Ayurveda Live
Goldmann Verlag
978-3-442-21753-3 (ISBN)
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Siegfried Kogelfranz, Jahrgang 1934, ist ein bekannter Journalist und Autor. Er arbeitete 37 Jahre beim SPIEGEL, als Ressortchef und Korrespondent in Moskau und Budapest. Als Buchautor ist er vor allem mit Themen der Zeitgeschichte hervorgetreten u.a. mit
VORWORT
WAS IST ENEMA?
DER SUGARKILLER
WISSEN UM DIE NATUR DES MENSCHEN
ZU VIERT BEI DR. DSCHINGIS KHAN
EIN STUHL AUF DREI BEINEN
ZWISCHEN AIDS UND AYURVEDA
AYURVEDA UND DIE SCHULMEDIZIN
KUREN UNTER PALMEN
ALOE VERA UND ASPHALTICUM
DER BOOM ERREICHT DAS DORF
LINKSRUM SCHLAFEN, SÜDWÄRTS SCHAUEN
DAS ERBE DES PRINZEN VIJAYA
ÜBER DEN BESONDEREN SAFT
SCHLEICHENDES GIFT
»IST DAS EINE SCHOKOLADE?«
AYURVEDA AUF PREUSSISCH
MEDIZIN DES DRITTEN JAHRTAUSENDS?
VORWORT
Es ist kaum zu glauben: An die dreihundert Bücher sind im Lauf der letzten beiden Jahrzehnte zum Thema Ayurveda in deutscher Sprache erschienen. Die altindische Heilslehre entwickelt sich offenbar unaufhaltsam zu einem Hit und nicht allein des Buchmarktes. Ärzte, Heilpraktiker, Therapeuten, Esoteriker, Wellness-Genießer, Fitness-Experten, aber auch Sekten-Gurus und New-Age-Propheten suchen die jahrtausendealte Lehre vom Leben einem lawinenartig anwachsenden Publikum nahe zu bringen. Von Dutzenden Kochbüchern mit mehr oder minder ayurvedischen Rezepten ganz abgesehen.
So sollen die Geheimnisse von Pulsdiagnosen, Entgiftung des Körpers durch raffinierte Massagetechniken, Ölbehandlungen, verordnetem Erbrechen und Einläufen sowie tausenden natürlichen Heilmitteln den Lesern vermittelt, dazu noch die immens mythenbefrachtete Philosophie dieser ersten Ganzheitsmedizin enträtselt werden.
Als erstrebenswerte, auch erreichbare Ergebnisse einer ayurvedischen Behandlung werden Verjüngung, ein langes Leben in Gesundheit von Körper und Geist, gar anhaltende Schönheit (»Ayurveda-Beauty«) in Aussicht gestellt. »Gesundheit und Schönheit durch zeitloses Wissen« versprechen einschlägige Institute, andere preisen sich als wundersame Jungbrunnen an. Die Folge eines solchen weltweit verbreiteten Ayurveda-Hypes ist ein rapide expandierender Wirtschaftszweig hierzulande, aber auch in den Ursprungsländern Indien und Sri Lanka, der jährlich bereits Milliarden umsetzt.
Dieser Hype lockt immer mehr Prominente an, wie etwa den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl, der zur Zeit des Tsunami Ende 2004 an der Küste Sri Lankas kurte, der Todeswelle entkam, sich danach an einem sicheren Ort auf der Insel weiterbehandeln ließ und ein Hilfsprogramm für ein Kinderkrankenhaus startete. Oder den affärenverfolgten Welfenprinzen Ernst August von Hannover samt Gattin Caroline von Monaco, die sich im Maharishi-Ayur-Veda-Parkschlösschen von Traben-Trarbach ein paar teure Austage unter den sanften Händen einer meditativ gestalteten ayurvedischen Verwöhnkur gönnten.
