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Ein allzu schöner Gärtner (eBook)

Ein Gartenkrimi
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
144 Seiten
Schöffling & Co. (Verlag)
978-3-7317-6254-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein allzu schöner Gärtner -  Paula Almqvist
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Unterwegs durch die Normandie, den wunderbaren Mont St. Michel schon vor dem inneren Auge - was ko?nnte da we­niger gelegen kommen als eine Autopanne!? Eine defekte Benzinpumpe zwingt die Erza?hlerin und ihren Ehemann Robert, mehrere Tage in dem Provinznest Merville zu war­ten. Doch der Zwischenstopp wird zum Glu?cksfall. Eine ver­wilderte Idylle aus Lorbeer und Flieder kreuzt ihren Weg, dahinter das Meer und davor ein Schild: Haus zu verkaufen. Als sie den Zuschlag erha?lt, macht sich die Erza?hlerin voller Begeisterung an die Arbeit und richtet sich im Haus und dem wunderbaren Garten ein. Das beschauliche Leben ko?nnte beginnen - wa?re nicht plötzlich die gerade neu gewonnene Freundin verschwunden. Eine fesselnde Geschichte über schöne Gärten und rätselhafte Dorfbewohner.

Paula Almqvist lebt und ga?rtnert als freie Autorin in Hamburg und in der Normandie. Sie war Reporterin und Kolumnistin fu?r den Stern und schrieb fu?r Brigitte Woman eine Gartenkolumne. Daneben vero?ffentlichte sie zahlreiche Bu?cher, u.a. u?ber die Freuden einer Ga?rtnerin.

Paula Almqvist lebt und gärtnert als freie Autorin in Hamburg und in der Normandie. Sie war Reporterin und Kolumnistin für den Stern und schrieb für Brigitte Woman eine Gartenkolumne. Daneben veröffentlichte sie zahlreiche Bücher, u.a. über die Freuden einer Gärtnerin.

Jeder hier in Merville hat mich mit mehr oder weniger diskreter Neugier schon mal gefragt, was eine Deutsche, nicht mehr ganz jung, ausgerechnet in ihr Provinznest am Atlantik verschlagen hat. Wahrscheinlich wollten sie eine romantische Geschichte hören. Ich war oft versucht zu erzählen, dass sich meine Eltern auf dem Campingplatz von Merville kennengelernt hätten und ich hier gezeugt worden sei und jetzt nach meinen Wurzeln suchen wollte … Oder dass mein Erbonkel auf einer Busfahrt mit der Kriegsgräberfürsorge einst hier übernachtet und mir immer von Merville vorgeschwärmt hätte. Dann rückte ich aber doch mit der Wahrheit heraus.

Der Grund war eine banale Autopanne mit allerdings weitreichenden Folgen. Robert und ich zuckelten durch die Normandie auf dem Weg zum Mont-St.-Michel. Es hatte ursprünglich eine Versöhnungsreise bis hinunter nach Biarritz werden sollen. Aber als wir an einem Freitagabend das Dorf Merville erreichten, blieb unser uralter Mercedes-Kombi einfach bockig stehen. Motor mausetot.

Es gab damals in Merville noch das kleine abgewetzte Hôtel de la Mer, kein Stern, wo wir ein Zimmer bekamen, in dem es nach Hausschwamm roch, und ganz froh über die funzelige Beleuchtung waren, weil man nicht sehen konnte, was man lieber nicht so genau wissen wollte. Dafür ging uns beim Sonnenuntergang über dem Meer das Herz auf. »Wenn bei Merville die rote Sonne im Meer versinkt …«, sang ich so vergnügt wie falsch. Und Robert stimmte ein. Rudi Schuricke drehte sich sicher in seinem Grab herum.

Der Blick aus dem Fenster zur Straßenseite war ebenfalls erfreulich: Eine Garage mit Werkstatt! Wo wir am nächsten Morgen erfuhren, dass es trotz meiner Bitten und Schmeicheleien mindestens fünf Tage dauern würde, um eine neue Benzinpumpe zu kriegen. Der junge Schrauber mit den öligen Händen lobte mein gutes Französisch – dafür wurde ich im Laufe der Zeit immer wieder mal bestaunt –, für die meisten Leute hier sind Fremdsprachen ein Buch mit sieben Siegeln. Also erklärte ich, dass ich nach dem Abitur eine Ausbildung als Übersetzerin für französische Literatur gemacht hatte. Was mir daran obendrein gefiel, war die Aussicht, nicht in irgendeinem Büro, sondern im Homeoffice zu arbeiten, was damals natürlich nicht so hieß.

