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Musterbruch -  Patricia Cammarata

Musterbruch (eBook)

Spiegel-Bestseller
Überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
255 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86776-6 (ISBN)
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Wer heute gleichberechtigt leben will, kann nicht auf die Politik von morgen warten, sondern muss selbst handeln. Doch wie macht man das, aus eingefahrenen Geschlechtermustern in Partnerschaft, Sorge- und Erwerbsarbeit ausbrechen? Die Autorin des SPIEGEL-Bestsellers »Raus aus der Mental Load Falle« und Diplompsychologin Patricia Cammarata gibt Bereitwilligen den sprichwörtlichen Vorschlaghammer in die Hand, um trotz eines nervig unbeweglichen Systems neue Wege zu ebnen. Alltagstaugliche Ideen vermitteln, wie man z.B. Verbündete findet, hartnäckige Stereotype entlarvt, Haushaltsaufgaben gerecht verteilt, richtig kommuniziert, gleich wenig arbeitet und gegen den Strich denkt. Es ist höchste Zeit, dass der Musterbruch nicht nur im Kopf, sondern endlich auch im Alltag stattfindet.

Patricia Cammarata ist Diplompsychologin und gefragte Keynote-Speakerin zum Thema Vereinbarkeit und Gleichberechtigung. Mit ihrem SPIEGEL-Bestseller »Raus aus der Mental Load Falle« machte sie den Begriff Mental Load im deutschsprachigen Raum bekannt und hat eine breite gesellschaftliche Debatte zum Thema Gleichberechtigung angestoßen. Für ihr Blog »dasnuf« gewann sie zahlreiche Preise, ihre Podcasts »Mit Kindern leben« und »Nur 30 Minuten« werden von mehreren Tausend Menschen gehört. Mit ihren Kindern und ihrem Partner lebt sie in Berlin.

Einleitung


»Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.«

Franz Kafka

Auf Konferenzen zum Thema Equal Care sagt früher oder später jemand: »Wir haben kein Wissensdefizit, sondern ein Handlungsdefizit.« Mein Vorgängerbuch Raus aus der Mental Load-Falle ist genau aus dieser Motivation entstanden. Wenn doch schon seit mehreren Jahrzehnten bekannt ist, was Mental Load und Emotionsarbeit sind, warum sind vor allem Frauen davon belastet und warum sehen viele Männer den Wert dieser Arbeit nicht – ja, nicht mal die Belastung? Noch wichtiger: Wie lässt sich das ändern?

Seit dem Erscheinen des Buchs habe ich viele Vorträge gehalten und mir wurde klar: Es sind noch viele Fragen zu beantworten. Und außerhalb der Blase der Menschen, die sich intensiv mit dem Thema Sorgearbeit beschäftigen, gibt es durchaus ein Wissensdefizit. Mit Musterbruch möchte ich dem entgegenwirken. Ich möchte die komplexen Mechanismen, die hinter der Ungleichverteilung von Sorgearbeit stehen, näher beleuchten, möglichst einfach erklären und dann gleich Ansätze in die Hand geben, wie wir dieses Wissen im Alltag umsetzen können. Dabei soll berücksichtigt sein, dass gerade diejenigen, die durch Sorgearbeit stark belastet sind, nur selten die Zeit haben, lange, komplizierte Abhandlungen zu lesen.

Zu meinem allerersten Buch Sehr gerne, Mama, du Arschbombe erhielt ich oft die Rückmeldung, es sei eine super Klolektüre. Anfangs war ich etwas empört, was sollte das heißen? Ein Buch fürs Klo? Doch dann ging es mir auf. Die kurzen Geschichten waren bestens geeignet, sie zwischen Tür und Angel zu lesen – oder eben, auch wenn es ein bisschen unhygienisch klingt: auf dem Klo. Das Klo als kleine Alltagsflucht also. Der Ort, an dem man mal fünf Minuten für sich hat.

Das Buch, das ihr jetzt in der Hand haltet, soll auch ein Klobuch sein. Eines, das gelesen und nicht nur gekauft wird. Eines, das Ansätze liefert, wie man auf individueller Ebene Dinge so verändern kann, dass unsere Welt gerechter wird – für uns, für unsere Kinder, für alle. Der erste Schritt ist stets, Verständnis für einen bestimmten Zusammenhang zu schaffen. Nicht immer gibt es im bestehenden System eine Lösung. Oft aber doch.

Auf der individuellen Ebene anzusetzen, kann man kritisieren. Bekannte Sprüche wie »Don’t fix women, fix the system«1 sind natürlich wahr. Unsere Gesellschaft macht den Menschen vor, dass sie alles erreichen können, vorausgesetzt natürlich, sie strengen sich richtig an. Wenn man dann doch nicht erreicht, was man möchte, ist man eben selbst schuld. In Wahrheit gibt es einen festgesteckten Rahmen, an dessen Grenzen Menschen an unterschiedlichsten Stellen aus unterschiedlichsten Gründen stoßen. Spricht man das laut aus, muss man sich schnell anhören, man nehme eine Opferhaltung ein. Und wer will schon ein Opfer sein? Wenn es irgendwie geht, freunden sich Menschen dann lieber mit den Ungerechtigkeiten an und deuten sie um. Es liegt zudem in der menschlichen Natur, lieber das bereits Bekannte hinzunehmen, als sich auf Neues einzulassen. Vor Veränderungen fürchten sich viele. Diejenigen, denen es im bestehenden System gut geht, natürlich am meisten.

