Hunde fühlen und anleiten (eBook)
176 Seiten
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
978-3-440-50939-5 (ISBN)
DIE HÜLLE
Das Erste, was wahrgenommen wird, ist das Offensichtliche, das Äußere. Die Schutzschicht des Gegenübers und seine kleinen Besonderheiten.
DER MUSKELMANTEL
Der Muskelmantel ist eine dicke Schicht aus einem beweglichen Muskel, überzogen mit Bindegewebe, Haut und Fell. Menschen haben diesen Mantel nicht, deswegen ist es notwendig, sich das Ganze genauer anzuschauen, um es zu verstehen:
Der Muskelmantel des Hundes sitzt über seinem Körper wie ein dicker, fleischiger Pullover, der obendrauf mit Fell bewachsen ist. Die Haut „klebt“ daran und ist nicht separat zu lösen. Wenn du tief ins Fell deines Hundes greifst, kannst du ihn von den darunterliegenden großen Muskeln, die für die Bewegung des Hundes zuständig sind, abheben und ein Stück hochziehen. Was du da in der Hand hältst, ist keine dicke Haut, es ist der Muskelmantel.
Wenn dein Hund mal eine Bissverletzung hatte, dann konntest du vielleicht schon mal tiefere Einblicke unter diesen „Pullover“ bekommen. Selbst ein kleines Loch sieht durch dieses Phänomen aus, als hätte der Zahn des anderen Hundes deinen Hund durchbohrt und seine Haut ringsum vom Körper gerissen. Du kannst in das Loch hineinschauen und dich in der Schicht darunter umsehen, wie du es auch bei einem Loch in einem Kleidungsstück tun könntest. Das ist der Grund, warum Bissverletzungen oft nicht genäht werden oder eine Drainage gelegt wird, damit sich unter der tiefen Tasche um das Loch herum keine Keime ansammeln und vor sich hin gären können.
Den Muskelmantel kann der Hund wie jeden anderen Muskel auch anspannen und entspannen. Du merkst das, wenn dein Hund Angst hat, aufgeregt ist oder dir entkommen möchte. Während da eben noch dieser übergroße schlackernde Pullover war, sitzt der Hund, wenn er an dir vorbei durch die Tür witschen will, plötzlich so eng in der Pelle, dass deine Hand an ihm abglitscht und du ihn nicht zu greifen bekommst. Dann hat er einfach den Muskelmantel angespannt und ist dadurch glatt und fest, um sich wie ein Aal deinem Griff zu entziehen.
So machen es Hunde auch im Kampf miteinander. Sie spannen gezielt den Mantel an, um dem Gegner die Chance zu nehmen, tief ins Gewebe zu greifen, und lassen bewusst los, um sich in ihrer eigenen Hülle zu drehen und zu winden und dadurch nach hinten greifen zu können, obwohl der andere sie im Würgegriff hat. Eine perfekte Kampftechnik ist so ein verstellbarer Schutzmantel, der den Rest des Körpers auch beim Fallen zusammenpresst und abwehrfähiger gegen die Wucht des Aufpralls macht.
Außerdem sind Hunde Jäger. Sie sind körperlich dafür geschaffen, Beute zu verfolgen und zu töten, und dafür hat die Natur sie gut ausgestattet. Auch das Umhertragen der Welpen am Schlafittchen durch die Mutterhündin geschieht am Muskelmantel. Am Hals ist dieser besonders groß und fähig, sich zu lockern. Je jünger der Hund ist, desto lockerer ist er und desto mehr hat man das Gefühl, der Hund müsse erstmal hineinwachsen. Das ist in Wirklichkeit nicht so, der Mantel bleibt in der Relation zum Hund genauso groß und wächst mit ihm mit. Lediglich seine Festigkeit ändert sich noch, weshalb er immer schwerer vom Körper abzuheben ist.
Manche Rassen sind besonders angespannt, was sich auch in einem engen Pullover und steifen Bewegungen bemerkbar macht. Wieder andere können besser loslassen und sind im entspannten Zustand richtig schwabbelig. Manche Rassen sind so gezüchtet, dass der Pullover übermäßig weit ist und immer weiter wächst. Damit verliert er seine Funktion und ist irgendwann so locker, dass der Hund ihn kaum zusammenziehen kann. Diese Hunde bilden nicht nur die rassetypischen Falten, sondern sind oft auch anfälliger für tiefe Bissverletzungen und Hauterkrankungen. Da dieser eigentlich so sinnvolle Schutz durch die Zucht zu einer Behinderung abgeändert wird, gilt extreme Faltenbildung bei Hunden als Qualzuchtmerkmal.
Hat der Hund Schmerzen durch Probleme am Knochenapparat, dann kann es passieren, dass der Muskelmantel dauerhaft die Stützfunktion des Körpers übernimmt, indem er immer angespannt bleibt. So bleiben tiefer liegende Probleme noch einige Zeit verschleiert und der Hund läuft vermeintlich normal. Es ist also nicht nur sinnvoll, einen alten Hund zu massieren, um ihm etwas Angenehmes zuteilwerden zu lassen, sondern auch, um zu überprüfen, ob es irgendwo Stellen am Hundekörper gibt, die auffällig fest sind und wo sich der Muskelmantel so verhärtet hat, dass er sich nicht mehr vom Körper abheben lässt.
Eine tiefer gehende Untersuchung und eventuelle Behandlung des ursächlichen Problems sollten die Folge solcher Entdeckungen sein. Für alte Hunde lässt sich fast immer sagen, dass eine lockernde, sanfte Massage des Muskelmantels regelmäßig angebracht ist, da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es im Alter jederzeit irgendwo zwickt und zwackt.
