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In einem Boot (eBook)

Warum Leistungssport so wichtig für die Gesellschaft ist

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Edel Sports - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-98588-106-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In einem Boot -  Ronald Rauhe
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Ronald Rauhe war jahrelang der beste Kanusportler Deutschlands und ist einer der erfolgreichsten deutschen Sportler der vergangenen Jahrzehnte überhaupt: Er nahm an sechs Olympischen Spielen teil, gewann zweimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Darüber hinaus ist der gebürtige Berliner sechzehnfacher Weltmeister. Seine beinahe drei Jahrzehnte währende Karriere war mit extremen Entbehrungen verbunden. Immer wieder musste er seine Komfortzone verlassen und unorthodoxe Wege beschreiten, um sich den Herausforderungen des Leistungssports stellen zu können. Am Ende waren es aber genau diese Faktoren, die ihn immer besser und stärker gemacht haben. Rauhes elementares Anliegen ist die Ermutigung und das Bekenntnis zu Leistung - in einer Gesellschaft, in der das Mittelmaß zum Standard geworden ist. Ein wichtiges Buch zur Diskussion über gemeinschaftliche Werte und soziale Ziele, in der Ronald Rauhe einen klaren Standpunkt bezieht.

Ronald 'Ronny' Rauhe, geboren 1981 in West-Berlin, ist nicht nur einer der erfolgreichsten Kanusportler Deutschlands, sondern einer der erfolgreichsten deutschen Sportler der vergangenen Jahrzehnte überhaupt. Er nahm an sechs Olympischen Spielen teil, gewann zweimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Darüber hinaus ist er 16-facher Weltmeister. Heute ist er als TV-Experte, Unternehmer und Speaker tätig und Mitglied in der Athletenkommission des Europäischen Olympischen Komitees (EOC).

Ronald "Ronny" Rauhe, geboren 1981 in West-Berlin, ist nicht nur einer der erfolgreichsten Kanusportler Deutschlands, sondern einer der erfolgreichsten deutschen Sportler der vergangenen Jahrzehnte überhaupt. Er nahm an sechs Olympischen Spielen teil, gewann zweimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Darüber hinaus ist er 16-facher Weltmeister. Heute ist er als TV-Experte, Unternehmer und Speaker tätig und Mitglied in der Athletenkommission des Europäischen Olympischen Komitees (EOC). Andreas Matlé wurde 1960 in Frankfurt geboren, wo er eine Diskothek betrieb und für lokale Zeitungen schrieb. Heute leitet er die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens und organisiert Kulturveranstaltungen. Buchveröffentlichungen u. a. "Sonay A. – Hier will ich leben", "Bock!", "Kim Bui. 45 Sekunden" und "Deutsche Dinge. Eine Geschichte in 75 Kapiteln". Er lebt in der Wetterau bei Frankfurt.

Verlieren lernen


Seine Kameraden schlurften mit hängenden Schultern über die Planke an Land. Nur Opa Herbert nicht. Gerade mal 1,60 Meter groß, war er der Einzige der Besatzung, der aufrecht, beinahe fröhlich den Weg in die Gefangenschaft antrat. Weil er froh war, mit dem Leben davongekommen zu sein? Weil er alles nahm, wie es kam, und immer versuchte, das Beste daraus zu machen? Weil er wusste, hängende Schultern sind keine Lösung?

Dieses Bild war eingebettet in eine Dokumentation, die wir uns gemeinsam im Fernsehen anschauten. Opa war Mitglied der Besatzung des U-Bootes U-234 gewesen, dass am 15. April 1945 von Kiel aus zu einem der mysteriösesten Kommandos im Zweiten Weltkrieg ablegte. An Bord Experten für Raketen-, Schiff- und Flugzeugbau, zwei japanische Offiziere – und 560 Kilogramm Uranoxid, aus denen sich kernwaffenfähiges Uran hätte gewinnen lassen können. Ziel der Mission: Japan.

Am 8. Mai kapitulierte Deutschland, das Unterseeboot durchpflügte jedoch weiter den Atlantik, bis sich der Kapitän am 14. Mai 1945 vor der amerikanischen Ostküste dem Geleitzerstörer USS Sutton ergab. Welche Fracht sie an Bord hatten, dämmerte Opa erst, als amerikanische Soldaten mit Geigerzählern durch das Boot liefen.

Opa verbrachte mehrere Jahre in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Als Knirps habe ich ihm nicht die Fragen gestellt, die ich ihm heute gerne stellen würde. Die geschichtliche Leinwand, auf der sich das abspielte, konnte ich natürlich noch nicht erfassen. Aber er erzählte von sich aus einiges über diese Zeit. Anfangs herrschte im Lager ein harscher Ton, aber das änderte sich rasch, als aus ehemaligen Feinden Verbündete wurden. Kein böses Wort, keine nachtragenden, abwertenden Sätze kamen je über seine Lippen, im Gegenteil. Er hatte Freundschaft mit etlichen Amerikanern geschlossen, die er auch nach seiner Rückkehr nach Berlin jahrelang pflegte. Es machte ihm Spaß, mir, der ich gerade die ersten englischen Vokabeln lernte, seine Sprachkenntnisse zu vermitteln: „How do you do“, „a piece of cake“, „a hard nut to crack“ – und das mit einer völlig anderen Klangfarbe als die Aussprache, die wir in der Schule lernten.

