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Stärker als Wut (eBook)

Wie wir feministisch wurden und warum es nicht reicht | Das Buch der »Missy Magazine«-Gründerin
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
271 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-77765-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stärker als Wut -  Stefanie Lohaus
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»Hammer-Buch. Ich freu mich so sehr darauf, wenn es alle lesen können.« Teresa Bücker
»Eine unverzichtbare feministische Bildungsreise.« Mithu Sanyal

Der Feminismus ist die erfolgreichste soziale Bewegung in der Geschichte. Dieses Buch betrachtet seine vielfältige Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus deutscher Perspektive. Es setzt eine bedeutende, eine notwendige Wegmarke für alle, die sich dem Kampf um Freiheit und Gleichheit und Gerechtigkeit verschrieben haben, für alle, die fragen: woher kommt, wohin geht der Feminismus? Was ist erreicht, was muss weiter erstritten werden?

An den eigenen Erfahrungen maßgenommen, aus profunden Kenntnissen abgeleitet, angetrieben von einer Überzeugung - die Missy Magazine-Gründerin Stefanie Lohaus beschreibt klug und eindrücklich fünf Jahrzehnte dieser weltverändernden Kraftanstrengung. Stärker als Wut legt auf umfassende Weise Zeugnis ab von Macht und Ohnmacht der Veränderung, ist generationenübergreifendes Porträt und richtungsweisender Appell.



Stefanie Lohaus, geboren 1978, ist Mitbegr&uuml;nderin und Mitherausgeberin des feministischen <em>Missy Magazine</em>. Seit 2022 ist sie Teil des Leitungsteams der Europ&auml;ischen Akademie f&uuml;r Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF Berlin), eines Forschungs- und Beratungsinstituts f&uuml;r mehr Frauen und Vielfalt in Verantwortungspositionen, und leitet in diesem Rahmen das gesellschaftliche B&uuml;ndnis &raquo;Gemeinsam gegen Sexismus&laquo;. Sie schreibt regelm&auml;&szlig;ig f&uuml;r die Kolumne &raquo;10nach8&laquo; auf <em>ZEIT ONLINE</em> und hat unter anderem f&uuml;r die <em>FAZ</em>, <em>FAS</em> und <em>Vice</em> Beitr&auml;ge verfasst. Als Interviewpartnerin ist sie regelm&auml;&szlig;ig im <em>Deutschlandfunk</em>, dem <em>WDR</em>, bei &raquo;hart aber fair&laquo; oder der &raquo;3sat Kulturzeit&laquo; zu Gast.

Die Wut und Wir


Ja, ich bin eine wütende Feministin. Was auch sonst? Gesagt zu bekommen, ich sei intelligenter, als ich aussähe. Ich könne nicht mit Technik umgehen, weil ich eine Frau sei. Im Flugzeug zu überhören, dass der Sitznachbar Angst hat, weil die Pilotin ihre Tage haben könnte. Meine Kinder täglich den Horden von Prinzessinnen, Ponys, Bauarbeitern in Büchern und Zeichentrickserien auszusetzen. Erklärt zu bekommen, dass man als Mutter den Beruf doch eigentlich ohnehin lieber aufgeben würde. Vom Kunden nach zwei Minuten Gespräch zu hören, man wolle den Chef sprechen, schließlich tue eine Frau sich mit solcher Arbeit schwer. Auf dem Heimweg im Dunkeln Angst zu haben. Das alles macht: wütend. Wahnsinnig wütend. Die Wut entsteht durch die Herabwürdigung, aber auch durch den Vergleich mit anderen. Durch die Erkenntnis, dass andere solche Situationen seltener, nie oder wenn, dann anders erleben. Durch die Einsicht, dass nicht nur individuelle Erfahrungen, sondern strukturelle Ungerechtigkeiten existieren, auf die es kaum möglich ist, zu reagieren.

Wut ist die einzig psychologisch gesunde Reaktion auf erlebte Ungerechtigkeit, auf die Einschränkung der Freiheit, auf das Erleben von Gewalt und Beschämung. Wir können sie an jedem Kind beobachten, die Wut. Auch meine Wut begann klein. Das erste Mal spürte ich sie im Kindergarten, als mir ein Erwachsener erzählte, dass Mädchen nur halb so viel wert seien wie Jungs. Es sollte ein Scherz sein, doch das wusste ich nicht. Der kindliche Wutanfall war schnell vergessen, der Zweifel blieb.

