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Geschichte der deutschen Sprache (eBook)

eBook Download: PDF | EPUB
2018 | 2. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-73310-9 (ISBN)
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Thorsten Roelcke geht es in diesem Buch um die geschichtliche Entwicklung der deutschen Sprache - und um die Frage, warum das Deutsche heute so ist, wie es eben ist. Dabei steht die Entwicklung des sprachlichen Systems im Deutschen selbst im Vordergrund und wird auf ihren sozialen und kulturellen Bedingungen hin betrachtet. Es werden die verschiedenen Ebenen der sprachlichen Entwicklung verfolgt, wie die von Laut und Schrift, Grammatik, Wortschatz oder Mundart und Standardsprache.

Thorsten Roelcke ist Leiter des Fachgebiets und des Studiengangs Deutsch als Fremd- und Fachsprache sowie Wissenschaftlicher Leiter der Zentraleinrichtung Moderne Sprachen (ZEMS) an der Technischen Universität Berlin.

1. Woher kommt die deutsche Sprache?


1.1 Indoeuropäisch


Woher kommt eigentlich das Deutsche: Von welcher Sprache stammt es ab und mit welchen Sprachen ist es verwandt? Auf diese Fragen eine befriedigende Antwort zu finden, war und ist für viele Germanisten eine große Herausforderung. Zum einen deshalb, weil mit ihrer Beantwortung unser Platz unter den Sprachen und Völkern dieser Erde überhaupt erst deutlich wird, und zum anderen auf Grund dessen, dass hierzu kaum sprachliche Zeugnisse vorliegen, auf die man zurückgreifen könnte. Und so wird die Vorgeschichte der deutschen Sprache in zweifachem Sinne zu einem spannenden Thema, dem man sich von wissenschaftlicher Seite mit viel kriminalistischem Spürsinn gewidmet hat.

Vergleicht man beispielsweise das deutsche Wort Vater mit bedeutungsgleichen Ausdrücken anderer moderner Sprachen in Europa, stellt man rasch gewisse Ähnlichkeiten fest – so etwa im Falle von englisch father oder italienisch padre. Aus solchen und zahlreichen weiteren Beispielen kann man dann schließen, dass all diese Sprachen ganz offensichtlich miteinander verwandt sind und eine gemeinsame Geschichte haben. Ein Blick in die Vergangenheit bestätigt dies für das genannte Beispiel sofort: So lauten bereits die entsprechenden Bezeichnungen im Lateinischen pater oder im Gotischen fadar. Doch solche Gemeinsamkeiten, wie sie durch die sog. Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft festgestellt werden, reichen noch weit über die neueren und älteren Sprachen Europas hinaus – etwa, wenn man (um bei dem Beispiel zu bleiben) innerhalb der altindischen Sprache dem Wort pitar begegnet. Diese und viele weitere Befunde lassen also deutlich werden, dass zwischen zahlreichen Sprachen Europas und Asiens eine Verbindung besteht. Man nennt sie daher auch die indogermanischen oder besser: indoeuropäischen Sprachen.

Ob es nun eine indoeuropäische Ursprache gab, aus der sich dann verschiedene Sprachfamilien und Einzelsprachen entwickelt haben, ist bis heute nicht restlos geklärt. Der Sprachwissenschaft ist es zwar durchaus gelungen, aus deren lautlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden so etwas wie einen ursprünglichen indoeuropäischen Sprachzustand zu rekonstruieren (was hier etwa zu dem Ausdruck päter führt): Doch liegt angesichts moderner Erkenntnisse über die frühe Menschheitsgeschichte die Vermutung nahe, dass diese Rekonstruktion kaum eine einzelne Sprache, sondern eher einen mehr oder weniger losen Bund verschiedener Sprachen oder Mundarten widerspiegelt, die sich auf Grund kultureller und wirtschaftlicher Kontakte ihrer Sprecher wechselseitig beeinflusst haben.

