Perspektiven auf Arbeit und Geschlecht (eBook)
321 Seiten
Rainer Hampp Verlag
978-3-86618-582-1 (ISBN)
Der Band versammelt Beiträge renommierter Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler zum Wandel der Erwerbsarbeit und der Geschlechterverhältnisse aus der Perspektive der Arbeits- und Industriesoziologie sowie der Frauen- und Geschlechterforschung. Ziel ist die Verzahnung von aktuellen Forschungs- und Diskussionssträngen beider Disziplinen, um damit den augenblicklichen Entwicklungen in der Organisation von (Erwerbs-)Arbeit und Geschlechterverhältnissen näher zu kommen. Zentrale Themen sind der gesellschaftliche Wandel und dabei insbesondere der Strukturwandel von Erwerbsarbeit, Reflexionen zur Kategorie „Arbeit“ und zur Bedeutung von Arbeit als gesellschaftlicher Integrationsinstanz sowie betriebliche Veränderungsprozesse im Zuge der Vermarktlichung und Subjektivierung von Arbeit. Gemeinsamer „roter Faden“ ist die Thematisierung von Geschlecht als gesellschaftlicher Grunddimension, die Analyse von Konsequenzen des Wandels für Frauen (und Männer) und die Geschlechterverhältnisse sowie die Diskussion von arbeits- und geschlechterpolitischen Gestaltungsansätzen angesichts der sozialen Veränderungen. Der Band gliedert sich in die Themenblöcke: - Zeitdiagnose des „neuen Kapitalismus“, - Feministische Perspektiven neu erfinden, - Die Entwicklung von Arbeit und Geschlechterverhältnissen, - Suchbewegungen
Die HerausgeberInnen forschen, lehren und arbeiten auf dem Gebiet der Arbeits- und Geschlechtersoziologie. Sie sind oder waren MitarbeiterInnen am Lehrbereich „Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse“ am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.
Die HerausgeberInnen forschen, lehren und arbeiten auf dem Gebiet der Arbeits- und Geschlechtersoziologie. Sie sind oder waren MitarbeiterInnen am Lehrbereich ‘Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse’ am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.
Inhalt 6
Einleitung 8
Perspektiven auf Arbeit und Geschlecht – Eine Einleitung 10
1 Zum Verhältnis zwischen Arbeits- und Industriesoziologie und Frauen- und Geschlechterforschung 10
2 Neue Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten zwischen den Geschlechtern und innerhalb der Geschlechter 14
3 Die Beiträge des Sammelbandes 17
Literatur 25
Zeitdiagnose des „neuen Kapitalismus“ 30
Transformation. Nach dem Ende der „arbeiterlichen Gesellschaft“ das Ende der „Arbeitsgesellschaft“?* 32
1 Soziologische Suchbewegungen 33
2 Nach dem Ende der „arbeiterlichen Gesellschaft“ das Ende der „Arbeitsgesellschaft“? 35
3 Entkoppelt: Zukunft der Arbeit – Zukunft der Gesellschaft? 38
4 Kritische Reflexion fordistisch geprägter Begriffe – Herausforderungen für Soziologie und Geschlechterforschung 40
Literatur 44
Landnahme, sekundäre Ausbeutung und soziale Zeitregimes. Eine Ideenskizze 48
1 Kapitalismus und gesellschaftliche Zeitregimes – die Marxsche Interpretation 49
2 Kapitalistische Landnahme und Wandel von Zeitregimes 53
3 Finanzkapitalistische Landnahme und das Regime der diskontinuierlichen Zeit 60
4 Einige Schlussfolgerungen 66
Literatur 70
Feministische Perspektiven neu erfinden 74
What’s New? Der Wandel der Arbeitsgesellschaft geschlechter- und arbeitssoziologisch begriffen. 76
1 Problemaufriss: Der gesellschaftliche Wandel als soziologische Herausforderung 76
2 Gesellschaft im Umbau: Akzentuierende Perspektiven und unausgetragener Dissens 77
3 Griffige Formeln oder Zeitdiagnostik: Phänomene und Bewegungen im Konnex von Arbeit, Geschlecht und Ungleichheit 79
4 Gesellschaft als Relation: Soziologische Denktraditionen in der Geschlechterforschung und Zeitdiagnostik 86
Literatur 93
Geschlechtergerechtigkeit. Zum Zusammenhang zwischen Geschlechterforschung, Feminismus und Politik* 104
1 Aufbruch im Umbruch 105
2 Auf der Suche nach feministischer Geschlechterforschung 107
3 Geschlechtergerechtigkeit? 108
4 Ausblick 114
Literatur 115
Entwicklung von Arbeit und Geschlechterverhältnissen 118
Emanzipatorische Potenziale einer Zusammenführung von Arbeit und Politik 120
1 Arbeit und Politik im Spiegel sozialwissenschaftlicher Analysen 122
2 Bourdieus Konzeption des Politischen Feldes 125
