Wie man unstressbar wird (eBook)
416 Seiten
REDLINE Verlag
978-3-96267-597-4 (ISBN)
Mo Gawdat war Chief Business Officer von Google [X], dem Elite-Entwicklerteam von Google, und arbeitete unter anderem für IBM und Microsoft. Er gründete mehr als 20 Unternehmen in Bereichen wie Technologie, Gesundheit oder Fitness mit und ist Mentor für viele angehende Gründer. Von ihm sind bereits »Die Formel für Glück«, »Die kleine Stimme im Kopf« und »Scary Smart« im Redline Verlag erschienen. Alice Law ist Beraterin für Stressmanagement, Speakerin und Moderatorin des Podcasts »Unstressable with Alice Law«.
Mo Gawdat war Chief Business Officer von Google [X], dem Elite-Entwicklerteam von Google, und arbeitete unter anderem für IBM und Microsoft. Er gründete mehr als 20 Unternehmen in Bereichen wie Technologie, Gesundheit oder Fitness mit und ist Mentor für viele angehende Gründer. Von ihm sind bereits »Die Formel für Glück«, »Die kleine Stimme im Kopf« und »Scary Smart« im Redline Verlag erschienen. Alice Law ist Beraterin für Stressmanagement, Speakerin und Moderatorin des Podcasts »Unstressable with Alice Law«.
Kapitel 1
Welcome to the Machine
Haben Sie sich jemals ein leichtes und stressfreies Leben vorgestellt? Erinnern Sie sich an eine Zeit, zu der Sie so gelebt haben? Als alles nicht so kompliziert war? Es gab nicht allzu viele Pflichten, die Ihren Tag füllten, und wenn etwas ein bisschen schwieriger wurde, gingen Sie es an und klärten es mühelos? Ist es überhaupt möglich, vorwiegend stressfrei zu leben?
Also, dieses Buch behauptet das zumindest – dass es leicht erreichbar und Ihre unbedingte Pflicht ist, es Wirklichkeit werden zu lassen. Stress als Zyklus ist nicht schwer zu verstehen, und wenn Sie begreifen, wie er funktioniert, ist er nicht schwer zu vermeiden und aufzuheben. Ein bisschen Stress ist nötig, um unsere Sicherheit zu gewährleisten und uns zu Spitzenleistungen zu verhelfen, aber es soll nicht so sein, dass man die ganze Zeit unter Stress steht.
Unsere Maschinen scheinen kaputt zu sein. Wir müssen sie in die Werkstatt bringen und reparieren lassen. Doch zuvor müssen wir, wie jeder gute Techniker das täte, erst mal die Details der genauen Funktionsweise dieser Maschinen erfassen.
Biologie, Chemie und Neurowissenschaft
Das Empfinden von Stress ist das Produkt eines sehr komplexen Prozesses, der sich im Nerven- und Endokrinsystem des Körpers abspielt. Komplex, aber sehr vorhersehbar, denn jedes Mal, wenn Sie oder ich Stress empfinden, läuft der Prozess auf exakt dieselbe Weise ab. Dieses Gefühl, an das wir uns in der modernen Welt gewöhnt haben, erfordert eine gut aufeinander abgestimmte Interaktion zwischen Biologie, Chemie und Neurowissenschaft. Mehrere Bereiche Ihres Gehirns und des Nervensystems arbeiten im Einklang mit den Drüsen, um es auszulösen. Das ist wie beim Turbolader eines Sportwagenmotors, wenn der Treibstoff in unterschiedlichen Verhältnissen mit Sauerstoff vermischt wird: Ein gewöhnlicher Motor verwandelt sich in eine wahre Höllenmaschine. Auch Sie werden, wenn Sie gestresst sind, zu einer völlig neu konfigurierten Maschine, die sich von Ihrem gewöhnlichen Selbst unterscheidet.
In der Wissenschaft wurde jahrelang darüber gestritten, woher Stress rührt. Der traditionelle Standpunkt lautet, dass er von Gedanken in Ihrem rationalen Hirn ausgelöst wird, doch jüngere Studien deuten auf das Gegenteil hin – dass der Stress zuerst ausgelöst wird und die daraus resultierenden Gefühle und körperlichen Empfindungen dann Ihr rationales Hirn zum Denken veranlassen. Diese Gedanken können Ihnen helfen, sich zu beruhigen, oder Sie aufpeitschen, sodass Sie noch gestresster werden. Ich glaube, beide Szenarios sind richtig, je nachdem, was Sie stresst. Lassen Sie mich das erklären.
