Auf einmal ist nur Stille (eBook)
72 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-5472-4 (ISBN)
Hanna Bergmann-Linde Jahrgang 1972 Familienbegleitung
EINLEITUNG: DAS PHÄNOMEN DES KONTAKTABBRUCHS AUS SICHT DER ELTERN
Für viele Eltern gibt es kaum etwas Schmerzhafteres als den plötzlichen oder allmählichen Verlust des Kontakts zu ihren Kindern. Diese Form der Trennung, die als Kontaktabbruch bezeichnet wird, stellt eine große emotionale Herausforderung dar und ist häufig begleitet von Trauer, Verzweiflung und einer tiefen Leere. Die Eltern-Kind-Beziehung, die für viele als eines der wichtigsten und stabilsten Elemente im Leben gilt, wird durch den Kontakt-abbruch auf eine harte Probe gestellt.
Eltern, die mit dieser Erfahrung konfrontiert sind, fragen sich oft, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Sie suchen nach Erklärungen, hinterfragen ihr eigenes Verhalten und versuchen, einen Weg zu finden, um die Beziehung zu ihrem Kind wiederherzustellen. Dieses Buch soll genau hier ansetzen: Es bietet eine sachliche und zugleich einfühlsame Auseinandersetzung mit dem Thema Kontaktabbruch. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Perspektive der Eltern, ohne jedoch die Sicht der Kinder zu vernachlässigen. Ziel ist es, die emotionalen, psychologischen und sozialen Aspekte dieser schwierigen Situation zu beleuchten und Wege aufzuzeigen, wie betroffene Eltern mit dem Schmerz umgehen können.
EIN WACHSENDES PHÄNOMEN?
Der Kontaktabbruch zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern ist kein neues Phänomen, aber er scheint in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der öffentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt zu sein. Verschiedene Studien zeigen, dass eine beträchtliche Zahl von Familien – bis zu 25 Prozent in einigen Untersuchungen – von einem temporären oder dauer-haften Kontaktabbruch betroffen sind. Dies bedeutet, dass das Thema viele Menschen betrifft, auch wenn es oft mit einem gewissen Stigma behaftet ist und daher im privaten Umfeld nur selten offen angesprochen wird.
Die Gründe für den Kontaktabbruch sind vielfältig und komplex. Während einige Fälle durch spezifische Konflikte oder schwer-wiegende Ereignisse ausgelöst werden, ist der Kontaktabbruch in den meisten Fällen das Ergebnis eines langen Prozesses, der oft unbemerkt beginnt und sich über Jahre hinweg entwickelt. Für viele Eltern ist es in so einem Fall schwer zu verstehen, warum ihr Kind den Kontakt abgebrochen hat, und noch schwieriger ist es, diesen Verlust zu verarbeiten.
DIE EMOTIONALEN FOLGEN FÜR BETROFFENE ELTERN
Wenn Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen, erleben die betroffenen Mütter und Väter häufig eine Vielzahl von intensiven Emotionen. Zu den häufigsten gehören:
- Trauer: Der Kontaktabbruch wird von vielen Eltern als eine Form des Verlusts empfunden, vergleichbar mit dem Tod eines geliebten Menschen. Sie trauern nicht nur um die verlorene Beziehung zu ihrem Kind, sondern auch um die Zukunft, die sie sich gemeinsam vorgestellt haben.
- Schuld und Selbstvorwürfe: Viele Eltern stellen sich die Frage, ob und was sie etwas falsch gemacht haben. Sie durchleben die Vergangenheit immer wieder aufs Neue, auf der Suche nach Hinweisen, die erklären könnten, warum ihr Kind sich von ihnen abgewandt hat. Diese Gedanken können zu quälenden Schuldgefühlen führen, die es schwer machen, nach vorne zu schauen.
- Wut und Unverständnis: Neben der Trauer empfinden viele Eltern auch Wut und Enttäuschung. Sie verstehen nicht, warum ihr Kind diesen drastischen Schritt gegangen ist, und fühlen sich im Stich gelassen. Diese Gefühle können es erschweren, den Schmerz des Verlusts zu verarbeiten.
- Isolation und Einsamkeit: Der Kontaktabbruch kann auch zu einem Gefühl der Isolation führen, da das Thema oft tabuisiert ist. Eltern sprechen selten offen über ihre Situation, aus Angst vor Stigmatisierung oder der Annahme, sie seien „gescheitert“ in ihrer Rolle als Eltern.
Diese emotionalen Belastungen sind nicht nur psychisch belastend, sondern können auch physische Auswirkungen haben. Stress, Schlaflosigkeit und depressive Verstimmungen sind häufige Begleiterscheinungen. Daher ist es wichtig, dass betroffene Eltern lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen und sich Unterstützung zu suchen.
KEIN EINHEITLICHES MUSTER: WARUM BRECHEN KINDER DEN KONTAKT AB?