Der Lebensraum dieser Menschen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben, mögen Heide- und Savannengebiete im Südosten Europas gewesen sein: Auch dies lässt sich unter anderem anhand von sprachlichen Vergleichen vermuten. In der Folge unterschiedlicher Wanderungs- und Siedlungsbewegungen hat sich das Indoeuropäische dann von hier aus in den asiatischen wie in den europäischen Raum weiter verbreitet und dabei verschiedene Sprachfamilien ausgebildet. Der genaue Zeitpunkt dieser Verbreitung ist nur schwer auszumachen. Jedoch gibt es einige Indizien (wie zum Beispiel das Fehlen einer gemeinsamen Bezeichnung für Eisen), die darauf schließen lassen, dass die Trennung einzelner Sprachfamilien etwa auf das 3. Jahrtausend v. Chr. zurückgehen muss.

Zu den indoeuropäischen Sprachfamilien zählen in Asien das Indische (mit der alten Religionssprache Sanskrit und dem modernen Hindi), das Iranische (Neupersisch, Kurdisch und andere) und das Armenische. In Europa unterscheiden wir folgende Familien: Griechisch, Albanisch, Romanisch (unter anderem mit Latein, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Rumänisch), Keltisch (in Irland und Schottland), Baltisch (in Litauen und Lettland), Slawisch (Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch, Serbisch und Kroatisch, Bulgarisch und andere) und nicht zuletzt das Germanische (neben Deutsch mit den Einzelsprachen Englisch, Niederländisch, Norwegisch, Dänisch, Schwedisch und Isländisch). Daneben werden in Europa aber auch noch andere Sprachen gesprochen, die nicht indoeuropäischen Ursprungs sind, sondern zu anderen Sprachfamilien gehören; hierzu zählen das Türkische (das zu den Turksprachen zählt), das Finnische und das Ungarische (die zur finno-ugrischen Sprachfamilie gehören) sowie das Baskische (als einzige vorindoeuropäische Sprache in Westeuropa, die noch heute gebraucht wird).

1.2 Germanisch


Das Deutsche gehört also zur germanischen Sprachfamilie. Was aber zeichnet nun die germanischen gegenüber anderen indoeuropäischen Sprachen aus? Zunächst einmal ihre räumliche und zeitliche Einordnung: Etwa zwei Jahrtausende vor Christi Geburt beginnen sich germanische Stämme in einem Gebiet westlich der Ostsee niederzulassen und dabei eigene kulturelle wie auch sprachliche Traditionen zu entwickeln. Dass dies in Auseinandersetzung mit anderen Völkern (darunter auch mit den südlich hiervon siedelnden Kelten) geschieht, ist noch immer an dem Wortschatz der germanischen Sprachen zu erkennen, von dem etwa ein Drittel nicht in anderen indoeuropäischen Sprachen wiederzufinden ist; hierzu gehören vor allem Wörter aus den Bereichen Schifffahrt (zum Beispiel Kiel, Mast oder Ebbe), Gesellschaft (beispielsweise Adel oder Volk) oder auch Kriegswesen (unter anderen Krieg, Friede oder Schwert).

Darüber hinaus zeigen die germanischen Sprachen eine eigene lautliche Entwicklung, die erst um 500 v. Chr. als abgeschlossen gelten kann. Diese Lautentwicklung ist vor allem durch zwei Erscheinungen geprägt. Die erste besteht in dem sog. Akzentwandel, bei dem sich die Betonung innerhalb einzelner Wörter ändert: In den indoeuropäischen Sprachen kann die Betonung auf verschiedenen Silben liegen und bei der Wortbeugung (Flexion) wechseln; zum Beispiel im Lateinischen bei Germáni (Nominativ Plural) und Germanórum (Genitiv Plural). In den germanischen Sprachen wird dagegen nach Abschluss des Akzentwandels zumeist allein die Stammsilbe betont; so etwa im Deutschen bei Lób, lóben und verlóben. Die zweite Erscheinung wird als erste (oder: germanische) Lautverschiebung bezeichnet. Sie tritt als sog. Lautgesetz regelhaft auf und betrifft eine ganze Reihe an Mitlauten (Konsonanten). Dies ist anhand folgender Aufstellung, in der einige germanische und englische Wörter ihren indoeuropäischen Entsprechungen gegenübergestellt werden, leicht abzulesen (dabei sind die mit * gekennzeichneten Wörter rekonstruiert, die indoeuropäischen Laute bh, dh und gh werden jeweils gehaucht gesprochen):

