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Das Patriarchat (eBook)

Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
694 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560432-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Patriarchat -  Ernest Borneman
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Dieses umfassend und sorgfältig recherchierte Werk, an dem Ernest Borneman vierzig Jahre lang gearbeitet hat, beschreibt die Konterrevolution der Männer gegen die frauenrechtlichen Gesellschaftsstrukturen der Alten Welt, gegen die gesellschaftliche und sexuelle Gleichberechtigung. Borneman stellt die frauenrechtliche Kultur der Vorgeschichte dar und vermittelt seinen Leserinnen damit die Erkenntnis dessen, was sie waren: Schöpferinnen einer der besten und gerechtesten Gesellschaftsordnungen, die es je in der Geschichte der Menschheit gegeben hat. Er zeigt, wie sich das Patriarchat überhaupt etablieren konnte und erläutert Strategien und Techniken zu seinem Sturz. - Seine Leser fordert Borneman auf, über ihr männliches Selbstverständnis nachzudenken und die Frauenbewegung solidarisch zu unterstützen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Ernest Borneman, 1915 in Berlin geboren, 1995 in Oberösterreich gestorben, hat ein ereignisreiches, aufregendes Leben geführt. Er war Anthropologe, Psychoanalytiker, Filmemacher, Krimiautor (veröffentlichte u. a. unter dem Namen Cameron McCabe), Jazzkritiker und Sexualforscher. Er hat in England und Amerika Archäologie, Frühgeschichte, Sozial- und Kulturanthropologie und Ethnoanalyse studiert. Er kannte noch Wilhelm Reich, mit dem er in Berlin zusammengearbeitet hat. Nach dem Krieg lehrte Borneman an Universitäten in Deutschland und Österreich Sexualwissenschaft. Mehr als 30 Jahre lang erforschte er die Kindersexualität. Seine Bücher haben ihn bekannt gemacht, vor allem ?Das Patriarchat?, sein Opus magnum, erstmals 1975 bei S. Fischer erschienen. 1990 erhielt Borneman von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung die Magnus-Hirschfeld-Medaille für Sexualwissenschaft.

Ernest Borneman, 1915 in Berlin geboren, 1995 in Oberösterreich gestorben, hat ein ereignisreiches, aufregendes Leben geführt. Er war Anthropologe, Psychoanalytiker, Filmemacher, Krimiautor (veröffentlichte u. a. unter dem Namen Cameron McCabe), Jazzkritiker und Sexualforscher. Er hat in England und Amerika Archäologie, Frühgeschichte, Sozial- und Kulturanthropologie und Ethnoanalyse studiert. Er kannte noch Wilhelm Reich, mit dem er in Berlin zusammengearbeitet hat. Nach dem Krieg lehrte Borneman an Universitäten in Deutschland und Österreich Sexualwissenschaft. Mehr als 30 Jahre lang erforschte er die Kindersexualität. Seine Bücher haben ihn bekannt gemacht, vor allem ›Das Patriarchat‹, sein Opus magnum, erstmals 1975 bei S. Fischer erschienen. 1990 erhielt Borneman von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung die Magnus-Hirschfeld-Medaille für Sexualwissenschaft.

1


In drei Stellen des Alten Testamentes, sowohl in der hebräischen Urfassung wie in der syrischen Übersetzung und der griechischen Septuaginta, taucht ein obskures Wort aus der awestischen Sprache, einem frühpersischen Idiom, auf: pairidae̅za, »Paradies«, der Name des verschollenen Ortes, wo der Mensch glücklich war.

Der Mythos von dem verlorenen Glück und dem verschollenen Land ist nicht auf hebräische, persische, syrische und griechische Quellen beschränkt, sondern ist Teil eines regionalen Mythenblocks, der sich von den Küsten des Mittelmeeres bis ins Herz Vorderasiens erstreckt. Die bedeutendsten Mythologen, Sprachwissenschaftler und Religionsforscher unserer Zeit sind heute darüber einig, daß der »Garten Eden« weder im Zweistromland, wie man im neunzehnten Jahrhundert meinte, noch überhaupt an irgendeinem spezifischen Ort lag, sondern eine bestimmte Form des Zusammenlebens beschreibt, die einst in dieser ganzen Region existiert haben mag.

Die Sumerer sprechen von einem Land, in dem der Mensch vor den Zeiten der Sintflut wunschlos und zufrieden gelebt habe. Gilgamesch, der babylonische Held, fand diese glückliche Welt im Laufe seiner Wanderungen, verlor aber die magische Blume, die dort wuchs, und konnte deshalb nie seinen Weg zurückfinden. Die Juden verbanden ihren Glauben an das Kommen des Messias mit der Hoffnung, daß er die Tugenden zurückbringen werde, die der Mensch in jener verschollenen Zeit besessen hatte. Sicherlich ist es kein Zufall, daß Karl Marx, Erbe einer langen Tradition rabbinischen Wissens, seine Geschichtsphilosophie auf dem Gedanken aufbaute, der Mensch müsse eines Tages die Tugenden jener vergangenen Zeit wiedererlangen: von der klassenlosen Gesellschaft der Vorgeschichte zur klassenlosen Gesellschaft der Zukunft.