In Europa, aber auch in Amerika, wo Hollywoodstars sich gern von Ayurveda-Jüngern, wie dem schriftstellernden Arzt Deepak Chopra (bisher rund ein halbes Dutzend einschlägige Bücher) zu der von ihm versprochenen »Perfect Health« leiten lassen, steht dabei zumeist der Wellness-Aspekt im Vordergrund. Das ist nicht nur in, sondern wird von einschlägigen Propagandisten gar überschwänglich zum »Megatrend dieses Jahrtausends« hochgejubelt und bringt mit relativ wenig Aufwand richtig Geld.
Ayurvedische Naturkosmetika sind zunehmend gefragt und werden teuer gehandelt. Sogar spezielle Antiaging-Programme sozusagen zum Selbstversuch gibt es im Angebot und die sollen, so wird unverantwortlich annonciert, schon nach Tagen verjüngend wirken. Ayurvedische Zeitschriften (»Ayurveda – Journal für ein gesünderes Leben«) finden regelmäßig Abnehmer. Das ayurveda-portal informiert per Internet über die jeweils neuesten Trends zum Thema. An all dem ist vor allem das weibliche Publikum interessiert, wie Frauen auch überall die große Mehrheit der Ayurveda-Patienten stellen.
Das Berliner Gesundheitsministerium macht sich gern die verbreitete Wellness-Definition der aus dem fernen Orient importierten Naturheilkunde zu Eigen. So kann der seit Urzeiten bewährten Gesundheitslehre jedwede Anerkennung als Medizin verweigert werden. Tatsächlich ist die exotische Lehre eine höchst kompliziert verwobene Mischung von Wissenschaft, Religion, Philosophie, Mythologie und Astrologie aus einem völlig anders gearteten Kulturkreis und damit dem modernen Westler in seiner ganzen Komplexität nur schwer zu vermitteln.
Medikamente wie etwa Quecksilber – reines Gift nach schulmedizinischem Verständnis –, die Asche von Pfauenfedern (soll gegen Schluckauf wirken, hätte womöglich Papst Pius XII. selig damit gerettet werden können?), Elefantenurin oder Vogelkot nebst einer kaum überschaubaren Masse von Heilkräutern scheinen eher geeignet, den Normalbürger außerhalb der an solche Dinge gewöhnten Heimat dieser Lebenslehre abzuschrecken.
Auch die im »Ayurveda Praxis Handbuch« des eidgenössischen Ayurveda-Experten Hans H. Rhyner aus alten indischen Schriften wiedergegebene Empfehlung, »die Zeit mit wunderschönen Menschen anderen Geschlechts« zu verbringen, »die mit frischen Blumengirlanden und Sandelholzpaste geschmückt sind«, klingt mehr nach tausendundeiner Nacht oder erotischen Tipps aus dem »Kamasutra« (das letztlich aus der gleichen Quelle stammt wie Ayurveda) als nach einer ärztlichen Rezeptur.
Was viele Verfasser solch interessanter, zuweilen durchaus lehrreicher Werke bislang weitgehend außen vor lassen, ist eine persönliche Erfahrung mit der Welt des Ayurveda. Es gibt kaum Schilderungen von Betroffenen, von jenen, die sich aus welchen Gründen immer ayurvedisch behandeln lassen. Es fehlen Berichte darüber, ob oder wie diese Ganzheitsmedizin aus Patientensicht nicht nur Wohlgefühl erzeugen, sondern auch Leiden heilen, vielleicht sogar Leben verlängern kann.
Ich habe bei bislang acht Kuren in anerkannten Ayurveda-Instituten Indiens und Sri Lankas, die zusammen über ein halbes Jahr dauerten, sowie einem vergleichenden Aufenthalt in einer deutschen Klinik vielseitige und, wie ich meine, auch mitteilenswerte Erfahrungen gemacht. Dabei wurde ich von chronischen Krankheiten, etwa Diabetes mellitus Typ II, befreit, nachweisbar und nachhaltig. Und darüber soll hier, keineswegs unkritisch, berichtet werden. Ebenso über die langen aufschlussreichen Gespräche mit Ayurveda-Ärzten und Therapeuten.
