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Rettet die Naturvölker (eBook)

Kein Platz für »wilde« Menschen
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
286 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560952-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rettet die Naturvölker -  Peter Baumann,  Helmut Uhlig
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Verständnis und Engagement für die Schaffung von Naturreservaten wachsen in der Welt. Doch wie steht es um das Lebensrecht der letzten Naturvölker? Auf ihren zahlreichen Weltreisen sind die Autoren Peter Baumann und Helmut Uhlig in die enggewordenen Lebensräume dieser Menschen vorgedrungen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Peter Baumann, geb. 1939, ist ein bekannter deutscher Buchautor (u.a. «Terra X») und Filmemacher («Terra X», «Das Amazonas Dschungelbuch», «Die Sprache der Tiere», «Amerikas indianische Seele», «Auf den Spuren von Coopers Lederstrumpf», «Das letzte Geheimnis der Inka»). Er unternahm zahlreiche Expeditionen und Forschungsreisen.

Peter Baumann, geb. 1939, ist ein bekannter deutscher Buchautor (u.a. «Terra X») und Filmemacher («Terra X», «Das Amazonas Dschungelbuch», «Die Sprache der Tiere», «Amerikas indianische Seele», «Auf den Spuren von Coopers Lederstrumpf», «Das letzte Geheimnis der Inka»). Er unternahm zahlreiche Expeditionen und Forschungsreisen. Helmut Uhlig (1922–1997) studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft. Studienreisen führten ihn in alle Erdteile. Bei zahlreichen asiatischen und ozeanischen Stämmen führte er Feldforschung durch. Bekannt geworden ist er durch Buchveröffentlichungen zur Kulturgeschichte und Völkerkunde Asiens und der Südsee, u.a.: »Indonesien hat viele Gesichter«; »Auf den Spuren Buddhas«; »Menschen der Südsee«; »Die Sumerer«; »Am Thron der Götter«; »Das Bild des Buddha«; »Bali«.

Man schoß sie ab wie Schakale


Eine Hoffnung namens Heinz


In einer Art Schöpfungsgeschichte, die man sie gelehrt hat, müssen sich die Buschmänner noch kleiner machen, als sie sind: »Als Gott die Menschen schuf, da machte er erst den Weißen und dann den Schwarzen. Schließlich kratzte er die Reste zusammen und machte daraus den Buschmann. Deshalb sind wir auch so klein und haben mit den anderen so wenig gemeinsam.«

Die Überlebenschancen für die 55000 Buschmänner in Südwestafrika, Angola und Botswana stehen schlecht. Zwar denkt die Regierung von Botswana in Sachen Buschmann humaner als dies die Nachbarstaaten und weite Kreise der Bürgerschaft dieses im Jahre 1966 selbständig gewordenen Staates tun. Aber wer soll den 25000 Kleinwüchsigen – die von den schwarzen Herren als Polocholo (wilde Tiere) bezeichnet werden – Hilfe gewähren in einem Land von der Größe Frankreichs, das für 648000 Einwohner 39 praktische und zwei Zahnärzte für die medizinische Betreuung hat?[*] Die 394 Meilen Eisenbahn Botswanas gehören Rhodesien, die 60 Kilometer Teerstraßen enden fern der Kalahari, wo die Buschmänner dahinvegetieren. Nur ein Hospital in Ghanzi verkörpert dort Staatsfürsorge. Die Staatsgewalt geht bei einer einzigen Polizeistation in diesem Gebiet buchstäblich vom Volke aus. Buschmänner wissen, was das heißt.

Zwar konnte die katholische Kirche ihren Anteil an den Seelen im Lande binnen kurzem von 600 auf 17000 erhöhen, aber die Nächstenliebe greift nicht im gleichen Maß um sich: Hilfe wird einem Bruchteil Polocholo allenfalls von Außenseitern zuteil, zum Beispiel von Hans-Joachim Heinz. Der aus der Bundesrepublik Deutschland stammende Parasitologe sucht »seinen« Buschmännern die Sammler- und Wildbeuterbasis gegen eine höhere Wirtschaftsform auszutauschen. Wäre sein Projekt nicht durch nüchternen Pragmatismus gekennzeichnet, man möchte ihn einen modernen Don Quichotte nennen: Doch er hat Erfolg. Sein einziger Nachteil: Heinz wird langsam alt, sein Werk könnte zerfallen, bevor es vollendet ist.

