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Forschungsorientierung und Berufsbezug im Studium (eBook)

Hochschulen als Orte der Wissensgenerierung und der Vorstrukturierung von Berufstätigkeit

Peter Tremp (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
228 Seiten
WBV Media (Verlag)
978-3-7639-5591-6 (ISBN)

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Forschungsorientierung und Berufsbezug im Studium -
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Mit dem Bologna-Prozess wurden verstärkt berufsbezogene Inhalte für die Universitätsstudiengängen gefordert. Unter dem Stichwort der Employability implementierten die Universitäten die entsprechenden Inhalte in den Studiengängen. Parallel dazu sollen auch die forschungsorientierten Aspekte eines wissenschaftlichen Studiums vermittelt werden. Diese Anforderungen teilen die Curricula in wissenschaftliche und berufsbezogene Inhalte. Wie lässt sich beides verbinden und in harmonisierte Studienangebote umsetzen? Die Autoren des Sammelbands diskutieren diese didaktischen Herausforderungen unter der Prämisse, dass ein Studium Forschungsorientierung und Berufsbezug gleichermaßen braucht.

Vorwort zur Blickpunktreihe
Vorwort zum Band 126

Forschungsorientierung und Berufsbezug: Notwendige Relationierungen in Hochschulstudiengängen
Peter Tremp

Forschungs- und Berufsorientierung in der Lehre aus hochschuldidaktischer Sicht
Gabi Reinmann

Grenzfall Weiterbildung: Forschungsorientierung in der Entstrukturierung
Balthasar Eugster/Markus Weil

Schlüsselkompetenzen als Brücke zwischen Forschungsorientierung und Berufsbezug?
Tobina Brinker

Das Studium der Humanmedizin im Spannungsfeld von Forschungsorientierung und Berufsbezug
Götz Fabry/Christian Schirlo

Die Rechtswissenschaft sichtbar machen: das juristische Studium zwischen Forschungsorientierung und Praxisbezug
Arne Pilniok

Forschendes Lernen als Bindeglied zwischen Forschungs- und Berufsorientierung in geisteswissenschaftlichen Studiengängen
Margrit E. Kaufmann

Forschendes Lernen in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung: Möglichkeiten der Verbindung zwischen Hochschule und Schule sowie Theorie und Praxis
Mandy Schiefner-Rohs

Forschungsorientierung und Berufs­bezug: Notwendige Relationierungen in Hochschulstudiengängen


Peter Tremp

Zusammenfassung

Studiengänge an Hochschulen kennen verschiedene Referenzpunkte und Leitideen. Während mit „Forschungsorientierung“ das Studium insbesondere mit einer Wissenschafts- und Forschungslogik und damit eng mit der modernen Konzeption von Universität der letzten zweihundert Jahre verbunden ist, orientiert sich Berufsbezug an der Qualifikationsfunktion der Hochschulen und also am Übergang von Hochschule und Berufswelt.

Gerade die Schaffung neuer Hochschultypen, die Ausweitung der Studienangebote und die Erhöhung der Studierendenzahl akzentuiert die Frage nach der Relationierung dieser beiden Referenzpunkte, die sich in den Studiengängen unterschiedlich gestaltet.

Der Beitrag skizziert im ersten Kapitel Forschungsorientierung als Konzept der modernen Forschungsuniversität. Im zweiten Kapitel wird die Leitidee Berufsbezug mit Hilfe einer Typologie von Studiengängen und in Verbindung mit der Diskussion um Employability diskutiert. Im dritten Kapitel wird gefragt, welche Erwartungen, gerade auch von Seiten der Studierenden, mit einem Studium verbunden sind. Im vierten Kapitel werden einige methodische Zugänge diskutiert, die sich als Umsetzungen von Forschungsorientierung und Berufsbezug verstehen lassen. Das abschliessende fünfte Kapitel illustriert die notwendige Relationierung beider Referenzpunkte anhand zweier ausgewählter curricularer Elemente – Studieneingangsphase und Abschlussarbeit.

