätsidee?30
2.2.2Die Wissenschaft als Lebensform?35
2.2.3Der Mythos lebt?42
2.3Bilder von Organisationen und Menschen in Wissenschaft und Wirtschaft 46
2.3.1Menschenbilder?47
2.3.2Organisationsbilder?50
2.3.3'Traditionelle' Karrieren?53
3Arbeitswelten im Umbruch 55
3.1Wandel der Arbeitsbedingungen 55
3.1.1Wirtschaft und Wissenschaft in der Wissensgesellschaft?56
3.1.2Steuerung und Koordination der Arbeit: Vermarktlichung?61
3.1.3Organisation der Arbeit: Projektifizierung?75
3.1.4Fazit?80
3.2Wandel der Karrierebedingungen 81
3.2.1Die neue Rolle des Subjekts und seine Grenzen - Karrieren in der Wirtschaft?81
3.2.2Verstärkter Wettbewerb und zugespitzte Monodirektionalität - Karrieren in der Wissenschaft?90
3.3.3Feldübergreifendes Fazit?100
4Karrierestrategien von Hochqualifizierten und Führungskräften in Wirtschaft und Wissenschaft 103
4.1Karriere im Wirtschaftskonzern 104
4.1.1Neue Leitbilder?107
4.1.2Ausgangsfrage und Sample?111
4.1.3Karrieretypen?112
4.1.4Unterschiedliche Sichtweisen auf ein scheinbar gleiches Feld - die zentralen Befunde auf einen Blick?155
4.1.5Betonung von Leistung und fachlicher Qualifikation ?158
4.2Karriere in der Wissenschaft 160
4.2.1Wissenschaftliche Karrieren in Deutschland?160
4.2.2Ausgangsfrage und Sample?165
4.2.3Der Wandel der Arbeits- und Karrierebedingungen aus der Sicht der befragten NachwuchswissenschaftlerInnen?167
4.2.4Die Einschätzung des individuellen Karriereerfolgs in der Wissenschaft?174
4.2.5Konfligierende politische Ziele und Programme?201
4.2.6Wissenschaft als Karrierejob?205
5Schluss 215
Anhang - Methodisches Vorgehen 229
Literatur 231
1Einleitung - Turbulente Zeiten
Gegenwartsdiagnosen, zumal soziologische, können sich heute zumindest auf eines einigen: Wir leben in turbulenten Zeiten. In der Rückschau werden die drei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Gesellschaften im Allgemeinen und in der deutschen im Besonderen oftmals als Hort der Stabilität und der ökonomischen Prosperität portraitiert. Spätestens seit den frühen 1990er Jahren scheint aber einiges durcheinandergeraten zu sein, alte Gewissheiten lösen sich auf und der Wandel nimmt Fahrt auf, ohne bis heute zum Stehen gekommen zu sein. In so gut wie allen Berichten über den gegenwärtig zu beobachtenden Wandel wird ein Gegensatz zwischen einem ruhigen, geordneten und manchmal sogar "glorreichen" (Bauman 2003: 25) Früher und einem unsicher und unübersichtlich gewordenen und werdenden Jetzt aufgespannt.
Eine vor allem in den 1980er und 1990er Jahren beliebte Art der Formulierung von Gegenwartsdiagnosen ist, den diagnostizierten (oder prognostizierten) Wandel als so grundlegend einzustufen, dass die ganze Gesellschaft oder das jeweilige Zeitalter ein neues Label verdient. Beispiele dafür sind die "Wissensgesellschaft" (zum Beispiel Stehr 1994), die "Netzwerkgesellschaft" (Castells 1996), die "Risikogesellschaft" (Beck 1986), die "Erlebnisgesellschaft" (Schulze 1993), die "Inszenierungsgesellschaft" (Willems 1998), die "Audit Society" (Power 1997) oder die "flüchtige Moderne" (Bauman 2003). Eine zweite Variante, den Wandel auf den Punkt zu bringen, ist die Formulierung von Prozessbegriffen. So ist etwa von einer "Subjektivierung von Arbeit", von "Vermarktlichung", "Prekarisierung", "De-Institutionalisierung" und "Beschleunigung" (Rosa 2005), von der "Ökonomisierung" zuvor nicht-wirtschaftlich organisierter Gesellschaftsbereiche oder gleich der ganzen Gesellschaft (vgl. Schimank/Volkmann 2008), aber auch von der "Verwissenschaftlichung der Gesellschaft" (Weingart 2001: 18) die Rede. Eine dritte Variante stellt die Leitbilder und Anrufungen, denen die Subjekte in der Spätmoderne ausgesetzt sind, ins Zentrum ihrer Analysen: Während Ulrich Bröckling (2007) vom "unternehmerischen Selbst" als dem kategorischen Imperativ der Gegenwart spricht, identifiziert Andreas Reckwitz (2012: 9 und 10) eine "Unvermeidlichkeit des Kreativen" und "eine Dopplung von Kreativitätswunsch und Kreativitätsimperativ, von subjektivem Begehren und sozialer Erwartung". Lässt man diese lange nicht erschöpfende Aufzählung von Gegenwartsdiagnosen Revue passieren und liest sie nicht als ein "entweder-oder", sondern als ein "sowohl-als-auch" (vgl. Volkmann/Schimank 2002: 8), dann wird schnell klar: Die Turbulenz resultiert nicht nur daraus, dass der Wandel Neues hervorbringt, sondern auch und vor allem aus der Vielgestaltigkeit des Neuen. Dabei kommt es zu mannigfaltigen und komplexen Überlagerungen, zu Widersprüchlichkeiten und Verwerfungen. 'Alte' Strukturen und Leitbilder prallen auf 'neue' Muster und verschiedene Teilprozesse des Wandels konfligieren miteinander.
Ausgehend von diesem Befund interessieren wir uns für den vielgestaltigen Wandel der Arbeitswelt und dessen Einfluss auf die Karrieren der Beschäftigten in Wirtschaft und Wissenschaft. Wir wollen versuchen herauszuarbeiten, welche Aspekte des Wandels für einzelne Typen von Beschäftigten im Vordergrund stehen, an welchen Leitbildern sie sich orientieren, ob und, wenn ja, welche Widersprüche sie dabei erleben, ob und wie sie diese zu bewältigen vermögen und welche Ressourcen ihnen dabei helfen. Unsere Leitfragen sind: Welche Karriereentwürfe und -strategien verfolgen die jungen Führungskräfte und Hochqualifizierten in Wissenschaft und Wirtschaft? Welche Erfahrungen haben sie auf ihrem bisherigen Weg gemacht? Wie wirken sich diese Erfahrungen auf ihre weitere (Karriere-)Planung aus? Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Und: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen den beiden Feldern beobachten?
Der Feldverg
Erscheint lt. Verlag | 9.2.2015 |
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Zusatzinfo | 3 Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Maße | 147 x 218 mm |
Gewicht | 427 g |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Mikrosoziologie | |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien | |
Schlagworte | Arbeitsplatz • Arbeitswelt • Berufsqualifierung • Führungskräfte • Karriere • Karrierebedinungen • Karrierewege • Laufbahn • Lebenslauf • Qualifizierung • Wirtschaft • Wissenschaft |
ISBN-10 | 3-593-50271-2 / 3593502712 |
ISBN-13 | 978-3-593-50271-7 / 9783593502717 |
Zustand | Neuware |
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