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Die Legende vom Spin Doctor (eBook)

Regierungskommunikation unter Schröder und Blair

(Autor)

eBook Download: PDF
2008 | 2008
292 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91008-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Legende vom Spin Doctor - Stefan Marx
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Als Ende der 90er-Jahre Tony Blair und Gerhard Schröder an die Macht kamen, war viel die Rede von Neuer Mitte und Spin Doctoring - linke Politik in neuer Verpackung. Stefan Marx, selbst aktiver Beobachter des politischen Geschehens in Berlin und London, beleuchtet die Hinterbühnen der Regierungszentralen unter Tony Blair und Gerhard Schröder. Er vergleicht den Stil der Informationspolitik der beiden Regierungschefs. Der Autor sprach dafür mit 50 Spitzenakteuren aus Polit-PR und Journalismus. Seine Untersuchung zeigt: Der Hype um den angeblich allmächtigen Spin Doctor verdeckt das eigentliche Phänomen - die verzweifelte Suche der Regierenden nach Antworten auf das rasante Tempo der neuen 24-Stunden-Newsmedien.

Stefan Marx hat in München und Bonn studiert und ist freier Journalist und Politikberater in London.

Stefan Marx hat in München und Bonn studiert und ist freier Journalist und Politikberater in London.

Inhaltsverzeichnis 5
Verzeichnis der Tabellen 8
Verzeichnis der Abbildungen 10
Vorwort 11
1 Einleitung 13
1.1 Die Ziele der Arbeit 14
1.2 Der vorhandene Forschungsstand und die Quellen der Arbeit 17
1.3 Die Forschungsfragen für die Untersuchung 20
1.4 Der Aufbau der Arbeit 21
2 Regierungskommunikation – Theorien, Bedingungen, Traditionen 24
2.1 Zu den verwendeten Begriffen 24
2.2 Symbiose oder Dominanz – das Verhältnis von Politik und Medien 31
2.3 Die politischen Kommunikationskulturen in beiden Ländern 37
3 Das neue Umfeld für politische Kommunikation 53
3.1 Die Gesellschaft: postmodern und individualisiert 53
3.2 Die Medien: 24 Stunden Nachrichten 61
3.3 Die Wahlkämpfe: War Room, Excalibur und Kampa 72
4 Die Kommunikationsstile der Regierungen Blair und Schröder 79
4.1 Großbritannien: Tony Blairs spin machine 79
4.2 Deutschland: Medienkanzler mit Vermittlungsproblem 106
5 Untersuchungsdesign und Methoden 130
5.1 Die empirische Untersuchung 131
5.2 Planung und Ablauf der Experteninterviews 134
5.3 Zur Auswertung und Darstellung der Erkenntnisse 139
5.4 Gütekriterien zur qualitativen Forschung 142
6 Die Sicht der Experten – empirische Erkenntnisse 145
6.1 Das wahrgenommene Umfeld für politische Kommunikation 145
6.2 Hintergrund und Stellung der Politikvermittlungsexperten 167
6.3 Die Macht der PR-Akteure 180
6.4 Der Begriff Spin Doctor 187
6.5 Die Folgen professioneller PR – der „postmoderne Tanz“ 200
7 Bilanz – Spin ist tot, lang lebe Spin 213
7.1 Der Spin Doctor – ein Medien-Mythos 213
7.2 Koch oder Kellner? Zur Bedeutung der Darstellungspolitik 223
7.4 Regieren in der Mediengesellschaft 236
8 Zusammenfassung 246
Literaturverzeichnis 256
Abkürzungsverzeichnis 279
Anhang I 281

3 Das neue Umfeld für politische Kommunikation (S. 53-54)

"I know that tomorrow I have to fill a certain amount of space […] if the government is not gonna make stories, by its announcements or by helping me out on information that I’m interested in, then I’ll find something else to put in the paper. […] it’s to make sure that there is always a meal for this very hungry animal, the media, which wants to eat at all times." Leitender Journalist einer britischen Boulevardzeitung