Gliederung

1  Forschungsorientierung: Eine moderne Leitidee der universitären Lehre

2  Berufsbezüge: Traditionell, erwünscht und umstritten

2.1  Typologie der Studiengänge – Typologie der Hochschulen

2.2  Diskussion Employability

3  Erwartungen an ein akademisches Studium

4  Didaktik der Forschungsorientierung – Didaktik der Berufsorientierung

4.1  Forschungsorientierte Didaktik: Forschendes Lernen

4.2  Berufsbezogene Didaktik: Berufliche Probleme als Ausgangspunkt

5  Zum Abschluss: konkretisierende Relationierungen

1   Forschungsorientierung: Eine moderne Leitidee der universitären Lehre


In seiner Schrift „Streit der Facultäten“ (1798), welche Bedeutung und innere Ordnung der Universität erörtert, stellt Kant der unteren – Philosophischen – Fakultät die oberen Fakultäten, nämlich die Theologische, Juristen- und die Medizinische Fakultät, gegenüber. Die Besonderheit der Philosophischen Fakultät – so Kant – bestehe gerade darin, dass sie allein der „Wahrheit der Lehren, die sie aufnehmen [...] soll“, verpflichtet sei. Sie kann insofern „als frei und nur unter der Gesetzgebung der Vernunft, nicht der Regierung stehend gedacht werden.“ (Kant 1988, S. 290)

Damit unterscheiden sich die Fakultäten in ihrer Nützlichkeit: Während die oberen Fakultäten diese „zum Behuf der Regierung versprechen“ (Kant 1988, S. 290), gehe es bei der Philosophischen Fakultät um eine „philosophische Nützlichkeit“, „weil auf Wahrheit alles ankommt“ (Kant 1988, S. 290).

Diese Schrift Kants dokumentiert – wie eine Reihe weiterer Zeugnisse – eine Diskussion und den sich abzeichnenden Wandel im Verständnis von Universitäten, der insbesondere zwei Aspekte beinhaltet: Zum einen die Betonung der Unabhängigkeit von Wissenschaft, zum anderen die Bedeutung von Forschungsbasierung in der universitären Lehre. Damit einher geht eine veränderte Relationierung der Fakultäten: Die Philosophische Fakultät gewinnt an Bedeutung. Und vor allem: Forschung – statt: Auslegung – wird zum neuen Imperativ (vgl. auch Lundgreen 2007)!

In der mittelalterlichen Universität stand die Tradition des Wissens, das angehäuft und kommentiert wurde, im Zentrum (bereits in Tremp 2011b). Wissenschaft in einem modernen Sinne, die sich eng mit Forschung verbindet, ist daher kein Konzept der mittelalterlichen Universität, wohl aber Wissenschaft als Kultivierung eines anerkannten – und insofern: gesicherten – Wissens. Studieren meinte die Aneignung und Durchdringung dieses Wissensbestandes. Lectio und Disputatio waren die beiden eng aufeinander bezogenen Lehrformen der mittelalterlichen Universität. Die Vorlesung – so liesse sich vereinfachend sagen – diente dazu, den Text überhaupt darzustellen und zu erklären, die Disputation beabsichtigte die Anwendung und Vertiefung durch Diskussion in einer stark mündlich geprägten Lernkultur. Entsprechend stand auch weniger die wissenschaftliche Persönlichkeit des Lehrers im Zentrum, sondern der Stoff (vgl. Schwinges 1993, S. 213 ff.). In der mittelalterlichen Universität war die Struktur damit vertikal ausgerichtet: Lehrer und Schüler auf die auctoritates. Erst später sollte die Struktur dann horizontal ausgerichtet sein und als gemeinsames Bemühen verstanden werden (vgl. Frijhoff 1996, S. 52). Das Experiment – Mittelpunkt der entstehenden modernen Wissenschaften – wird zum neuen Paradigma, weil sich hier die Überprüfung von Dingen und Thesen ausdrückt, die prinzipiell allen zugänglich und für alle nachvollziehbar sein soll.

Die moderne Forschungsuniversität der letzten zweihundert Jahre akzentuiert diese horizontale Struktur, indem nun über die Forschung – so beispielsweise eine Leitidee Humboldts – eine gemeinsame Ausrichtung von Universitätslehrpersonen und Studierenden erfolgt. Damit rückt die funktionale Differenz zwischen Professoren und Studenten in den Hintergrund, der Professor bzw. die Professorin verabschiedet sich – jedenfalls programmatisch – vom Lehrer bzw. der Lehrerin (vgl. Olbertz 1997). Das Verhältnis von Lehrpersonen und Lernenden ist hier realisiert als Scientific Community: Professoren bzw. Professorinnen und Studierende unterscheiden sich also nicht prinzipiell, sondern graduell, Studierende werden bereits als Forscherinnen und Forscher wahrgenommen.

