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Queere Kinder -  Verena Carl,  Christiane Kolb

Queere Kinder (eBook)

Eine Orientierungshilfe für Familien von LGBTQIA+ -Kindern und -Jugendlichen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
260 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86769-8 (ISBN)
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Wenn die 12-Jährige beim Abendessen erklärt, dass sie in ein Mädchen verliebt ist, oder das 16-jährige Kind sich als genderfluid outet - dann sind viele Eltern erst einmal ratlos, machen sich Sorgen und fragen sich, ob das nur eine Phase und ein Ausprobieren ist - oder mehr? Verena Carl, Mutter eines queeren Teenagers, und Christiane Kolb, Sexualwissenschaftlerin, stehen Eltern von queeren Kindern mit Wissen und Rat zur Seite - ob lesbisch, non-binär, trans oder ganz ohne Label. Sie bieten umfassende Informationen zur Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten und wie es gelingt, in der Familie einen offenen, zugewandten Umgang zu finden. Denn Kinder und Jugendliche auf Augenhöhe begleiten zu können, bietet eine Chance für gemeinsames Wachstum und Verbundenheit. Begleitet wird die fundierte und einfühlsame Annäherung an ein für Eltern oft schwieriges Thema von zahlreichen Interviews, u.a. mit einem trans Jungen, dem Vater einer lesbischen Tochter sowie einer Psychologin, einem Mediziner und einem Soziologen. Übungen z.B. zum Umgang mit widerstreitenden Gefühlen, Leitfäden für Familiengespräche auf Augenhöhe sowie ein ausführliches Glossar runden das Buch ab.

Verena Carl ist Journalistin für Psychologie- und Gesellschaftsthemen, Autorin zahlreicher Romane und Sachbücher sowie Mutter eines Teenagers, die sich seit vielen Jahren als genderfluid und bi definiert. Für ihr literarisches Werk wurde sie unter anderem zweimal mit dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet. Verena Carl lebt mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann in Hamburg.

Einleitung


Elternsein ist eine Reise mit unbekannter Route und unbekanntem Ziel. Vom ersten Tag an begleiten wir unsere Kinder mit guten Wünschen, Hoffnungen und eigenen Vorstellungen davon, wie ihr Leben wohl verläuft und wo es hinführt. Nur um immer wieder festzustellen: Längst nicht alles, was wir uns ausgemalt haben, tritt auch ein. Denn unsere Kinder haben – hoffentlich! – ihren eigenen Kopf, ihre eigenen Ziele, eigene Leidenschaften und Sehnsüchte. Sie sind nicht das, was wir aus ihnen machen, sondern bringen unverwechselbar Eigenes mit, Gefühle und Persönlichkeit. Sicherlich erkennen wir als Reisebegleiter*innen einiges wieder, was vertrautes Terrain für uns ist, etwa, wenn sich unsere Kinder für Hobbys begeistern, die uns selbst Vergnügen bereiten, oder wir Charakterzüge an ihnen entdecken, die uns von uns selbst, unserem Partner oder unserer Partnerin vertraut sind. Aber je älter sie werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie neue, andere Wege gehen, Grenzen überschreiten, Terrain erobern, das uns fremd ist und in dem unsere eigenen Ortungssysteme nicht mehr funktionieren.

Dabei hat jede Elterngeneration ihre eigenen Themen, bei denen sie innerlich ins Schleudern gerät, schlicht, weil es keine oder wenig Erfahrungen aus der eigenen Kindheit gibt, an denen man sich orientieren könnte. Zum Teil liegt das daran, dass Herausforderungen tatsächlich neu sind, etwa der digitale Wandel. Zum Teil liegt es aber auch daran, dass sich der gesellschaftliche Umgang mit Themen geändert hat. Und dass dadurch etwas sichtbar wird, was früher eher im Verborgenen stattfand, und heute eigene Ausdrucksformen und eine eigene Sprache findet.

Damit sind wir bei unserem Thema – und dem Thema dieses Buches: die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten. Auf einmal erklärt die 12-Jährige beim Abendessen, dass sie in ein Mädchen verliebt ist und möglicherweise bi. Der 16-jährige Sohn klebt sich Gelnägel an, trägt Crop-Tops, und wir fragen uns, ob das nur ein Style ist oder ein Statement (nur: welches?). Und von einem Nachbarskind, das wir immer für ein burschikoses Mädchen gehalten haben, hören wir, dass es seinen weiblichen Namen abgelegt hat und sich als trans* Junge definiert.* Dieses Buch will genau hier Orientierung geben: Wie gehen wir mit alldem um? Was sollten wir dazu wissen? Wie können wir unsere Kinder unterstützen, ernst nehmen, begleiten? Ist das nur eine Phase? Eine gesellschaftliche Mode? Wie finden wir überhaupt die richtigen Worte für das, worüber wir reden sollten: LGBT – wie?

Viele Eltern, die heute um 40 oder 50 Jahre alt sind, stellen spätestens mit der Pubertät ihrer Kinder fest: Die Welt hat sich weitergedreht, und plötzlich fühlen wir uns wie von gestern, auch wenn wir uns für tolerant, aufgeklärt und cool hielten. Vor allem gilt das natürlich für die Mehrheitsgesellschaft, die sich – so wie wir beiden Autorinnen auch – als heterosexuell und cis versteht, sich also in gegengeschlechtlichen Liebesbeziehungen und dem Geschlecht zu Hause fühlt, das in unserer Geburtsurkunde steht. Vielleicht erklären wir unseren Kindern, wenn sie kleiner sind, durchaus wohlmeinend, dass es völlig okay ist, wenn sie später eine Partnerin oder einen Partner des gleichen Geschlechts wählen. Und wir lassen sie wissen, dass es Menschen gibt, die sich trotz eines äußerlich männlichen Körpers als weiblich empfinden und umgekehrt oder sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Aber wirklich damit rechnen, dass es unsere Kinder betrifft, das tun wir eher nicht. Wenn doch, sind wir im ersten Moment oft ziemlich ratlos.

