Soziologie der Kompetenz (eBook)
294 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91951-5 (ISBN)
Ein Grund dafür, dass 'Kompetenz' bislang kaum in den Fokus von Soziologen geraten ist, dürfte darin bestehen, dass der Begriff in der Regel ausschließlich personengebunden und häufig kognitiv reduziert angewandt wird, während er in der Soziologie zumeist lediglich metaphorisch verwendet und mitunter gar gesamt- und teilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen zugeschrieben wird.
Der Band versammelt theoretische und empirische Herangehensweisen an Kompetenz aus soziologischer Sicht. Die Beiträge klären dabei auch die Frage nach dem Sinn und Nutzen des Kompetenzbegriffs als soziologische Kategorie, um dergestalt den Boden zu bereiten für eine dezidiert soziologische Kompetenzforschung.
Dr. Thomas Kurtz ist Privatdozent an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und vertritt derzeit eine Professur für Bildungsmanagement und Bildungsforschung an der Universität Paderborn.
Dr. Michaela Pfadenhauer ist Professorin für Soziologie an der Universität Karlsruhe/Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Dr. Thomas Kurtz ist Privatdozent an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld und vertritt derzeit eine Professur für Bildungsmanagement und Bildungsforschung an der Universität Paderborn.Dr. Michaela Pfadenhauer ist Professorin für Soziologie an der Universität Karlsruhe/Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Inhalt 6
Der Kompetenzbegriff in der Soziologie 8
1. Einleitung 8
2. Zuständigkeit in Staat und Organisation 9
3. Kommunikative Kompetenz 12
4. Wissen und Nichtwissen in der Wissensgesellschaft 14
5. Auf dem Wege zu einer Soziologie der Kompetenz 18
Die Beiträge im Einzelnen 20
Literatur 24
1 Zumutung 27
Kompetenz-Bildung: Programm und Zumutung individualisierter Bildungspraxis 28
Über Möglichkeiten einer erweiterten Bildungssoziologie 28
1. Eine Erweiterung bildungssoziologischer Perspektiven 28
2. Bildungsdebatten und Bildungssoziologie 32
3. Globalisierende Formierungen: Bildung, Wissensgesellschaft und der Kompetenz-Komplex 34
4. Bildung, Kompetenz, Lebensführung – zur individualisierten Bil-dungspraxis der Gegenwart 39
5. Vorläufiges Fazit 43
Literatur 44
Kompetente Subjekte: Kompetenz als Bildungs- und Regierungsdispositiv im Postfordismus 48
1. Kredentialismus: Politische Ökonomie der Qualifikation im Fordismus 49
2. Kompetenz und Postfordismus 51
3. Zur Genealogie der Verbindung von Personalverwaltung und thera-peutischer Beratung 54
4. Beratung und ihre Rolle in der Personalverwaltung 57
5. Veridiktion der Kompetenz: Die Messung der Kompetenzen und des Humankapitals 61
6. Kompetente Subjekte 63
Literatur 64
Kompetenz – Eine neue Rationalität sozialer Differenzierung? 67
1. Der Kompetenzdiskurs 68
2. Die sozialen Teilungspraktiken 71
3. Die Rationalitäten sozialer Differenzierung 74
4. Kompetenz als Ausdruck einer neuen Rationalität sozialer Differenzie-rung? – Ein Fazit 78
Literatur 80
Zivilisierungstheorie als Kompetenztheorie: Elias, Foucault und Goffman 83
1. Soziale (System-)Differenzierung, Verflechtung und Gewaltmonopoli-sierung 83
2. Zivilisierende Ungleichheiten: Konkurrenzen, Aufstiege und Distink-tionen 85
3. (Oberschicht-)Modelle, Modellierungen und Sickerprozesse 87
4. Institutionelle Zivilisierungen und Zivilisierungsgrenzen 90
Literatur 102
2 Implementation 103
Begriffskonjunkturen und der Wandel vom Qualifikations-zum Kompetenzjargon 104
1. Von der Qualifizierung zum Training von Kompetenzen – Zur Karriere eines Begriffes 104
2. Zum sozialwissenschaftlichen Kompetenzverständnis 106
3. Verschiebungen des Kompetenzbegriffs und Verlust des sozialen Kon-textes 110
4. Kritik des pädagogischen Kompetenzjargons 111
Literatur 114
Von Bildung zu Kompetenz 116
Semantische Verschiebungen in den Selbstbeschreibungen des Erziehungssystems 116
1. Bildung in der Selbstbeschreibung des Erziehungssystems 118
