Persönlichkeitsentwicklung bei Zwillingen (eBook)
132 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-7523-7 (ISBN)
Katja Masin ist Mutter von eineiigen Zwillingsmädchen und gelernte pädagogische Fachkraft. Das Buch entstand im Rahmen ihrer Ausbildung.
Was bedeutet der Begriff „Persönlichkeit“?
Im Sprachgebrauch wird der Begriff „Persönlichkeit“ oftmals verwendet, um den Charakter, die Eigenschaften, Handlungsweisen und auch die Ausstrahlung einer Person zu beschreiben.
In der wissenschaftlichen Literatur werden neben dem Begriff „Persönlichkeit“ auch die Bezeichnungen „Identität“ und „Selbstkonzept“ verwendet.
Die grundsätzliche Frage in Bezug auf die Persönlichkeit ist oft, ob die Anlage oder die Umwelt ausschlaggebender für die Entwicklung der Persönlichkeit ist.
Darum werde ich in diesem Kapitel auch die Bedeutung des genetischen Einflusses auf die Persönlichkeitsmerkmale näher beschreiben. Da Zwillingsstudien eine der geeigneten Methoden sind, um diese Erkenntnisse zu erforschen, stelle ich ausgewählte Ergebnisse von Zwillingsstudien am Ende des Kapitels vor.
Begriffsklärung Identität, Selbstkonzept und Persönlichkeit
„Der Begriff Identität bezieht sich zunächst in einem allgemeinen Sinn auf die einzigartige Kombination von persönlichen, unverwechselbaren Daten des Individuums wie Name, Alter, Geschlecht und Beruf, durch die das Individuum gekennzeichnet ist und von allen anderen Personen unterschieden werden kann.“[10] Dabei ist zu beachten, dass nur ein Teil der Identitätsaspekte mehr oder weniger frei wählbar ist, wie zum Beispiel der Beruf, da andere Merkmale aufgrund von biologischen oder ethischen Merkmalen festgelegt sind, wie beispielsweise das Geschlecht.
Dabei lässt sich die Identität in bereichsspezifische Identitäten aufteilen, die jedoch nicht unabhängig voneinander zu sehen sind. So kann bei Zwillingen von einer Paaridentität, aber auch von einer jeweils eigenen Identität der Individuen gesprochen werden. Näher wird darauf im Kapitel „Geschwisterliche Zwillingsbeziehungen“ eingegangen.
Der Begriff der Identität ist außerdem vergleichbar mit dem Begriff des Selbst, das den Kern der Persönlichkeitsstruktur, also das Wesentliche der Person kennzeichnet.
Aber nicht nur die eigene, sondern auch die Fremdwahrnehmung prägt den Identitätsbegriff. „In einem engeren psychologischen Sinn ist Identität die einzigartige Persönlichkeitsstruktur, verbunden mit dem Bild, das andere von dieser Persönlichkeitsstruktur haben.“[10]
Laut Rogers ist die Bildung des Selbst einer der wichtigsten Prozesse in der Persönlichkeitsentwicklung. Das Selbstkonzept wird auch als das selbstbezogene Wissenssystem bezeichnet und beschreibt die geistige Repräsentation der eigenen Persönlichkeit. „Selbstbezogenes Wissen umfasst immer Annahmen dazu, was für ein Mensch man ist, man war und man sein wird."[4] Neben dem realen Selbst existiert ein mögliches Selbst, das beschreibt, was man hätte sein oder werden können.
Das Selbstkonzept entsteht also aufgrund der Art und Weise, wie das Kind von sich selbst denkt. Dabei folgt dem Bedürfnis nach positiver Beachtung durch andere das Bedürfnis nach Selbstbeachtung, das sich bildet, wenn das Kind lernt, eigene Verhaltensweisen aufgrund der Bewertungen anderer als positiv oder negativ einzuschätzen. Das Kind bewertet dann jene seiner Verhaltensweisen positiv, die zu einer positiven Rückmeldung von wichtigen Bezugspersonen führen und jene negativ, wofür es negatives Feedback erhält.
Der Begriff Persönlichkeit wird auch als Bezeichnung für das psychologische System des Menschen verwendet. „Unter der Persönlichkeit wird in der Psychologie die Gesamtheit aller individuellen Besonderheiten eines Menschen verstanden, die sein Erleben oder Verhalten betreffen.“[2] Dazu gehört Temperament, Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen, Werthaltungen, Selbstbild, Selbstwert und individualtypische Ausprägungen der körperlichen Gestalt, der Physiologie und der Gene, sofern sie erlebens- oder verhaltensrelevant sind.
„Die Persönlichkeit ist also all das, was ein Individuum von anderen unterscheidet.“ [2] Diese Merkmale sollen dabei dadurch charakterisiert sein, dass sie nicht vorübergehend auftreten, sondern überdauernd sind. Aus aktuellem Erleben oder Verhalten eines Menschen kann demnach nicht auf seine Persönlichkeit geschlossen werden. Dabei ist der Persönlichkeitsbegriff nicht statisch zu verstehen, da er durchaus mit Entwicklung vereinbar ist. Zu den Persönlichkeitsbereichen gehören die Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen und Menschen, der Gefühls-, und Stimmungsbereich, die Impulskontrolle, die Bedürfnisbefriedigung und die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Es gibt eine Vielzahl an Konstrukten zur Beschreibung der Persönlichkeit. Das verbreitetste zeitgenössische Konzept ist die Darstellung anhand des Fünffaktorenmodells, auch die „big five“ genannt, das die Dimensionen Neurotizismus (emotionale Labilität), Extraversion (Haltung gegenüber der Umwelt), Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit umfasst.
