Träume besser verstehen (eBook)
124 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-3194-4 (ISBN)
Michael Schredl ist seit 1990 auf dem Gebiet der Traumforschung tätig und wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Zusätzlich ist er außerplanmäßiger Professor an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Mannheim. Seit 1990 führt er Seminare und Fortbildungen zum Thema Arbeiten mit Träumen und zum Umgang mit Alpträumen durch. Er selbst führt seit 1984 ein Traumtagebuch mit inzwischen über 18.000 Träumen.
2 | Traumerinnerung
Heute geht die Forschung davon aus, dass das Träumen als subjektives Erleben während des Schlafes immer vorhanden ist, beim Einschlafen, im normalen Schlaf, im Tiefschlaf und im so genannten REM-Schlaf (Schlafstadium mit schnellen Augenbewegungen unter den geschlossenen Augendeckeln). Es gibt bisher keine Daten, die zeigen, dass dieses Erleben, das im Wachzustand auch immer vorhanden ist, irgendwann abreißt. Die einzige Möglichkeit, an das Traumerleben heranzukommen, besteht daran, dass die träumende Person sich nach dem Aufwachen an das erinnern kann, was sie vor dem Aufwachen erlebt hat. Dass dieses Erinnern nicht immer einfach ist, wissen viele Menschen aus eigener Erfahrung. Selbst, wenn ein Traumbild da ist, ist es nach einmal Umdrehen wieder vergessen, d.h., die Traumerinnerung ist sehr flüchtig. Woran liegt das? Anschaulich lässt sich das so erklären, dass das Gehirn – als biologisches Organ – vom Schlafzustand in den Wachzustand umschalten muss. Gerade die Gedächtniskonsolidierung erfordert, dass das Gehirn im Schlaf ganz anders arbeitet als im Wachzustand. Die Information, die tagsüber aufgenommen wurde, wird hervorgeholt und verbessert abgespeichert. Im Wachzustand hat das Gehirn ganz andere Aufgaben: Aktuelle Information wird aufgenommen und bewertet; man muss reagieren, handeln, Pläne schmieden und vieles mehr. Dazu kommt noch, dass das Gehirn keine Maschine, sondern ein biologisches Organ ist. Das Umschalten geht nicht schlagartig wie bei einem elektrischen Schalter (auch wenn man den Eindruck hat, von einem Moment zum nächsten wach zu werden), sondern das Gehirn braucht seine Zeit. Je nachdem, wie lange und wie tief man geschlafen hat, kann das einige Minuten dauern, bis die „Maschine“ auf Hochtouren läuft. Wir haben beispielsweise Gedächtnisaufgaben sofort nach einer Weckung in der Nacht (Schlaflaborstudie) präsentiert, da waren die Leistungen alles andere als gut, weil in dem Übergang vom Schlaf zum Wachen das Gedächtnis nicht so gut funktioniert wie im normalen Wachzustand tagsüber. Dieses Umschalten erklärt, warum es so schwierig sein kann, Träume (das Erleben während des Schlafes) mit in den Wachzustand hinüberzunehmen. Weiter unten werden Sie erfahren, dass diese Fähigkeit – trotz aller Schwierigkeiten – trainiert werden kann. Der Unterschied zwischen Schlaf- und Wachmodus des Gehirns bietet auch eine gute Erklärung, dass unser Gedächtnis für Träume, auch wenn wir sie am Morgen erinnert haben, nicht so gut ist wie für Wacherlebnisse. Das scheint die Natur auch gut eingerichtet zu haben, weil es ein furchtbares Chaos erzeugen könnte, wenn wir uns an alle Träume genauso gut erinnern könnten wie an unsere Wacherlebnisse. Da könnten Fragen auftauchen wie: „Habe ich tatsächlich den Termin beim Arzt abgesagt, oder es nur geträumt.“ Oder „Habe ich die Aufgabe erledigt, z. B. eine Überweisung, oder war das Teil eines Traumes.“ Es kann tatsächlich, besonders bei sehr realistischen Träumen, zu Verwechslungen kommen, doch bei den allermeisten Menschen ist das extrem selten.
Bevor es zu den Tipps geht, mit denen man die Traumerinnerung verbessern kann, soll ein Mythos angesprochen werden, der sich hartnäckig hält, aber schlichtweg falsch ist. Gerade in der Anfangszeit der Traumforschung (1950er Jahre), als die ersten Studien in Schlaflaboren durchgeführt wurden, wurde behauptet, dass wir nur während der REM-Schlafphasen träumen. REM steht für Rapid Eye Movements (schnelle Augenbewegungen) und diese kennzeichnen dieses Schlafstadium, das in ca. 4 bis 6 Phasen über die Nacht auftritt und ca. 20% des Gesamtschlafes ausmacht. Das Gehirn ist in diesem Zustand sehr aktiv, vor allem die emotionalen Zentren, und bei gezielter Weckung aus diesem Schlafstadium (Studien, die im Schlaflabor durchgeführt werden) erhält man fast immer einen Traumbericht, während die Ausbeute bei Weckungen aus anderen Schlafstadien geringer ist. Doch spätere Studien zeigen, dass auch in anderen Schlafphasen geträumt wird, beim Einschlafen, im normalen Schlaf und sogar im Tiefschlaf. Die Annahme ist, dass das Gehirn länger braucht zum Umschalten, weil es in den anderen Schlafphasen nicht so aktiv ist, um ganz wach zu sein. Das macht es plausibel, warum es noch schwieriger ist, einen Traum zu erinnern, wenn man aus dem Tiefschlaf oder dem normalen Schlaf geweckt wird. Da die REM-Phasen am Anfang der Nacht eher kurz sind (ca. 10 bis 15 Minuten) und im Verlauf der Nacht länger werden (bis zu 45 Minuten), erleben viele Menschen, dass sie sich besser an Träume erinnern können, wenn sie länger schlafen (8 Stunden plus).
