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Auf Leben und Tod (eBook)

Gespräche über das, was am Ende zählt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
240 Seiten
btb Verlag
978-3-641-31462-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf Leben und Tod - Eric Wrede
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SPIEGEL-Bestsellerautor Eric Wrede schreibt offen über das, worüber die meisten nicht zu sprechen wagen: den Tod
Der Tod gehört zum Leben dazu. Warum fällt es uns dann trotzdem so schwer, über ihn zu reden? Sterben und Abschiednehmen sind in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Für Eric Wrede, Deutschlands bekanntesten Bestatter und Trauerbegleiter, fängt das richtige Ende genau dort an: mit dem Aufbrechen und Begraben von längst überholten Tabus. Seit Jahren spricht Eric Wrede deshalb in seinem Podcast »The End« mit prominenten Gästen (u.a. Eckart von Hirschhausen, Anke Engelke, Sven Regener oder Sarah Kuttner) und interessanten Expert*innen über alles, was rund um den Tod wichtig ist. Erstmalig gibt es eine Auswahl dieser Interviews nun in Buchform, kommentiert und begleitet von Eric Wrede und seinen Erfahrungen mit dem Tod. Ein Buch über unseren Umgang mit dem Tod, vor allem aber auch ein Buch über das Leben. Wie können wir uns davon frei machen, nur hinter verschlossenen Türen oder auf Beerdigungen offen mit dem Sterben umzugehen?

Eric Wrede ist Bestatter bei lebensnah. Er ist aus seinem alten Beruf als Musikmanager ausgestiegen, um seine Idee von einem persönlichen Bestattungsinstitut umzusetzen. Sein Handwerk erlernte er in einem traditionellen Berliner Bestattungshaus. Er arbeitet und lebt in Berlin.

Der Publizist Hajo Schumacher
über das Altern


»Der Tod ist eine Sau
und schlägt meistens unvorbereitet zu.
«


Hajo Schumacher, nach eigener Aussage der »klassische überversicherte Deutsche«, hat sich schon viele Gedanken über das Älterwerden gemacht. In seinen Texten, seinen Kommentaren, seinen TV-Auftritten – und vor allem in diesem nachfolgenden Interview. Romantisieren will er das letzte Drittel seines Lebens nicht, romantische Gedanken hat er trotzdem – »auch wenn der Tod keinen Sinn für Romantik hat«, wie er sagt. Welche Pläne hat er für den letzten Abschnitt seines Lebens? Welche Gedanken macht er sich über den Tod? Und welche Rolle spielt dabei eine heruntergekommene Gärtnerei in Brandenburg?

Eric Wrede: Hajo Schumacher, warum interessiert sich einer für das Älterwerden und die Vorbereitungen auf den Tod?

Hajo Schumacher: Bei mir hatte das unterschiedliche Gründe. Als politischer Journalist musste ich mich schon sehr oft mit dem Thema Rente befassen und vor allem mit dem ganzen Mist, der dazu schon verzapft wurde. Verzapft wird, denn erst im letzten Bundestagswahlkampf ging es um die Anhebung des Rentenalters auf 68 – wo doch die Experten wissen, dass die Grenze eher bei 70 Jahren oder noch höher liegen müsste. Dieses Rentenalter stammt noch aus Bismarcks Zeiten. Damals bekamen die Menschen im Schnitt nur ein paar Jahre Rente, weil sie dann nämlich tot waren. Ich selbst bin Jahrgang 1964, der geburtenstärkste Jahrgang aller Zeiten. Das Modell, in dem unsere Kinder unsere Renten zahlen, wird rein rechnerisch bald schon gar nicht mehr möglich sein. Was bedeutet, dass wir Boomer im Alter eher ärmer als reicher werden – wenn wir nicht Vermögen angehäuft oder geerbt haben. Was bei mir beides leider nicht der Fall ist. Automatisch stellt man sich dann die Frage, was mal wie werden wird, wenn es für einen selbst so weit ist.

Meine ersten Berührungspunkte mit dem westdeutschen Rentenmodell reichen zurück in die Zeit kurz nach der Wende. Da saß ich mit meiner Mutter im Flieger zu den Kanarischen Inseln. Mein Sitznachbar war ein sehr fröhlicher älterer Herr, der von seinem Leben erzählte. Der hatte jahrzehntelang bei Daimler gearbeitet und bekam mehr Rente, als wir beiden eines Tages vermutlich zusammen bekommen werden. Das muss die letzte Generation gewesen sein, die sich durch Arbeit den Ruhestand vergolden lassen konnte.