Was waren nun die Tugenden jener verschollenen Welt? Das Seltsame an den Mythen vom Goldenen Zeitalter ist, daß sie sich nicht mit einem Schlaraffenland, einem Land des Reichtums und des Überflusses beschäftigen, was doch bei der großen Armut der Völker des Altertums zu erwarten gewesen wäre, sondern eher mit einer Welt der Genügsamkeit: zeitlos, beständig, gleichmütig, bedürfnisfrei, anspruchslos und bescheiden, aber auch rücksichtsvoll und würdig; eine Welt ohne Eigenart, aber auch ohne Eigenwilligkeit; ohne Individualität, aber auch ohne Einzelgängerei; eine Existenz frei von Eigentum, aber auch von Habgier und Diebstahl: »Die Menschen waren damals friedlich und sahen alles mit dem gleichen Auge an.«

Die Tugenden, die uns aus diesen Mythen ansprechen, sind also nicht die der Persönlichkeit, denn diese gab es noch nicht, weil die gegenseitige Abhängigkeit so groß war, daß niemand den Gedanken der persönlichen Selbständigkeit fassen konnte. Es war eine Gesellschaft von Ebenbürtigen, aber auch von so engen Blutsverwandten, daß sich das Ich noch nicht völlig vom Du spalten konnte; eine Welt frei von Stand, Rang und Kaste, aber auch frei von Strebsamkeit; eine Welt ohne Leidenschaft, aber auch ohne Einsamkeit; ohne Abweichung, aber auch ohne Alleinsein; ohne Sehnsucht, aber auch ohne Ehrgeiz; ohne Selbstsucht, aber auch ohne Geltungsdrang.

Es gab keine Anmaßung, aber auch keine Unterwürfigkeit; keine Überhebung, aber auch keine Untertänigkeit; keinen Dünkel, aber auch keinen Knechtsinn; keinen Hochmut, aber auch keine Liebedienerei; keine Willkür, aber auch keine Willfährigkeit. Die Tugenden waren Freundschaft, Verläßlichkeit, Aufrichtigkeit, Offenheit, aber auch diese nur in dem Sinne, daß sich niemand der Möglichkeit einer Alternative bewußt war. Es war keine glückliche Welt, denn auch Glück versteht sich nur als Antithese zum Unglück, und Unglück war noch nicht ins Bewußtsein dieser weithin undifferenzierten Communitas eingedrungen. Deshalb gab es weder Macht noch Machtanspruch, weder Ordnung noch Unterordnung, weder Befehl noch Gehorsam.

Es war eine ungeteilte Welt, frei von Armen und Reichen, Gläubigern und Schuldnern, Ausbeutern und Ausgebeuteten. Es war die Insel der Seligen, frei von Geiz, aber auch von Verschwendung. Es war das Hyperboräerland, frei von Geben und Nehmen. Es war der Garten der Hesperiden, frei von Neid, aber auch frei von allem, was Grund zum Neid geben konnte.

Wenn dies eine rückwärts projizierte Utopie war, wie manche Forscher meinen, dann war es schon eine sehr seltsame Utopie: ein Wunschtraum, der in keiner Weise den Wünschen der Menschen des Altertums entsprach. War es aber kein Wunschtraum, dann war es wahrscheinlich eine Erinnerung, der man sich trotz ihres negativen Gehalts nicht entziehen konnte, eine Erinnerung von so zwingender Beharrlichkeit, daß sie noch Tausende von Jahren später einen großen Teil der Mythologie dieses ganzen Erdteils beherrschte. Was lag ihr zugrunde und wodurch wurde sie schließlich verdrängt?

Zugrunde lag ihr das freie, fast sorglose Leben der alten Wildbeuter. In der letzten Interstadialperiode zwischen den Eiszeiten Würm I und Würm II erstreckte sich eine gewaltige Fläche offenen fruchtbaren Landes mit gemäßigter Temperatur von der Ägäis bis zum Hindukusch. Beeren-, fruchte-, pilz- und kleintiersammelnde Frauen mit ihren primitiv jagenden Männern durchschweiften dieses weit offene Land, frei und unbehindert. Wenn ihre Nahrung knapp wurde, zogen sie einfach weiter. Die Welt schien ihnen unbegrenzt und unermeßlich fruchtbar.

Dann kam die Katastrophe. In sechs Stadien, die wir noch heute nachzeichnen können, begann die letzte Phase der Eiszeit und danach eine völlig neue Welt:

  1. Die Temperatur stieg. Das fruchtbare Strauch- und Waldgebiet mit gemäßigtem Klima spaltete sich in Wüsten und Tundren auf der einen Seite, Urwälder und Dschungel auf der anderen. Zwischen Wüsten und Tundren wucherten grüne Oasen und dschungelartige Uferbette. In diesen Grünbecken begannen sich die überlebenden Tierarten zu konzentrieren, so daß auch die Menschen gezwungen waren, ihre Jagd- und Sammelgründe hierhin zu verlegen. Aber hier konnte man nicht mehr unbegrenzt weiterwandern, wenn das Revier abgegrast war, denn diese Reviere waren trotz ihrer Fruchtbarkeit begrenzt. So lernten die einstigen Nomaden, Pflanzen zu kultivieren, statt sie einzusammeln, und Tiere zu züchten, statt sie zu jagen.

