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Der andere Arzt (eBook)

Das Buch Paragranum

(Autor)

Gunhild Pörksen (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
110 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560892-0 (ISBN)

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Der andere Arzt -  Paracelsus
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Paracelsus (1493-1541) gehört zu den wirkungsvollsten Gestalten der Medizin. Sein Werk bildet den Markstein zwischen Mittelalter und Neuzeit, er ist ein Grenzgänger zwischen Magie und Wissenschaft. »Das Buch Paragranum« (entstanden um 1530) ist die Grundlegung einer neuen Heilkunst, die auf vier Säulen beruhen soll: Kenntnis der Natur - Astronomie - Alchemie - neues Ethos des Arztberufs. Der Mensch ist kein autonomes System, sondern Kind des Makrokosmos, seine Wiederholung im Kleinen. Man soll die Schöpfung lesen, nicht die Folianten der herkömmlichen Schulmedizin. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Paracelsus (1493-1541) gehört zu den wirkungsvollsten Gestalten der Medizin: als Merkstein zwischen Mittelalter und Neuzeit, als Grenzgänger zwischen Magie und Wissenschaft, als Begründer der Chemie (»Iatrochemie«) aus dem Geiste der Alchemie, als Naturarzt und Feind der gelehrigen »Spekulierärzte«.

Paracelsus (1493–1541) gehört zu den wirkungsvollsten Gestalten der Medizin: als Merkstein zwischen Mittelalter und Neuzeit, als Grenzgänger zwischen Magie und Wissenschaft, als Begründer der Chemie (»Iatrochemie«) aus dem Geiste der Alchemie, als Naturarzt und Feind der gelehrigen »Spekulierärzte«. Gunhild Pörksen, geb. 1943, lebt und arbeitet in Freiburg. Publizistisch tätig. Vielseitige Zeitschriften- und Buchveröffentlichungen zu Paracelsus, u. a. ›Vom eigenen Vermögen der Natur. Frühe Schriften zur Heilmittellehre‹ und ›Der andere Arzt. Das Buch Paragranum‹. Gunhild Pörksen, geb. 1943, lebt und arbeitet in Freiburg. Publizistisch tätig. Vielseitige Zeitschriften- und Buchveröffentlichungen zu Paracelsus, u. a. ›Vom eigenen Vermögen der Natur. Frühe Schriften zur Heilmittellehre‹ und ›Der andere Arzt. Das Buch Paragranum‹.

Der erste Traktat von der philosophia


Da in der philosophei der Grund der Arzneikunst liegt, so ist uns bei diesem allem zunächst zu wissen nötig, wie aus der philosophei der Grund genommen werden kann. Eh das aber berichtet wird, fordert es die Notwendigkeit, die falsche philosophei darzustellen, die mir da Widerstand leisten könnte. Denn nur diejenigen werden gegen mich sein, die aus der falschen philosophei geboren sind, aber sich selbst für die Gerechten halten – so ist es auch bisher gewesen, daß nur die lauren (Abhub, Trester) der philosophei, d.h. also Moos und Schaum, gegen mich aufgestanden sind. Aber das ist die fexische Art: sie machens wie der Schaum im Kochtopf. Der ist nichts als Dreck, schwimmt hoch, höher als das Gute, fliegt sogar am höchsten; aber er wird in die Asche und zum Dreck hinuntergeworfen, und die Suppe – das Gute – bleibt im Kochtopf. Auf die Art werden auch die falschen philosophi abgeschäumt und auf den Mist geworfen werden, und ich und meine philosophei werden bleiben. Und durch uns werden die Essenden satt, nicht vom Schaum, wie bisher. Denn es sind ja nur Schaum-Ärzte, die mit Hilfe von Prügeln in den Sautrog geworfen werden sollten.