2. Kompetenz als symbiotisches Symbol des Erziehungssystems 121
3. Kompetenz in den Selbstbeschreibungen des Erziehungssystems 126
Literatur 129
„Schülerkompetenzen“ im Nadelöhr kollektiver Kompetenzen 132
Ein Versuch der Erneuerung des Governanceregimes der Schule 132
1. Kollektive Kompetenzen aus Sicht der Educational Governancefor-schung 133
2. Zur Erneuerung des Governanceregimes 135
3. Schluss 142
Literatur 143
3 Orientierung 144
Kompetenz als Qualität sozialen Handelns 145
1. Äquivokationen des Kompetenzbegriffs 146
2. Die Vielschichtigkeit von Kompetenz 153
3. Kompetenzdarstellung als Selbstvergewisserungspraxis 161
Ausblick 164
Literatur 165
Wissen, Handeln, Können 169
Über Kompetenzen, Expertise und epistemische Regime 169
1. Kompetenz und Expertise 170
2. Epistemische Regime 176
3. Die epistemischen Regime der Professionen – ein Ausblick 180
Literatur: 183
Kompetenz und kompetentes Handeln als Gestaltung der Biografie und des Lebenslaufs 186
Einleitung 186
1. Theoretische Vorbemerkungen 186
2. Kurze methodische Anmerkung zur Datenerhebung 190
3. Digitalisierung beruflicher Lebensläufe zu Berufsbiografien 192
4. „Strategien“ zur Bewältigung des Berufslebens – kompetentes Han-deln im Lebenslauf 197
Fazit 201
Literatur 203
Kompetente Organisation oder wie man das Leben von 007 rettet 204
1. Die Fähigkeit des Individuums: Fachkompetenz 207
2. Die Fähigkeit der sozialen Position: Amtskompetenz 214
3. Die Fähigkeit gemeinsamer Aktivität: Teamkompetenz 219
4. Kompetente Organisation 225
Literatur 227
4 Realisierung 229
Von der Kompetenz zur Performanz 230
Wissenssoziologische Aspekte der Kompetenz 230
Einleitung 230
1. Zur Etymologie und Semantik des Begriffs 231
2. Von der linguistischen Kompetenz über die Performanz zum kulturel-len Wissen 233
3. Kompetenz – wissenssoziologisch eingeordnet 239
4. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Kompetenz: Sonderwissen und Subjektivität 243
Literatur 246
Wann kommuniziert man kompetent? 249
1. Kommunikation ist mehr als Sprechen 249
2. Kompetenz als Regelbeherrschung 250
3. Was heißt hier Kommunikation? 253
4. Man kann nicht nicht kommunizieren 254
5. Vom intimen Blick zur peripheren Wahrnehmung 256
6. Kommunikatives Tun und kommunikatives Handeln 257
7. Die Disziplinierungen des Kommunizierens 259
8. Wann kommuniziert man kompetent? 262
Literatur 265
Ächtung des Selbstlobs und Probleme der Kompetenzdarstellung 267
1. Die Schwierigkeiten mit der Kompetenzdarstellung oder weswegen es häufig besser ist, auf Kompetenzdarstellungen zu verzichten 270
2. Der Nutzen von Professionen: Die Entlastung von der Notwendigkeit der individuell zurechenbaren Kompetenzdarstellung 275
3. Zum Zusammenhang von Kompetenz und Kompetenzdarstellung 280
Literatur 281
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 284
Brosziewski, Achim, Prof. Dr., geb. 1961, Bildungssoziologe an der Pädagogi-schen 284
Brüsemeister, Thomas, Prof. Dr., geb. 1962, Professor für Soziologie mit dem 284
Dewe, Bernd, Prof. Dr., geb. 1949, Professor für berufliche und betriebliche 284
Keller, Reiner, Prof. Dr., geb. 1962, Professor für Allgemeine 284
Klatetzki, Thomas, Prof. Dr., geb. 1956, Professor für Soziologie, insbesondere 284
Knoblauch, Hubert, Prof. Dr., geb. 1959, Professor für Allgemeine 284
Kühl, Stefan, Prof. Dr., geb., 1966, Professor für Organisationssoziologie an der 284
Kurtz, Thomas, PD Dr., geb. 1961, Privatdozent an der Fakultät für Soziologie 284
Pfadenhauer, Michaela, Prof. Dr., geb. 1968, Professorin für Soziologie (unter 284
Reichertz, Jo, Prof. Dr., geb. 1949, Professor für Kommunikationswissenschaft 284
Schützeichel, Rainer, Dr., geb. 1958, vertritt derzeit die Professur für 285
Traue, Boris, Dr., geb. 1973, Visiting Fellow am ‚Centre for the Study 285
Truschkat, Inga, Prof. Dr., geb. 1975, Juniorprofessorin für Sozial- und 285
Vonken, Matthias, Dr., geb. 1971, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der 285