Für jegliche PR-Arbeit sind die Entwicklungen in Gesellschaft und Medien zentrale Größen, an die sich die Akteure anpassen müssen. Der Autor dieser Arbeit sieht für Regierungskommunikation noch einen dritten wichtigen Bestimmungsfaktor: Wahlkämpfe lassen sich als die olympischen Spiele politischer Kommunikation beschreiben. In dieser Zeitspanne der Verdichtung und Zuspitzung des Wettbewerbs um die Macht werden Rekorde und Spitzenleistungen aufgestellt, an denen sich alle Mitspieler zukünftig orientieren müssen. Deswegen sind hier die Wahlkampagnen ab den 90er-Jahren als Orientierungsmarken der Regierungs-PR berücksichtigt.

3.1 Die Gesellschaft: postmodern und individualisiert

Unsere Zeit hat ihren eigenen kategorischen Imperativ, meint der Soziologe Gerhard Schulze. Kantianische Pflichtethik weiche dem neuen Leitspruch: „Erlebe dein Leben!" Im Zeitschriftenladen, vor dem Fernseher, beim Einkaufen und – so kann man wohl ergänzen – in der Wahlkabine müsse man sich danach richten, worauf man gerade Lust habe. Der Erlebniswert der Angebote überlagere ihren Gebrauchswert.

Das punktuelle event ersetzt traditionelle Bindungen: Kommt der Papst nach Deutschland, jubelt auch manch einer, der die Bibel nie in die Hand genommen hat. Liefern sich im Londoner Unterhaus Premierminister und Oppositionsführer das wöchentliche Rededuell, schalten einige ein, die noch nie wählen gegangen sind. All das lässt sich in die Modernisierungstheorie einflechten: Gesellschaftliche Großgruppen und Sozialgefüge differenzieren sich in komplexere Milieustrukturen aus.

Die Bindungskraft traditioneller Sinnproduzenten wie Parteien oder Kirchen schwächt sich ab. Der britische Soziologe Lord Anthony Giddens fasste das in dem Axiom zusammen, dass wir in posttraditionellen Gesellschaften gar keine Wahl haben, als zu wählen, wer wir sind und wie wir handeln wollen. Die postmoderne Gesellschaft zeigt sich in der Zunahme an Optionen für die individuelle Lebensführung und der Abnahme an Verbindlichkeiten. Das beschert politischen Akteuren Herausforderungen in der Entscheidungs- und Darstellungspolitik. Für unterschiedliche Lebenslagen müssen sie maßgeschneiderte Konzepte finden, anstatt wie früher jeweils homogenen Lebenslagen in den verschiedenen sozialen Klassen zu begegnen. Sie müssen sich auch mehr Gedanken darüber machen, wie sie mit den zerstreuten Zielgruppen kommunizieren.

Die ökonomische Globalisierung durchdringt zudem Lebensbereiche, die früher nationalstaatlich regelbar waren. Viele Probleme, z.B. Umweltfragen oder organisierte Kriminalität, sind auf der Ebene eines Staates nicht mehr sinnvoll lösbar. Währenddessen wachsen die Ansprüche der Bürger an die Regelungs- und Steuerungskompetenzen des Staates: Die Gesellschaft, deren Gruppen differenzierter und deren Biografien unsicherer werden, erwartet in vielen Lebensbereichen Hilfen und Steuerung von der Politik. Im Prozess der Modernisierung habe sich das Bedürfnis nach dem Staat, der alle Probleme löst und entschieden handelt, noch verstärkt, schreiben Walter/Dürr. Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig sieht die Politik vor bisher nicht gekannten Herausforderungen bei der Ausarbeitung und Durchsetzung von Ideen:

Erscheint lt. Verlag 31.8.2008
Zusatzinfo 292 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Kommunikation / Medien Kommunikationswissenschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Informationspolitik • Kommunikation • Newsmedien • Politische Kommunikation • Regierungskommunikation • Regierungs-PR • Spin Doctoring
ISBN-10 3-531-91008-6 / 3531910086
ISBN-13 978-3-531-91008-6 / 9783531910086
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