Hinweise auf möglichen Nutzen können sich daraus ergeben, auch Ernüchterung bei vielleicht allzu hoch gespannten Erwartungen auf Wunderheilung. Die traditionelle indische Heilmethode sei »ein Ozean des Wissens«, urteilt ein indischer Autor über die »Medical Heritage«, das medizinische Erbe seines Landes. Manche ihrer Anhänger meinen, sie könne zur Medizin des 21. Jahrhunderts werden, am wirksamsten in Verbindung mit der Schulmedizin. Ayurveda samt dem dazugehörenden Umfeld so verständlich wie möglich zu erklären, anschaulich und objektiv darüber zu berichten, wie ich das alles am eigenem Leib erlebt habe, ist mein Anliegen: sozusagen eine Gebrauchsanweisung für Interessierte und potenzielle User – eben »Ayurveda live«.
WAS IST ENEMA?
Jahre dem Leben, den Jahren Leben
Wahlspruch eines Ayurveda-Resorts in Sri Lanka
Da kann einer Englisch, hinreichend, meint er, ist ein Berufsleben lang in aller Welt gut damit zurechtgekommen, auch bei Interviews mit allerlei Prominenz. Doch dann das: Enema. Was könnte das wohl bedeuten? Null Ahnung. Die Wissenslücke hat einen Schock zur Folge, gleich zu Beginn einer insgesamt überaus angenehmen Erfahrung.
Seit jener ersten intimen Begegnung mit dem altindischen »Wissen vom Leben« vor gut elf Jahren wurde aus dem anfänglichen Skeptiker trotz manch anderer noch folgender Missverständnisse ein Ayurveda-Anhänger. Die jährliche Kur in renommierten Ayurveda-Kliniken oder -Resorts Indiens und Sri Lankas unter Obhut erfahrener Ärzte, meist dritte oder vierte Generation von Ayurveda-Heilern, wird zur immer von neuem herbeigesehnten Gewohnheit. Da wandelt sich ein lebenslanger Gourmet zum Vegetarier, verrenkt die alten Knochen zu kniffligen Yoga-Figuren, kann ein Auto-Freak nicht lange genug durch die Gegend walken, verzichtet der von Berufs wegen newshungrige Journalist auch aufs Fernsehen. Dass für heimische Zeitungen das ferne Deutschland kaum je erwähnenswert ist, relativiert die eigene Wichtigkeit und weckt zwangsläufig das Interesse an der fremdartigen Welt ringsherum, für deren Eigenarten und Probleme, die oft so völlig anders sind als zu Hause, aber auch zum Kurerlebnis gehören.
All das entspannt Körper und Geist wie nie zuvor. Das persönliche Erleben bestätigt trotz mancher ungewohnter Praktiken und eher scheußlich schmeckender Medikamente weitgehend die Aussage eines Handbuches über die »sanfte indische Heilkunst«: »Sämtliche Behandlungsmethoden sind äußerst angenehm wie wohltuend. So zählen beispielsweise die Massagen zu den schönsten Erlebnissen überhaupt.«
Wie wahr. Beim ersten Mal, fern dem Stress des Journalistenalltags sowie des nervigen Flugs in einem der stets randvollen Jumbos nach Delhi, überlasse ich mich beim warmen Licht von Öllampen mit geschlossenen Augen dem unbeschreiblichen Wohlgefühl einer Synchronmassage von vier kundigen Händen im Kräuterölbad. Voller Vertrauen, dass die wissen, was sie tun.
Doch dann – siehe eingangs. Träge folge ich der Anweisung »turn aside, please«. Jäh werde ich aus dem so angenehmen Tagtraum gerissen und schrecke panisch hoch. Da macht sich jemand gar nicht sanft am Hinterteil zu schaffen, versucht etwas in den Anus zu schieben.
