Meine Zweifel können mich mal! (eBook)
224 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45935-6 (ISBN)
Karina Rey ist unter dem Künstlernamen Karina Thayenthal aus über 300 Produktionen in Film und Fernsehen bekannt. Sie ist Trägerin des deutschen Fernsehpreises. Heute ist sie gefragte Speakerin, Unternehmensberaterin, Universitätsdozentin und Trainerin für Auftrittskompetenz und kulturelle Verständigung.
Karina Rey ist unter dem Künstlernamen Karina Thayenthal aus über 300 Produktionen in Film und Fernsehen bekannt. Sie ist Trägerin des deutschen Fernsehpreises. Heute ist sie gefragte Speakerin, Unternehmensberaterin, Universitätsdozentin und Trainerin für Auftrittskompetenz und kulturelle Verständigung.
Einführung: Die Geschichte mit dem Richter
Herzlich willkommen! Ich freue mich, dass du da bist. Lass uns über Zweifel und Ängste reden, sodass du am Ende des Buches sagen kannst: »Meine Zweifel können mich mal!«
Ich möchte mit einer persönlichen Geschichte beginnen:
Als ich 17 Jahre alt war, zeigte mich eine Person aus meinem näheren familiären Umfeld bei der Polizei wegen »Drogenkonsum und Gruppensex« an. Meine Mutter und mein Großvater waren gerade innerhalb eines Monats gestorben und meine Großmutter lag im Krankenhaus. Meine Eltern waren geschieden und mein Vater lebte als Dirigent im Ausland. Er kannte mich wenig und reiste viel. Ich hatte einiges zu bewältigen, doch Drogen und Gruppensex gehörten definitiv nicht dazu. Wie diese Person damals auf diese absurde Idee kam, weiß ich bis heute nicht. Ich wurde zur Vernehmung gerufen, erst zur Polizei, dann vor Gericht. Der Richter hatte aufgrund der Anklage zu prüfen, ob er mich in ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche stecken oder mich stattdessen für verfrüht volljährig erklären sollte. Als ich die Vorladung erhielt, war ich wie paralysiert. Geschockt über das verletzende Verhalten eines Menschen, dem es offensichtlich mehr um das Erschleichen von Erbschaftsgütern, als um ehrliche Sorge ging, fühlte ich, wie eine eisige Welle der Angst mir den Rücken hinunterlief, mir die Kehle zuschnürte, während mein Herz raste und meine Hände zitterten. Meine Gedanken wirbelten chaotisch umher, die Welt um mich herum schien zu verschwimmen, als würde ich durch einen dichten Nebel blicken. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden, ich musste mich setzen, um nicht zu fallen. Ein Gefühl der Ohnmacht überkam mich, ich konnte kaum noch atmen. Mir war, als würde ich tiefer und immer tiefer in ein riesiges Loch fallen.
Ich hatte Angst, unbändige Angst! Sie wurde mein permanenter Begleiter. Wie ein schwerer Stein auf meiner Brust war sie da, wenn ich morgens aufwachte. Sie saß mir im Nacken, während ich mich durch den Schultag quälte. Und schließlich flüsterte sie mir – unerbittlich und lähmend – vorm Einschlafen bedrohliche Dinge ins Ohr: »Es liebt dich keiner, du schaffst das nicht, du bist nicht gut genug.« Ich wollte nicht in ein Heim. Ich wollte nicht weg – aus der Stadt, die meine war; aus den Gassen, die mir vertraut waren; aus der Schulklasse, zu der ich dazugehörte. Ich hatte Angst vor dem Richter. Angst vor seiner Ablehnung. Angst, nichts und niemandem zu genügen, seine Erwartungen nicht zu erfüllen. Ich hatte Angst, zu versagen. Angst, meine tote Mutter zu enttäuschen. Angst, der Richter würde meine panische Körpersprache falsch deuten, meine Furcht spüren und mir daher nicht glauben. Angst, nicht die passenden Worte zu finden. Angst, nicht anständig genug auszusehen, stecken zu bleiben, durchschaut zu werden, zu stottern, in Ohnmacht zu fallen. Ja, ich hatte Angst, zu sterben.
An den Tag meiner Verhandlung erinnere ich mich noch, als wenn es heute wäre. Das Bezirksgericht der Gemeinde Mödling bei Wien war ein dunkles Gebäude mit kalten, in die Höhe ragenden Räumen. Zuerst musste ich an einem Pförtner vorbei, der mich in den dritten Stock in den Raum 216 schickte. Den Brief mit der Vorladung in der Hand stieg ich eine steinerne Treppe hinauf. Überall liefen Erwachsene mit Akten und Taschen geschäftig umher, sagten aber keinen Ton, würdigten mich keines Blickes. Ich schien nicht weiter aufzufallen, so beruhigte ich mich etwas. Oben angekommen, suchte ich die Nummern an den schweren hohen Holztüren ab. Der Gang führte mich immer weiter in die unergründlichen Tiefen des dunklen Gebäudes. Der Holzboden unter meinen Füßen knarzte bei jedem Schritt. Nach einem schier endlosen Weg entdeckte ich die Nummer 216 – in schwarzer Schrift auf weißem Grund. Ich holte einmal tief Luft, gab mir einen Ruck und klopfte. Ein Mann, er war nur wenige Jahre älter als ich, öffnete die Türe einen Spalt, schaute kurz auf mein Dokument, das ich ihm entgegenstreckte, und schickte mich ins Wartezimmer. Obwohl es Hochsommer war und die Hitze schwer über dem Städtchen lag, drang kein Sonnenstrahl durch die kleinen Fenster. Es war kühl und dunkel, und es fröstelte mich in meinem Sommerkleid, als ich mich mit klopfendem Herzen auf einen der acht Stühle im leeren Wartezimmer setzte und mir nervös auf meine Unterlippe biss. Eine Christusfigur hing an der einen Wand, das Bild des damaligen österreichischen Bundespräsidenten an der anderen. Eine Uhr tickte. Außer mir war niemand da. Ich zupfte nervös mein Kleid zurecht und wartete.