Immer mehr Eltern, aber auch Patentanten und -onkel, Lehrer*innen oder Jugendtrainer*innen erleben diese Aha- und Verwirrungsmomente, das verrät allein schon die aktuelle Statistik: Schon vor einigen Jahren erhob ein Umfrageinstitut, dass sich heute mehr als 12 Prozent aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 29 Jahren als nicht rein heterosexuellempfinden. Das ist jeder und jede Achte der nachwachsenden Generation. In anderen europäischen Ländern sind die Werte zum Teil noch höher1. Und beim Thema Transidentität, also wenn Menschen sich nicht oder nicht immer mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren, sind die Zahlen förmlich explodiert: Die Anzahl derer, die in Beratungsstellen Hilfe suchen, hat sich in den letzten Jahren etwa verdreißigfacht, wenn auch auf niedrigem Niveau.2 Dazu kommen die trans* Jugendlichen, die niemals in einer Statistik auftauchen, weil sie keine therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen und nichts an ihrem Körper oder ihrem amtlichen Geschlechtseintrag ändern wollen, aber sich trotzdem selbstbewusst zwischen alle gängigen Schubladen setzen. Andere outen sich als genderfluid oder nichtbinär.

Und das ist selbst für die wohlwollendsten, liebevollsten hetero und cis Eltern oft erst einmal eines: gewöhnungsbedürftig. Es macht einen Unterschied, ob wir den netten schwulen Kollegen mit seinem Mann für einen Abend zur Gartenparty einladen, von fern den interessant-androgynen Look und die außergewöhnliche Stimme einer trans* Sängerin bewundern – oder ob wir ein Kind haben, das uns täglich ganz direkt herausfordert, in unserer Toleranz, unseren eigenen Vorstellungen von Liebe und Sexualität, Männlichkeit und Weiblichkeit. Hier sind wir als Eltern gefragt. Denn wie wir darauf reagieren, kann für unsere Kinder buchstäblich lebensentscheidend sein.

Gleichzeitig ist das Thema nicht nur Stoff für private Findungsprozesse: Wir befinden uns mitten in einem Kulturkampf, der vor allem in den Medien mit harten Bandagen gefochten wird, von der Tagespresse bis Twitter. Vor allem auf der politischen Rechten wird das Thema gern negiert, ins Lächerliche gezogen, oder es werden Verschwörungstheorien konstruiert. Etwa die, dass die Generation unserer Teenager manipuliert und verwirrt werde, dass ihnen Flausen in den Kopf gesetzt würden, auf die sie von allein gar nicht kämen. Um es klar zu sagen – und wir werden es später auch ausführlich begründen: Da gehen wir nicht mit, mehr noch, das halten wir für menschenfeindlich. Aber: Obwohl wir »woke« nicht für ein Schimpfwort halten, wissen wir, dass auch von progressiver Seite gelegentlich scharf geschossen wird und Leuten reflexhaft Homo- und Transfeindlichkeit unterstellt wird, die vielleicht erst mal nur ein paar Fragen haben. Das eine ist mit dem anderen nicht zu vergleichen. Aber es kann Gräben noch vertiefen, wenn doch vor allem eines wichtig wäre: miteinander zu reden. Das ist unser Credo: Gefühle und Identitäten gilt es zu achten, zu verstehen und zu respektieren.

Das Terrain ist also herausfordernd, hindernisreich, spannend, auch horizonterweiternd – und auch wir als Autorinnen können weder jede Frage beantworten noch bei jeder Entscheidung, die Eltern und Kinder möglicherweise treffen müssen, den richtigen Weg aufzeigen. Denn dazu sind Menschen und Lebenswege zu unterschiedlich. Aber was wir können, ist: Informationen zusammentragen und aufklären, und gleichzeitig Verständnis haben für alle, die nicht so genau wissen, wie sie mit ihrem Regenbogennachwuchs umgehen sollen. Denn wir wissen sehr gut, wovon wir reden.

Verena, weil sich eines ihrer beiden Teenagerkinder schon seit vielen Jahren als genderfluid und bi definiert und viele Freund*innen mit ähnlich gelagerter Identität hat. Auch als Journalistin und Autorin für Psychologie- und Gesellschaftsthemen hat Verena sich immer wieder mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Und Christiane, die ebenfalls als Journalistin mit dem Schwerpunkt Sexualität arbeitet und zusätzlich vor wenigen Jahren ein Masterstudium für Angewandte Sexualwissenschaft abgeschlossen hat und als Systemische Beraterin und Referentin für Sexuelle Bildung unterwegs ist. Sie bringt also zusätzlich einen akademischen Blick auf das Thema mit und begegnet beruflich einem bunten Spektrum von Identitäten, theoretisch wie praktisch.

So ist auch unsere Arbeitsteilung in diesem Buch zu verstehen. Verena schwärmt aus, um Menschen zu treffen, die eng mit dem Thema vertraut sind. Solche, die es buchstäblich am eigenen Leib erfahren – der schwule Junge, das trans* Mädchen in einer Jugendgruppe –, solche, denen es als Eltern nahegeht, etwa als Vater einer lesbischen Tochter. An manchen Stellen sind Details verfremdet, und vieles ist anonymisiert, zum Schutz der ...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-407-86769-7 / 3407867697
ISBN-13 978-3-407-86769-8 / 9783407867698
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