Merke
Wir haben immer subjektives Erleben, ob wir schlafen oder wach sind. So ist unser Gehirn gebaut, d.h., wir träumen immer und in jedem Schlafstadium. Das Bewusstsein schläft nicht.
Trotz der Tatsache, dass unser Bewusstsein in jeder Nacht aktiv ist, ist die Traumerinnerung von Mensch zu Mensch oder auch in verschiedenen Lebensphasen bei einer Person sehr unterschiedlich.
Info-Kasten: Traumerinnerung in Deutschland
Repräsentative Studien zeigen, dass die mittlere Traumerinnerung in Deutschland bei ca. einem Morgen pro Woche mit Traum liegt. Allerdings gibt es große Unterschiede, es gibt Menschen, die jeden oder fast jeden Morgen Träume erinnern können, andere haben schon seit Jahren keinen Traum erinnert. (Quelle: Schredl, 2008).
Die Forschung zeigt, dass es viele Faktoren gibt, die mit der Traumerinnerung zusammenhängen, wie beispielsweise die oben erwähnte Schlafdauer. So erinnern sich Frauen etwas häufiger an Träume als Männer, kreative Menschen etwas mehr als weniger kreative Menschen. Personen mit Schlafstörungen erinnern sich etwas mehr an Träume, weil sie nachts häufiger aufwachen. Doch insgesamt muss man festhalten, dass all diese Faktoren nur einen ganz kleinen Teil dieser Unterschiede in der Traumerinnerung aufklären, d.h., den Großteil der Unterschiede kann man nicht so einfach erklären. Dass solche stabilen Faktoren relativ wenig Einfluss auf die Traumerinnerung haben, liegt wahrscheinlich daran, dass die Traumerinnerung durch sehr einfache Methoden verbessert werden kann, also nicht am Geschlecht oder der Kreativität, sondern an der Aufmerksamkeit, die man den eigenen Träumen schenkt. In wissenschaftlichen Studien zeigt sich, dass eine einfache Ermunterung durch die Versuchsleiterin oder die Aufgabe, für zwei Wochen ein Traumtagebuch zu führen, die Traumerinnerung massiv steigern kann. Und hier können Sie auch ansetzen, wenn Sie sich mehr an Ihre eigenen Träume erinnern wollen.
Tipps zur Traumerinnerung
- Etwas zum Schreiben (oder ein Aufzeichnungsgerät) bereitlegen
- Vor dem Einschlafen den Vorsatz wiederholen, sich an Träume erinnern zu wollen
- Beim Aufwachen (nachts oder morgens) sich etwas Zeit nehmen, um sich zurückzuerinnern.
- Falls eine Erinnerung da ist (sei sie noch so kurz), diese gedanklich durchgehen (wie ein Gedicht, das Sie auswendig lernen wollen), um die Gedächtnisspur zu verfestigen
- Aufschreiben oder Aufzeichnen (Audio) des Traumes
Die zwei Tipps, die sich auf den Abend beziehen (etwas bereitlegen, Vorsatz fassen), dienen dazu, sich auf den Moment des Aufwachens vorzubereiten, denn dieser Zeitpunkt ist relevant. Ideal wäre es, wenn man sofort nach dem Aufwachen den Traumbericht, zumindest in Stichworten, aufschreibt. Doch wenn man im warmen Bett liegt, möchte man nicht sofort aufspringen und aufschreiben. Da hilft der „Trick“, den Traum in Gedanken ein paar Mal durchzugehen, z. B. die Personen, die vorgekommen sind, die Handlungen und die Gefühle. Dieses Wiederholen im Halbwachzustand verfestigt die Erinnerung und man kann den Traum dann später aufschreiben, oder ins Smartphone sprechen. Bei regelmäßigem Aufschreiben verbessert sich die Traumerinnerung immer mehr und man kann auf das Problem stoßen, dass man morgens gar nicht so viel Zeit hat, alle Träume festzuhalten. Das ist jedoch kein Problem, da die nächste Nacht wieder eine Fülle von neuen Träumen bringen wird. Eine kleine Anekdote aus meinem eigenen Erleben verdeutlicht, wie wichtig es ist, Träume so bald wie möglich aufzuschreiben: Eines Morgens habe ich mich gewundert, dass es einen Eintrag in meinem Traumtagebuch gab, ein kurzer Traum. Diesen hatte ich in einer kurzen nächtlichen Wachphase notiert und morgens keine Erinnerung mehr an den Traum und daran, dass ich den Traum aufgeschrieben habe.
Info-Kasten: Ist es gut oder schlecht, sich an Träume zu erinnern?
Es gab früher in Fachkreisen zwei Lager: Die einen haben gesagt, dass die Personen, die sich fast nie an Träume erinnern, Verdränger sind, also alles unter den Teppich kehren. Die andere Seite behauptete, dass die Menschen, die sich viel an Träume erinnern, im wahrsten Sinne des Wortes „Träumer“ sind und nicht so gut mit dem realen Leben zurechtkommen. Heute wissen wir, dass beide Lager nicht recht haben, die Traumerinnerung hat nichts mit der psychischen Gesundheit zu tun, sondern mit dem Interesse an Träumen.
Das Phänomen, dass man während des...
Erscheint lt. Verlag | 13.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
Schlagworte | Alpträume • Ratgeber • Traum • Traumdeutung • Träume |
ISBN-10 | 3-7597-3194-5 / 3759731945 |
ISBN-13 | 978-3-7597-3194-4 / 9783759731944 |
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Größe: 333 KB
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