Die Besonderheiten der Universität als Bildungseinrichtung lassen sich damit auch als Besonderheit der Lehrtätigkeit beschreiben: In der Lehre realisiert sich das, was Universität eben ist und sein soll. Die Universitätslehrperson unterscheidet sich damit von anderen „Lehrertypen“. In Humboldts Reformplan für das Königsbergische Schulwesen aus dem Jahre 1809 findet sich die prägnante Beschreibung dieser Differenzen: „Wenn also der Elementarunterricht den Lehrer erst möglich macht, so wird er durch den Schulunterricht entbehrlich. Darum ist auch der Universitätslehrer nicht mehr Lehrer, der Studierende nicht mehr Lernender, sondern dieser forscht selbst, und der Professor leitet seine Forschung und unterstützt ihn darin.“ (Humboldt 1964, S. 170).

Hier wird die Forschungsorientierung der Universität und das damit zusammenhängende Konzept einer Verbindung von Forschung und Lehre betont, welches die moderne Konzeption einer Universität prägt und damit die Abgrenzung der Universitätslehrperson von „anderen Lehrern“ akzentuiert: Inhaltlich durch die Wissenschafts- und Forschungsorientierung, formal durch andere Zugangswege zur Lehrtätigkeit. Für die Lehrpersonen von der Primar- bis zur Gymnasialstufe wird die örtliche Trennung von Ausbildung und Berufsausübung zum konstitutiven Element, die so für Universitätslehrpersonen nicht gilt: Eine Besonderheit der Universität als Experten- und Expertinnenorganisation ist denn auch, dass sie ihren eigenen Nachwuchs selber reproduziert und also die Reproduktion (und: Weiterentwicklung) der eigenen Expertise Bestandteil der Hochschulkultur ist.

Mit diesem Übergang zu einer forschungsorientierten Universität modernen Typs wird mit Wissenschaftlichkeit die Differenz zwischen schulischen und universitären Inhalten bestimmbar, zwischen schulischem und universitärem Lernen. Maturität resp. Abitur werden zu Grenzstationen. Diese scharfe Grenzziehung zwischen Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen, die sich u. a. auch in Begriffen zeigt, ist für frühere Zeiten so nicht gegeben. Die Unterschiede bezogen sich hauptsächlich auf rechtliche Aspekte, insbesondere was die Bedeutung von Abschlusszertifikaten und also die Verleihung von akademischen Graden betraf (vgl. Stichweh 2013, S. 169 ff.).

In dieser Konzeption einer forschungsorientierten Universität und eines forschungsorientierten Studiums, wie diese von Humboldt und einigen Zeitgenossen beschrieben wird, stehen Universitätslehrer resp. später auch -lehrerinnen in einem besonderen Verhältnis zum Stoff der Lehre, denn sie sind an der Generierung dieses Stoffes beteiligt, der prinzipiell diskussionswürdig bleibt. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird die Bereicherung der Wissenschaft mit neuen Wahrheiten durch Universitätsprofessoren als opus superrogationis bezeichnet (vgl. Paulsen 1919/1921, S. 136). Nun aber werden Professoren bzw. Professorinnen zu Forschenden, die auch lehren, in Universitäten, die ihren Schwerpunkt von einer Bildungs- zu einer Forschungseinrichtung verlagert haben. Dies prägt das Selbstverständnis der Institution, die Laufbahnwege von Professorinnen und Professoren oder auch die relative Bedeutung der beiden hauptsächlichen Tätigkeitsfelder Forschung und Lehre.

2   Berufsbezüge: Traditionell, erwünscht und umstritten


Das eingangs erwähnte Zitat Kants macht deutlich, dass Universitäten und ihre Studiengänge traditionell – und weiterhin – Berufsbezüge kennen. Die drei oberen Fakultäten – die theologische, die juristische und die medizinische – sind je auf eine spezifische Profession hin orientiert. Diese klassischen Professionen lassen sich ohne universitäre Verknüpfung...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2015
Reihe/Serie Blickpunkt Hochschuldidaktik
Blickpunkt Hochschuldidaktik
Verlagsort Bielefeld
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Schulbuch / Allgemeinbildende Schulen
Geisteswissenschaften
Sozialwissenschaften Pädagogik Erwachsenenbildung
Schlagworte Bologna • Hochschuldidaktik • Hochschullehre • Hochschulpolitik
ISBN-10 3-7639-5591-7 / 3763955917
ISBN-13 978-3-7639-5591-6 / 9783763955916
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