Es gibt keine einheitliche Erklärung dafür, warum Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen. Die Gründe sind so vielfältig wie die individuellen Familienbeziehungen selbst. Dennoch lassen sich einige häufige Muster erkennen, die in vielen Fällen eine Rolle spielen:
- Konflikte und Missverständnisse: Viele Kontaktabbrüche sind das Ergebnis von anhaltenden Konflikten und Missverständnissen zwischen Eltern und Kind. Oftmals handelt es sich dabei um Auseinandersetzungen über Werte, Lebensentscheidungen oder die Art und Weise, wie Eltern ihr Kind behandeln. Diese Konflikte können über Jahre hinweg schwelen und sich schließlich zu einer unüberwindbaren Kluft entwickeln.
- Autonomie und Abgrenzung: Insbesondere bei erwachsenen Kindern spielt der Wunsch nach Autonomie eine zentrale Rolle. Manche Kinder fühlen sich von ihren Eltern in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt oder erleben das elterliche Verhalten als kontrollierend. Der Kontaktabbruch kann für sie eine Möglichkeit sein, sich abzugrenzen und ihr eigenes Leben zu führen.
- Emotionale Belastungen und ungelöste Verletzungen: In einigen Fällen liegen die Gründe für den Kontaktabbruch in tief verwurzelten emotionalen Verletzungen. Dies können traumatische Erfahrungen, Vernachlässigung oder eine als emotional unzureichend empfundene Erziehung sein. Für manche Kinder ist der Kontaktabbruch eine Möglichkeit, sich vor weiteren Verletzungen zu schützen.
- Einfluss externer Faktoren: Auch externe Einflüsse wie Partner, Freunde oder berufliche Belastungen können eine Rolle spielen. Manche Kinder entfernen sich emotional von ihren Eltern, weil sie von anderen Personen beeinflusst werden oder aufgrund äußerer Umstände keine Zeit und Energie für familiäre Beziehungen haben.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Kontaktabbruch selten das Ergebnis eines einzelnen Vorfalls ist. Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum entwickelt und oft für beide Seiten schwer zu durchschauen ist.
WAS ELTERN TUN KÖNNEN: ERSTE SCHRITTE IM UMGANG MIT DEM KONTAKTABBRUCH
Wenn Eltern den Kontakt zu ihrem Kind verlieren, fühlen sie sich oft hilflos und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Es gibt je-doch einige Ansätze, die helfen können, die Situation zu bewältigen und möglicherweise sogar Wege zur Wiederannäherung zu finden.
- Akzeptanz des eigenen Schmerzes: Der erste Schritt besteht darin, die eigenen Gefühle anzuerkennen und sich selbst die Zeit zu geben, den Verlust zu verarbeiten. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass der Schmerz, den man empfindet, legitim ist und dass es in Ordnung ist, traurig, wütend oder enttäuscht zu sein.
- Vermeidung von Schuldzuweisungen: So schwer es auch sein mag, ist es wichtig, nicht in Schuldzuweisungen zu verfallen – weder gegenüber dem Kind noch gegenüber sich selbst. Familiäre Beziehungen sind komplex, und der Kontaktabbruch hat oft viele Ursachen, die nicht immer auf ein „Fehlverhalten“ zurückzuführen sind.
- Offenheit für Kommunikation: Wenn Eltern die Hoffnung auf eine Wiederannäherung nicht aufgeben wollen, ist es wichtig, offen für Kommunikation zu bleiben. Dies bedeutet, geduldig zu sein und dem Kind Raum zu geben, sich wieder zu melden, wenn es dazu bereit ist. In manchen Fällen kann es hilfreich sein, professionelle Unter-stützung, wie Familientherapie, in Anspruch zu nehmen, um den Kommunikationsprozess zu erleichtern.
- Suche nach Unterstützung: Viele Eltern, die einen Kontaktabbruch erleben, fühlen sich isoliert und allein mit ihrem Schmerz. Es kann hilfreich sein, Unterstützung in Selbsthilfegruppen oder durch therapeutische Angebote zu suchen, um den Umgang mit dem Verlust zu erleichtern. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Trost spenden und neue Perspektiven eröffnen.
DIE ROLLE DER GESELLSCHAFT: STIGMATISIERUNG UND SCHWEIGEN
Ein Aspekt, der oft übersehen wird, ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Kontaktabbrüchen in Familien. Eltern, deren Kinder den Kontakt abbrechen, werden oft als „schuldige“ Partei betrachtet. Es herrscht die unausgesprochene Annahme, dass sie in ihrer Elternrolle versagt haben müssen, da es sonst nicht zu einem solchen Bruch gekommen wäre. Diese Stigmatisierung erschwert es vielen Eltern, offen über ihre Erfahrungen zu sprechen, was wiederum zu einer zusätzlichen emotionalen Belastung führt. Meine Recherchen nach ist es unglaublich schwer für Eltern, die von Kontaktabbruch betroffen sind, Hilfe zu bekommen. Während Kinder in den Sozialen Medien z.B. oft bestärkt werden, diesen Schritt zu gehen, werden Eltern dort meist nur angeprangert und verurteilt. Sie werden allein gelassen.
Doch auch Kinder, die...
Erscheint lt. Verlag | 4.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
ISBN-10 | 3-7583-5472-2 / 3758354722 |
ISBN-13 | 978-3-7583-5472-4 / 9783758354724 |
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Größe: 535 KB
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