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Wirtschaftsstile (eBook)

Teil 2: Studien zur ökonomischen Theorie und zur Zukunft der Technik
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
238 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560315-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wirtschaftsstile -  Bertram Schefold
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Hatte im 1. Teil dieser Studien die historische Verschränkung von Kultur und Wirtschaftstätigkeit im Vordergrund gestanden, so konzentriert sich der 2. Teil, ebenfalls unter der Perspektive des »Wirtschaftsstils«, auf die Frage nach der Durchlässigkeit bzw. Undurchlässigkeit der ökonomischen Theoriebildung für geistige, technische und gesellschaftliche Herausforderungen. In einer ersten Gruppe von Untersuchungen werden Grundbegriffe und Modelle der Cambridge-Theorie von Keynes bis Sraffa in ihrem wirtschaftspolitischen Zusammenhang erörtert. Eine zweite Gruppe von Analysen befaßt sich mit Problemen der modernen Technologie, der Energie- und Umweltpolitik und deren innerer Verbindung. Hier geht es vor allem um das Problem, inwieweit die Wirtschaftsordnung der Ausgestaltung fähig und mit der sozialen und technischen Entwicklung verträglich ist. Die abschließenden Untersuchungen befassen sich mit ökonomischen Perspektiven und deren Rückwirkung auf die Wirtschaftswissenschaften selbst. Sind die Fragestellungen der klassischen Nationalökonomie nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus und angesichts der zunehmenden Bedeutung ökologischer Probleme überholt? (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Bertram Schefold, geboren 1943 in Basel, ist, nach mehrjährigen Forschungsaufenthalten in Cambridge (GB) und Harvard, Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftstheorie an der Universität Frankfurt am Main. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Bertram Schefold, geboren 1943 in Basel, ist, nach mehrjährigen Forschungsaufenthalten in Cambridge (GB) und Harvard, Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftstheorie an der Universität Frankfurt am Main. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Überlegungen zu einer neowalrasianischen, marshallianischen und klassischen Mikrofundierung der Theorie der effektiven Nachfrage


Die jüngeren Kollegen hielten nicht viel von Keynes’ Fähigkeiten als Preis- und Kapitaltheoretiker. Er hat keinen wichtigen Aufsatz, geschweige denn ein Buch, über die Werttheorie marshallianischer oder irgendeiner anderen Observanz geschrieben. Zwar zwang ihn die Thematik der »General Theory« auf kapitaltheoretische Fragen einzugehen, aber seine für den Brückenschlag zwischen marshallianischer Wert- und Verteilungstheorie einerseits, der Theorie der effektiven Nachfrage andererseits entwickelten Begriffe haben sich nicht durchgesetzt. Vielleicht behält das analytische Zwielicht solcher Kapitel wie des siebzehnten eine quasiromantische Anziehungskraft für manche Theoretiker gerade deshalb, weil der Brücke dort ein Bogen fehlt. Sie hoffen natürlich, die Verbindung noch zu leisten.

Keynes stand auch den heute anerkannten Theorieabgrenzungen fern. Schon die erste dogmenhistorische Unterscheidung in einer Fußnote des Anfangskapitels verwirrt den Leser. Keynes nennt Klassiker nicht nur jene, die seit Marx Klassiker heißen, sondern auch die Marshallianer wie Pigou, welche Keynes als Fortsetzer Ricardos betrachtet. Er bezieht sich mit dieser Definition von »Klassik« wohl in erster Linie auf die Anhänger des Sayschen Gesetzes; eine spätere Note, in der die marshallianische Tradition von der Böhm-Bawerkschen Analyse abgegrenzt wird, läßt freilich vermuten, daß Keynes auch einen deutlichen Gegensatz zwischen der englischen und den kontinentalen Schulen der Neoklassik sah.[50] Worin Keynes’ Nähe zu Marshall genau bestand, wird selten klar herausgearbeitet. Viel gängiger sind die Versuche, sein Werk so lange umzubiegen, bis es in den heute fast überall benutzten walrasianischen Rahmen paßt. Wir wollen im folgenden für das dritte Kapitel der Allgemeinen Theorie den Gegensatz zwischen einer neowalrasianischen und einer marshallianischen Grundlegung darstellen. Obwohl – wie auch Leijonhufvud (1981) trotz seines walrasianischen Ausgangspunktes schließlich gesehen hat – sich die marshallianische Methode als treueres Bild der Keynesschen Vorstellungen erweist, bleibt die Konstruktion unbefriedigend. Wir werden zuletzt zeigen, weshalb die Theorie der effektiven Nachfrage bei der Klassik am besten aufgehoben ist.