Es war Robert genauso klar wie mir, dass wir nicht fünf Tage in diesem versifften Hotel sitzen konnten und den lauwarmen Kaffee trinken, den die steinalte Hotelbesitzerin aus einer Aluminiumkanne ausschenkte. Sondern aus dem Zwangsaufenthalt ein bisschen Erlebnisurlaub machen mussten. Wir zogen Turnschuhe an und beschlossen, durch sämtliche Sträßchen und Gassen zu streifen, um Merville zu erkunden. Die Hauptstraße lief parallel zum Meer und hatte außer dem Hotel und der Werkstatt noch eine Bäckerei, eine Metzgerei, eine diplomierte Krankenschwester, ein winziges Postamt und natürlich ein Bistro zu bieten. Gegenüber, die kleine Bürgermeisterei, untergebracht in einer rosigen Stuckvilla der 30er Jahre. Eine Bronzebüste erinnerte an den Erbauer, einen Textilfabrikanten aus Nordfrankreich, der Meeresbäder geliebt hatte. Zu seiner Zeit konnte man hier noch schwimmen. Inzwischen hat sich die Strömung stark verändert, so dass sich der Sandstrand in ausgedehnte Salzwiesen verwandelt hat. Zur Freude der Bauern, die hier ihre Schafe grasen lassen, weil Salzwiesen-Lämmer fast den doppelten Preis bringen. Am Ende der Hauptstraße lag ein ziemlich verwaister kleiner Hafen, in dem ein paar Freizeit-Boote im Schlick dümpelten und auf die nächste Flut warteten. Nur ein Schaukasten mit einem verblichenen Schwarz-Weiß-Foto erinnerte an die alte Grandeur: Handelsschiffe, hochgetakelte Fregatten und Schoner, die nach England oder sogar bis Neufundland zur Kabeljau-Jagd gefahren waren, hatten hier einst gelegen. Am anderen Ende der Straße gab es eine kleine Seemannskirche mit vielen Votiv-Bildern, Generationen von Matrosen gewidmet, die »auf dem Meer geblieben« waren. Es roch schön katholisch nach Weihrauch, welken Blumen und Wachskerzen.

*

Den sanften Hügel hinauf führten mehrere gewundene Wege, an deren Rand Stockmalven zwei, drei Meter hoch wuchsen. Einige dieser Würfel-Häuser aus dem Katalog, die sich in ganz Europa gleichen, altrosa gestrichen oder graubeige, was in Frankreich gern »greige« genannt wird. Aber noch viel mehr schöne alte Häuser aus Kalksteinquadern mit umfriedeten Gärten, aus denen Rittersporn, Gladiolen und Sonnenbraut grüßten und die Kletterrosen über die Mauern auf die Straße hingen. Den Ursprung der grau-gesprenkelten Kalksteine entdeckten wir am Ortsrand: Mehrere verlassene Steinbrüche, mächtige Krater, von der Vegetation grün zugedeckt. In einem weidete sogar ein Pferd. Auf dem Rückweg gingen wir über die Höhenstraße, wo es anmutige schiefergedeckte Giebelhäuser, aber auch einige kleine Bauernhöfe gab, denn dahinter beginnt die offene Landschaft mit Mais- und Getreidefeldern und Weiden voller schwarz-weißer, rotbrauner, weißer Kühe. In diesem Teil der Normandie gibt es mehr Kühe als Einwohner hatte ich im Reiseführer gelesen.

»Lies das mal!«, rief Robert plötzlich. An der Gartenpforte eines Hauses mit geschlossenen Fensterläden, die schief in den Angeln hingen, klebte eine vergilbte Plastikhülle. Darin ein liniertes Blatt, mit wackliger Hand beschrieben: »Dieses Haus ist zu verkaufen. Der Schlüssel ist beim Nachbarn in No. 33. Sie müssen durch den Garten gehen.« Robert und ich sahen uns kurz an. Ich drückte die Klinke und schon umrundeten wir ein Dickicht aus Flieder und Lorbeer. Und blieben wie angewurzelt stehen. Vor uns zog sich ein verwildertes Grundstück sanft den Hügel hinab. Dahinter glitzerte das Meer. Gerahmt von der Dorfkirche und einem verwitterten Wehrturm. Mir schoss eine englische Lebensweisheit durch den Kopf: »Kauf kein Haus, kauf einen Blick.«

*

Und so geschah es. Der Nachbar in No. 33 öffnete aufs erste Klopfen. Ein hochgewachsener Mann mit schlohweißen Haaren und gütigem Gesicht. Er griff beim Anblick der Fremden zu einem angerosteten Schlüsselbund, als hätte er nur auf uns gewartet, und führte uns zur Haustür des verwunschenen Hauses, an dem sich der Wilde Wein schon zu den Dachrinnen emporgearbeitet hatte. Martin Lelaidier stellte sich als pensionierter Lehrer aus einem Pariser Vorort vor, der hier den kollektiven Lebenstraum vieler französischer Städter verwirklichte: Planter son choux – als Rentner auf dem Land seinen eigenen Kohl zu pflanzen.