Viele Wochen lang hatte ich mich auf diesen Termin vorbereitet. Aber jetzt war ich bleich, zittrig und schwach. Ich wusste tief in mir drinnen, wie entscheidend es für mich war, dass der Richter mir vertraute. Ich wollte nicht in ein Heim, ich wollte die Freiheit. Wer auch immer dieser Richter war, ich musste ihn für mich gewinnen, ihn überzeugen. Ja, ihn ermutigen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, mir zu vertrauen und mich in die Welt der Erwachsenen zu lassen. Mein ganzes Sein, meine Kleidung, Ausstrahlung, Gestik und Mimik und meine Augen mussten das unterstützen, was ich mir an Worten zurechtgelegt hatte. Instinktiv ahnte ich, dass ich nur etwas präsentieren konnte, was ich in meinem Inneren ganz stark fühlte. Die Gewissheit über meine Schuldlosigkeit musste sich somit in meinem Auftreten widerspiegeln.
Da durchbrachen Schritte auf dem knarzenden Parkettboden die Stille und der junge Mann, der mich eingelassen hatte, nickte mir zu, während er die Tür zum Verhandlungsraum öffnete. Ich stand auf, atmete durch, straffte meine Schultern und war bereit, meine Zukunft zu verteidigen.
Ich betrat den Verhandlungsraum und setzte mich. Die anderen anwesenden Personen nahm ich zunächst überhaupt nicht wahr. Meine Augen hielt ich gefasst auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, bis der Richter hereinkam. Dieser war ein ernster, korpulenter Mann, dunkel gekleidet, mit einer Brille, die seine Augen sehr groß erscheinen ließ. Ich hatte das Gefühl, einem Menschen zu begegnen, der jede kleinste Unwahrheit mit seinem durchdringenden Blick auf hundert Meter Entfernung erkennen konnte. Ich wusste, er würde über meine Zukunft entscheiden. Nun räusperte er sich und begann mit einer kurzen Beschreibung »des Falls«, bevor er Fragen stellte. Unser Gespräch dauerte annähernd eine Stunde. Er wollte ganz genau wissen, wie ich mir mein Leben vorstellte, welche Freunde und Freundinnen mich umgaben und was ich mir für meine Zukunft wünschte. Ich erzählte ihm meine Version der Geschichte. Die, die wirklich stimmte:
»Meine Freunde haben mir beim Ausräumen der Wohnung meiner Mutter geholfen. Jedes Möbelstück, jeder Teller und jeder Topf, jedes Kleid, jeder Strumpf und jedes Buch musste irgendwo hingeschafft werden. Da stand dieser Mensch plötzlich vor der Tür. Er war aufgebracht und wollte reinkommen. Ich hatte ihn lange nicht gesehen, ich hatte Angst vor ihm und wollte ihn nicht reinlassen, doch er stellte den Fuß in die Türe, sodass ich nicht mehr schließen konnte. Mit Drogen und Gruppensex hatte das nichts zu tun. Bitte glauben Sie mir. Ich möchte meiner Mutter und mir beweisen, dass ich die Schule fertig machen und studieren kann. Ich will auf meinen eigenen Beinen stehen. Ich schaffe das.«
Tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich stark, mutig und lebenshungrig war. Ich wollte die Herausforderung annehmen. Wollte meinen Weg ins Leben finden und in der Welt der Erwachsenen, die wie ein Donnerschlag über mich hereingestürzt war, bestehen. Eine enorme Kraft erfüllte mich, während ich mit meinen Worten, mit meinem Auftreten, mit Herz und Seele für mich kämpfte. Und so wurde ich mit 17 Jahren für volljährig erklärt. Es fühlte sich schmerzvoll an, auch ein bisschen einsam, aber ich hatte den Richter überzeugt und konnte von nun an mein Leben selbst gestalten.
Ich erzähle dir diese persönliche Geschichte, weil ich dir sagen möchte, dass ich Angst – tiefe, große, erdrückende Angst – kenne. Ich habe sie erlebt und mit all meinen Sinnen gespürt, bis ins tiefste Mark hinein. Ich weiß und habe erfahren, wie Angst unsere Kommunikation...
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2024 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Bewerbung / Karriere |
Schlagworte | Ängste • Auftreten • Booktok • Coach • Erfolg • Geschichten • Karina Thayenthal • Kommunikation • Körpersprache • Lampenfieber • Lebensgeschichte • Rede • Schauspielerin • Selbstvertrauen • Sprechen • TikTok • Vortrag • Zweifel |
ISBN-10 | 3-593-45935-3 / 3593459353 |
ISBN-13 | 978-3-593-45935-6 / 9783593459356 |
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