Um abgrenzen zu können, möchte ich zuerst die walrasianische Methode darstellen; ich greife dazu auf meine Kritik der Malinvaud-Rezension von Richard Kahn zurück.[51]

Es gebe einen Konsumgütersektor, der ein Konsumgut gemäß einer Produktionsfunktion f(L) herstellt; L ist die im Konsumgütersektor beschäftigte Arbeit. Die Produktionsfunktion habe die üblichen Eigenschaften. Wir denken uns Regierungs- und Investitionsgütersektor amalgamiert. Dieser »Regierungssektor« plane feste Ausgaben von der Höhe G (in Geldeinheiten ausgedrückt). Es sei p der Geldpreis des Konsumguts und w die Geldlohnrate. Diese Annahmen sind verschiedener Variationen fähig, die ich in meiner Kahn-Kritik vorgenommen habe. Insbesondere wäre es möglich, die geplanten Ausgaben real festgelegt vorauszusetzen. Dann entfallen die Realkasseneffekte, die bei monetärer Festlegung der autonomen Ausgaben Vollbeschäftigung theoretisch möglich machen, weil sie die Existenz (aber nicht die Stabilität) eines Vollbeschäftigungsgleichgewichts unter den noch zusätzlich darzulegenden Annahmen gewährleisten.

Bei Malinvaud liegt scheinbar ein wesentlich komplexerer Ansatz zur Bestimmung der autonomen Ausgaben vor. Arbeiter sparen und unterhalten Geldguthaben, um in Perioden der Arbeitslosigkeit überleben zu können. Kahn zeigt, daß hieraus keine sehr fruchtbare Komplikation erwächst. Einerseits ist nämlich unter Malinvauds Voraussetzungen der Wert der Konsumgüterproduktion pf(L) = CE + CU + G = W + P, d.h., die im Konsumgütersektor anfallenden Löhne W und Gewinne P entsprechen einer Aufteilung des Konsumgüterwerts auf Konsum der Beschäftigten CE, Konsum der Arbeitslosen CU und des Regierungssektors. Nun ist der Konsum der Beschäftigten CE = W – SE, da die Löhne der im Konsumgütersektor Beschäftigten entweder konsumiert oder gespart werden. Es folgt

Kahn macht darauf aufmerksam, daß die rechtsstehenden Größen gegensätzlichen Einflüssen unterliegen: Wenn der Geldpreis p steigt, wird sich der Konsum der Arbeitslosen tendenziell vermindern, aber auch die Ersparnis der Beschäftigten. Sinkt die Beschäftigung, so wird der Konsum der Arbeitslosen tendenziell steigen, aber auch die Ersparnis der Beschäftigten. Da CU und SE sich somit in die gleiche Richtung bewegen, schlägt Kahn vor, in erster Näherung die Differenz als konstant anzusehen. Dann sind die Gewinne wieder durch feste autonome Ausgaben bestimmt. Wir können deshalb ohne große Beschränkung der Allgemeinheit Malinvauds Formeln erheblich vereinfachen, indem wir direkt davon ausgehen, daß die autonomen Ausgaben monetär fest geplant sind, und sehen von der Ersparnisbildung der Arbeiter und von ihrer Geldhaltung ab.

Selbstverständlich wäre die theoretisch interessanteste Frage, was die Regierungsausgaben und Investitionen eigentlich bestimmt. Aber von seiten der walrasianischen Ungleichgewichtstheorie sind dazu keine wesentlichen Hypothesen vorgelegt worden.

Die Grundgleichungen lauten demnach

Setzen wir W = C, d.h. unterstellen wir eine klassische Sparfunktion, so folgt:

Der Erlös aus der Konsumgüterproduktion teilt sich in Löhne und Gewinne. Die Gewinne, die nach einer »Cambridger« Theorie der Einkommensverteilung bestimmt sind, werden investiert bzw. weggesteuert, soweit sie der Finanzierung der autonomen Ausgaben der Regierung dienen. Die interessante, durch Kahns Weiterführung von Malinvaud aufgeworfene Frage betrifft die Verknüpfung dieser kreislaufmäßigen Bestimmung der Einkommensverteilung mit der Beschäftigung.