Die Wut wird verdrängt. Klar, denn wer ständig Wut empfindet, ist nicht handlungsfähig, trifft falsche Entscheidungen. Als ich einer Freundin den Titel meines Buches verriet, sagte sie sofort: »Aber du bist doch gar nicht wütend.« Sie empfand ihn als zu negativ, zu wenig konstruktiv. Die wütende Feministin ist ein Klischee. Doch ich habe kein Problem damit, dieses Klischee aufzurufen. Als Feministin wird man ohnehin an Klischees gemessen. Ich habe häufiger die Erfahrung gemacht, dass Männer mir nach dem dritten Bier bescheinigten, dass ich ja außergewöhnlich freundlich sei für eine Feministin. Weibliche Wut wird in unserer Gesellschaft sanktioniert und trivialisiert. Wütende Frauen gelten schnell als zu emotional, ihre Wut wird kleingeredet, die dahinterliegenden Gründe gar nicht erst wahrgenommen. Nicht die wütende Feministin ist das Problem, sondern die Tatsache, dass Frauen immer noch nicht angemessen wütend sein dürfen.

Wenn mich eines motiviert, meine Zeit dem Kampf gegen Sexismus, gegen Geschlechterstereotype und strukturelle Diskriminierung zu widmen, dann ist es die Vorstellung, etwas Konstruktives aus dieser Wut zu schaffen. Und so gesellschaftliche Veränderung zu erreichen und stärker als die Wut zu sein. Feminismus ist eine mühselige Angelegenheit, die nicht selten das Gefühl erzeugt, festzustecken, an einem Ort, in einer Zeit, die sich dauernd wiederholt.

Weshalb ich oft vergesse, dass sich viel zum Positiven verändert hat in den vergangenen vierzig Jahren in Deutschland. Frauen sind in zahlreiche Berufsfelder vorgedrungen – auch wenn sie oft immer noch stark unterrepräsentiert sind, sie haben an Macht und Einfluss gewonnen. Männer müssen nicht mehr gefühllose Arbeitstiere sein, sind als sorgende Väter gesellschaftlich vielerorts erwünscht. Das Thema Sexismus und Gewalt gegen Frauen, der Mangel an Kinderbetreuung, ist von der politischen Agenda nicht mehr wegzudenken. Feminismus wurde vom Unwort zum Trendwort.

Die Frauenbewegung ist die erfolgreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts. Die Beteiligung aller ist im demokratischen Wertesystem ausdrücklich erwünscht – auf vielfältige Weise. Neben dem Engagement in Parteien spielt die politische Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle, um den »Willen des Volkes« zu artikulieren. Deswegen ist Feminismus zunächst eine demokratische Angelegenheit. Es geht darum, die ersten drei Artikel unseres Grundgesetzes, die sich mit Gleichheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechten für alle befassen, in die Realität zu überführen.

Die Frauenbewegung – korrekter Frauen- und Lesbenbewegung genannt – konnte deswegen so erfolgreich sein, weil sie an die demokratischen Werte von Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit anschloss, die Frauen bis dato verweigert worden waren. Feminist*innen waren und sind vereint in dem Bestreben, diese Werte zu leben und Wirklichkeit werden zu lassen. Was sie trennt, sind Fragen danach, wessen Erfahrungen im Zentrum der Auseinandersetzung stehen sollten, was unter diesen Werten zu verstehen sei, wie ihre Umsetzung erreicht werden kann und mit welchen Methoden.

Und doch haben weder die erzielten Erfolge noch die vielen Theorien, Methoden und Ansätze die entscheidende Wende gebracht. Der Tipping-Point zu einer wirklich geschlechtergerechten Gesellschaft wurde noch nicht erreicht. Auch wenn alles zusammen den Weg in Richtung Zukunft weist, müssen wir jetzt als Gemeinschaft anders, zielgerichteter und pragmatischer vorgehen, um nicht noch 132 Jahre für die Gleichstellung kämpfen zu müssen. So lange braucht es laut Global Gender Gap Report1, sollte die Entwicklung so voranschreiten wie bisher.