Ich bin da frei von Neid. Aber unsere Generation weiß, dass die Rente eben nicht sicher ist. Und dass es Quatsch ist, sich auf politische Versprechungen oder besondere Rentenmodelle zu verlassen. Dazu kam die persönliche Erfahrung mit meiner Mutter. Die hatte eine dieser klassischen Witwenkarrieren, bei der der Bekanntenkreis im Laufe der Jahre immer kleiner wird und sich die Mobilität nach und nach einschränkt. Irgendwann stürzte sie schwer mit dem Fahrrad. Als ich in ihrer Wohnung in Münster saß, machte ich mir erstmals intensiv Gedanken über dieses Lebensmodell der letzten Jahre. Bei dem man praktisch immer weiter von der Bildfläche verschwindet, bis man irgendwann gar nicht mehr da ist. Da wurde mir klar, dass ich dieses Modell unter keinen Umständen für mich selbst wollte.

Ich muss dabei an meine Oma in Rostock denken. Die hat mit beginnender Demenz und Altersdepression zu kämpfen. Aber alle Angebote, sie zu uns nach Berlin zu holen, lehnt sie ab, weil sie niemandem zur Last fallen möchte. Und auch gar nicht glaubt, dass sie diesen Aufwand wert ist.

»Mir geht es gut«, hat meine Mutter jedes Mal gesagt, wenn man sie gefragt hat. Das war eine Lüge. Mein Vater starb, als ich fünfzehn war. Sie war über dreißig Jahre lang Witwe, wohnte in einem kleinen Eisenbahnerhaus und war fast schon beschämt darüber, dass ihr die Deutsche Bahn die Rente zahlte. Sehr typisch für diese Generation im Rentenalter.

Eric: Ich finde es manchmal krass, wie viel Schmerz diese Generation sich selbst und ihren Nachkommen angetan hat, weil ihnen die Mittel der Kommunikation fehlten. Darüber kann man lange streiten, kann nach den Gründen suchen, kluge Herleitungen finden, doch am Ende bleibt einfach ein immenser Schaden, mit dessen Auswirkungen wir in unserer Arbeit täglich zu tun haben. Familien oder Freunde, die viel zu spät realisieren, dass es Oma schlecht geht. Oder mein Opa, der auch noch stolz darauf war, nur im äußersten Notfall einen Arzt aufgesucht zu haben, und dem dieses Verhalten zum Verhängnis wurde.

Es ist gut und richtig, klar zu formulieren, was man braucht und was einem fehlt. Spätestens die Generation Hajo hat damit angefangen und somit den Weg für eine offenere und ehrlichere Gesellschaft bereitet.

Ich beschreibe Boomer als eine sich wertschätzende Generation, der es wichtig ist, sich auch mal was zu gönnen. Wie siehst du das?

In mir steckt schon noch sehr viel von diesem alten Spirit. Thema Sicherheitsdenken: Ich bin der klassische überversicherte Deutsche. Bausparvertrag, Lebensversicherung, habe ich alles. Selbstverwirklichung war einer der Schlachtrufe meiner Generation. Aber ich habe auch viel von dieser protestantischen Bescheidenheit in mir, die einen immer wieder ermahnt, dass man nicht besser ist als andere und sein Geld gefälligst nicht zum Fenster rausschmeißt. Und letztlich auch dieser Wahn, dass man seinen Kindern unbedingt etwas vererben muss. Meiner Mutter war das sehr wichtig. So anders ticke ich also auch nicht.

Aber du würdest vermutlich nicht jahrzehntelang im Eisenbahnerhaus wohnen, um dort langsam zu vereinsamen.

Das stimmt, wobei ich mich bei den Recherchen für mein Buch (Anm. des Autors: Hajo Schumacher: Restlaufzeit. Wie ein gutes, lustiges und bezahlbares Leben im Alter gelingen kann. Köln 2014) auch von der ja sehr populären Idee des Mehrgenerationenhauses verabschiedet habe. Diese Vorstellung von einem fröhlichen Bullerbü, wo Oma der Enkelin mit den Hausaufgaben hilft, während Papa die Einkäufe für Opa macht und alle glücklich unter einem Dach leben, funktioniert so nur im ZDF. In der Familie, die ich besuchte, blieb die Arbeit vor allem an der Mutter hängen, die als gelernte Krankenpflegerin nicht nur für den Haushalt und die Pflege der Oma zuständig war, sondern auch ihren Mann versorgen musste. Der hatte einen Schlaganfall erlitten. Häusliche Pflege ist ein Riesenthema. Mehr als achtzig Prozent aller alten Menschen werden zu Hause betreut. Dabei ist das eine Wahnsinnsaufgabe. Gerade dann, wenn Oma oder Opa dement sind und eigentlich rund um die Uhr umsorgt werden müssten.

