Yachtunfälle (eBook)
240 Seiten
Delius Klasing Verlag
978-3-667-12780-8 (ISBN)
01
PATENTHALSEN
Größe der Yachten, auf denen Patenthalsen-Unfälle passiert sind Verunglückte & Verletzte Gründe für eine Patenthalse Wie oft war ein Bullenstander gesetzt?
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In elf untersuchten Fällen führten Patenthalsen – insbesondere auf größeren Yachten und bei starkem Wind – nicht nur zu fatalen Personenschäden, sondern teilweise auch zu erheblichen Schäden an der Yacht und infolgedessen in einem Fall (PLATINO) sogar zu einem fast vollständigen Kontrollverlust der Yacht. Zwei Mal trug eine Autopilotenfehlfunktion oder dessen fehlerhafte Bedienung zum Unfall bei (PLATINO und SINFONIE SYLT), in den anderen Fällen setzten Steuerfehler durch den Rudergänger die Ereigniskaskade in Gang. Bullenstander waren in neun Fällen gar nicht gesetzt, in zwei Fällen hielten sie den enormen dynamischen Kräften in der Situation nicht stand (PLATINO und CV 21).
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PLATINO PATENTHALSE AUF EINER 20-M-YACHT ZWISCHEN NEUSEELAND UND DEN FIDSCHI-INSELN 3
Die Crew der PLATINO wähnte sich gut vorbereitet für ihren ersten langen Hochseetörn mit einer vollkommen generalüberholten Ron Holland 66-Fuß-Sloop.
DIE CREW UND DIE YACHT
HINTERGRUND ZUR GEPLANTEN REISE
Das Eignerpaar verfügt über langjährige Segelerfahrung, offizielle Segelscheine hält jedoch nur die Eignerin, weshalb sie später auch die Schiffsführerin sein wird: Sie ist im Besitz eines Yachtmaster Coastal und hat einen Kurs in Ocean Navigation absolviert. Darüber hinaus hat sie an einem Überleben-auf-See- und einem Erste-Hilfe-auf-See-Kurs teilgenommen. Sie hat in 30 Jahren etwa 60-70-tausend Seemeilen ersegelt und eine achtjährige Weltumsegelung auf dem Buckel. Der Eigner blickt auf 45 Seglerjahre mit zahlreichen Regattateilnahmen und Überführungstörns vom Küstenrevier bis zu Ozeanpassage zurück und ist qualifizierter Schiffselektriker.
Die Yacht mit Baujahr 1998 wurde zwischen Februar 2014 und Dezember 2015 in Gulf Harbour nördlich von Auckland umfangreich umgebaut und ausgerüstet. In Summe wurden mehr als $ 4.000.000 Neuseeland-Dollar (etwa 2,4 Mio €) investiert und die Yacht unter anderem ausgestattet mit
- überarbeitetem Rumpf
- neuem Teakdeck
- Umbauten unter Deck
- einem kompletten Satz neuer Segel
- einer neuen hydraulischen Rollreffanlage für die Vorsegel und das Groß
- neuer Navigations- und Kommunikationsausrüstung
- neuer Sicherheitsausrüstung
- und rückblickend ein folgenschwerer Entschluss:
- – Der Targabügel, auf dem die Großschot angeschlagen war, wird entfernt und durch einen Großschottraveller auf dem Süll zwischen den beiden Cockpits ersetzt.
Nach Abschluss der Arbeiten verbringt das Eignerpaar drei Monate auf der Yacht, allerdings mehr wohnend als segelnd. Die PLATINO wird bei Flaute vom großstadtnahen Gulf Habour unter Motor in die etwa 100 sm nördlich gelegene und landschaftlich reizvolle Bay of Islands überführt, wo das Paar die Sommermonate verbringt. Während dieser Zeit wird nur an einem Tag einige Stunden gesegelt. Es ist ein Vorgeschmack auf das geplante Blauwassersegeln, und es ist kein Geheimnis, dass Blauwassersegler die meiste Zeit vor Anker oder im Hafen liegend verbringen. Es ist Leben auf dem Wasser, und man kann sich auch kaum eine passendere Yacht für solch ein Leben wünschen als die PLATINO mit ihren 20 m Gesamtlänge. Zum Ende des Sommers – also im März 2016 – segelt und motort die Zwei-Personen-Crew ihre Yacht wieder zurück nach Gulf Habour, wo einige, allesamt nicht sicherheitsrelevante, Nachbesserungen erledigt werden sollen. Zum Steuern wird fast immer der Autopilot verwendet, aber beide Eigner steuern von Zeit zu Zeit auch von Hand.
Was nun noch aussteht, damit die PLATINO auf große Fahrt gehen kann, ist eine neuseeländische Spezialität: Um mit einer Yacht unter neuseeländischer Flagge die neuseeländischen Hoheitsgewässer zu verlassen, müssen Sie sich einer Sicherheitsinspektion für Schiff und Besatzung durch einen Yacht Inspector unterziehen, damit dieser Ihnen ein Category 1 Safety Certificate ausstellt, welches Sie zur Genehmigung Ihrer Ausreise der zuständigen Aufsichtsbehörde vorlegen müssen.4 Konkret bedeutet dies, dass ein Beauftragter von Yachting New Zealand an Bord kommt, die Konstruktion und Bauweise der Yacht beurteilt, überprüft, ob die Sicherheitsausrüstung und Kommunikationssysteme ausreichend und zugelassen sind und sicherstellt, dass sämtliche Sicherheitsausrüstung gewartet ist und sich das Wartungsintervall nicht kurz vor Ablauf befindet. Zuletzt muss er von der Fähigkeit der Crew überzeugt werden, der beabsichtigten Reise gewachsen zu sein, und dass sie auf Notsituationen vorbereitet ist.