Beim Festakt zum hundertjährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts im Deutschen Historischen Museum in Berlin, begangen im November 2018 zusammen mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, fiel auf, wie selten Feminist*innen diese Errungenschaften selbst feiern. Dass sie einander eher kritisch beäugen. Gegenseitiges Misstrauen bleibt oft spürbar, dabei sollten Feminist*innen einander auf die Schulter klopfen und fragen: Wie haben wir das hingekriegt? Was ist gut gelungen? Was können wir darauf aufbauend verändern, besser machen? Stattdessen wird jede Gesetzesänderung, jeder Fortschritt recht schnell zerredet und vergessen, als neuer, weiterhin unzureichender Status quo hingenommen. Die schwach ausgeprägte Fehlerkultur unter Feminist*innen, nach der abweichende Haltungen in nur wenigen Fragen zu Spaltung oder Ausschlüssen führt, ist ein Problem, sie schwächt die Bewegung. Manche Feminist*innen wirken defizitorientiert und stark von theoretischen Konzepten geprägt, die schwer in die Praxis zu überführen sind. Beides, kritisches Denken und eine Orientierung an Visionen und Utopien, hat wichtige und positive Aspekte, führt dann aber eben oft zu Frustration und Ermüdung. Dem Gefühl, es nicht richtig zu machen. Nicht umsonst gibt es den Begriff des »Feminist Burnout«.

Das »Wir« des Titels dieses Buches, es ist unter Feminist*innen beides: ersehnt wie verpönt. Die Frauen- und Lesbenbewegung der 70er Jahre2 wird aus heutiger Perspektive oft für das »Wir« kritisiert: »Wir Frauen«, »Gemeinsam sind Frauen stark«, das sind feministische Slogans der damaligen Zeit. Das »Wir« sei essentialistisch, biologistisch, konstruiert, mache marginalisierte Positionen unsichtbar, so lautet die Kritik, die schon in den 70ern und 80ern aus Sicht derer formuliert wurde, die in der Bewegung marginalisiert oder ausgeschlossen wurden. Wirkzusammenhänge zwischen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Klassenunterdrückung oder Behindertenfeindlichkeit wurden weder gesehen noch erfragt. Daraufhin gründeten Lesben eigene Zusammenschlüsse, wie etwa die Proll-Lesbengruppen3, die Klassenunterschiede thematisierten. Die Lesbenbewegung ist historisch als eigene Bewegung zu verorten, zwar eng mit der Frauenbewegung verknüpft, dennoch abgegrenzt und zu weiten Teilen eigenständig. Und auch jüdische4 und Schwarze Frauen und Krüppel-Frauen5 fanden sich zusammen, um ihre Gemeinsamkeiten entlang anderer Zugehörigkeiten und Identifikationen zu klären und in politisches Handeln zu übersetzen6. Insbesondere in den 90er Jahren war die migrantische Frauenbewegung7 sehr aktiv, als Reaktion auf den massiv zutage tretenden Rassismus nach der Wiedervereinigung.

Die feministische Bewegung als Geschichte einer einheitlichen Gruppe von weißen8, nichtjüdischen, nichtmigrierten Mittelschichtfrauen zu beschreiben, ist also falsch. Auch wenn Angehörige dieser Gruppe dominierten und bis in die jüngste Vergangenheit für viele nicht-feministisch interessierte Personen die in der Öffentlichkeit einzig sichtbaren und damit auch vorstellbaren Feminist*innen waren. Vieles von dem, was heute...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 8. März • Aktivismus • aktuelles Buch • Alice Hasters • Anne Wizorek • Appell • Bücher Neuererscheinung • bücher neuerscheinungen • Care-Arbeit • Deutsche Geschichte • Emanzipation • Feminismus • Frauen in der Gesellschaft • Frauenrechte • Frauen und Männer • Gender Pay Gap • Gerechtigkeit • Geschlechterrollen • Geschlechterstereotype • Geschlechterungleichheit • Gleichberechtigung • Internationaler Frauentag • Kampf um Gleichheit • Missy magazine • Neuererscheinung • Neuerscheinungen • neues Buch • Rolle der Frau • Sexismus • Sibel Schick • Sophie Passmann • ST 5359 • ST5359 • strukturelle Diskriminierung • suhrkamp taschenbuch 5359 • Teresa Bücker • Ungleichheit • Unlearn Patriarchy
ISBN-10 3-518-77765-3 / 3518777653
ISBN-13 978-3-518-77765-7 / 9783518777657
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