Die grammatischen Besonderheiten, die die germanischen von den anderen indoeuropäischen Sprachen unterscheiden, sollen hier nur kurz erwähnt werden: Erstens die Vereinfachung der Beugung von Substantiven und Adjektiven (Deklination) von acht Fällen (Kasus) auf sechs und weniger. Zweitens die Vereinfachung der Verbbeugung (Konjugation), wobei zum einen Einzahl und Mehrzahl (Singular und Plural) erhalten bleiben und der Dual (der eine Zweiheit zum Ausdruck bringt) nach und nach verschwindet und zum anderen die Aussageweisen (Modi) von fünf auf drei (Indikativ, Konjunktiv und Imperativ) vermindert werden. Und drittens die Herausbildung der doppelten Beugung von Adjektiven, bei der Adjektive entweder stark oder (bei bestimmtem Artikel) schwach dekliniert werden.

Die ältesten sprachlichen Zeugnisse des Germanischen sind uns von den Römern überliefert. Diese Überlieferungen zeigen, dass die Sprache der Germanen um Christi Geburt mehr oder weniger einheitlich, also ohne größere regionale Abweichungen verwendet wurde. Eine Aufspaltung dieses sog. Gemeingermanischen in verschiedene Einzelsprachen erfolgt erst in den kommenden Jahrhunderten mit einer zunehmenden Verselbständigung einzelner germanischer Stämme im Rahmen der sog. Völkerwanderung. Die allgemein übliche Fünf-Gliederung dieser Stämme in Nordgermanen, Nordseegermanen, Weser-Rhein-Germanen, Elbgermanen und Oder-Weichsel-Germanen ist bis heute nicht unumstritten. Dies ist auch kaum verwunderlich: Sind deren Kultur und Sprachen doch nur bruchstückhaft und erst ab dem 8. Jahrhundert schriftlich überliefert – mit wenigen Ausnahmen, allen voran der gotischen Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, welche uns in einer Abschrift vorliegt, die um das Jahr 600 in Italien angefertigt wurde. Der Beginn des «Vater unser» lautet hier etwa (um nur ein kurzes Beispiel für germanische Sprache zu geben): Atta unsar, þu in himinam./weihnai namo þein. (der Buchstabe þ ist hier wie das englische th auszusprechen).

1.3 Deutsch


Viele dieser germanischen Sprachen und Mundarten sind im Laufe der Geschichte verloren gegangen. Diejenigen, die überlebt haben, lassen wieder ein genaueres Bild erscheinen: So unterscheiden wir heute die nordgermanischen Sprachen Schwedisch, Norwegisch,...

Erscheint lt. Verlag 30.8.2018
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Wörterbuch / Fremdsprachen
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Sprachwissenschaft
Schlagworte althochdeutsch • Deutsch • Entlehnung • Frühmittelalter • Frühneuhochdeutsch • Gegenwart • Grammatik • Historische Sprachwissenschaft • Hochdeutsch • Literatur • Mittelhochdeutsch • Neuhochdeutsch • Rechtschreibung • Sprache • Sprachgeschichte • Sprachwandel • Sprachwissenschaft • Standard • Wortbildung
ISBN-10 3-406-73310-7 / 3406733107
ISBN-13 978-3-406-73310-9 / 9783406733109
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