Der Schock ist beidseitig. Während ich hochfahre, fallen dem dritten Therapeuten fast Schlauch und Gefäß aus den Händen. »Enema, Sir«, stammelt einer der schlanken braunen Jungs verzweifelt. »Vasthi«, assistiert ein Kollege auf Hindi, was auch nicht weiterhilft.
Dann dämmert es mir trotz sprachlichen Nichtverstehens, was da im Gange war. Etwas, was man aus der Kindheit in wenig angenehmer Erinnerung hatte: Einen Einlauf wollten mir die Kerle verpassen. Das von der Ärztin als Behandlungsbestandteil sehr wohl angekündigte Enema hatte ich mangels medizinischer Sprachkenntnisse nicht mitbekommen, allenfalls gerätselt – »Anämie« habe ich doch gar nicht. So fiel der Schreck nach anderthalb Stunden wonnigen Geknetetwerdens ebenso unerwartet wie heftig aus.
Doch da es nun offensichtlich dazu gehört, lasse ich auch diesen weniger angenehmen Teil der Behandlung über mich ergehen, mit dem erwarteten durchschlagenden Ergebnis. Bei einer Übung, die rigorose Heiler auch zum vollen Programm der inneren Hygiene einer Panchakarma-Reinigungskur zählen, verweigert sich dann doch der Körper. Sich übergeben, das wurde nichts. Auch nicht nach einem Liter warmen Salzwassers und anderen Kotzhilfen bis zum Stochern mit der Zahnbürste im Hals. Wer als Kriegskind gehungert hat, dessen Magen gibt so leicht nicht wieder her, was mal drinnen ist, zumal dank der strengen Diät eh nicht viel da sein kann. Schließlich helfen kleine schwarze Pillen weiter, um doch noch von oben bis unten alles sauber zu kriegen.
Ansonsten kaum mehr Komplikationen. Drei Wochen weit weg von der turbulenten Welt da draußen. In Harmonie mit mir selbst. Das körperliche wie seelische Wohlbefinden steigert sich von Tag zu Tag, besonders nach der ersten Woche, als mein Körper sich auf die ungewohnte Situation umgestellt hat.
Sticheleien von Freunden wie »das hältst du doch nicht durch«, ihr Ködern mit einem Flachmann Malt Whisky pur besserer Sorte, »ein Schluck kann doch nicht schaden«, prallen am wissenden Lächeln des Kurenden ab. Ich bin ja nicht achttausend Kilometer geflogen, bloß um dann die eigene Behandlung zu sabotieren.
Als bekennender Genusstyp hatte ich zwar selbst vorher bezweifelt, ob es denn ohne all das gehen würde, was so lange zum Savoir-vivre gezählt hatte. Zumal dann alles noch drastischer kam, als ich es mir hatte vorstellen können. Plötzlich kein Fleisch mehr, kein Fisch, kein Ei, kein Gramm Fett, nicht mal Milch in der veganisch-spartanischen Nahrung aus gekochtem Gemüse, Reis, Haferflocken und ein paar Früchten.
Kein Alkohol, kein Kaffee, keine Süßigkeiten, kaum Fruchtsäfte. Keine Zigarette oder Zigarre. Zum Trinken warmes Wasser, Kräutertee, ohne Zucker natürlich. »Ich lebe sozusagen von Gras und Wasser«, schrieb ich, durchaus zur Schadenfreude der Familie, klagend nach Hause. Aber ich lebte trotz eines noch zusätzlichen (mehr oder weniger ernst gemeinten, das habe ich nie herausgefunden) Keuschheitsgebots tatsächlich gut mit der Fastenkur. Kein Hungergefühl, keine Gier nach Schmankerln, beinahe so, als sei’s nie anders gewesen.