Vor dem Krieg hatte er bei BMW in Spandau Mechaniker gelernt und Flugzeugmotoren montiert. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft haderte Opa nicht, sondern legte gleich los. Er reparierte nun Motoren in britischen Betrieben, die sich in Berlin niedergelassen hatten. Von dort ging es weiter zu einem Autohaus, wo er sich vom Kundendienstberater zum Leiter des größten VW-Porsche-Hauses der Stadt hocharbeitete. Er ließ den VW-Käfer meines Papas in Porsche-Rot lackieren, und Papa tunte den Motor – heimlich (Opa durfte das auf keinen Fall wissen). Ich kann mir gut vorstellen, wie diebisch er sich freute, wenn er nach der Rotphase an der Ampel so manchen PS-starken Wagen neben sich stehen lassen konnte.

Neben meinen Eltern war Opa Herbert der Mensch, der mich am meisten geprägt hat. Er war lebensbejahend, offen gegenüber anderen Menschen, suchte das Gespräch, zeigte Interesse an anderen und hatte ein einnehmendes Wesen. Er klopfte keine Sprüche, sondern packte an und machte. Er war jemand, auf den man sich jederzeit verlassen konnte.

Nach dem Unterricht in der Grundschule in Spandau-Haselhorst wackelte ich oft zu ihm. Das war eine Freude für mich, das war eine Erfüllung für ihn. In seinem Garten in Kladow, im Süden von Spandau, stand eine Tischtennisplatte, und da nahm er keine Rücksicht, also in dem Sinne, nun müsse er den Kleinen mal gewinnen lassen. Solange er fest auf beiden Beinen stand, hatte ich keine Chance gegen ihn. Immerhin nahm er noch an Seniorenweltmeisterschaften teil, die ihn bis nach Australien führten. Da verbat es seine Reputation, sich vom Enkel abschmettern zu lassen. Bis ins hohe Alter strampelte er in St. Peter-Ording auf dem Fahrrad. Von dort stammte seine zweite Frau, die er heiratete, nachdem meine Oma Mausi gestorben war. Ich verbrachte die Ferien oft bei ihnen in Nordfriesland, wo wir kilometerlange Touren auf dem Rad unternahmen – Opa immer vorneweg, gleich welche Brise uns von vorne ins Gesicht blies.

Wenn er mich nicht um die Tischtennisplatte scheuchte oder mit dem Rad das Tempo vorgab, saß ich in seinem Wohnzimmer auf der gemütlichen Couch, schlug die Beine unter, und er zog ein Gesellschaftsspiel oder das Schachbrett aus der großen Schrankwand hervor. Dann spielten wir stundenlang Schach. Ob ich ihn einmal besiegt habe? Weiß ich nicht mehr, und wenn ja, vielleicht nur, weil er nachgab, damit ich nicht die Lust verliere.

Denn das Wichtigste war, aber das verstand ich erst viel später: dass ich verlieren lernte. Das war es, was mir Opa Herbert zuallererst beibringen wollte. Wenn ich bei Malefiz festsaß oder er mal wieder meinen König matt gesetzt hatte: Ein guter Gewinner ist der, der weiß, wie man verliert. Nur wer mit erhobenem Kopf, ohne zu jammern, durch eine Niederlage geht, die Schuld nicht bei anderen oder den Umständen sucht, sondern sich selbst hinterfragt, der ist ein Gewinner. Dazu muss er nie ganz oben auf dem Treppchen gestanden haben.

Aber das will nun mal gelernt sein. Da helfen keine noch so gut gemeinten Lehrsätze aus der Pädagogik, und schon gar nicht hilft es, wenn man über Kinder und Jugendliche einen undurchdringlichen Schutzschirm spannt, um sie vor jedem nur denkbaren Ungemach zu bewahren. Man muss nun mal an die heiße Herdplatte greifen, um zu wissen, dass das nicht die beste Idee ist. Man braucht nun mal nach ungestümem Lauf aufgerissene Knie, um beim nächsten Mal Vorsicht walten zu lassen. Man muss verlieren, um zu lernen, dass nicht an jedem Tag die Sonne scheint. Wenn ich mir aber anschaue, wie viele Jugendliche und junge Erwachsene heute wie Schneeflöckchen durchs Leben gleiten und beim leichtesten Gegenwind nicht mehr weiterwissen, wobei die Welt für sie untergeht, dann meine ich zu sehen, was Überbehütung auslösen kann. Kinder sind stark genug, um Niederlagen hinzunehmen und daraus zu lernen. Wir sollten sie nicht schwächer machen, als sie sind. Ich bin dafür, Kindern viel mehr zu vertrauen und zuzutrauen. So wie ich das von meinen Eltern vermittelt bekommen habe: Sie gaben mir die Gelegenheit, mich etwas trauen zu dürfen. Kinder brauchen Menschen an ihrer Seite, die sie fördern und die da sind, wenn sie mal ausrutschen. Wenn wir ihnen helfen, wieder aufzustehen, werden sie dankbar sein, und wenn wir ihnen dann zeigen, wie sie es besser machen können, werden sie zuhören.