Der Buschmannsfreund will die Menschen in der Kalahari unabhängiger vom Jagen und Sammeln machen. Zwar besteht die Hauptnahrung vieler Buschmänner noch immer aus verschiedenen Melonenarten, aus Beeren und Trüffeln, zum Jagdwild gehören noch immer Antilopen, Strauße und Giraffen. Mit Hilfe von Heinz haben sie jedoch Ziegen und Rinder angeschafft und sich im »Nebenbetrieb« auf die Kulturstufe der Hirten aufgeschwungen. Ganz behutsam ist das gegangen: »Die ersten zehn Jahre habe ich an ihrer Kultur nicht gerüttelt«, schreibt Heinz. Einige der Buschmänner nahm er als Helfer zu Expeditionen ins Okavan-go-Gebiet mit, wo sie die Lebensweise anderer Völker sahen: »In ihnen wuchs das Verlangen, gleiches zu tun: Da erst bot ich ihnen Hilfe an.«[*]

Von dem Entgelt, das er ihnen zahlte, und von dem Verkaufserlös der kunstfertig hergestellten Ketten aus Schalensplittern von Straußeneiern, der Pfeile und Bogen, für die es Abnehmer in Johannesburg und bei der »Botswana Handicraft Co., Ltd.« gibt, besorgte ihnen Heinz ein Dutzend Zuchtrinder, das Stück zu 300 DM.

Diese Entwicklung hat die Gruppe zwar unabhängiger vom Jagd- und Sammlerglück gemacht, jedoch abhängiger vom Wasser. Und Wasser ist in der Kalahari beinahe noch kostbarer, als es Wild und Wurzeln sind. Die benachbarten weißen Farmer aber wollen den Buschmännern und ihren 30 Rindern, 200 Ziegen und Eseln nicht die von der Regierung am Rindertreck unterhaltenen Wasserstellen zur Nutzung überlassen. Sie zahlen der Regierung eine Art »Tränkesteuer«. Die Buschmänner können das nicht.

Die Gruppe muß mit ihren Rindern also tiefer in die Steppe ziehen, wo die Regenzeit oft viele Jahre auf sich warten läßt. Hier nun beginnt der privaten Entwicklungshilfe zweiter Teil. Ein Bohrloch soll Wasser aus 60 Metern Tiefe heraufbringen und die neuen Rinderhalter unabhängig vom Regen machen. Um zu verdeutlichen, wie kostbar jeder Wassertropfen in dieser Region ist, erzählt Heinz das folgende Beispiel: »Mit einem besonderen Filtersystem haben die Buschmänner eine Methode entwickelt, sogar aus dem eigenen Urin eine trinkbare Flüssigkeit zu gewinnen.«

Rund 40000 Rand kostet das Bohrloch, das sind 20000 DM. Gut ein halbes hundert Vorträge vor Frauenvereinen in Südafrika, im Rundfunk und vor anderen Gremien brachten dem Buschmannsfreund knapp mehr als die Hälfte des benötigten Geldes. Seit kurzer Zeit stiftet der Oppenheimer-Trust jährlich 500 Rand.

Andere Pläne mit den Buschmännern (von der Regierung wohlwollend beobachtet, von den Farmern als Spinnerei abgetan, dennoch gelegentlich verschämt unterstützt) sollen die Wirtschaft der Gruppe später sanieren: Kunsthandwerk und Rinderwirtschaft sollen ausgebaut werden, Fässer für eine kleine Gerberei und Zäune für die Herden gehören zum Programm. All das aber sieht Heinz nur als Übergangsstadium zu einem ökonomisch gesicherten Zustand. Rinder ruinieren den Boden. Diese Erfahrung machte man hierzulande. Die Beispiele erfolgreicher Bewirtschaftung von Wildfarmen mit Antilopen lassen den Deutschen hoffen, daß auch hier eine Möglichkeit für seine Buschmänner kommt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Antilopen äsen sparsam, lassen den kargen Futterpflanzen eine Chance, sich zu erneuern und zu erholen. Das würzige Wildfleisch hat zudem einen guten Markt. Schließlich: Kaum ein Volk erreicht leichter die Domestizierung von Wildtieren als die Buschmänner. Sie sind eben jetzt auf der Kulturstufe, in der unsere Vorväter begannen, ihre Haustiere zu zähmen. Ihre Sensibilität im Umgang mit Wild haben die Buschmänner längst bewiesen.

Nun ist Heinz über sechzig Jahre alt, und aus eigener Kraft wird er die Tausende von Rand für einige Meilen Wildzäune nicht zusammenbringen. An medizinische Vorsorge gegen tödliche Zivilisationskrankheiten wagt man gar nicht zu denken.

