Ratgeber Somatoforme Beschwerden und Krankheitsängste (eBook)
76 Seiten
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
978-3-8444-3290-9 (ISBN)
|8|1 Somatoforme Störungen – Was ist das?
Das Wort „soma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Körper, Leib. Unter somatoformen Beschwerden versteht man demnach schlicht und einfach Beschwerden, die die Form körperlicher Erkrankungen annehmen, sich jedoch nicht organmedizinisch abbilden oder erklären lassen. Alle körperlichen Beschwerden vom Scheitel bis zur Sohle könnten an sich somatoform sein, d. h. es gibt nicht auf bestimmte Körperteile bezogene somatoforme Beschwerden. Betroffene berichten von Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Bauchkrämpfen oder Unterleibsschmerzen; andere von Schwitzen, Herzrasen und Druckgefühl auf der Brust. Es gibt Betroffene, bei denen sich die Beschwerden mehr auf die Gelenke, Beine und Arme beziehen. Andere Betroffene leiden vor allem unter Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen, Brechreiz, Durchfall und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Auch körperliche Erschöpfungszustände können bei diesen Problemen im Vordergrund stehen. Manche Betroffene haben Beschwerden mit den Geschlechtsorganen oder Schmerzen beim Wasserlassen, auch ohne Blasenentzündung.
Merke
Somatoforme Beschwerden können an allen Stellen des Körpers auftauchen.
Die häufigsten somatoformen Beschwerden sind im folgenden Kasten aufgelistet. Studien haben gezeigt, dass Betroffene häufig nicht nur an einem Symptom, sondern an mehreren Beschwerden gleichzeitig leiden, d. h., die Symptome hängen also zumindest statistisch zusammen. Die Beschwerden können wechselnd oder hartnäckig sein.
Die häufigsten somatoformen Beschwerden
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Kopf- und Gesichtsschmerzen
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Bauch- und Magenschmerzen
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Übelkeit
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Druckgefühl, Kribbeln, Unruhe im Bauch
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|9|Herzrasen oder Herzstolpern
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Hitzewallungen, Erröten
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Übermäßig schnelles Ein- und Ausatmen
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Rückenschmerzen
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Brustschmerzen
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Völlegefühl, Blähungen
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Brennen im Brust- und Magenbereich
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Körperliche Erschöpfung
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Schweißausbrüche (heiß oder kalt)
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Atemnot (außer bei Anstrengungen)
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Unangenehme Kribbelempfindungen
Vorübergehende körperliche Beschwerden, für die ein Arzt keinen körperlichen Nachweis findet, sind ein alltägliches Phänomen. Man würde diese Beschwerden aber nicht somatoform nennen. Um von einem Krankheitsbild sprechen zu können, muss eine dauerhafte Beeinträchtigung vorliegen (mindestens 6 Monate lang). Dies ist wichtig, um alltägliche Missempfindungen von Krankheiten unterscheiden zu können. Leider werden somatoforme Beschwerden häufig nicht erkannt, zahlreiche Betroffene berichten, dass sie bereits viele Jahre unter den Beschwerden litten, bevor sie die Diagnose somatoforme Störung erhielten.
Merke
Somatoforme Beschwerden werden häufig nicht erkannt.
Ein weiteres Merkmal somatoformer Beschwerden ist, dass sie in unterschiedlichen Stärken auftreten können. Die landläufige Meinung, dass besonders intensiv erlebte oder stark beeinträchtigende Beschwerden ein sicherer Hinweis auf körperliche Erkrankungen sind, ist falsch. Gerade diesen Aspekt können jedoch viele Menschen besonders schwer nachvollziehen.
Merke
Somatoforme Beschwerden können in jeder Stärke (schwach bis intensiv) auftreten.
|10|Es kann also sein, dass Betroffene unter starken Beschwerden leiden und trotzdem oftmals sogar mehrere Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen keinen ausreichenden organmedizinischen Befund für die Erklärung dieser Beschwerden finden. Ärzte verfolgen in der Regel die diagnostische Strategie, zunächst durch Untersuchungen eine fassbare Bedrohung für Leib und Leben auszuschließen und aufgrund erkennbarer körperlicher Befunde dann auch Ansatzpunkte für eine Therapie zu finden. Werden keine körperlichen Befunde festgestellt, ist es für Betroffene natürlich beruhigend, zu erfahren, dass sie keine lebensbedrohliche Erkrankung haben, allerdings ist ihre Lebensqualität oft stark beeinträchtigt.
