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Zwangsstörungen verstehen und bewältigen -  Susanne Fricke,  Iver Hand

Zwangsstörungen verstehen und bewältigen (eBook)

Hilfe zur Selbsthilfe
eBook Download: EPUB
2024 | 10. Auflage
144 Seiten
BALANCE Buch + Medien Verlag
978-3-86739-369-0 (ISBN)
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»Dieser kompakte Ratgeber macht Mut, denn er zeigt, wie man den hartnäckigen Untermieter Zwang, der sich leicht zum Haustyrann entwickeln kann, wieder rauswirft. Bewährte verhaltenstherapeutische Methoden werden leicht verständlich und nachvollziehbar dargestellt. Betroffene lernen, die Tricks ?ihres? Zwangs zu durchschauen, erfahren, wodurch sie dem Zwang selbst neue Nahrung geben, aber auch, durch welche Übungen sie ihm zu Leibe rücken können. Wenn es sich der Zwang trotz aller Selbsthilfe so richtig gemütlich macht in der eigenen Bude, dann bietet der Ratgeber noch hilfreiche Adressen und Tipps für professionelle Unterstützung und Behandlungsmöglichkeiten.« Andreas Knuf, Psychologie heute »Die Autoren haben die Zwangsstörung, deren Erscheinungsformen, Ursachen sowie Behandlungsmöglichkeiten auf ungewöhnlich leicht verständliche und gelegentlich auch amüsante Weise beschrieben. Mit Hilfe im Buch abgedruckter Arbeitsblätter können Betroffene feststellen, ob eine Zwangsstörung wirklich besteht, welche ?Risikobausteine? Zwänge fördern und welche ?Schutzbausteine? helfen, gegen den Zwang anzukämpfen. Zwangserkrankte können sich so in kleinen Schritten eine erfolgversprechende Therapie zusammenstellen. Auch für noch nicht zur Therapie entschlossene Betroffene ist dieses Buch empfehlenswert. Die Autoren machen Lust auf ein Leben ohne Zwang.« Antonia Peters, Vorsitzende Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. (DGZ)

PD Dr. Susanne Fricke arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) und Supervisorin in eigener Praxis und ist seit vielen Jahren auf die Behandlung von Zwangserkrankungen spezialisiert. Sie ist Autorin und Mitautorin von zahlreichen Büchern und Artikeln zu Zwangsstörungen.

Wie entstehen Zwangsstörungen und was hält sie am Leben?


Zu Beginn dieses Kapitels möchten wir Sie zunächst bitten, eine Vorstellungsübung mit uns zu machen, die Ihnen vielleicht erst mal etwas merkwürdig vorkommt. Stellen Sie sich Folgendes vor: Es war einmal ein Zwang, ein Kontrollzwang, genauer gesagt. Der Kontrollzwang wohnte jahrelang bei einer Frau und hatte es dort sehr gut. Wenn er etwas von ihr wollte, machte sie das. Eines Tages machte die Frau aber eine Verhaltenstherapie. Sie wurde dadurch so stark, dass sie ihm nicht mehr gehorchte und es ihm richtig ungemütlich wurde. Da sagte sich der Kontrollzwang: »In diesem Haus gefällt es mir nicht mehr. Ich will mir lieber was Neues suchen.« Er war also erst mal obdachlos. Er reiste herum und suchte ein neues Haus, in das er einziehen konnte. Eines Tages kam er bei Herrn Freitag vorbei, den Sie schon aus dem letzten Kapitel kennen. Da dachte er sich: »Oh ja, ich glaube, hier habe ich Chancen, eine neue Bleibe zu finden.« Und da er ein schönes Gastgeschenk mitgebracht hatte, verweigerte ihm Herr Freitag nicht den Einzug, obwohl ihm der Gast nicht willkommen war. Inzwischen wohnt der Kontrollzwang seit ungefähr acht Jahren bei Herrn Freitag und hat sich richtig gemütlich eingerichtet.

Der Zwang beim Einzug in das Haus von Herrn Freitag

Wieso, werden Sie sich fragen, hat sich der Kontrollzwang gerade Herrn Freitag ausgesucht? Was ist sein Gastgeschenk, dass er überhaupt einziehen konnte? Das sind Fragen zur Entstehung von Zwangsstörungen. Und wieso bleibt der Zwang da wohnen, auch wenn er eigentlich gar nicht willkommen ist – die Frage, warum Zwänge nicht einfach wieder verschwinden? Und schließlich auch, ganz wichtig: Was sind persönliche Schutzbausteine, die helfen können, den Zwang wieder loszuwerden?

