artgerecht - Das andere Schulkinder-Buch (eBook)
320 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-28202-8 (ISBN)
Die Zeit zwischen Kleinkind und Pubertät ist unendlich wertvoll! Jetzt stellen wir Eltern wichtige Weichen und vermitteln unseren Kindern Dinge, von denen sie ein Leben lang profitieren werden. Egal ob Lernen, Freunde, Selbstständigkeit, Medien, Schlafen oder Essen - Erziehungsexpertin und Bestsellerautorin Nicola Schmidt schildert humorvoll, wissenschaftsbasiert und inspirierend, wie wir diese Lebensphase artgerecht und bindungsorientiert gestalten, sodass sich nicht nur Körper und Gehirn optimal entwickeln, sondern auch der Alltag läuft. Ein unverzichtbarer Begleiter und ein Muss für alle Fans der erfolgreichen »artgerecht«-Reihe!
Nicola Schmidt ist zweifache Mutter, Bestsellerautorin, Diplom-Politologin, Wissenschaftsjournalistin, ausgebildeter Coach sowie Gründerin und Geschäftsführerin des »artgerecht«-Projektes. Sie bietet Aus- und Fortbildungen für Fachleute und Wildnis-Camps für Familien an.
Artgerecht?!
Es kam der Tag, an dem ich zum ersten Mal ein Schulbrot in den neuen Ranzen packte, die ordnungsgemäß eingekauften Stifte und Hefte fein säuberlich sortierte und dachte: »Geschafft! Jetzt wird es cool!« Ich glaubte tatsächlich, ich könnte mich nun wieder mehr anderen Dingen widmen, da doch das große Kind jetzt in die Schule ging …
Irgendwie hatte ich erwartet, dass die Schule einen großen Teil der Erziehung und Bildung meiner Kinder übernehmen würde und ich nur noch als Begleitperson dabei sein müsste, die hin und wieder ein nettes Wort mit hinreißenden Lehrern wechseln, ihrem schlauen, gestillt-getragen-entspannten, bindungsorientiert mit viel Wildnis aufgewachsenen Kind stolz beim Rechnen zusehen und alle paar Wochen mal ein besonders gelungenes Lunchpaket als Foto auf Instagram stellen würde.
Weit gefehlt.
Als mein erstes Kind in die Schule ging, stellte ich fest, dass es einiges gab, womit ich nicht gerechnet hatte:
- Die Kinder sind plötzlich nicht mehr, sondern weniger betreut als zur Kindergartenzeit.
- Die Betreuungsoptionen wurden nicht besser, sondern in der Qualität deutlich schlechter.
- Die anfängliche Begeisterung fürs Lernen verflog erstaunlich schnell und machte einem täglichen Kampf mit Hausaufgaben Platz.
- Was mein Kind von mir brauchte, war zwar weniger körperlich anstrengend, dafür aber sozial komplexer.
- Schule bringt für manche von uns auch eigene Erinnerungen hoch – und die sind nicht für alle angenehm.
- Vieles, was jetzt passierte, war überhaupt nicht artgerecht, und wir mussten einen Weg durch Stundenpläne, Schulpflichten und Tagesabläufe für uns finden.
- Mein Kind wurde in den ersten Monaten nicht selbstständiger, sondern bedürftiger als vorher.
- Ich musste zwar weniger Plätzchen backen, aber es wurde weiterhin viel Engagement verlangt; und ich musste nach wie vor ständig an besondere Anlässe, Bastelzeug et cetera denken, der Mental Load verstärkte sich eher noch im Vergleich zur Kindergartenzeit.
- Das Schulsystem in Deutschland ist bestenfalls gutwillig, schlimmstenfalls rückständig.
- Der Körper meines Kindes veränderte sich, und es kamen nicht nur neue Gerüche dazu.
- Mein Kind hatte einen viel größeren Radius – was Themen wie Geld, Sicherheit und Umgang mit Freunden und Medien mit sich brachte.
- Es gab für das jetzt doch ziemlich große Kind plötzlich Regeln wie »Erst Frühstück, dann Tablet – nicht umgekehrt«.