3 Arbeit als politisches Feld 127
Literatur 132
Selbstgenderung und Genderarbeit. Zur Subjektivierung von Geschlecht in Zeiten entgrenzter Arbeit. 136
1 Entgrenzung und Subjektivierung 137
2 Die Subjektivierung von Geschlecht in entgrenzten Arbeitskontexten 140
3 Selbstgenderung und Natur – Kommentare 154
Literatur 159
Von Anerkennung und ihren „Tücken“ – Leistung und Liebe in Doppelkarrierepaaren* 166
1 Einleitung und Fragestellung 166
2 Liebe, Recht und Leistung – Anerkennungstheoretische Grundlagen 167
3 Anerkennung qua Liebe und Leistung im Wandel 169
4 Empirische Ergebnisse – Liebe und subjektivierte Arbeit in Doppelkarriere-Paaren 174
5 Anerkennungstheoretische Interpretation der Ergebnisse 183
Literatur 185
Suchbewegungen 190
Die Krise des Autonomiebegriffes und Ansätze zu seiner emanzipatorischen Reaktivierung* 192
1 Unterschiedliche Bedeutungen von Autonomie in der Arbeit 193
2 Zwei Dimensionen von Autonomie in der Arbeit 195
Handlungsautonomie Verhandlungsautonomie 195
3 Aneignung als subjektiver Anspruch nach Kontrolle in der Arbeit 199
4 Empirische Konzeptionalisierung von Aneignung in der Arbeit 204
5 Empirische Umsetzung und Befunde 207
6 Kontrollchancen und Handlungsressourcen als betriebliche Voraussetzungen für Autonomie in der Arbeit 213
7 Formale Rechte und individuelle Selbstkompetenz als Mittel gegen die Einschränkung von Autonomie in der Arbeit 214
8 Leitlinien für eine inhaltliche Weiterentwicklung des Autonomiebegriffs 217
Literatur 220
Zur Subjektivierung der Männlichkeit des „Berufspolitikers“ unter den Bedingungen der Mediendemokratie 228
1 Traditionslinien: Die soziale Konstruktion des männlichen „Berufspolitikers“ bei Max Weber 229
2 Öffnungstendenzen des politischen Feldes im 20. Jahrhundert 232
3 Mediendemokratie als Beschleuniger und Medium einer Modernisierung von Männlichkeit – Personalisierung und Privatisierung 236
4 Fazit: Der männliche Berufspolitiker als Medienprofi – Männlichkeit als symbolisches Kapital 240
Literatur 244
Eigensinn und Widerstand. Versuch einer konzeptionellen Annäherung im Kontext der Subjektivierungsdebatte 248
1 Eigensinn im (Subjektivierungs-)Diskurs 249
2 Quellen und Erscheinungsformen von Eigensinn 256
3 Eigensinn und Widerstand 258
4 Eigensinn empirisch – Versuche am Beispiel von Bildungsarbeit 261
5 Fazit 272
Literatur 273
Kreative als unternehmerisches Selbst? Subjektivierungspraxen zwischen Anpassung und Eigensinn 278
1 Problemaufriss 278
2 Kreativwirtschaft zwischen Arbeit und Markt 280
3 Die langen Wellen des Industrialismus: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten 281
4 Reproduktionsinteressen und Subjektivierung von Arbeit 283
5 Von der Subjektivierung von Arbeit zur Arbeit der Subjektivierung 290
Literatur 293
Der Wandel der Erwerbsarbeit praxeologisch in den Blick genommen 1 298
Subjektivierung als Möglichkeitsfeld 298
2 Praxeologische Perspektive 300
3 Der Wandel der Erwerbsarbeit: Erschöpfung des Fordismus 302
4 Subjektivierung und Prekarisierung: Herausforderungen wirtschaftlichen Handelns 304
5 Moderne Praxen im Umbruch: Methodische Lebensführung und die (Selbst-)Interpretationen der Soziologie 306
6 Kontingenz: Praxeologische Perspektiven auf „nicht intendierte Folgen“ 308
7 Schlussbemerkung – für eine eingreifende Praxis der Soziologie 312
Literatur 313
Autorinnen und Autoren 316
Von Anerkennung und ihren „Tücken“ – Leistung und Liebe in Doppelkarrierepaaren (S. 165-167)
Christine Wimbauer
1 Einleitung und Fragestellung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich aus einer subjektzentrierten und im Anschluss an Axel Honneth aus einer anerkennungstheoretischen Perspektive mit dem Verhältnis von (Erwerbs-)Arbeit und Familie / persönlichen Nahbeziehungen samt deren geschlechtsspezifischen Implikationen. Axel Honneth (1994, 2003) fasst die gesamte Gesellschaft als ‚institutionalisierte Anerkennungsordnung‘ und unterscheidet mit ‚Liebe‘, ‚Recht‘ und ‚sozialer Wertschätzung‘ bzw. ‚Leistung‘ innerhalb des Systems der gesellschaftlichen Arbeitsteilung drei Anerkennungsformen. Nach seinem identitätstheoretischen Stufenmodell führen erst alle drei Formen reziproker Anerkennung zusammen zur Ausbildung einer gelungenen Identität.