Das ist bei unserer Arbeit auch ein Riesenthema. Nicht selten habe ich Menschen vor mir sitzen, die ihre Angehörigen rund um die Uhr gepflegt haben und für die ich gefühlt der erste normale soziale Kontakt seit Monaten bin. Ich selbst versuche, die unterschiedlichen Generationen in meiner Familie zusammenzubringen. Also zum Beispiel die Urgroßeltern oder Großeltern in der Erziehung unserer Tochter mit in die Verantwortung zu nehmen. Ob ich später mit allen unter einem Dach wohnen möchte, sei mal dahingestellt. Letztlich geht es bei der ganzen Geschichte auch um Geld. Für die Krankenkassen ist es viel günstiger, wenn die Pflege von Familienangehörigen übernommen wird. Klar, dass ihnen viel daran gelegen ist, den Menschen weiszumachen, dass es doch so viel schöner ist, wenn Oma in den eigenen vier Wänden alt wird beziehungsweise stirbt.

Dazu kommt, dass der Job der Pflege in der Regel ein Frauenjob ist – es sind nur ganz selten Söhne oder Schwiegersöhne, die sich um Oma und Opa kümmern. Und Pflege ist ein Knochenjob.

Eine im Rahmen des Forschungsprojekts »Häusliche Pflege« durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass die Gesundheit von pflegenden Personen abhängig ist von der durch die Pflege entstandenen Belastung. Bei 57 Prozent der knapp 2000 Probanden bestand dringender Entlastungsbedarf. Das Ausmaß der körperlichen Beschwerden stand im direkten Zusammenhang mit dem Ausmaß des Gefühls, durch die Pflege belastet zu sein. Je größer die Belastung war, desto eher verschlechterte sich der Gesundheitszustand. Außerdem kam es bei stärker belasteten Pflegepersonen häufiger zu aggressiven Verhaltensweisen. Besonders die eingeschränkte oder oft unterbrochene Schlafenszeit hatte erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und das Belastungsempfinden. Aus den Ergebnissen der Untersuchung wurden drei Empfehlungen für die Praxis abgeleitet. Erstens: Pflegende Angehörige müssen frühzeitig entlastet werden, um einem Burn-out vorzubeugen. Zweitens: Es braucht ein dichteres Netz an Beratungsstellen, die als Informationsvermittler Hilfe- und Entlastungsmöglichkeiten anbieten. Drittens: Pflegende müssen die bestehenden Angebote auch wahrnehmen.

Ich hatte mal die ehemalige MTV-Moderatorin Sophie Rosentreter zu Gast. Die arbeitet inzwischen als Pflege- und Demenzexpertin, weil sie erleben musste, wie sich ihre Mutter bei der Pflege der eigenen Mutter zu Tode schuftete. Die ist ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Mama selbst gestorben. Wir wissen jetzt, welche Altersmodelle nicht so gut funktionieren – welche Ideen hast du für die »Restlaufzeit« erarbeitet?

Das waren keine Ideen. Ich habe mir einfach angeschaut, wie es die Generationen vor uns gemacht haben. Und dann festgestellt, dass der größte Fehler darin liegt, das Altsein zu romantisieren. Der Klassiker: Wir kaufen uns mit ein paar guten Freunden einen alten Hof in der Uckermark und machen uns dann alles schön und toll. Dabei liegen die...

Erscheint lt. Verlag 16.10.2024
Co-Autor Alex Raack
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte 2024 • Alternative Bestattung • Begleitung Trauernder • Begräbnis • Bestatter • eBooks • Generation Pop • lebensnah • Medizin • Musikmanager • Neuerscheinung • Soziologie • Sterbehilfe • Tod
ISBN-10 3-641-31462-3 / 3641314623
ISBN-13 978-3-641-31462-0 / 9783641314620
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