Das walrasianische Element, das von Malinvaud eingeführt wird, besteht in der Konstruktion und Interpretation der Angebotskurve. Wenn die Firmen optimieren, setzen sie Arbeit ein, bis der Reallohn gleich dem Grenzertrag ist, oder, was hier direkt dasselbe bedeutet, sie expandieren Beschäftigung und Produktion, bis der Preis mit den Grenzkosten übereinstimmt:

Wir haben damit eine Kurve definiert, die sich einerseits als Nachfrage nach Arbeit, gegeben der Reallohn, deuten läßt. Ebenso kann sie aber auch interpretiert werden als Angebotskurve für das Konsumgut, welche für jedes Niveau von Beschäftigung und Produktion den Preis angibt, bei dem die marginale Firma noch kostendeckend produzieren kann. Oberhalb der Kurve (1) kann die Produktion zu Preisen abgesetzt werden, die über den Grenzkosten liegen, während unterhalb der Kurve Verluste auftreten.

In der neowalrasianischen Theorie bezeichnet man diese Kurve als die »spekulative« Nachfrage nach Arbeit bzw. das »spekulative« Angebot des Konsumguts. Sie richtet sich freilich nur nach dem Geldpreis des Guts und der Geldlohnrate; sie berücksichtigt nicht die vorhandene Kaufkraft. Keynes schlug vor, zur Berücksichtigung der effektiven Nachfrage, welcher die Unternehmer sich gegenübersehen, die erwarteten Erlöse zu betrachten. Wenn die Konsumgüterproduktion aus Löhnen, vermehrt um die autonomen Ausgaben, gekauft wird, entstehen die Gleichungen

Wir betrachten wieder die Geldlohnrate als gegeben. Dann bezeichnet die Kurve (2) denjenigen (einem Beschäftigungsniveau L entsprechenden) Geldpreis p, der gerade so hoch ist, daß aus den Löhnen, vermehrt um die autonomen Ausgaben, die bei dieser Beschäftigung entstehende Konsumgüterproduktion gekauft werden kann. Es liegt auf der Hand, daß dieser Preis bei niedriger Beschäftigung hoch zu liegen hat, da dem vorgegebenen Niveau der autonomen Ausgaben dann nur eine kleine Konsumgüterproduktion gegenübersteht. Der Preis muß andererseits bei hoher und steigender Beschäftigung weiter steigen, weil die Lohnsumme proportional zur Beschäftigung wächst, während die Produktion wegen der fallenden Erträge langsamer zunimmt. Man erkennt, daß die durch (2) definierte Kurve daher eine U-förmige Gestalt aufweist. Im Diagramm von Preis und Beschäftigung teilt sie die Ebene in ein Gebiet der Übernachfrage unterhalb der Kurve (der Preis ist so niedrig, daß die Löhne und autonomen Ausgaben den Wert der Konsumgüterproduktion übersteigen bzw. die diesem Preis entsprechenden Gewinne pf(L) – wL kleiner sind als die autonomen Ausgaben G), während oberhalb der Kurve umgekehrt ein Nachfragemangel besteht.

Wie wir noch sehen werden, entspricht der Schnittpunkt der Kurven (1) und (2) dem »Punkt der effektiven Nachfrage« von Keynes. Nur für diese Konstellation von Geldlohnrate, Preis und Beschäftigung ist die Optimierungsbedingung (1) und die Gleichheit von Produktionswert (Angebot) und Ausgaben (Nachfrage) gemäß (2) zugleich erfüllt. Durch Differenzieren und Nullsetzen von (2) rechnet man nach, daß dieser Punkt der effektiven Nachfrage im Minimum von (2) liegt. Man sieht, daß der Punkt der effektiven Nachfrage sich bei der Erhöhung des Geldlohnsatzes im Preis-Beschäftigungs-Diagramm nach links oben verschiebt. Denn bei höherem Geldlohn muß nach (1) ceteris paribus die Beschäftigung sinken. Wenn aber bei höherem Geldlohn die Beschäftigung...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Cambridge-Theorie • EG • Joan Robinson • Kernenergie • Kernenergiestrategie • Kernkraftwerk • Kuppelproduktion • Mikrofundierung • Nationalökonomie • Profitrate • Proliferationspotential • Sachbuch • Staatssozialismus • Technologie • Umweltpolitik • Unterbeschäftigung • Volkswirtschaft • Wiederaufarbeitung • Wirtschaftlichkeit • Wirtschaftsstil • Wirtschaftssystem
ISBN-10 3-10-560315-8 / 3105603158
ISBN-13 978-3-10-560315-4 / 9783105603154
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