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Das Elend der Suchtprävention (eBook)

Analyse - Kritik - Alternative

(Autor)

eBook Download: PDF
2010 | 2. Aufl. 2010
471 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-92352-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Elend der Suchtprävention - Stephan Quensel
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Alle Ansätze einer schulbezogenen Sucht-Prävention, die heute nahezu ausschließlich aus einer sucht-therapeutischen Defizit-Perspektive heraus betrieben wird, sind gescheitert. Eine alternative, jugendsoziologisch begründbare Drogen-Erziehung zur Drogenmündigkeit stößt auf erhebliche Denkbarrieren. Das innere Funktionieren dieses Präventions-Dispositivs wie dessen gesellschaftliche Funktionen werden aus wissens- und professionssoziologischer Sicht untersucht, um Hinweise für eine Alternative geben.

Stephan Quensel ist pensionierter Professor am Institut für Drogenforschung (BISDRO) an der Universität Bremen.

Stephan Quensel ist pensionierter Professor am Institut für Drogenforschung (BISDRO) an der Universität Bremen.

Inhaltsverzeichnis 6
Vorwort zur zweiten Auflage 11
Literatur zum 2. Vorwort 23
Vorwort: Jugendhilfe oder Drogenarbeit? 26
Vorbemerkung zur Schwierigkeit eines kritischen Diskurses 33
These 1 Die gegenwärtigen Präventionsprogramme sind weitgehend gescheitert ihre Ziele sind unklar, ihre Evaluation versagt
These 1.1 Das Scheitern der Prävention 40
1. Horror, Information, Kompetenz 40
2. Drei Beispiele: > Lions Quest<
3. Probleme des > Kompetenz-<
4. Trotz zunehmender Prävention steigt der Drogenkonsum 53
5. Ist harm-reduction eine Alternative? 56
These 1.2 Das Scheitern der Evaluation 60
Das Scheitern der Prävention wird ergänzt durch das Scheitern ihrer Evaluation. 60
1. Das Problem der Follow-up-Zeiträume 62
2. Das Problem der Zwischenvariablen, insbesondere das ‚Wissen‘ 63
3. Der Blick auf den Erfolg übersieht die unerwünschten Folgen 65
4. Methodische Probleme 67
5. Das Interesse der evaluation-industry 70
These 1.3 Ein Beispiel: > Be Smart – Don’t Start<
1. Das Projekt und seine Ergebnisse 71
2. Die methodischen Probleme 73
3. Ein vorläufiges Fazit 77
These 1.4 Das Aufschieben des Konsum-Beginns als Ziel? 78
1. Die Gateway-These 80
2. Legitimierende Begründungen 86
3. Theorie: von der > Transition proneness<
4. Die fünf wichtigsten Problempunkte 94
These 1.5 Vier abschließende Anmerkungen 96
1. Wie gewinnt man einen Überblick? 96
2. Wer forscht? 98
3. Was wäre zu übernehmen? 99
4. Produziert die Prävention das Übel? 100
These 2 Die Sucht-Prävention begreift Drogen, Drogenkonsum und Drogen-Konsument vom negativen Ende her. 102
1. „Heilen statt strafen“ und „Vorbeugen ist besser als Heilen“ 105
2. Zur historischen Wurzel dieses Denkens 107
3. Die medizinisch-strafrechtliche Perspektive 111
4. Diese Perspektive färbt selbst noch die alternativen Ansätze 112
5. Die Struktur der Defizit-Perspektive 114
These 2.1 Die Gefahren der Droge die Droge als Gefahr
1. Die ambivalente Doppelbedeutung der Droge 116
2. Die Negativ-Perspektive der legalen Drogen 118
3. Der Sucht-Charakter des Nikotins 121
4. Gibt es eine alternative Sichtweise? 122
5. Ein erstes Fazit 123
These 2.2 Rausch und Sucht: Modelle des Drogenkonsums? 125
1. Rausch und Sucht als Gegenbild des rationalen Handelns 126
2. Probleme und Risiken des Sucht-Konzepts 136
3. Sucht? Vier kritische Analysen 145
4. Das Sucht-Dispositiv 153
These 2.3 Der schlechte Konsument 160
1. Der ätiologische Blick 163
2. Der riskierte Jugendliche in der ‚Theorie‘ 171