  2. Die seßhaft gewordenen Nomaden versammelten sich in größeren Gruppen zur leichteren Zusammenarbeit bei Ackerbau und Viehzucht. So entstand das Dorf. Wuchs die Dorfbevölkerung zu sehr für den verfügbaren Boden an, so gründete sie eine Kolonie in dem nächsten noch urbaren Revier. Auf diese Weise verbreitete sich die Landwirtschaft über Vorderasien, Südosteuropa und den ganzen Mittelmeerraum.

  3. In den großen alluvialen Flußtälern Ägyptens und Mesopotamiens entwickelten sich die ersten Städte. Sie waren nicht nur größer als die Dörfer, sondern besaßen auch eine andere Ökonomie: den Handel. Sie tauschten ihre Überschüsse gegen Metalle und andere Materialien aus, die sie zwar benötigten, aber nicht im eigenen Revier besaßen. Dadurch wurden sie in gewisser Weise von ihrer Umgebung abhängig, die ländliche Umgebung aber noch mehr von der Stadt. Die Autarkie, die Selbständigkeit der ursprünglichen Nomaden und Feldbauern, die bis dahin auch die Freiheit der Dörfer gewährleistet hatte, war nun ein für allemal dahin.

  4. Die Metalle begannen den Handel zu dominieren – Gold und Silber für Schmuckgegenstände, vor allem aber Kupfer, Zinn und Eisen für Werkzeuge und Waffen. Die Inseln, die den Metallhandel beherrschten, vor allem Kreta und die Kykladen, in geringerem Maße aber auch Zypern, die Heimat des Kupfers, wurden zu den führenden Kulturzentren in der Ägäis. Ihre Beziehungen zu den Handelsstädten am Nil, Euphrat und Tigris gaben ihnen eine Welterfahrung, eine kulturelle Überlegenheit, die das ägäische Festland erst Jahrtausende später aufholte.

  5. Gleichzeitig aber begann die Abhängigkeit von der Ware, jene ans Süchtige grenzende Unselbständigkeit des Menschen, die ihn lieber auf seine Freiheit verzichten ließ als auf die Krücken der Zivilisation. Es bildete sich eine Klassengesellschaft, in welcher der Unterdrückte sich oft lieber unterdrücken ließ, als die Hoffnung aufzugeben, eines Tages selbst in die Reihen der Unterdrücker aufzurücken. Dies war das Patriarchat.

  6. Parallel zu dieser ökonomischen Entwicklung und sozusagen als ihr sexueller Überbau vollzog sich eine stufenweise Veränderung der menschlichen Paarungssitten, die vor allem durch eine graduelle Verschärfung des Inzestverbots gekennzeichnet wurde.

Aus den Mythen der Ägäis und ihres vorderasiatischen Hinterlandes läßt sich als Gemeinnenner der Erinnerungen an das verlorene Paradies der Vorzeit eine ganz bestimmte, von den späteren Wunschträumen der Menschheit sofort unterscheidbare Form des Geschlechtslebens rekonstruieren: eine noch nicht völlig genitalisierte, noch nicht auf die Dominanz der Geschlechtsteile ausgerichtete Sexualität; eine amorphe, alles Warme, Lebendige, Pulsierende umfassende Zärtlichkeit, ein friedliches Streicheln und Kosen, das völlig im Gegensatz zum späteren Kampf der Geschlechter steht; eine Blutsbrüderschaft und Blutsschwesterschaft, die wir, da wir sie nie erfahren haben, kaum beschreiben können und die offenbar schon den Griechen nicht mehr verständlich war.

Die Erinnerung, wenn es eine ist, knüpft sich offenbar einerseits an das Gefühl völliger Geborgenheit in einer Gemeinschaft, die den Durchbruch zum Bewußtsein der Individualität, des Andersseins, des Separatseins und damit des Alleinseins noch nicht vollzogen hatte; andererseits können wir eine Sexualität spüren, die noch nicht auf die Polarität der Geschlechter fixiert ist, sondern den anderen...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Ägypten • Altpaläolithikum • Aristoteles • Athen • Euripides • George Thomson • Geschlechtsverkehr • Gordon Childe • Griechenland • Jungpaläolithikum • Korinth • Matrilineare • Matrilokal • Mesolithikum • Mittelpaläolithikum • Mutterrecht • Neolithikum • Patriarchat • Praxiteles • Prostitution • Sachbuch • Sippengesellschaft • Sklaverei • Sparta • Vorderasien • Vorzeitforschung
ISBN-10 3-10-560432-4 / 3105604324
ISBN-13 978-3-10-560432-8 / 9783105604328
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