Willems, Herbert, Prof. Dr., geb. 1956, Professor für Soziologie an der Justus- 285
Von der Kompetenz zur Performanz Wissenssoziologische Aspekte der Kompetenz (S. 238-239)
Hubert Knoblauch
Einleitung
Kompetenz kommt in Mode. Wie Huber (2002) in seiner vorzüglichen begriffsgeschichtlichen Übersicht erwähnt, sind von den 716 deutschsprachigen Buchtiteln zum Thema Kompetenz fast drei Viertel seit 1990 erschienen, mit einem beinahe exponentialen Wachstumsverlauf.1 Das Aufkommen dieses Begriffes ist für die Wissenssoziologie nicht unbedeutend. Handelt es sich hier um einen von ihr übersehenen Grundbegriff, den die Wissenssoziologie endlich rehabilitieren sollte? Handelt es sich um einen spezialsoziologischen Begriff, der im Zusammenhang des Fach- und Expertenwissens ein spezifisches Phänomen benennt?2 Oder hat er mit neuen gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun, die von der zunehmenden Verwendung dieses „heiß“ gewordenen Begriffes angezeigt wird? Wie die Fragen schon andeuten, möchte ich mich hier mit dem Begriff beschäftigen.
Es geht also nicht um eine empirische Bestimmung von Phänomenen, die mit dem Begriff der Kompetenz bezeichnet werden können. Vielmehr geht es mir um eine Klärung des Begriffes selbst. In der Folge Kossellecks (1972) und Luhmanns (1980)werden solche Begriffsklärungen häufig als „Semantik“ bezeichnet, obwohl diese Bezeichnung vielfach, wie auch hier, irreführend ist. Zunächst geht es ja nicht um eine Klärung der Extension oder Intension des Bedeutungsfeldes der „Kompetenz“; die erste wissenssoziologische Frage richtet sich nämlich auf das schiere Aufkommen dieses Begriffes, also seiner, wenn man so will, Verbreitung im sozialen Lexikon bzw. seiner Anerkennung als Thema bzw. Topos, mit dem in der Gesellschaft kommuniziert werden kann (vgl. ausführlicher dazu Knoblauch 2001).
Erst wenn ein Begriff eine solche Funktion erfüllt, macht es aus soziologischen Gründen Sinn, nach seiner „Semantik“ zu fragen. Aber auch die Frage nach der Semantik hat einen doppelten Boden; als wissenschaftliche Frage geht es um die Klärung eines Begriffes im Rahmen der wissenschaftlichen Kommunikation, häufig, wie auch in meinem Fall, mit einem historisierend-begriffgeschichtlichen Zug. Sofern der Begriff auch außerhalb der Wissenschaft Verwendung findet, geht es aber auch um eine Klärung dieser Verwendung, die notwendig empirische Züge annimmt (heute oft mit diskurstheoretischen Bezügen).
Auch wenn ich eine solche Empirie hier nicht bieten kann, möchte ich doch beides tun: Zum einen möchte ich einzelne semantische Aspekte des wissenschaftlichen Begriffes in einem Bereich der wissenschaftlichen Diskussion herausstellen, der bedeutend ist, aber häufig vernachlässigt wird; indem ich argumentiere, dass diese Aspekte wissenschaftlich keine neue Bedeutungen schaffen, möchte ich zum anderen auf die gesellschaftliche Bedeutung der Begriffe hinweisen. Mein Beitrag teilt sich deswegen in einen kurzen begriffsgeschichtlichen Teil, in dem ich die Begriffsentwicklung kurz skizzieren möchte. In einem wissenschaftstheoretischen bzw. -historischen zweiten Teil möchte ich mich vor allem auf die Neukonzeption des Begriffes in der jüngeren Linguistik konzentrieren.
Erscheint lt. Verlag | 16.11.2009 |
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Reihe/Serie | Wissen, Kommunikation und Gesellschaft | Wissen, Kommunikation und Gesellschaft |
Zusatzinfo | 294 S. |
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Erkenntnistheorie / Wissenschaftstheorie |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Arbeits- und Organisationspsychologie | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Schlagworte | Bildung • Institution • Kompetenz • Kompetenzbegriff • Profession • Sozialwissenschaft • Soziologie |
ISBN-10 | 3-531-91951-2 / 3531919512 |
ISBN-13 | 978-3-531-91951-5 / 9783531919515 |
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Größe: 2,2 MB
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