Nun liegt die philosophei darin, daß die Art, die materia und Eigenschaft der Krankheiten mitsamt ihrem jeweiligen Wesen aus der philosophei heraus verstanden werden, nicht aus einer andern Kunst, sondern nur aus der philosophei. Und wenn von woanders als aus dieser philosophei der Grund hergenommen wird, dann ist das Betrug! Und soll auch Betrug genannt werden, denn der Kranke wird dabei betrogen; und das, was die Natur dem Kranken gibt, wird ihm durch so einen Arzt, der aus der falschen Arzneikunst geboren ist, entzogen. Denn die Natur ist diejenige, die dem Kranken Arznei gibt. Wenn sie ihm die aber gibt, so muß sie ihn auch erkennen und von ihm wissen; denn ohne Erkenntnis kann sie ihm nichts geben. Nun liegt die Erkenntnis nicht im Arzt, sondern in der Natur und darum in der Natur: sie kennt die Natur in sich selbst, der Arzt nicht. Wenn nur die Natur dies kennt, so muß sie auch diejenige sein, die das Rezept komponiert. Denn aus der Natur kommt die Krankheit, aus der Natur kommt die Arznei und nicht vom Arzt. Nachdem nun die Krankheit aus der Natur, und nicht vom Arzt und die Arznei aus der Natur und auch nicht vom Arzt kommt, so muß der Arzt derjenige sein, der aus diesen beiden lernt, und was sie ihn lehren, das muß er tun. Und lehren sie ihn nichts, so kann er nichts und weiß nichts; denn bei der Natur ist die Arznei und die Krankheit und ihr selbsteigener Arzt.

Da also der Arzt aus der Natur wachsen soll und muß, und in ihm und von ihm und aus ihm ist nichts, sondern alles aus und in der Natur, so ist es notwendig, daß er von der Natur geboren werde und nicht zu Leipzig oder zu Wien. Denn was man da lernt, das findet man in Deventer und Schwollen auch, oder am Deutschen Meer zu Überlingen. Die Natur lehrt den Arzt, nicht der Mensch. Nachdem nun aber in der Natur so viel liegt, ists nötig, abzuhandeln, wer die Natur sei. Das aber ist philosophei. Dazu ist es nötig zu wissen, was die philosophei ist, denn darüber besteht Streit zwischen mir und der Gegenseite. Was sie für philosophei halten, halte ich für ein Geschwür, d.h., sie sind wie ein Arzt, der seine Wissenschaft von einem Geschwür herleitet; das wächst außen am Leib und sieht dem Leib gleich, ist aber nicht das, dem es gleichsieht. Dann taugt der Arzt auch nichts. Ebenso sind die philosophi: sie wachsen aus einem Schwamm, der nur außen am Baum hängt und nichts taugt. So hängen sie äußerlich an der philosophei. Daß sie von meiner philosophei etwas halten, ist nicht gut möglich, denn der Roßdreck läßt sich nicht verachten. Deshalb wird meine philosophei nicht von ihnen angewendet, und von andren Narren auch nicht.

Es würde viel Worte brauchen, um durchsichtig und klar darzustellen, was hier bei diesem Streit notwendigerweise alles stehen müßte. Um aber in Kürze den springenden Punkt klarzumachen, behaupte ich folgendes: daß der Arzt zuallererst Himmel und Erde kennen soll in ihrer materia, species und essentia (»stoffliche« Beschaffenheit, Art und Wesen). Und wenn er darin unterrichtet ist, ist er dann erst einer, der in die Arzneikunst eintreten kann, denn erst nach dieser Erfahrung, dieser Wissenschaft und Kunst, fängt der Arzt an. Dementsprechend ist mein Ausgangspunkt und Grund, daß die Arzneikunst so beschaffen ist, daß aus dem äußeren Arzt der innere geboren werden muß, und wo der äußere nicht ist, da ist auch der innere nicht; und was der innere tut, treibt und lernt aus seinem Objekt, das ist nichtig. Die sich nur aufs Leibesinnere beziehende philosophei lehrt nichts als Erdichtungen. Z.B. sagt man: eine Krankheit sei cholerisch. Nun gibt es cholera gar nicht und ist auch nie von einem philosophus erkannt worden. Der Grund ist, dieser Begriff kommt nicht von der äußeren (d.i. makrokosmischen) philosophei her, sondern von der inneren, und die innere kann nichts lehren, als was sich der Mensch selber zurechtspekuliert. Aus dieser Art Spekulation hat cholera Namen und Ursprung. Die äußere philosophei erwächst nicht aus Spekulation, sondern sie wächst aus dem äußeren Menschen (Makrokosmus) und zeigt an und lehrt, was der innere ist. Wenn ein solcher Lehrmeister da ist, dann ist es nötig, die Spekulation hinter sich zu lassen und dem nachzufolgen, was sich nicht als aus der Spekulation kommend erzeigt, sondern aus der Deutung und Darlegung der Natur. Da liegt nämlich der Streit und der Krieg, daß meine Gegenpartei spekuliert und ich aus der Natur lehre. Aber Spekulieren ist Fantasieren, und Fantasieren macht einen zum Fantasten. Aber fantasia ist auf keinerlei Grund gebaut, sondern einem jeden frei und willkürlich anheimgestellt; da kann sich einer selbst genug zusammenfantasieren, was er alles will, und wie er alles will, und ist dabei im Endeffekt nicht anders als jemand, der wünscht und nichts davon hat, was er wünscht. So ists auch bei denen, die spekulieren und fantasieren, und nichts davon existiert, wovon sie spekulieren und fantasieren. Auf so einem Grund steht ihre Arzneikunst. Hier im folgenden schau meinen und ihren Grund an.