Er berichtete, das Haus stünde schon seit Monaten zum Verkauf, die Sache sei schwierig. Nach dem Tod der letzten Bewohnerin, einer im Dorf sehr beliebten kinderlosen Witwe, musste zunächst einmal lange nach rechtmäßigen Erben gesucht werden. Gefunden wurden drei Schwestern mittleren Alters, die auf einem der vielen Dauer-Campingplätze in Südfrankreich lebten. Monsieur Lelaidier erbot sich, deren Telefonnummer zu suchen. Wir könnten ruhig schon mal durchs Haus gehen, da gebe es ohnehin nichts mehr zu stehlen. Sogar die Lampenschirme und den alten Ölofen hätten die Damen aus Südfrankreich mitgenommen.

*

Das Haus hatte eine große Wohnküche mit Linoleumboden und einen eiskalten Salon mit gewagten Tapeten und einem riesigen Kamin, in dem kalte Asche lag. Eine anmutige Treppe führte nach oben zu zwei Schlafzimmern und einer salle d’eau, worunter Franzosen ein Waschbecken plus Bidet verstehen. Das Klo mit handgesägter Brille befand sich in einem kleinen Anbau im Garten. Selbst das fand ich in meiner Euphorie romantisch. Vom Obergeschoss aus erreichte man über eine Leiter zwei riesige Dachböden, in denen noch Heu aus längst vergangener Ernte lagerte.

*

Der Nachbar kehrte mit der Telefonnummer zurück und äußerte vorsichtig, dass der Preis für das Haus mit über tausend Quadratmeter schlechten Bodens vermutlich moderat wäre. Die ziemlich mittellosen Camping-Damen hofften nun schon seit einem Jahr auf den Verkauf des Hauses. Hinzu käme, Verwandte vierten Grades müssten in Frankreich derart hohe Erbschaftssteuern zahlen, dass sie oftmals lieber billig verkauften, als dem ungeliebten Staat ein kleines Vermögen in den Rachen zu schmeißen. Robert hatte den Zettel mit der Telefonnummer schon in der Hand und spurtete zum Postamt für ein längeres Gespräch mit drei Erbinnen auf einem Campingplatz.

Als er mit vor Aufregung gerötetem Gesicht zurückkam, flüsterte er mir eine Summe ins Ohr. Ich konnte es kaum glauben. Es war der Preis einer besseren Kreuzfahrt. Nur zwei Wochen später waren wir beim Notar in der Kreisstadt. Die Damen aus Südfrankreich waren gar nicht erst erschienen und hatten mit ihrer Vollmacht noch ein Bonbon geschickt: Das Haus dürfe vom Käufer sofort bewohnt werden. Wir tauften es »Rocky-Docky« nach einem Schlager aus den 50er Jahren, den meine Großmutter gern trällerte: »Das alte Haus von Rocky-Docky hat vieles schon erlebt, kein Wunder, dass es zittert, kein Wunder, dass es bebt …« Ohne juristische Formalitäten abzuwarten, holten wir die Koffer aus dem Hotel und schliefen die erste Nacht mit zwei Autodecken im Heu. Beim Aufwachen sahen wir durch die Giebelfenster das glitzernde Meer und fern am Horizont verschwammen die Konturen der englischen Kanalinseln. Unserer etwas fragilen Ehe ging es besser als seit vielen Jahren.

*

Noch im Nachthemd musste ich jetzt den Garten inspizieren oder vielmehr das, was von ihm übrig geblieben war. Erfreulich ist die 50 Meter lange dichte Hecke, die unseren Schnäppchen-Kauf vom Nachbargrundstück zur Rechten abtrennt. Mir war schon in den ersten Tagen in Merville aufgefallen, dass die Grundstücke hier fast immer von Hecken statt von Gartenzäunen eingefasst waren. Hecken sind...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2024
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Sonstiges Geschenkbücher
Schlagworte Auswandern • Dorf • Frankreich • Garten • Meer • Mont St. Michel • Normandie • Urlaub
ISBN-10 3-7317-6254-4 / 3731762544
ISBN-13 978-3-7317-6254-6 / 9783731762546
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