Meinen Opa Herbert und meine Eltern wusste ich immer an meiner Seite. Sie betteten mich nie auf Wolke sieben, aber sie gaben mir auch nie ein schlechtes Gefühl, wenn etwas nicht auf Anhieb klappte. Ich bin mir sicher: Meine sportliche Laufbahn, ich gehe noch weiter, mein bisheriges Leben wäre nicht so verlaufen, hätte mir Opa Herbert nicht diese Lektion im Verlieren beigebracht. Meine Karriere verlief durchweg sensationell, aber es gab auch Rückschläge – über die noch zu berichten sein wird. Doch ich hatte ja Opa Herberts Lehre verinnerlicht: Ein guter Gewinner ist der, der weiß, wie man verliert. Und wo könnte man das besser lernen als im Sport?

Neben dieser Leitplanke für mein Leben habe ich meinem Großvater noch etwas anderes zu verdanken: die Liebe zur Jazzmusik. Die hatte er aus den USA über den Atlantik mitgebracht. Wenn er die 32 Figuren des Schachspiels aufgebaut hatte, zog er aus besagter Schrankwand eine seiner vielen Platten hervor: Glenn Miller, Benny Goodman, Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Artie Shaw oder Tommy Dorsey. Dann drehte er die Lautstärke auf, wippte zur Musik, schnipste mit den Fingern und war der vergnügteste Mensch der Welt. Vielleicht auch, weil er sah, wie ich wieder einmal auf seine sizilianische Eröffnung reinfiel. Seine Leidenschaft für den Groove, den Swing und den Bebop deckte sich gut mit seiner Lebensphilosophie: dem Drang nach Freiheit und Kreativität, dem Wunsch, neue Dinge auszuprobieren, für die es keine Blaupause gab. Im Jazz geht es um Individualität ebenso wie um das Zusammenspiel in der Gruppe und das Akzeptieren von Fehlern. Es geht um Körperlichkeit, die Leidenschaft für eine Sache, unterschiedliche Spielarten. Mein Großvater war auch ein leidenschaftlicher Tänzer.

All das habe auch ich verinnerlicht. Jazz ist bis heute meine Musik. Musik kann gut motivieren, gerade beim oft eintönigen Training. Während sich die anderen mit Housemusic von Deepest Blue oder Paul van Dyk oder mit Hardrock von AC/DC oder In Extremo pushen, höre ich Chattanooga Choo Choo und In the Mood, auch wenn das einige belächeln mögen. Aber ich kam und komme mit dieser Musik „in the mood“. Das warme Gefühl, das sie mir gibt, die Erinnerungen, die damit verbunden sind, sind bis heute geblieben.

Opa Herbert verfolgte meine Laufbahn voller Stolz. Das wird jeder verstehen. Aber das Beste war: Er wäre so oder so stolz auf mich gewesen, ganz unabhängig von den Ergebnissen, die ich erzielte. Oft begleitete er mich zu den Wettkämpfen, zu sämtlichen Weltmeisterschaften sowieso, nach Mailand, nach Kroatien, nach Ungarn, und auch für die Olympischen Spiele 2004 nach Athen packte er seinen Koffer. Da war er schon weit über achtzig Jahre alt.

Ein Glücksfall, den ich jedem nur wünschen kann: eine derart befruchtende, erfüllende Beziehung zu seinem Großvater zu haben. Opa kannten in der Kanuszene wahrlich viele Menschen, seien es Athleten, Funktionäre oder mitreisende Fans – auch aus anderen Ländern, mit denen er sich fließend auf Englisch unterhielt. Er war das, was man heute einen Kommunikator nennt. Und ein Menschenfreund war er sowieso. Wenn er mal nicht mit auf Reisen kommen konnte, wurde ich...

Erscheint lt. Verlag 7.9.2024
Co-Autor Andreas Matlé
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport Segeln / Tauchen / Wassersport
Schlagworte Biographie • Erfolgs-Geschichte • Europameister • exklusive Einblicke • Geschenk-Buch • Gesellschaft • Kajak-fahren • Kanu-fahren • Kanu-Sport • Kanute • Kanu-verein • Leistungsgesellschaft • Leistungssport • Olympiasieger • Ronald Raue • Ronny Rauhe • Sach-buch • Sport-Biografie • Sport-Buch • Sportler-geschichte • Tim Wieskötter
ISBN-10 3-98588-106-5 / 3985881065
ISBN-13 978-3-98588-106-2 / 9783985881062
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