Die Hilfe des Buschmannsfreundes wird auch nur einer Gruppe von 200 der vielleicht 2000 Wildbeuter in der Kalahari zuteil, denen seit einiger Zeit mehrere hundert Kilometer Quarantänezäune die natürlichen Hilfsquellen abschneiden. Botswana hat nämlich auf Geheiß der Südafrikanischen Union einen Korridor aus Doppelzäunen errichtet, um dadurch maul- und klauenverseuchtes Wild auf der Rinderstraße vom Schlachtvieh fernzuhalten. So nutzlos das Verfahren ist – der Parasitologe Heinz weist auf die Übertragung von Erregern durch Vögel hin –, auf der Länge des Rindertrails von Ghanzi nach Lobatsi strangulieren sich jährlich manchmal bis zu 20000 Wildtiere im Stacheldraht zu Tode, erreichen auf den uralten Pfaden nie mehr die Jagdgründe der Buschmänner in der Zentralkalahari. Die ausgedehnte Suche nach Kupfer und Diamanten im Norden der Kalahari, die Expansion der Farmbetriebe im Nordwesten, das Vordringen der Kümmerwirtschaft schwarzer Ackerbauer und Viehhalter im Osten und im Südwesten, die organisierte Touristenknallerei (Heia Safari!) bedeuten zusätzliche Gefahr, besorgen eines Tages die Verdrängung der Buschmänner und das Absterben ihrer letzten Existenzgrundlagen.

In dieser bedrängten Gesellschaft wird, Mann oder Frau, nicht Anführer einer Horde, wer die besten Fähigkeiten besitzt, sondern wer besonders bereitwillig ist, alles zu teilen. Im Gegensatz zum Fürsten abend- oder morgenländischer Prägung wird hier nur das sozialste Mitglied der Gesellschaft Chef. Der erste Weiße in der Geschichte ihrer Verfolgung und Unterdrückung durch Bantu und Buren, der ihr mit Hilfsbereitschaft begegnete, wurde von der Buschmannsgesellschaft mit Rang und Ehre der Führerschaft betraut.

Ins letzte Rückzugsgebiet der durch Jagd, Hungersnot und Pocken dezimierten Buschmänner gelangte der Sachse Heinz im Jahre 1958. In zwölf Jahren hat er ihr vollständiges Vertrauen gewonnen: Er beherrscht die schwierige »Klick«-Sprache, die aus vielen differenzierten Schnalzlauten besteht. Seit der anpassungsfähige Mann auch einen geheimen Aufnahmeritus durchgestanden hat, ist er Mitglied der Horde, teilt ihr Dasein und ihre Tabus. Mehr als jeder andere weiß Heinz, wie diesen kleinwüchsigen, hellbraunen, schlitzäugigen Menschen zu helfen ist. Die schwarzafrikanische Umwelt hat sich bisher kaum Mühe mit den »Fremdkörpern« gemacht, es sei denn die Mühe, sie zu jagen. Das gilt auch für die weißen Südafrikaner: »Sie sprechen«, wie Heinz sagt, »genauso ungern von ihrer frühen Geschichte gegenüber den Buschmännern wie die Amerikaner von den Indianern. Das ist ein schwarzes Kapitel.«

Ein schwarzes Kapitel, an dem jedoch ausnahmsweise nicht nur die Weißen schuld sind. Zwar dürfen wir auch hier ihrer dominierenden Rolle bei Vertreibung und Verfolgung sicher sein – da ist die verbürgte Geschichte einer Pioniersfrau, die sich in einem Restaurant von Cape Town rühmte, eigenhändig 120 Buschmänner umgebracht zu haben –, doch streiten die Experten darüber, ob die Buschmänner auch unter dem Druck von Bantu und Hottentotten von Südafrika und südwestafrikanischen Regionen in die unwirtliche Kalahari hineingedrängt wurden. Eine andere Version spricht von der Ausrottung aller Buschmänner rund um die Kalahari, nennt die Horden in der Steppe selbst ein Restvolk, das übriggeblieben sei. Buschmannsbezeichnungen weisen jedenfalls auf eine frühere Verbreitung weit außerhalb der Kalahari...

Erscheint lt. Verlag 15.4.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Amazonas • Bedrohung • Bericht • Botswana • Indianer • Indianerkrieg • Indigene • Kalahari • Kopfjäger • Kulturkonfrontation • Natur • Naturreservat • Naturschutz • Naturvölker • Neuguinea • Reservat • Schutz • Sitting Bull • Südsee • UN
ISBN-10 3-10-560952-0 / 3105609520
ISBN-13 978-3-10-560952-1 / 9783105609521
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