Gestresst sein
Stress ist eine automatische Reaktion. Ihr Stress beginnt mit einem Auslöser. Ein Ereignis findet statt, das eine mögliche Gefahr sein könnte.
Dieses stressauslösende Ereignis wird von Ihrem denkenden Hirn nicht einmal erkannt. Beispielsweise wenn dieser Kumpel, den Sie eigentlich noch nie so richtig leiden konnten, sich von hinten an Sie heranschleicht und »Buh!« brüllt. Während er sich kaputtlacht, springen Sie fast aus dem Hemd, Ihr Herz rast und Sie empfinden eine Version von Stress, die Sie auch verspüren würden, wenn Sie einem Säbelzahntiger gegenüberstünden. In einem Sekundenbruchteil fühlen Sie zunächst den Stress, und später denken Sie darüber nach. Was in solchen Fällen sofort in Kraft tritt, ist eine Seite Ihres autonomen Nervensystems (das, wie der Name schon sagt, für automatische Funktionen Ihres Körpers zuständig ist, zum Beispiel dass Ihr Herz kontinuierlich schlägt, ohne dass Sie darüber nachdenken). Diese Seite des beteiligten Systems wird im Allgemeinen als sympathisches Nervensystem bezeichnet und dann aktiviert, wenn eine gefährliche Situation erkannt wird, die nach Kampf, Flucht oder Einfrieren verlangt. Ihr Überlebensinstinkt hat keine Zeit, um zu analysieren, um was es sich bei der scheinbaren Bedrohung handelt. Er reagiert zunächst einmal und löst den Alarm aus.
Der Wachschutz, der für das Auslösen des Alarms zuständig ist, ist die Amygdala. Sie liegt ganz unten in Ihrem Gehirn unmittelbar vor dem Hirnstamm und somit in der bestmöglichen Position, um mit dem Rest Ihres Körpers zu kommunizieren. Man kann die Amygdala durchaus als Ihren paranoiden Teil betrachten. Ständig hält sie Ausschau nach Dingen, vor denen sie Sie beschützen muss (und ist auch zuständig für Lustgefühle, wenn das Leben es gut mit uns meint, aber darüber reden wir heute nicht – nur über den Stress).
Wenn die Amygdala aktiviert wird, schießen die Emotionen hoch, und nun übergeben die elektrischen Impulse, die durch Ihr Nervensystem schießen, an die chemische Seite Ihres Körpers. Ein perfekt aufeinander abgestimmtes Trio, das im Allgemeinen als HHN-Achse bezeichnet wird, übernimmt. Zum HHN gehört eine Gruppe von hormonproduzierenden Drüsen – nämlich der Hypothalamus, die Hypophyse und die Nebennierenrinde.
Von der Amygdala wahrgenommene Stressgefühle veranlassen den Hypothalamus zur Freisetzung eines Hormons namens CRH oder Corticoliberin, das wiederum die Hypophyse zur Ausschüttung eines Hormons namens ACTH oder adrenocortitropes Hormon in den Blutkreislauf anregt. Die von ACTH vermittelte Nachricht verteilt sich rasch im Blutkreislauf und verursacht die Produktion des verrufenen Hormons Cortisol durch die Nebennierenrinde. Jetzt ist es offiziell. Sie sind gestresst.
Cortisol ist ein maßgebliches Hormon, das zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens insgesamt dient. Da die meisten Zellen über Cortisolrezeptoren verfügen, wirkt es sich auf viele verschiedene Körperfunktionen aus. Cortisol hilft, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, den Stoffwechsel zu regulieren, Entzündungen zu verringern und die Gedächtnisbildung zu unterstützen. Es sorgt für ein Gleichgewicht von Salz und Wasser und reguliert den Blutdruck. Cortisol hilft auch bei der fetalen Entwicklung in der Schwangerschaft.