Es ist also Zeit für ein Schulkinder-Buch, das uns hilft, uns, unsere Kinder und manchmal auch die Umwelt möglichst artgerecht durch diesen neuen Lebensabschnitt zu lotsen.
Besonders geholfen hat mir in den jetzt folgenden Jahren das Konzept der britischen Autorin Sarah Ockwell-Smith, die unsere Arbeit als Eltern in »Big Parenting« und »Small Parenting« aufteilt: »Das Leben ist jetzt eine seltsame Dichotomie von großer Elternschaft (mein Begriff für die Erziehung reiferer, körperlich größerer Kinder mit komplexeren Problemen und emotionalen Bedürfnissen) und kleiner Elternschaft (Erziehung kleiner Kinder mit körperlich anstrengenden, aber relativ einfachen Bedürfnissen). Dies ist die Welt des Dazwischen. Die Brücke zwischen zwei Welten. Noch kein vollständiger Teenager, aber auch kein Kind mehr. Die Jahre dazwischen sind bittersüß: der Verlust der frühen Kindheit und doch die Verheißung einer so hellen und offenen Zukunft. Sie trauern um ihre Babytage und genießen gleichzeitig den Nervenkitzel der nahenden Unabhängigkeit. Diese Zeit kann verwirrend sein, nicht nur für Ihr Kind, sondern auch für Sie.«1
Danke, Sarah. Das zu erkennen, war so entlastend. Es erklärte auch, warum mein Schulkind manchmal nicht weniger, sondern mehr Care-Arbeit brauchte als mein Kindergartenkind – und vor allem komplexere.
Aber es ist wichtig, diese Zeit zu investieren; denn Sarah fährt fort: »All das Hin und Her ist charakteristisch für diese Phase: kleine Elternschaft, die sich mit großer Elternschaft vermischt, Abhängigkeit und Unabhängigkeit, Festhalten und Loslassen. Ihre Offenheit und Unterstützung in diesen Jahren sind der Schlüssel zum Aufbau der Beziehung, die Sie in Zukunft zu Ihrem Kind haben werden.«
Da ist er wieder, der Schmidt’sche Eltern-Energie-Erhaltungssatz:2 Die Energie, die wir jetzt in die Kinder investieren, sparen wir später doppelt und dreifach wieder ein. Denn es sind die letzten Jahre, in denen wir ein Kind erziehen können. Der dänische Familientherapeut Jesper Juul (1948 – 2019) sagt in seinem Buch Pubertät,3 dass wir unsere Kinder erziehen können, bis sie zehn Jahre alt sind. Danach können wir nur noch Orientierung geben, da sein und auf die Grundlagen vertrauen, die wir bis dahin gelegt haben. Wenn Sie dieses Buch nach dem Kleinkindbuch lesen, ist Ihr Kind wahrscheinlich etwas über sechs Jahre alt, und wir haben noch circa vier, fünf Jahre, um die richtigen Weichen zu stellen. Wir beginnen in diesem Buch mit Vorschule und den ersten Schuljahren und schauen bis zum Alter von zwölf Jahren, wenn die Pubertät in der Regel voll eingesetzt hat. In dieser Zeit »dazwischen« sind wir Eltern Vorbilder und Begleiter, aber sie wird viel zu oft vernachlässigt. Wir lesen erst wieder Bücher über Kinder, wenn wir in der Pubertät vor vielen Fragezeichen stehen. Dabei können wir lange vorher schon vieles richtig machen!
Fangen wir also an.
Kleine Jäger und Sammler in der Schule
Das Konzept »Schule« ist entwicklungsgeschichtlich gesehen ziemlich neu. Wenn wir verstehen, was artgerecht für Kinder im Schulkindalter ist, können wir viele ihrer Verhaltensweisen eher verstehen und sie besser auf ihrem Weg unterstützen. Das heißt:
- Sie werden besser lernen,
- sich besser mit ihren Freunden zurechtfinden,
- besser durch die Schule kommen,
- und wir können sogar jetzt schon in die Wege leiten, dass sie zum Beispiel als alte Menschen besser für sich sorgen.