Wer einmal an einer Hochseeregatta teilgenommen hat, dem dürften die Offshore Special Regulations (OSR) von World Sailing bekannt sein. Die neuseeländischen Vorschriften für ein Category 1 Certificate sind in Umfang und Inhalt vergleichbar mit den OSR für Kategorie-1-Regatten – Regatten über lange Distanzen und weitab der Küste, wo Boote für lange Zeit auf sich gestellt sind, schwerem Wetter standhalten und in Notsituationen ohne Hilfe von außen zurechtkommen müssen. D.h.: Sie sind sehr umfangreich! Im Fall der PLATINO war der Inspector schon während der Umbauarbeiten mit einbezogen worden und hatte diese beratend begleitet, sodass die eigentliche Abnahme eine reine Formalität ist: Die PLATINO und ihre Crew halten die Vorgaben nicht nur ein, sondern übertreffen sie in vielen Punkten sogar noch und werden für geeignet für die beabsichtigte Reise befunden. Für die Reise nach Fidschi wird das Eignerpaar von drei weiteren Seglern unterstützt. Mitsegler A verfügt über viel Segelerfahrung, ist Eigner eines eigenen Bootes und drüber hinaus als Crew Regatten und Langfahrten in Küsten- und Hochseerevieren gesegelt. Er hat keine offiziellen Segelscheine. B segelt seit klein auf, ist gelernter Bootsbauer und in der neuseeländischen Regattaszene involviert. Er ist Besitzer einer Yacht, die er selbst gebaut hat und mit der er regelmäßig an Regatten teilnimmt und hält ein Boatmaster Certificate. Der fünfte an Bord, C, ist Ingenieur und verfügt ebenfalls über langjährige Segelerfahrung. Er hat an solch klangvollen Regatten wie Sydney to Hobart, Sydney to Mooloolaba und dem Auckland Club Racing Circuit teilgenommen. Er ist im Besitz eines Boatmaster Certificate. Die gesamte Crew kommt zwei Wochen vor der geplanten Abfahrt nach Fidschi für einen Probeschlag an Bord zusammen. Drei bis vier Stunden wird bei leichter Brise in den Ausläufern des Hauraki Golfs gesegelt, dabei lernt sich die Crew, die in dieser Konstellation noch nicht zusammen gesegelt ist, kennen und macht sich mit den Besonderheiten des Handlings der Yacht vertraut. Beide Vorsegel und das Groß werden gesetzt und geborgen und technische Fragen beantwortet. Allerdings, so stellt der Bericht nüchtern fest, »eine Einweisung in die Handhabung der Sicherheitsausrüstung findet nicht statt. Notfallverfahren werden nicht geübt.«
DIE GESCHEITERTE REISE NACH FIDSCHI
Die Passage nach Fidschi hatten die Eigner ursprünglich im Rahmen einer Teilnahme in der Cruising-Division beim Auckland to Denarau Yacht Race für den 4. Juni geplant, die Teilnahme daran allerdings in Anbetracht einer ungünstigen Wettervorhersage abgesagt und die Abfahrt auf den 11. Juni verschoben. Es wurde im Vorfeld sogar ein professioneller Meteorologe mit einer Routenberatung beauftragt. Um 11 Uhr morgens klariert die PLATINO beim Zoll in Auckland aus und begibt sich sodann auf ihre knapp 1200 Seemeilen lange Passage zu den Fidschi-Inseln. Am ersten Tag weht nicht genug Wind zum Segeln, und es wird bis zum nächsten Morgen allein unter Motor gefahren. Um 8 Uhr abends wird mit einem Wachsystem begonnen, in dem, mit Ausnahme der Skipperin, die für Navigation und Kochen zuständig ist, jedes Crewmitglied eine 2-Stunden-Wache übernimmt. Am Morgen des 12. Juni kommt eine leichte Brise auf, und es werden Großsegel und das große Vorsegel gesetzt. Gegen Abend kann dann ganz auf die Maschinenunterstützung verzichtet werden, und es wird in Vorausschau auf die vorhergesagte Windzunahme bereits etwas Segelfläche reduziert. Zum Sonnenuntergang liegt bei südwestlichem Wind ein schöner Raumschotskurs an. Die Crew genießt einen Sundowner, während die PLATINO auf Steuerbordbug und mit eingeschaltetem Autopiloten ihrem tropischen Ziel entgegensegelt. Etwas später wird auch ein Bullenstander gesetzt, und die Crew achtet durch Kursanpassungen am Autopiloten darauf, dass der Wind nicht zu weit achterlich einfällt. Für eine Weile steuert einer der Mitsegler während seiner...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2023 |
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Verlagsort | Bielefeld |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport ► Segeln / Tauchen / Wassersport |
Schlagworte | Faktor Mensch • geschenke für bootsbesitzer • in seenot • Jan-Erik Kruse • mann über bord • Notfall • segelboot unfall • Segeln • Segeln Buch • Segelunfall • sicherheit auf dem wasser • Unfälle vermeiden • Unfallgefahren • Unfallverhütung • Verhalten im Notfall • Yacht |
ISBN-10 | 3-667-12780-4 / 3667127804 |
ISBN-13 | 978-3-667-12780-8 / 9783667127808 |
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