Dazu, sicher hilfreich, immer volles Programm. Morgens um sechs Kräutertee, danach eine Stunde flotten Marsches – im Gegensatz zu späteren Erfahrungen anderswo, wo Ruhe als erste Patientenpflicht galt. Dann wieder Tee, Porridge und ein Apfel. Die schönsten Stunden des Tages: mehrhändige Massage im individuell gemixten Kräuterölbad, Kopfberieselung mit warmem Öl oder kalter Milch. Naseneinlauf mit scharfen Tropfen. Und ja, auch Enema, sanft appliziert und einmal gewohnt auch gleichmütig ertragen. Abwechselnd mit einer kleinen Dosis Öl-Kräuter-Essenz, die über den Darm auf den ganzen Organismus einwirken soll und einer vollen Ladung warmen Wassers, auch das mit allerlei Heilkräutern vermischt.
Wegdämmern bei leiser Musik, indisch oder klassisch, und alle Sorgen vergessen. Wohlriechende Räucherstäbchen, das eine oder andere Buch, für das ich sonst nie Zeit fand (obwohl einige asketische Ärzte auch das schon für zu viel Ablenkung halten). Yoga bei einer professionellen Lehrerin, die auch vom Schüler höchstmögliche Perfektion verlangt. Noch eine Stunde flotten Marschierens, mal auch zwei. Freuen auf den nächsten Tag. Erstes Erfolgserlebnis: Die ungewohnten Yoga-Übungen werden von Tag zu Tag gelenkiger absolviert, nicht zuletzt, weil auch die Waage, wie erfreulich, täglich ein Pfund weniger anzeigt.
Die Massagen wechseln zur Abreibung mit Leinenbeuteln, gefüllt mit einer Milch-Reis- und Kräutermischung, die dann noch in warmes Öl getaucht werden. Der speziell dafür geeignete Reis muss bis zu acht Tage lang geköchelt werden. Gespräche mit Doktoren, die sich nach näherem Kennenlernen alle Zeit nehmen, über Sinn, Zweck und Wirkung von Ayurveda Auskunft geben. Auf Fragen nach etwaigen Risiken immer dieselbe, vielleicht allzu selbstsichere Antwort: keine.
Das sind Heilkundige, die sich durch Blick auf Augen, Zunge, Antlitz, Fingernägel, Haare, die gesamte Erscheinung und immer wieder Fragen ein Bild vom Zustand eines Menschen machen. Dazu die Art, wie man sich bewegt, die Stimme, Abhören und vor allem ein dreifingriger Druck auf die Handwurzeln, die so genannten Pulsdiagnose, verrät dem Arzt den ayurvedischen Typus des Patienten, signalisiert ihm aber auch Herzstörungen, Bluthochdruck, Lungenentzündung, Nierensteine, Fettleber, Bronchitis, Schwindel, Migräne, Arthritis, Diabetes, Verdauungsstörungen und noch vieles mehr, was er da sehen, fühlen, ertasten und sodann diagnostizieren kann.
Ich habe da im Lauf all meiner Behandlungen tatsächlich die erstaunlichsten Erfahrungen gemacht. Mir wurden Krankheiten aus ferner Vergangenheit auf den Kopf zugesagt, die ich selbst längst vergessen hatte. Das veranlasste mich, einmal einen kompletten »Leidens-Kalender« meines ganzen Lebens zusammenzustellen, der, wie ich erschreckt feststellte, gut für eine halbe Kompanie reichen könnte. Aber nun bin ich auch an Bakterien, Viren, Unfälle und Verwundungen in aller Welt geraten, als hätte ich so etwas immer magisch angezogen.
Die indischen Ärzte erklärten mir, dass in der klassischen altindischen Sanskrit-Sprache Ayur Leben und Veda Wissen bedeutet und Ayurveda, das Wissen vom Leben, mit einer Tradition von mehreren Jahrtausenden die älteste Heilkunde der Welt, somit Mutter aller Medizinen sei. Sie baut, wie die ältesten ayurvedischen Texte vermitteln, auf drei Säulen: ausgeglichene Ernährung und guter Schlaf, geistige Hygiene und gesundes Sexualleben – ja das auch, vielleicht könnte die katholische Kirche hier noch etwas dazulernen.