Wenn Spekulation gut und nützlich wäre, dann wäre das Wünschen auch nützlich; daraus könnte ein guter Handel gegen mich werden. Aber da wird nichts gegen mich verhandelt, was Bestand hätte. Denn der Grund, den ich lege, ist nicht speculatio, ist vielmehr inventio (Findekunst, Wiederfinden), nicht speculatio, sondern naturae proprietas (Eigentümlichkeit der Natur). Und dann erkennt ihr die philosophei als auf den äußeren archeus (Lebensgeist; Künstler der Natur oder verborgene Kraft und Tugend der Natur) gegründet. Ihr sollt nicht sagen: das ist cholerisch, das melancholisch, sondern das ist arsenicus (Arsen), das ist aluminosisch (alaunartig). Wenn ihr sagt: das ist jovisch, das ist saturnisch, dann werde ich nicht mit euch streiten. Sagt ihr: das ist acorina aegritudo (wahrscheinlich von acorus calamus – eine schwertlilienähnliche Pflanze; »Kalmus-Krankheit«), und diese Krankheit ist anthera (wahrscheinlich von anthericum liliago, Graslilie), dann würde ich sagen: ihr seid gelehrte Doktoren, und sage die Wahrheit damit. Denn das geht aus der philosophei hervor. Auch wenn ihr sagt: diese Krankheit ist pulegium (mentha pulegium, eine Minzenart), diese ist melissa (Melisse), dann sehe ich, daß ihr etwas von diesen Krankheiten versteht. Sagt ihr aber: das ist cholera, das ist phlegma, dann weiß ich, daß ihr nichts versteht, sondern aus der speculatio und fantasei geboren seid – die doch noch nie etwas Wahres auf die Welt gebracht haben. Dann ist es nicht von der Arzneikunst her benannt, sondern aus der fantasei und speculatio – und jedem Narren ists erlaubt, sich so einen Grund auszudenken. Bei der dysenteria (blutiger Durchfall), wenn ihr da sagt, es sei sanguis (von Blut herrührend; sanguinisch), dann ist das nicht wahr, sagt ihr, es sei vitium stomachi (ein Magenleiden), auch nicht. Bei euch ist alles nur Vermutung, denn bei cholerischen, phlegmatischen, melancholischen und sanguinischen Krankheiten braucht man nur Vermutungen. Wenn ihr aber sagen würdet: es ist morbus hermodactyli (Knollen der Herbstzeitlose, Colchium-Arten), es ist morbus coloquinthidis (Kürbisgewächs), es ist morbus elleborinus (helleborus niger = Christrose), dann müßte ich euch loben und Gutes von euch reden: dann würdet ihr auf dem rechten Grund stehen und hättet Umgang mit der Wahrheit. Derart sollen sich nämlich die Namen aus dem Grund herleiten, und aus dem Grund und nicht aus der fantasei stammen. Denn colica (Kolik) heißt sibethina (»Zibet-Krankheit«; bezieht sich auf die moschusartige Drüsenabsonderung der Zibetkatze), iliaca (Darmgicht) heißt moschata (»Moschus-Krankheit«). Und warum? So lehrt es die äußere philosophei, die der inneren (d.h. auf den menschlichen Leib gerichteten) philosophei alles – Namen, Art, Eigenschaft und Zeichen – vermittelt, lehrt und vor Augen führt. Und außerhalb dieser philosophei wird kein Arzt geboren, sondern nur Betrüger und Irrläufer, Fantasten und Weise mit Eselsohren.

Wenn auch der Arzt sein Grundwissen aus der philosophei...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2015
Übersetzer Gunhild Pörksen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Albertus Magnus • Anatomie • Aristoteles • Arznei • Arzneikunst • Astronomie • Erasmus von Rotterdam • Heilberuf • Heilkunde • Medizin • Natur • Philosophie • Sachbuch • Syphilis • Thomas von Aquin
ISBN-10 3-10-560892-3 / 3105608923
ISBN-13 978-3-10-560892-0 / 9783105608920
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