 Wie entstehen Zwangsstörungen (2.1), oder warum zieht der Zwang gerade in dieses Haus ein? Und was ist sein Gastgeschenk?

 Wie bleiben Zwangsstörungen am Leben (2.2), oder warum zieht der Mitbewohner nicht wieder aus?

 Was hilft, dem Zwang Widerstand entgegenzusetzen (2.3), oder welche persönlichen Schutzbausteine helfen, den Mitbewohner wieder loszuwerden?

 Noch mal das Wesentliche! (2.4)

2.1 Wie entstehen Zwangsstörungen?


Wieso habe ich eigentlich Zwänge? Und wieso genau diese? Das sind Fragen, auf die viele Zwangserkrankte gern eine Antwort hätten. Hätten Sie eine Grippe, wäre die Antwort einfacher. Da könnte man sagen: »Es ist ein Virus«, und viele wären zufrieden mit der Antwort. Einige Menschen würden vielleicht noch sagen: »Nein, das wäre zu einfach. Es ist ein Virus, und meine kranke Nachbarin hat mich bei ihrer Geburtstagsfeier angesteckt. Die Ursache für meine Grippe ist also ein Virus in Kombination mit der Geburtstagsfeier!« Und einzelne Menschen gehen vielleicht noch weiter: »Nein, das ist immer noch zu einfach. Wenn meine Abwehrkräfte gut wären, hätte ich mich bei der Feier nicht angesteckt. Es ist also ein Virus in Kombination mit der Ansteckung bei der Geburtstagsfeier in Kombination mit meinem schlechten Immunsystem!« Sie sehen also, selbst bei einer Krankheit wie der Grippe kommen schnell viele Bausteine zusammen als Gründe, warum man erkrankt oder nicht erkrankt.

Bei Zwangserkrankungen ist es noch etwas komplizierter. Die Suche nach der alles erklärenden Ursache führt nicht weit. Wenn Sie an unsere Vorstellungsübung denken, stellen Sie sich die Entstehung von Zwängen besser wie einen Hausbau vor. Es müssen viele Risikobausteine zusammenkommen, damit ein Haus entsteht, in das ein Zwang gerne einzieht.

In diesem Kapitel wollen wir Ihnen allgemeine Informationen zu verschiedenen Risikobausteinen bei der Entstehung von Zwängen geben. Diese allgemeinen Bausteine wollen wir an zwei Beispielen verdeutlichen. Am Ende dieses Kapitels können Sie dann selbst mit Hilfe eines Arbeitsblattes Ihren Risikobausteinen auf die Spur kommen.

Mögliche Risikobausteine für die Entstehung von Zwangsstörungen

 Vererbung

 Erziehung

 belastende und prägende Lebensereignisse

 Persönlichkeit

 ungünstige Lebensumstände vor Beginn der Erkrankung

 biologische Faktoren

Vererbung


Die Vererbung spielt eine Rolle bei Zwangserkrankungen, allerdings nur eine kleine. Wenn ein Elternteil eine Zwangserkrankung hat, so haben die Kinder ein leicht erhöhtes Risiko, ebenfalls eine Zwangserkrankung zu bekommen. Und wenn ein Zwilling unter Zwängen leidet, so hat der andere Zwilling ebenfalls ein etwas höheres Risiko, an einer Zwangsstörung zu erkranken. Viele Zwillingspartner von Zwangserkrankten bleiben aber auch gesund. Insgesamt ist der Einfluss der Gene nicht so bedeutend.

Vermutlich viel bedeutender ist eine andere, sozusagen »psychologische« Art der Vererbung. Man nennt sie auch Modelllernen. Kinder übernehmen die Zwangssymptomatik von ihren Eltern, indem sie die Zwänge gewissermaßen erlernen. Bei wem Modelllernen wirkt und bei wem nicht, lässt sich schwer voraussagen. Innerhalb derselben Familie kann ein Kind die Zwänge der Eltern »übernehmen«, während ein anderes davon völlig frei bleibt. »Mein Vater hat immer zehnmal kontrolliert, ob er alles richtig gemacht hat. Ich bin genauso, während mein Bruder ganz anders ist. Der ist schon fast nachlässig.« Solche oder ähnliche Aussagen findet man öfter bei Zwangserkrankten.

Die psychologische Vererbung leitet über zu dem nächsten Baustein, der Erziehung.