Ayurvedische Medizin ist vom Prinzip her nicht auf Bekämpfung spezifischer Einzelstörungen ausgerichtet. Sie ist vielmehr das totale Gegenteil moderner Apparatemedizin, die jedes Symptom getrennt diagnostiziert und behandelt. Der Ayurveda-Arzt hat immer den gesamten Menschen vor sich, nicht seine gerade akuten Leiden. Körper, Geist und Seele gelten als untrennbare Einheit, deren kombinierte Selbstheilungskräfte im Patienten aktiviert werden müssen. Jeder Mensch wird strikt individuell behandelt. Zwei gleiche Patienten mit gleicher Therapie gibt es nicht, auch wenn sie die gleichen Symptome zeigen.
Die Menschen bestehen für den Ayurveda-Arzt aus den fünf Bausteinen des Universums, da für ihn Natur, Universum und Mensch eins sind: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum (Äther). Es gibt drei Haupttypen des Menschen, Doshas genannt, die schon von der Zeugung an das künftige Leben mitbestimmen: Vata, Pitta und Kapha. Geraten diese Doshas in einem Individuum in großes Ungleichgewicht, kommt es zu Störungen, die zu Krankheiten, letztlich zum Tod führen können. Sie sollen durch Behandlung soweit wie möglich wieder ausgeglichen werden, um das Immunsystem und somit die Selbstheilungskräfte zu aktivieren, allein darauf kommt es an. Hört sich einfach an, ist aber in der Praxis doch viel komplizierter.
Die ayurvedische Definition von Gesundheit schien der Weltgesundheitsorganisation WHO immerhin so überzeugend, dass sie diese 1987 übernahm: »Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern ein Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens.«
»Ayurveda ist keine fossile Folkloremedizin, sondern ein relevantes, dynamisches, fortschrittliches System, das sehr wohl auch die Bedürfnisse westlicher Patienten erfüllen kann«, urteilt ein indischer Wissenschaftler, der das zunehmende Abgleiten der Heilslehre in die weite Welt des Wellness-Booms bedauert. Gar als »desaströs« geißelt Dr. Madhavankutty von Arya Vaidya Sala im keralischen Kottakal, der führenden Ayurveda-Einrichtung in Indien, die jährlich etwa eine Million Patienten betreut, den zunehmenden »Missbrauch« seiner Medizin.
Dies ist sicher gerechtfertigt angesichts tausender kaum oder gar nicht ausgebildeter Strandmasseure an den Küsten Indiens und Sri Lankas, deren Opfer wähnen, sie hätten eine »ayurvedische Behandlung« erfahren. Oder eines Luxushotels in den Bergen Sri Lankas, das Gästen eine »ayurvedische« Massage anbietet, bei der dann ein kleiner Junge den Körper mit drei Fingern streichelt, sicher nicht unangenehm, bestimmt aber völlig wirkungslos. Und erst recht bedenklich angesichts tausender pseudoayurvedischer Pfuscher überall in der Welt, die an diesem nahrhaften Kuchen mitnaschen wollen.
Reihe/Serie | Arkana ; 21753 |
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Sprache | deutsch |
Maße | 135 x 206 mm |
Gewicht | 305 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Östliche Weisheit / Alte Kulturen |
Schlagworte | Ayurveda • Taschenbuch / Ratgeber/Spiritualität/Altes Wissen, alte Kulturen • TB/Medizin/Ganzheitsmedizin • TB/Ratgeber/Spiritualität/Altes Wissen, alte Kulturen |
ISBN-10 | 3-442-21753-9 / 3442217539 |
ISBN-13 | 978-3-442-21753-3 / 9783442217533 |
Zustand | Neuware |
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