Das System der Erwerbsarbeit und die Familie / soziale Nahbeziehungen sind hiernach zwei zentrale gesellschaftliche Sphären, in denen intersubjektive Anerkennung aktualisiert wird. Ausgehend von der Referenzfolie des männlichen Familienernährermodells, das in der BRD seine weiteste Verbreitung von den 1950er bis zu den 1970er Jahren fand, lassen sich gegenwärtig jedoch in beiden Bereichen (teils umstrittene) Veränderungen beobachten: Hinsichtlich Erwerbstätigkeit die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen, eine behauptete ‚Subjektivierung‘ von Arbeit (Baethge 1991; Kleemann et al. 2002) und eine Entgrenzung von ‚Arbeit‘ und ‚Leben‘ (Gottschall/Voß 2003; Kratzer 2003; Voß/ Pongratz 1998); mit Blick auf das familiale Zusammenleben ein (zumindest normativ) sich abzeichnender Wandel hin zu egalitären Beziehungen zweier gleichberechtigter Partner (Giddens 1992; Leupold 1983).
Angesichts dieser Veränderungen der Erscheinungsformen von Familie und Erwerbsarbeit gehen neuere Überlegungen von einer Entgrenzung und Egalisierung gesellschaftlicher Anerkennungsformen und -sphären aus (etwa Holtgrewe et al. 2000; Holtgrewe 2002; Voswinkel 2001), während andere eine Kolonialisierung der Lebenswelt (Habermas 1981), eine Ökonomisierung der Gefühle (Illouz 2007) oder gar eine Umkehr der Logiken von Arbeit und Familie (Hochschild 2002) konstatieren. Hintergrund für eine solche mögliche Umkehr der Logiken sind u.a. Phänomene einer ‚doppelten Subjektivierung‘ (Kleemann/Matuschek/Voß 2002) von Arbeit, nach der die Beschäftigten zunehmend ihre eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten in ihre Erwerbsarbeit einbringen wollen und umgekehrt Arbeitsorganisationen vermehrt auf subjektive Potentiale der Beschäftigten zugreifen.
Damit, so eine zentrale These, wird die idealtypische Anerkennungsform ‚Liebe‘ zunehmend auch in der Erwerbssphäre relevant. Diese Beobachtungen betreffen potentiell besonders heterosexuelle Doppelkarriere- Paare, in denen beide Partner eine eigenständige Berufslaufbahn verfolgen, eine hohe Berufsorientierung aufweisen und sich gemäß einem egalitären Idealbild als Gleiche gegenüberstehen (vgl. Solga/Wimbauer 2005). Gerade in diesen Paaren wird offen, wofür sich die Partner wechselseitig anerkennen, in welchem Verhältnis Liebe und Leistung in der Erwerbsarbeit stehen und welche geschlechtsspezifischen Ungleichheiten sich finden lassen.
Nachfolgend werden in Abschnitt 2 kurz anerkennungstheoretische Grundlagen skizziert, in Abschnitt 3 gesellschaftliche Veränderungen in den Bereichen Paarbeziehungen und Erwerbsarbeit thematisiert und schließlich die Frage des Beitrages dargelegt: Wie lässt sich das Verhältnis von Anerkennung qua Liebe und Erwerbsarbeit/Leistung angesichts dieser Veränderungen empirisch beschreiben und anerkennungstheoretisch erfassen? Hierzu werden im vierten Teil empirische Ergebnisse einer Untersuchung von Doppelkarriere-Paaren vorgestellt.
Zum einen wird deutlich, dass selbst in diesen egalitären Paaren geschlechtsspezifisch ungleiche Anerkennungschancen bestehen. Zum anderen werden drei ‚Tücken‘ der Anerkennung herausgearbeitet: Die generelle Risikostruktur von Anerkennung, (geschlechterdifferente) strukturelle und intersubjektive Barrieren oder Hürden für Anerkennung und schließlich eine ‚immanente Falle‘ der Anerkennung qua subjektivierter Arbeit. Im letzten Abschnitt wird ein theoretisches Fazit gezogen.
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2010 |
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Reihe/Serie | Arbeit und Leben im Umbruch |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Arbeits- und Organisationspsychologie |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien | |
Schlagworte | Aneignung • Arbeitsbegriff • Arbeitsforschung • Autonomie • Eigensinn • Frauen- und Geschlechterforschung • Geschlechtergerechtigkeit • Landnahme • Prekarisierung • Subjektivierung |
ISBN-10 | 3-86618-582-0 / 3866185820 |
ISBN-13 | 978-3-86618-582-1 / 9783866185821 |
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