© Anna Auerbach/Kosmos
Der Muskelmantel umschließt den Körper des Hundes wie eine dicke Pulloverschicht und ist fest mit der darüberliegenden Haut verwachsen.
© Anna Auerbach/Kosmos
In der Entspannung kannst du erfühlen, wie stark man den Muskelmantel abheben und greifen kann, ohne dem Hund weh zu tun.
LERNE DEN MUSKELMANTEL KENNEN
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Lege eine Decke auf den Boden, auf der dein Hund gern liegt. Wenn er es kühl mag, setze dich selbst auf ein kleines Kissen und lass ihn auf den Fliesen liegen.
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Setze dich hin und lasse deinen Hund neben dir oder zwischen deinen ausgestreckten Beinen liegen.
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Du kannst den Hund direkt auf die Seite legen und vorsichtig, aber klar dort festhalten, bis er still liegt. Braucht er ein bisschen Zeit, dann lass ihn erst mal sitzen oder auf dem Bauch liegen und versuche, ihn alle paar Minuten sanft mit einer Handbewegung in Richtung Seitenlage zu führen.
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Sorge mit deinen Händen dafür, dass er auf jeden Fall in der Situation bleibt. Er muss nicht direkt auf der Seite liegen, wenn er sehr misstrauisch ist, aber er darf auch nicht gehen. Setze dich konsequent durch, bleibe aber still und ruhig dabei.
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Setze dich nah neben den Hund und beginne mit der flachen Hand und leichtem Druck, den Muskelmantel auf dem Rücken des Hundes, seitlich der Wirbelsäule, in kleinen Kreisen zu bewegen. Beginne mit kleinen Bewegungen und steigere langsam den Druck und die Größe der Kreise.
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Knete dann sanft den Muskelmantel in deiner Hand. Beginne oben am Nacken des Hundes und arbeite dich vorsichtig nach hinten Richtung Rute. Wenn der Hund mit dem Muskelmantel zuckt oder ihn zusammenzieht, sei vorsichtiger und beginne wieder etwas weiter vorn.
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Schaut dein Hund plötzlich zu dir hoch, legt die Ohren zurück und blickt von unten nach oben zu dir, dann heißt das: Mach langsam! Fang wieder von vorn an und erhöhe die Intensität vorsichtiger.
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Beobachte, wie der Mantel unterschiedlich fest am Hund sitzt und sich bei mehreren Durchläufen von vorn nach hinten verändert. Vielleicht wird dein Hund insgesamt lockerer oder angespannter durch deine Berührung. Vielleicht hört er zwischendurch ein Geräusch und spannt sich plötzlich unter deinen Händen an. Schließe die Augen und nimm wahr, dass da unter deinen Händen ein beweglicher Muskel agiert.
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Knete nun etwas fester und greife tief in den bepelzten Pullover deines Hundes. Benutze dabei die ganze Hand und fülle sie komplett mit Hund aus. Du willst nicht an seinen Haaren ziehen, sondern ganz tief in das Gewebe des Muskels greifen, denn dadurch tust du deinem Hund nicht weh und fühlst die unterschiedliche Anspannung besser.
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Wenn dein Hund entspannt ist, dann hebe jetzt langsam und mit festem Griff den Muskelmantel nach oben, bis du einen Gegenzug merkst oder es nicht weiter nach oben geht. Probiere schrittweise zu steigern, wie weit du den Mantel vom Hund abheben kannst, und schau mal, wie weit alles werden kann, wenn dein Hund es zulässt. Du kannst hier genau sehen, wie viel du hochziehen könntest, wenn dein Hund mitmacht und nicht gegenspannt. Schau mal vorsichtig, was als Maximum drin ist.
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Taste und knete dich von vorn nach hinten langsam durch die verschiedenen Zonen des Hundekörpers und probiere überall vorsichtig maximal viel Muskelmantel vom Hund hochzuheben, ohne ihm dabei wehzutun.
© Anna Auerbach/Kosmos
Die Massage beginnt immer vorn am Hund, denn da ist der Muskelmantel oft am schnellsten gelockert und lässt sich kneten.
© Anna Auerbach/Kosmos
Entspannt dein Hund sich, weißt du, dass es genau richtig ist. Zieht er den Muskel zusammen, waren die Bewegungen zu schnell.
© Anna Auerbach/Kosmos
Der Teil hinter dem Vorderbein ist besonders empfindlich und muss sehr achtsam weiter nach oben gezogen werden, bis er genauso locker ist wie der Teil an Hals und Nacken.
GRUNDREGELN AUF EINEN BLICK
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Massiere nur, wenn der Hund gesund ist.
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Eine Hand bleibt immer auf dem Hund liegen, wenn du die Position veränderst. Der Hund ist also zu keiner einzigen Sekunde ohne die Berührung einer Hand während der Übung.
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Lege den Hund auch, wenn möglich, so nah an dich heran, dass er weitere Berührungspunkte zu deinem Körper hat.
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Wähle einen stillen, sicheren Ort für die Massage, an dem ihr nicht abgelenkt werdet.
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Schalte Handys auf lautlos, den Fernseher und das Radio aus oder lasse gleichmäßige leise Musik laufen.
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Stelle sicher, dass kein anderes...
Erscheint lt. Verlag | 19.8.2024 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Tiere / Tierhaltung |
Schlagworte | Beziehung • Hunde berühren • Hunde führen • Hunde lesen lernen • Hund erziehen • Hundetraining • Hund trainieren • Körperarbeit • Leben mit Hund • Mensch • Übungen Hund • Umgang Hund |
ISBN-10 | 3-440-50939-7 / 3440509397 |
ISBN-13 | 978-3-440-50939-5 / 9783440509395 |
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