Ich bin absolut dafür, Ungerechtigkeiten zu benennen und an deren Abbau aktiv zu arbeiten. Auf der anderen Seite bin ich aber auch der Überzeugung, dass es viele Menschen gibt, die Handlungsspielräume haben, die sie noch nicht vollständig nutzen (schlicht: weil sie eben doch ein Wissensdefizit haben). Nicht jede*r, aber viele können auf der individuellen Ebene Verbesserungen erzielen. Arbeit an beiden Ebenen schließt sich nicht gegenseitig aus. Wir können auch durch unsere Wahlentscheidung oder unser eigenes politisches Engagement Veränderungen anstoßen. Der Nachteil an Änderungen auf der systemischen Ebene ist der, dass sie nur sehr langsam passieren. Bis sie wirken, kann es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. So lange können wir nicht warten.

Nils Pickert schreibt in seinem wunderbaren Buch Lebenskompliz*innen: »Gleichberechtigte Elternschaft kriegen Sie nur gegen das System hin. Gegen politische Entscheidungen, gegen die Nachbarschaft, gegen das Geflüster beim Kuchenbasar.«1 Dieser Satz hat ein großes Echo in mir hervorgerufen. Denn natürlich kann ich, Patricia, mit meinem Partner Marcus Dinge anders machen als andere Paare und Eltern. Aber wir tun das gegen Widerstände. Der Mensch ist ein Gruppentier. Was wir tun und denken, wird wesentlich davon bestimmt, was unser Umfeld tut und denkt.

Vielleicht kennt ihr das: Man steht an einer roten Ampel und links und rechts neben einem strömen die Menschen über die Straße. Sie alle ignorieren das rote Licht, nur man selbst steht beharrlich vor dem Verkehrssignal und wartet. Eigentlich hat man keinen Zeitdruck, aber die innerliche Unruhe steigt, je mehr Menschen sich anders verhalten als man selbst. Das Herdentier in einem scharrt mit den Hufen. Die Sekunden, bis die Ampel auf Grün schaltet, kommen einem unendlich lange vor, man fühlt sich falsch, obwohl man weiß, dass es eigentlich richtig ist, an einer roten Ampel zu warten. So ist es auch, wenn man versucht, gleichberechtigt zu leben – und zwar gegen alle äußeren Kräfte, denn Gleichberechtigung ist im Patriarchat gar nicht vorgesehen.

Immerhin wollen viele Paare2 gleichberechtigt leben und wir distanzieren uns geistig von den traditionellen Rollen. Schon 2017 lehnten knapp drei Viertel der Deutschen die Aussage ab, dass es die wichtigste Aufgabe der Frau sei, sich um Haushalt und Familie zu kümmern. Hinzu kommt, dass fast zwei Drittel der Auffassung widersprachen, dass es die wichtigste Aufgabe des Mannes sei, Geld zu verdienen.2 Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen immer noch weit auseinander. Das belegen die Zahlen zur Sorgelücke (dem Gender Care Gap). Meine Lieblingszahl dazu: Das größte Ungleichgewicht zeigt sich bei 34-Jährigen, hier übernehmen die Frauen 110,6 Prozent mehr Sorgearbeit.3 Prozentangaben können ja alles Mögliche heißen, deswegen noch mal in Minuten: Die Frauen verbringen täglich durchschnittlich fünf Stunden und 18 Minuten mit Sorgearbeit, die Männer dagegen nur zwei Stunden und 31 Minuten. Wer in Mathe aufgepasst hat, könnte einwenden, dass eine solche Zahl auch zustande kommen könnte, wenn es einige wenige Haushalte gibt, bei denen das Ungleichgewicht extrem ausgeprägt ist, während ein Großteil ein ganz ausgewogenes Verhältnis hat. Spoiler – dem ist nicht so. Egalität leben nur rund 15 Prozent der Paare in Deutschland. Die ungleiche Verteilung ist »keine Randerscheinung, sondern weit verbreitet«.4 Uff! Bis »Wir teilen uns die Arbeit gerecht auf« ist es noch ein langer Weg.

Erich Kästner (okay, ich dachte, es war Pumuckl) hat gesagt: »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«, und das stimmt auch beim Thema Gleichberechtigung. Doch die Schwierigkeit liegt eben im Gegendruck des Systems. Wir stehen vereinzelt an der roten Ampel und alle anderen rennen an uns vorbei.

Die gesellschaftlichen Vorstellungen davon, was eine gute Mutter tut (und was ein guter Vater), begegnen uns im Alltag bei den kleinsten Lappalien. Während mein Partner es zum Beispiel völlig normal findet, dass ich gerne alleine in den Urlaub fahre, ernte ich in anderen Kreisen dafür immer noch besorgte Fragen: »Aber wer kümmert sich dann um die Kinder?« Es fällt mir dann immer sehr schwer, nicht sarkastisch zu antworten: »Wieso? Die kette ich mit ausreichend Wasser und Brot an die Heizung«, sondern zu erläutern, dass meine armen Kinder sehr gut von meinem Partner, ihrem Bonus-Papa, versorgt werden.

Musterbruch soll die Muster beschreiben, die uns das gleichberechtigte Leben schwer machen, weil wir, wenn wir diese Muster brechen, gegen den Strom schwimmen. Ich möchte auch dazu beitragen, Verständnis zu schaffen, warum manche Dinge so sind, wie sie sind. Den Status quo zu verstehen und Ursachen zu kennen, halte ich für eine Voraussetzung, Änderungen überhaupt angehen zu können. Oft entwickelt sich eine Stärke allein aus der Erkenntnis: Ich bin nicht schuld. Ich bin nicht alleine. Gerade Letzteres hat für mich eine nicht zu vernachlässigende Kraft. Deswegen gehe ich gerne auf Demos. Denn wenn ich zu Hause sitze und mir den Kopf zerbreche, wie meine Kinder später mal ein...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
ISBN-10 3-407-86776-X / 340786776X
ISBN-13 978-3-407-86776-6 / 9783407867766
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