Auch für unsere Schulkinder sollten wir deshalb einen Blick in die Stammesgeschichte der Menschheit werfen, um zu verstehen, wie Kinder jahrtausendelang gelebt und gelernt haben.
Gleich zurück zu den Prinzipien des Pleistozäns zu gehen – ist das nicht ein wenig extrem? Ja, definitiv, gleichzeitig hilft es sehr. Denn es zeigt uns, woher wir als Menschen kommen und was uns geprägt hat, da wir etwa 95 Prozent unserer Evolutionsgeschichte als Jäger und Sammler in der Natur lebten.
Zwei Forscher der Universität Cambridge, Nikhil Chaudhary und Annie Swanepoel, haben auf Grundlage der eigenen Beobachtungen des Bayaka-Volkes im Kongo und der umfangreichen Forschungen von Anthropologen, die andere Jäger-und-Sammler-Gesellschaften untersucht haben, deren Leben mit unserem Grundschulalter verglichen und kommen zu dem Ergebnis: »Eine stärkere Berücksichtigung der Kindheit von Jägern und Sammlern kann wirtschaftlich entwickelten Ländern helfen, Bildung und Wohlbefinden zu verbessern.«4
Ich will daher kurz umreißen, wie unsere Kinder im Schulalter (sie sind ja nicht alle Schulkinder) den größten Teil der Menschheitsgeschichte verbracht haben, und zwar von circa 2,1 Millionen Jahren vor Christus bis vor etwa zwölf- bis achttausend Jahren. Gleichzeitig habe ich dieses Buch vollgepackt mit Tipps für unsere Zeit. Denn Schule, Medien, Freunde, Lernen, Schlafen, Essen und letztlich auch Leben finden im Jetzt statt. All das ist leichter, wenn wir wissen, wie es ursprünglich mal gedacht war. Und »ursprünglich« meint eben nicht »vor hundert Jahren«, ursprünglich im Sinne von artgerecht ist das, wofür der Homo sapiens biologisch angelegt ist.
Bei Völkern, die ihre Nahrung und alles, was sie brauchen, direkt aus wilden Ressourcen gewinnen, sind Kinder freier, autonomer und gleichzeitig besser eingebettet in ein deutlich weniger gestresstes Betreuungsnetzwerk.5 Viel Arbeit, die heute wir als Eltern machen, erledigen dort andere Menschen.
Also schauen wir einmal kurz, wofür unsere Kinder ursprünglich gemacht waren – wie immer lösen sich schon dadurch viele Probleme, die wir heute sehen, von selbst.
Perfekte kleine Wildniskinder
Ich bin mir bewusst, dass Kinder, die in Jäger-und-Sammler-Gesellschaften aufwachsen, in einer ganz...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2024 |
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Reihe/Serie | Die "artgerecht"-Reihe von Nicola Schmidt | Die "artgerecht"-Reihe von Nicola Schmidt |
Illustrationen | Claudia Meitert |
Zusatzinfo | Durchgehend vierfarbig, mit zahlreichen Illustrationen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | 2024 • Bedürfnisorientierte Erziehung • Beziehung • Beziehungsratgeber • Bindungsorientiert • eBooks • Eltern • Eltern-Kind-Beziehung • Erziehung • Erziehungsratgeber • Familienalltag • Freundschaft • Geld • Gesundheit • Grundschule • Hausaufgaben • Hormone • Kindererziehung • Klimawandel • Körperbilder • Lernen • lgbtqia+ • Medien • mithelfen im haushalt • Moderne Erziehung • Motivation • Natur • naturverbunden • Neuerscheinung • Neurodiversität • Pflichten • Pubertät • Ratgeber • Regeln • Schüchtern • Schulstart • selbstständig werden • Smartphone • Sozialverhalten • Spielen • Streit |
ISBN-10 | 3-641-28202-0 / 3641282020 |
ISBN-13 | 978-3-641-28202-8 / 9783641282028 |
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