Das gilt für die normalen, einfachen Zeiten. In Stressmomenten jedoch dient Cortisol vor allem einem – Sie vor Schwierigkeiten zu bewahren. Dafür muss es Energie an Ihr Gehirn leiten, damit Sie über einen Ausweg nachdenken können, und an Ihre Muskeln, damit Sie nötigenfalls wegrennen oder kämpfen können. Der Nährstoff, den Ihr Gehirn vorzugsweise für die Energieerzeugung verbrennt, ist Glukose. Die klare Anweisung des Cortisols an die Fettzellen in Stressmomenten lautet, Fett in den Blutkreislauf abzugeben, und an die Leber, Glukose freizusetzen. Es veranlasst die Muskeln, nur Fett zu verbrennen, damit der gesamte im Blutkreislauf verbleibende Zucker dem Gehirn zur Verfügung steht. Das Ergebnis? Ein Turbolader mit Superkräften – alle Energie und Konzentration, die Sie brauchen, um zu handeln, nötigenfalls Ihr Leben zu retten, und dann wieder zu Ihrem Normalzustand zurückzukehren.
Diese Form von Stressreaktion ist gut (wir bezeichnen sie als Eustress). Sie sorgt für Ihre Sicherheit und erweitert Ihre Fähigkeiten. Sie gibt Ihnen, was Sie zur Überwindung eines Problems brauchen.
Ein bisschen Stress ist gut für Sie. |
Wir verstehen jetzt den biologischen Zyklus, der Stress auslöst. Eine Gefahr wird erkannt. Die Amygdala gerät in Panik. Der Hypothalamus weist die Hypophyse an, Alarm auszulösen. Das Signal wird durch den Blutkreislauf zur Nebennierenrinde transportiert, die die von Ihnen benötigte Stärkung ausschüttet: Cortisol und andere Stresshormone wie Adrenalin und Norepinephrin. Das ermöglicht es Ihnen, die übermenschlichen Wunder zu bewirken, die Sie zum Überleben oder zum Überwinden von Schwierigkeiten brauchen. Doch der Kreislauf ist hier noch nicht zu Ende.
Hat der Stress seinen Zweck erfüllt, sorgt Ihr Körper durch aktives Steuern dafür, dass Sie wieder in den Normalzustand zurückkehren. Was beendet den Stress? Nun, das ist ein anderer Kreislauf, und der heißt für gewöhnlich …
Negative Feedbackschleife
Ihre menschliche Maschine ist darauf ausgelegt, mit Stress als Unterbrechung ihres entspannten Normalzustands umzugehen. Nach ihrem Verständnis soll Stress nicht unbegrenzt anhalten. Wenn der Cortisolspiegel im Blut hoch ist, registrieren die Rezeptoren im Hypothalamus und Hippocampus das Vorhandensein von Cortisol, also halten sie weiter nach Gefahren Ausschau. Falls sie welche entdecken, verstärken sie den Zyklus, damit Sie weiterhin maximale Leistungen erbringen können, dann prüfen sie die Umgebung erneut. Finden sie schließlich keine Gefahren mehr vor und gibt es somit keinen anhaltenden Grund zur Besorgnis, erkennen sie die Diskrepanz zwischen dem Zustand Ihres Körpers – gestresst – und der Realität der Situation – sicher – und beenden die Stressreaktion, um Sie wieder zum Normalzustand zurückzuführen. Der Verstärker wird aus Ihrem Blutkreislauf entfernt, und Sie sind wieder die gelassene Version Ihrer selbst. Wirklich ganz einfach.
Zusammengenommen bilden der Stresskreislauf und die negative Feedbackschleife eine ganze Reise entlang der Stressstraße, die ungefähr so aussieht:
Was ist Stress?
In unserer modernen Kultur hat der Begriff Stress viele negative Konnotationen. Das ist eine natürliche Reaktion auf Geschichten wie meine und die von Alice. Wir mussten beide zusehen, wie unsere Väter vom Stress aufgefressen wurden und dann an daraus entstandenen Krankheiten starben. Jeder kennt mindestens einen Menschen, dem es so ergangen ist. Stress muss aber nichts Negatives sein. Er kann auch gut für Sie sein.
Auf der obersten Ebene ist Stress beim Menschen lediglich ein...
Erscheint lt. Verlag | 13.10.2024 |
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Übersetzer | Jordan Wegberg |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | Achtsamkeit • Alltag • Burnout • Gelassenheit lernen • Gestresst • Glücklich • Hektik • innere Ruhe • Konzentration • Neurowissenschaft • Produktivität • Psychologie • Resilienz • stress abbauen • Stressbewältigung • Stressmanagement • Stressoren • Workaholic • Zufriedenheit |
ISBN-10 | 3-96267-597-3 / 3962675973 |
ISBN-13 | 978-3-96267-597-4 / 9783962675974 |
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