3. Jugendliche als Opfer, Täter und Risiko-Faktor 177
4. Das Leitbild des > Risikos<
These 3 Die Sucht-Prävention gründet in und beteiligt sich an einem kulturellausgetragenen Konflikt zwischen den Generationen. 191
These 3.1 Was soll man hier unter > Kultur<
1. Zum Konzept der > Kultur<
2. Was heißt > Jugendkultur<
3. Kultur und Droge 202
4. Kultur und Drogen-Diskurs: Theorien 205
These 3.2 Die Suchtprävention im Generationen-Konflikt 207
1. Im Drogen-Dispositiv verankert 209
2. Drogen-Politik als Kampfmittel 211
3. Macht, Interessen, Normalisierung 213
4. Zum > irrationalen<
These 4 Die Sucht-Prävention kann die Realität der Peergruppe nicht adäquaterfassen. 221
1. Die Peergruppe 223
2. Wie finden wir Risiko-Gruppen 233
3. „Unsere Jugend heute“: Befunde der Jugendsoziologie 242
4. Drei unerwünschte Konsequenzen 249
5. Ein anderes Fazit 257
These 5 Die Suchtprävention gefährdet die jugendliche Identitäts-Arbeit zwischenAblösung und Peergruppen-Beziehung. 259
1. Das ‚dynamische Dreieck‘: Ablösung und Peergruppen-Beziehungen 262
2. Was heißt > Identität<
3. Die identitätsstiftende Rolle der Droge 277
4. Identität heute 285
5. Die Rolle der Sucht-Prävention 289
6. Die Denkblockade der Wissenschaft 293
These 6 Die Sucht-Prävention verdeckt die realen Probleme, die an sich Aufgabeeiner strukturellen Prävention sein müssten. 296
1. Drogen-Probleme: Entwicklung und kulturell vorgeformte Karriere 298
2. Wenn die soziokulturellen und ökonomischen Ressourcen fehlen 304
3. Ansatzpunkte für eine strukturelle Prävention 306
4. AIDS-Hilfe und Empowerment-Ansatz liefern ein Modell 312
These 7 Drogen-Erziehung setzt Vertrauen zwischen den Beteiligten voraus.Vertrauen erwächst aus richtiger Information. 317
1. Was heißt Vertrauen? 319
2. Dies gilt auch für die Sekundär-Prävention 322
3. Wie werden Drogen-Informationen vermittelt 324
4. Das Problem der ‚angemessenen Sprache‘ 328
5. Zur Rolle des Drogenwissens 330
6. Zur Aufklärung der Erwachsenen 332
These 8 Das Nah-Ziel einer Drogenerziehung besteht darin, die > Drogenmündigkeit<
1. Voraussetzungen einer Erziehung zur Drogenmündigkeit 335
2. Ansätze zu einer Erziehung zur Drogenmündigkeit 342
3. Drogenspezifische Information und Drogen-Regeln 347
4. Ehemalige und Peer-support 350
5. Harm-reduction oder Angst vor Abhängigkeit? 353
These 9 Als Fernziel fördert Drogenerziehung gegenseitiges Verständnis,Toleranz und Solidarität. 357
1. Die Perspektive des ‚Anderen‘, Toleranz und Solidarität 361
2. Den Umgang mit anderen kulturellen Bedeutungen lernen 364
3. Die Drogen-Erziehung löst das Problem der ‚einen Schul-Klasse‘ 365
These 10 Einzelheiten einer Drogenerziehung sind in der Schule von allen Beteiligtengemeinsam zu erarbeiten. 367
1. Das Umfeld der Schule als wichtigste Komponente 368
2. ‚System-wide change‘ Programme als Ansatzpunkt ? 372
3. Was wäre bei einer Umsetzung zu beachten? 375
4. Fünf wichtige drogenspezifische Inhalte einer Drogenerziehung 379
Nachwort Zum Funktionieren des Präventions-Dispositivs 382
1. Die Praxis 383
2. Die Wissenschaft 385
3. Das Dispositiv 388
4. Die Moral von der Geschicht’ 391
Literatur 396
Anmerkungen 425
These 1 426
These 1.1 426
These 1.2 429
These 1.3 431
These 1.4 433
These 1.5 433
These 2 434
These 2.1 435
These 2.2 438
These 2.3 440
These 3 443
These 4 445
These 5 448
These 6 449
These 7 451
Thesen 8, 9 452
These 10 454
Nachwort 456
Index: Namen und Personen 457

These 6 (S. 300-301)

Die Sucht-Prävention verdeckt die realen Probleme, die an sich Aufgabe einer strukturellen Prävention sein müssten.