Erziehung


Sind die Eltern schuld? Eine Frage, mit der sich viele Eltern von zwangserkrankten Kindern herumquälen. Natürlich nicht! Die Erziehung kann ein Baustein sein, manchmal auch ein großer Baustein, aber nie der einzige. Jeder Mensch wird durch seine Erziehung beeinflusst, in seinen Eigenschaften und auch in seinen Wertmaßstäben. Eltern unterscheiden sich darin, was sie ihrem Kind durch die Erziehung mitgeben, und auch, wie sie es ihrem Kind mitgeben. Und jedes Kind reagiert wieder anders auf die Erziehung und den Erziehungsstil der Eltern. Es ist also gar nicht so leicht, allgemeine Aussagen zu treffen.

Ein insgesamt eher ungünstiger Erziehungsstil besteht in hohen Leistungserwartungen und zu großer Strenge. Wenn die Ansprüche der Eltern sehr hoch sind, Pflichterfüllung groß geschrieben wird, Fehler nicht passieren dürfen und immer hart bestraft werden, auch wenn es sich nur um ganz kleine Versehen handelt, können Kinder dauerhaft verunsichert und verängstigt werden. Sie gehen dann später genauso streng mit sich selbst um, werden perfektionistisch und tun alles, um Fehler zu vermeiden. Ähnlich nachteilig kann auch ein überängstlicher Erziehungsstil sein, wenn Kinder übermäßig beschützt und wenig dazu ermutigt werden, eigene Erfahrungen zu machen. Auch diese Menschen trauen sich später wenig zu und haben große Angst, Fehler zu machen. Zwangserkrankte berichten außerdem häufig, dass ihnen zu Hause die Wärme gefehlt habe. Die Eltern hätten materiell gut für die Kinder gesorgt, aber liebe Worte oder eine gelegentliche Umarmung hätten gefehlt. Oder ein mitfühlendes Ohr für kindliche Sorgen, so dass die Kinder alles mit sich alleine ausmachen mussten. Ungünstig kann es auch sein, wenn im Elternhaus alles immer harmonisch aussehen muss und Konflikte unter den Teppich gekehrt werden. Oder wenn übertrieben darauf geachtet wird, was die Nachbarn sagen. Wenn es also viel wichtiger ist, was andere wollen und denken, als was man selbst will und denkt. Dann kann sich leicht ein angepasster Mensch entwickeln, der gar nicht weiß, was gut für ihn selbst ist, sondern sich immer anderen unterordnet.

Insgesamt muss man aber feststellen, dass das, was die Eltern ihren Kindern vermitteln, selten eindeutig nur gut oder nur schlecht ist. Pflichtbewusstsein zum Beispiel ist in unserer Gesellschaft in vielen Bereichen eine wertvolle Eigenschaft. Ein Mann mit Ordnungszwängen sagte einmal: »Ich bin meinen Eltern einerseits dankbar dafür, dass sie auf Ordnung und Pflichterfüllung geachtet haben. Das hat mir im Beruf immer sehr viele Pluspunkte gebracht. Andererseits haben sie es aber oft auch übertrieben.« Und eine Frau mit einem Waschzwang meinte: »Meine Mutter war eine Superhausfrau. Bei uns konnte man vom Fußboden essen. Meine Schwestern fanden das übertrieben, aber für mich war sie immer ein Vorbild. Ich habe ihre Wertmaßstäbe übernommen. Bloß jetzt ist es bei mir irgendwie ausgeartet. Ich kann überhaupt nicht mehr aufhören mit dem Putzen.«

Belastende und prägende Lebensereignisse


Wie können belastende und prägende Lebensereignisse ein Baustein bei der Entstehung von Zwangserkrankungen sein? Frau Ebert zum Beispiel musste als Kind am Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihren Eltern und Geschwistern flüchten. In den ersten Jahren nach der Flucht war die Familie sehr arm und wohnte zu fünft in einem ganz kleinen Zimmer. Nach diesen Erfahrungen war es Frau Ebert lange vor Beginn der Zwangserkrankung sehr wichtig, dass sie sich in ihrem Zuhause wohl fühlte. Die Befürchtung, Fussel in die Wohnung zu bringen, und die Wasch- und Reinigungszwänge, um die Wohnung von Fusseln zu befreien, sind...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
ISBN-10 3-86739-369-9 / 3867393699
ISBN-13 978-3-86739-369-0 / 9783867393690
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