Merke
Somatoforme Beschwerden bedrohen nicht das Leben, aber die Lebensqualität der Betroffenen.
Auf die Nachricht, dass keine körperlichen Erkrankungen nachweisbar sind, reagieren Betroffene ganz unterschiedlich. Die einen sind erleichtert und zuversichtlich, andere wiederum fühlen sich verunsichert und fragen sich, ob der Arzt nicht eventuell etwas übersehen haben könnte oder ob er vielleicht nicht der richtige Spezialist ist. Häufig sind Betroffene sogar davon überzeugt, dass man eine körperliche Ursache für die Beschwerden finden könnte, wenn der Arzt nur lange und gründlich genug suchen würde. Sie drängen deshalb auf weitere Untersuchungen und hoffen auf eine für sie überzeugende Erklärung für die Beschwerden. Allerdings suchen viele Betroffene vor allem nach körperlichen Ursachen für die Beschwerden, während sie psychosomatische oder psychische Einflüsse eher ignorieren.
Merke
Viele Betroffene drängen auf eine weitergehende diagnostische Abklärung ihrer Beschwerden.
Eine Triebfeder dieses Verhaltens können Krankheitsängste sein. Menschen erleben Ängste vor Krankheiten in ganz unterschiedlichen Situationen. So |11|kann es jederzeit zu einer körperlichen Missempfindung kommen, wie sie beispielsweise im Zusammenhang mit Muskelverspannungen oder mangelnder Bewegung vorkommen. Allein das Auftreten von Missempfindungen kann Betroffene schon ängstigen. Krankheitsängste können auch entstehen, wenn in Medien sehr ausführlich über Krankheiten berichtet wird, die mit besonderen Missempfindungen einhergehen. Betroffene beobachten dann ihren Körper ganz genau und prüfen, ob sich die berichteten Symptome zeigen. Lassen sich ähnliche Missempfindungen beobachten, stellt sich häufig Unbehagen ein, das sich bis hin zu Angstzuständen steigern kann. Auch Erkrankungen oder Todesfälle im Bekanntenkreis oder innerhalb der Familie können zeitweilig mit erhöhten Krankheitsängsten einhergehen. Diese Ängste und Sorgen sind Teil der Trauerreaktion, gehören also zum Menschsein dazu und nehmen in der Regel nach einiger Zeit wieder ab. Dagegen berichten Betroffene, die unter somatoformen Beschwerden und Krankheitsängsten leiden, dass ihre Ängste schleichend eher zunehmen.
Typisch für Menschen mit Krankheitsängsten ist es auch, dass körperliche Missempfindungen immer als sicherer Hinweis für eine Erkrankung oder eine bevorstehende Katastrophe interpretiert werden (z. B. kommt bei Kopfschmerzen schnell der Gedanke auf, dass diese auf einen Hirntumor hindeuten). Dieses sogenannte Katastrophendenken löst dann wiederum Ängste aus, die sich über eine längere Zeit verdichten und als dauernde Bedrohung empfunden werden. Die Ängste veranlassen die Betroffenen wiederum, ihren Körper durch Abtasten oder in sich Hineinspüren auf Krankheitssymptome zu überprüfen. Die Unsicherheit treibt sie von Arzt zu Arzt, und trotz wiederholter Rückversicherungen der behandelnden Ärzte, dass keine bedrohliche Erkrankung vorliegt, stellt sich für die Betroffenen keine langanhaltende Beruhigung ein.
Erscheint lt. Verlag | 23.9.2024 |
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Reihe/Serie | Ratgeber zur Reihe Fortschritte der Psychotherapie |
Verlagsort | Göttingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Krankheiten / Heilverfahren |
Schlagworte | Aktivitätenaufbau • Angst • Atemnot • Bauchschmerzen • Entspannung • Herzrasen • Hypochondrie • Kognitive Verhaltenstherapie • Kopfschmerzen • körperliche Beschwerden • Krankheitsangst/Ratgeber • Psychische Störung/Ratgeber • Psychotherapie • Rückenschmerzen • Selbsthilfe/Ratgeber • Somatoforme Störung • Stress |
ISBN-10 | 3-8444-3290-6 / 3844432906 |
ISBN-13 | 978-3-8444-3290-9 / 9783844432909 |
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