Genetischer Einfluss auf Persönlichkeitsmerkmale
Die Aussagen: „Das hat sie von der Mutter“ oder „Das Kind ist wie sein Vater“ kennt jeder, der selbst Kinder hat. Die Frage ist dabei, wie viel von dem, was man ist, vererbt ist. „Neben möglichen vorgeburtlichen Einflüssen wird die Persönlichkeit eines Menschen sicher von vielen anderen Faktoren geprägt, wozu nicht zuletzt seine Gene gehören.“[6]
Die DNA des Menschen ist weitgehend unveränderlich. „Jeder Mensch verfügt über 23 Paare von Chromosomen, wobei jedes Elternteil die Hälfte jedes Paares beisteuert. Die Chromosomen enthalten die Gene, die die körpereigene Produktion von Proteinen steuern.“[5] „Die Gene werden als der magische Schlüssel zum Leben betrachtet, enthalten sie doch den Bau- und Funktionsplan für ein Lebewesen.
Das eigentliche Wunder ist aber der komplexe und noch wenig verstandene Entwicklungsprozess, der einen Organismus überhaupt entstehen lässt.“[8] Der Begriff Genom bezeichnet den vollständigen Satz der Gene, der sich auf den 23 Chromosomenpaaren befindet. Obwohl das menschliche Genom nahezu entschlüsselt ist, ist die genaue Funktion jedes dieser Gene noch nicht bekannt.
Es gibt dominantere Erbmerkmale als andere, aber auch gleichberechtigte. Welche Gene sich durchsetzen, ist dabei nicht immer vorprogrammiert. „Sehr lange glaubten Wissenschaftler, was Eltern ihren Kindern vererbten, beschränke sich vor allem auf Äußerlichkeiten [...] während die Persönlichkeit ausschließlich auf den Einfluss der Umwelt zurückzuführen sei.“[9]
Interessant ist also in diesem Zusammenhang, wie hoch die Relativität des genetischen Einflusses auf die Persönlichkeitsunterschiede ist. Genetische Einflüsse und Umwelteinflüsse auf Persönlichkeitsmerkmale sind nicht unabhängig, sondern sind in Abhängigkeit voneinander zu sehen, das bedeutet zum einen, dass genetische Wirkungen von Umweltwirkungen abhängen können und umgekehrt zum anderen, dass sich genetische Risiken und Umweltrisiken wechselseitig verstärken können. „Wir werden also nicht nur von Genen gesteuert, sondern wir steuern sie auch selbst, durch die Art, wie wir leben, durch die Erfahrungen, die wir machen.“[9]
Ergebnisse ausgewählter Zwillingsstudien
„Die häufigste Methode zur Ermittlung von Erblichkeit bei Menschen sind die Zwillingsstudien. Für jedes Merkmal gilt: Je mehr das Maß von Übereinstimmung bei eineiigen Zwillingen und bei Zweieiigen voneinander abweicht, desto größer ist die Erblichkeit.“[14] Wenn also ein bestimmtes Merkmal, wie die Blutgruppe oder die Augenfarbe vollständig erblich ist, beträgt die Übereinstimmung 100 Prozent bei eineiigen Zwillingen.
Die Kritik an Zwillingsstudien besteht oftmals darin, dass den Wissenschaftlern methodische Blindheit vorgeworfen wird. „Der Blick des Forschers ist darauf gerichtet, das zu entdecken, was er auch entdecken will. Manche Gemeinsamkeiten bei Zwillingen sind so umwerfend, dass sie die Unterschiede, so zahlreich sie sein mögen, in den Hintergrund treten lassen.“[9] Es gibt aber auch gegenteilige Fälle. So untersuchte eine Forschungsgruppe um Dr. Peter Neubauer getrennt aufwachsende Zwillingspaare, die zur Adoption freigegeben wurden und nichts von der Identität des Zwillingsgeschwisters wussten.
„Man erwartet, dass eineiige Zwillinge, die in verschiedenen Milieus aufwachsen, von dem unterschiedlichen Kräftespiel innerhalb der Familien geprägt würden.
Pauschal ausgedrückt würden die Persönlichkeitsunterschiede der älter werdenden Mädchen einen Maßstab für die Validität der fundamentalsten Annahme der klinischen Psychologie bieten, die besagt, dass die Erfahrung - und vor allem der familiäre Hintergrund – uns zu den Menschen macht, die wir sind."[14]
Allerdings bestätigte sich die Annahme der...
Erscheint lt. Verlag | 5.7.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Bewerbung / Karriere |
ISBN-10 | 3-7578-7523-0 / 3757875230 |
ISBN-13 | 978-3-7578-7523-7 / 9783757875237 |
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Größe: 1,1 MB
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