„Wir sind im Begriff, eine ganze Generation um ihre Zukunft zu betrügen, dachte er. Junge Menschen, die eine Schule besuchen, in der die Lehrer auf verlorenem Posten stehen, mit zu großen Klassen und schrumpfenden Mitteln. Junge Menschen, die nie auch nur eine Chance bekommen, einer sinnvollen Arbeit nach zu gehen. Die nicht nur nicht gebraucht werden, sondern sich als direkt unwillkommen fühlen. In ihrem eigenem Land.“ (H. Mankell: Die Brandmauer. DTV 2003,451)

Es entspräche wohl einem neumodisch neoliberal-ökonomischen Denken, solche unzulänglichen und möglicherweise schädlichen Präventionsbemühungen völlig ein zustellen, den Nikotin-Konsum Jugendlicher in das Betäubungsmittelgesetz einzufü gen und die anderen als unverbesserlich ihrer Sucht zu überlassen.

Eben so, wie sei nerzeit das "nothing works" in perverser Koalition zwischen berechtigter Kritik und klammen Finanzministern das Ende unserer Resozialisierungs- Bemühungen bei Ge fangenen einleitete. Doch würde man damit kaum eines der ‚realen‘ Probleme lösen, auf die sich auch die Sucht-Prävention berufen kann. Wir geraten damit an eines der zentralen Probleme gegenwärtiger Sozialarbeit.

Auf der einen Seite muss sie solche ‚realen Probleme‘ als Existenz-Basis ihrer Arbeit be tonen, im Wissen darum, dass die damit verbundene Defizit-Orientierung stigmatisie rend schaden oder normierend kontrollieren kann. Und auf der anderen Seite wird sie zu deren Lösung angesichts der Schwierigkeiten ‚strukturell‘ orientierter Prävention stets doch wieder auf die leichter zugänglichen individuellen Risiko-Personen zurück greifen und damit eben deren Risiken weiter verfestigen. Auch in dieser sechsten These folge ich der zu Beginn der vorangegangenen These angesprochenen Frage, wie sich eine – hegemonial auftretende – kulturelle Definitions-Macht im dynamisch interaktiven Miteinander und Gegeneinander auswirken kann, welche ernsthaften Folgen also dieser Defizit-orientierte Deutungs-Horizont mit sich führt.

Ein Denk-Rahmen, der von einem allgemeineren Drogen-Dispositiv entwickelt wird, ein Dispositiv, in dem auch die "Sucht"-Prävention eingebettet ist, von dem her sie ihre Legitimation bezieht und das sie zunehmend an vorderster Front (bei Kindern und Jugendlichen) mit vorantreibt. Während ich in der vorangegangenen These aufzeigte, wie die Sucht-Prävention mit ihrem Defizit-Ansatz ihr kulturelles Schema – rahmengebend – in den Köpfen vor allem der Jugendlichen und ihrer unmittelbaren Umgebung verankern kann, werde ich jetzt dessen besser sichtbare Auswirkung auf die Ausbildung und Verfestigung sogenannter Sucht-Karrieren darlegen.

Erscheint lt. Verlag 18.5.2010
Zusatzinfo 471 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Klinische Psychologie
Geisteswissenschaften Psychologie Sucht / Drogen
Sozialwissenschaften Pädagogik
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte childhood studies • Drogen • Drogenkonsum • Drogenmündigkeit • Erziehung • Identität • Jugendhilfe • Konflikt • Prävention • Präventionsprogramm • Psychiatrie • Solidarität • Struktur • Suchtprävention • Trieb • Vertrauen
ISBN-10 3-531-92352-8 / 3531923528
ISBN-13 978-3-531-92352-9 / 9783531923529
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